Von Achsen-Träumen und neuen Kalten Kriegen: „China, Iran and North Korea: A triangular strategic alliance“

Irgendwie komme ich in letzter Zeit nicht so recht weg von der Achse des Bösen. Das hat nun aber nichts damit zu tun, dass ich ständig darüber nachdenken würde, ob da nicht doch eine Achse ist, und was die Beweise für ihre Existenz wären. Nein, eigentlich halte ich das Gerede von der Achse eher für eine Fußnote der Geschichte und ich bezweifle, dass sich zwischen denen, die George W. Bush damals in der Achse angesiedelt hatte, jemals eine wirklich enge Allianz ergeben wird. Allerding scheint es Andere zu geben, die sich von den Achsen-Träumen noch nicht so recht lösen können und scheinbar auch den relativ einfachen Denkstrukturen des Kalten Krieges („die und wir“) nachtrauern. Dr. Christina Y. Lin scheint ein solcher Mensch zu sein. Eben stieß ich auf ein Paper von ihr, das den sprechenden Titel „China, Iran and North Korea: A triangular strategic alliance“ trägt. Zuerst dachte ich: „Alles klar, mal wieder ein versprengter Irrer extrem Konservativer, der einfach nicht wahrhaben will, dass sein Weltbild schief war die Politik, die daraus resultierte grandios gescheitert ist und dass man sich nen neuen Ansatz suchen muss und der daher mit aller Macht gegen die Realität anschreibt.“ Hab dann ein bisschen recherchiert und gesehen, dass das Paper bei einer durchaus seriösen Institution veröffentlicht wurde und dass ihr akademischer Hintergrund auch ganz solide daherkommt (Also nicht mit Dr. von irgend ner komischen Wald und Wiesen Uni in der sich Hillbillies vor dem Angriff der UN-Armee fürchten oder so (Das war das was ich mir ungefähr vorgestellt hab als ich mit dem Schrieb durch war)) und sie auch schonmal für das State Department der USA gearbeitet hat (Unter welcher Regierung steht zwar nicht da, aber ich hab da so meine Vermutungen (dürfte auf jeden Fall über ein Jahr her sein)). Außerdem hab ich noch weitere Papers von ihr gefunden deren Namen ebenfalls für sich sprechen: „The King from the East: DPRK-Syria-Iran Nuclear Nexus and Strategic Implications for Israel and the ROK“ (Hier kommt auch der wunderbare Begriff „nuclear axis of evil“ vor) und „For Such a Time as This. The Sino-Russian Axis and Security Challenges for Transatlantic Relations“ (zwar nicht „evil“ aber immerhin „axis“). Das Erste hab ich mir ganz durchgelesen, die anderen Beiden nur überflogen.

Zusammenfassend und vorneweg möchte ich sagen, dass ich ihre Ergebnisse für totalen Quatsch halte, die Lektüre aber trotzdem interessant fand. Warum, das werde ich euch jetzt schildern. Dabei halte ich mich nur an das Nordkorea-China-Iran-Werk, weil die Anderen Nordkorea nicht so ausgiebig behandeln und weil  ich nicht die Nerven und die Zeit hatte, sie ganz zu lesen.

Schon beim ersten Satz ihres Aufsatzes dachte ich: „Da kann doch was nich stimmen!“

While the international community is facing a nuclear stalemate with Iran and North Korea, China is increasingly emerging as a Great Wall in blocking the path towards sanctions and peaceful resolution of the Iranian nuclear crisis and denuclearizaton of the Korean Peninsula.

Entweder habe ich was nicht richtig mitgekriegt oder sie. Ich für meinen Teil erinnere mich daran, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den letzten vier Jahren drei Resolutionen gegen Nordkorea erlassen hat, von denen zumindest die letzten beiden erhebliche Einschränkungen für das Regime in Pjöngjang mit sich brachten. Hm, wo China da “zunehmend“ Sanktionen blockiert hat ist mir schleierhaft. Auch bezüglich der Iranfrage allein auf China zu zeigen scheint mir eine etwas verkürzte Darstellung (aber vermutlich passte Russland in diesem Kontext nicht). Aber zurück zu dem Text. Lin versucht Zusammenhänge herzstellen, wo kaum welche zu finden sind. Sie schafft es zwar Verbindungen zwischen China und Nordkorea (was für eine Überraschung), China und Iran und Nordkorea und Iran herzustellen. Aber Verbindungen zwischen China, Nordkorea und Iran (was ich als Dreieck und strategisches Bündnis verstehen würde), kann sie nicht herstellen.

