Neue Analyse zu nordkoreanischen Nuklearexperimenten: Gab es 2010 zwei bisher unbemerkte Tests?


Heute wurde durch einen Artikel in der Zeitschrift nature ein Thema wieder aufs Tapet gebracht, das bereits vor über einem Jahr diskutiert, dann aber wieder vergessen wurde. Im Mai 2010 hatten Messstationen in Südkorea ungewöhnlich hohe Konzentrationen des Edelgases Xenon (genauer Xenon-133 und Xenon-133m) gemessen und es wurden ebenfalls deutlich erhöhte Konzentrationen des kurzlebigen Barium-140 und dessen Zerfallsprodukts Lanthanum-140 festgestellt.

Der Hintergrund: Phänomene und Spekulationen

Damals wurde vor allem wegen der hohen Xenon Konzentration spekuliert, Nordkorea sei dabei eine neue, schlagkräftigere Art von Nuklearwaffen zu entwickeln. Diese Spekulationen wurden befeuert durch Meldungen der nordkoreanischen Propaganda, man habe erfolgreiche Versuche zur Kernfusion durchgeführt. Da jedoch keine seismischen Hinweise auf einen Nukleartest in Nordkorea festzustellen war, Nordkorea keinen Nukleartest verkündete und ein Fusionsreaktor (die sehr schwierig zu bauen sind, denn bisher damit nur experimentiert und ich würde nicht wetten, dass sich das je ändert) keine Abfallprodukte produzieren würde (das Thema wurde z.B. auf Arms Control Wonk breit diskutiert. Die Leute die da schreiben und kommentieren haben echt Ahnung. Daher lohnt es sich neben dem vorher verlinkten auch das und das samt Kommentaren zu lesen), wurden diese Überlegungen bald fallengelassen und das Thema ruhte forthin.

Neue Bewertung der Fakten…

Fast jedenfalls, denn scheinbar diskutierte und untersuchte man die ungewöhnlichen Messwerte in Expertenkreisen weiter (Naturwissenschaftler haben ja oft die angenehme Eigenschaft, dass sie sich von Phänomenen, für die bisher keine plausiblen Erklärungen gefunden wurden, besonders motivieren lassen). Seine Ergebnisse dieser Nachforschungen wird Lars-Erik De Geer, ein schwedischer Wissenschaftler in der April/Mai Ausgabe der Zeitschrift Science and Global Security (die ist peer reviewed, was meistens (es gab da in der Vergangenheit leider Ausnahmen) für eine hohe Qualität bürgt) vorstellen. De Geer vermutet in dem Artikel, dass Nordkorea im April und Mai 2010 jeweils einen Nukleartest mit sehr kleiner Sprengkraft durchgeführt hat.

…und die Bewertung der Bewertung

Den Artikel von De Geer hat Geoff Brumfield zum Anlass genommen, die Annahmen in der nature schon vorab zu diskutieren und hat dazu die Meinung weiterer Experten hinzugezogen. Das Bild fällt durchwachsen aus. Während die Annahme durchaus Unterstützer finden, gibt s auch Kritiker. Diese berufen sich besonders darauf, dass ein Nukleartest nicht ohne seismische Spuren hätte ablaufen können. Es gebe durchaus andere Erklärungen für die aufgetretenen Phänomene, beispielsweise die Neubefüllung eines Reaktors in einem Nachbarland. Der Autor gab an, er hoffe dass sein Artikel die Debatte um das ungewöhnliche Phänomen neu befeuern würde und die Mitgliedsstaaten der Preparatory Commission for the Comprehensive Nuclear-Test-Ban Organization (CTBTO) die Organisation formell auffordern würden die Daten zu prüfen (ohne eine solche formelle Aufforderung kann die Organisation nicht tätig werden).

Nichts genaues weiß man nicht, aber…

Ich bin kein Physiker und erst recht kein Atomphysiker (oder was man auch immer man sein muss, um die Details zu verstehen), aber interessant finde ich diese neuen Erkenntnisse, oder vielmehr Bewertungen selbiger trotzdem. Zwar habe ich ebenfalls so meine Probleme damit, mir vorzustellen, dass Nordkorea völlig unbemerkt zwei (wenn auch kleine) Nukleartests durchführt, aber der ganze Sachverhalt macht schon hellhörig. Einerseits, weil auch ich unerklärte Phänomene (vor allem wenn sie Menschengemacht sein müssen, wie es hier der Fall war) recht unbefriedigend finde. Andererseits aber auch, weil die kryptischen Meldungen Nordkoreas hinsichtlich der erfolgreichen Kernfusion immernoch einer Klärung harren.

…die Debatte wird interessant werden

Natürlich könnte man die Meldungen der nordkoreanischen Propaganda als „Propagandaquatsch“ abtun (ich habe mich selbst darüber lustig gemacht), allerdings hat Pjöngjang ja schon zuvor bewiesen, dass es hinsichtlich seines Nuklearprogramms nicht so kreativ mit der Realität umspringt, wie in anderen Bereichen. Vielleicht sind die Erklärungen für beide Phänomene tatsächlich miteinander verbunden. Ich bin mir sicher wir werden bald mehr davon hören und bin gespannt, wie die Experten das diskutieren. Ich denke in den nächsten Tagen werden wir auf Arms Control Wonk was dazu lesen können. Immerhin wurde einer der Autoren für den nature Artikel befragt. Endgültige Gewissheit wird es aber wohl erst geben, wenn Nordkorea selbst etwas dazu vorzuzeigen oder zu sagen hat…