Der Aufsatz besteht also aus mehreren Einzelteile, zwischen denen eigentlich nur die Überschrift als Bindeglied fungiert. Aber die Einzelteile sind recht interessant. Da gibts einen Teil zu Chinas „neuer Seidenstraße“ und der „Perlenkettenstrategie“, die beide mit Pekings zunehmender wirtschaftlicher und politischer Macht, vor allen Dingen aber mit Chinas Bedarf nach Rohstoffen, zu tun haben. Beide Elemente der chinesischen Strategie sind zwar nicht unbedingt neu, aber recht angenehm aufbereitet. Allerdings haben sie nichts aber auch garnichts mit Nordkorea zu tun und berühren Iran nur periphär (weil Iran am Ende der neuen Seidenstraße stehen würde und einen Teil der Perlenkette von Häfen und Stützpunkten bilden könnte, die den Einfussbereich der chinesischen Seestreitkräfte langfristig bis ans Horn von Afrika ausdehnen könnte).

Der Teil über die strategische Allianz zwischen Iran und Nordkorea beruht so etwa zu einem Viertel auf Aussagen, die als gesichert gelten können, der Rest ist eine (durchaus interessante und fast vollständige) Sammlung wilder Gerüchte, inoffizieller Memos und Aussagen von Anonymen Leuten (das Übliche also). Nur wo es um die Kooperation bei der Produktion und Entwicklung ballistischer Raketen geht scheint einiges dran zu sein. Aber sie versucht auch noch eine nukleare Kooperation die in die Mitte der 1990er Jahre zurückreicht ins Spiel zu bringen (Ganz zu schweigen von der Miniaturisierung nuklearer Sprengköpfe, zu deren Zweck sich iranische und nordkoreanische Ingenieure ständig gegenseitig besuchen (Seit Anfang des Jahrausends)) und dem Tunnelbau, bei dem Nordkorea nicht nur dem Iran, sondern auch der Hisbollah im Libanon geholfen hat. Tja und da ist wieder so eine Dreiecksbeziehung, denn: China hat auch Tunnel! Wenn da mal keine Verbindung zwischen den dreien besteht (Ich frage mich nur, warum der Autorin nicht aufgefallen ist, dass die USA ihre Nuklearwaffen auch in unterirdischen Bunkern lagern? Ob Kims Leute die wohl auch gebaut haben?). Einen weiteren Beleg dafür, dass es ein strategisches Dreieck gibt sieht die Autorin darin, dass China nicht der von den USA geführten Proliferation Security Initiative (PSI) beigetreten ist, die u.a. die Durchsuchung verdächtiger Schiffe auf hoher See erlaubt. Naja, mal ganz abgesehen davon, dass das etwa hundert andere Staaten auch nicht getan haben sollte die Autorin recht genau wissen (und sie weiß es auch (schließlich hat sie bei der US-Regierung in der China-Abteilung gearbeitet), sagt es nur nicht, was ich nicht besonders redlich finde), dass die PSI gegen grundlegende Prinzipien des chinesischen Staates verstößt unter anderem einem besonderen Gewicht auf staatliche Souveränität. Naja, jedenfalls, so die These, fördere China dadurch, dass dessen Luftraum für nordkoreanische Flugzeuge offen sei, direkt die Proliferation von Massenvernichtungswaffen aus Nordkorea in den Iran.

Für die Beziehung zwischen China und Nordkorea fällt der Autorin nicht mehr ein, als dass Nordkorea als strategischer Puffer dienen könnte, sollte es zu einem Konflikt um Taiwan kommen. Hier könnte die nukleare Bewaffnung Nordkoreas die amerikanischen Truppen in Südkorea binden. Das mag eine Erwähnung, sein, aber ich glaube da hätte man noch einiges mehr schreiben können. Und vor allen Dingen: Was hat das denn mit Iran zu tun?

Spätestens in dem Moment, als sie für ihr Fazit noch die Collective Security Treaty Organization (CSTO) sowie die Shanghai Cooperation Orgnisation (SCO) zwei mäßig institutionalisierte Sicherheitsbündnisse, die bisher in der internationalen Politik nicht sonderlich stark in Erscheinung getreten sind und unter russischer und chinesischer Führung stehen, aus dem Hut zaubern musste, hätte der Autorin wohl auffallen sollen, dass das irgendwie alles nicht zusammenpasst. Aber darum geht es ihr glaube ich nicht. Sie will zeigen, dass sich eine neue Gegenmacht bildet. Dass Russland und China dabei sind autoritär regiere Schurkenstaaten um sich scharen (und gegenüber der Welt verteidigen) um, ja um was eigentlich? Das sagt sie nicht so direkt, aber implizit meint sie wohl sowas wie: Mehr Einfluss zu gewinnen. Auch folgender Satz deutet in diese Richtung:

Thus, it seems China has its own agenda towards Iran and the Middle East and is unwilling to take steps to hurt its strategic interests.

Die Autorin ist jedoch so darauf fixiert nachzuweisen, dass China eine Gefahr ist, dass ihr nicht mal auffällt, dass es für Staaten ziemlich normal ist, wenn sie keine Schritte unternehmen, die den eigenen strategischen Interessen Schaden zufügen oder mehr Einfluss zu gewinnen, so funktioniert internationale Politik nun mal. Dass es recht wahrscheinlich ist, dass Iran der CSTO beitritt, dass diese zusammen mit der SCO eine Art gegen-NATO bildet, dass daher langfristig ein regionaler Konflikt zwischen diesen beiden Organisationen und der NATO entstehen wird und das Iran einen nuklearen Schutzschirm über allerlei Terrororganisationen spannen will, muss ja eigentlich nicht mehr extra erwähnt werden, ist aber bei Frau Lin nachzulesen.

Warum ich euch jetzt solange damit gequält habe? Einerseits, weil ich euch zeigen wollte, dass es immernoch Leute gibt die an eine „Achse des Bösen“ und Schlimmeres, einen „Block des Bösen“ oder so glauben. Andererseits weil ich es immerwieder erstaunlich finde, was manche Doktores so vom Stapel lassen. Ich meine die Frau kann doch nicht ernsthaft glauben, dass das was sie da veröffentlicht hat, irgendwelchen Sinn macht, ganz zu schweigen von denen, die da den Namen ihrer Institution drübergeschrieben haben (na gut, ist ne israelische Uni. Da ist es schonmal sehr wichtig, dass der Iran sehr böse ist). Weiterhin zeigt der Artikel eindrucksvoll, dass viele Fußnoten nicht unbedingt ein Merkmal von Qualität sind (Besonders wenn sie kaum auf wissenschaftliche Arbeiten, sondern hauptsächlich auf Zeitungsartikel und Statements von Mr. X und co. verweisen). Warum Frau Lin so versessen auf eine angebliche Achsenbildung zwischen China und irgendwelchen Schurkenstaaten ist, kann man nur vermuten. Da sie aber taiwanesisch spricht, vermute ich mal, dass sie dort geboren und sozialisiert wurde. Und auf der Insel Chiang Kai-sheks soll es ja immernoch ein paar Leute geben, die so ziemlich alles Böse dieser Welt von den Rotchinesen (ist ein bisschen außer Mode gekommen das Wort, oder?) erwarten.

Also, solltet ihr euch nach der angenehmen Einfachheit der Gedankenwelt des Kalten Krieges sehnen, solltet ihr eine recht umfangreiche Gerüchtesammlung über nordkoreanisch-iranische Zusammenarbeit lesen wollen, oder wollt ihr euch einfach nochmal was abgefahrenes durchlesen, dann schaut euch doch einfach mal die oben verlinkten Aufsätze an. Viel Spaß dabei.

Eine Antwort

  1. Das China und Iran ein, wie auch immer geartetes, besonderes Interesse aneinander haben, ist klar. Hier das Öl, dort die Atomwaffen. Daraus lässt sich im gegenseitigen Einvernehmen was machen 😉 (auch wenn beide Länder aus ideologischer Sicht nicht weiter von einander entfernt sein könnten. Hier das Mullah Regime und dort die gottlosen Kommunisten. Ha ha). Doch beide vereint wohl das Unbehagen den Vereinigten Staaten gegenüber.
    Und das ein von China quasi abhängiges Nordkorea der Regierung in Beijing lieber ist, als ein vereintes Korea, dürfte ebenfalls logisch sein.
    Aber daraus eine Achse des bösen zu machen klingt wenig überzeugend.

    tollstoii

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