Ich habe mich ja lange drumrum gewunden, aber natürlich weiß ich, dass es eigentlich sein muss und dass es vermutlich auch den Einen oder Anderen interessiert. Daher füge ich mich heute in mein Schicksal (wohl etwas zu große Worte, aber irgendwie empfinde ich das so. In letzter Zeit fühlt sich ja fast jeder berufen sich zu allen möglichen noch so abwegigen Aspekten im Bezug zu China zu äußern, so dass ich kaum noch Lust habe irgendwas zu lesen wo das Wort drin vorkommt, aber der Aspekt ist halt so wichtig, dass ich hier wohl wirklich nicht drumrum komme.) und schreibe mal ein bisschen was über die Beziehungen zwischen China und Nordkorea. Dabei werde ich weniger die aktuellsten Entwicklungen in den Blick nehmen, sondern eher einen allgemeinen Hintergrundartikel schreiben, denn das was man allgemein öfter mal in der Presse liest ist mitunter doch arg verkürzt.
In diesem Rahmen werde ich versuchen zu verdeutlichen wie sich die Beziehungen beider Staaten in der Vergangenheit entwickelt haben, welche Bedeutung Nordkorea für China und vice versa hat, was die Motive in den Beziehungen sind und welche Perspektiven für die Freundschaft (Wenn es denn eine ist) beider Staaten bestehen. Und weil das Thema so umfangreich ist (ein anderer Grund aus dem ich nie so richtig Lust hatte das mal anzugehen) werde ich euch das Ganze in mehreren Happen präsentieren (hab ich mir gerade überlegt habe, nachdem ich angefangen hab mich nochmal ein bisschen (und merken musste, dass das Wort „bisschen“ hier gänzlich fehl am Platz ist) einzulesen). Heute gibt es erstmal die Entwicklung der chinesisch-nordkoreanischen Beziehungen bis zur Jahrtausendwende.
China als Retter im Koreakrieg
China hat schon seit den Anfangsjahren seiner Entstehung eine essentielle (wenn auch wechselhafte) Rolle für Nordkorea gespielt. Während man sagen könnte, dass die Sowjetunion für die Zeugung der DVRK verantwortlich war, war es China das den Geburtshelfer spielte und dem Land letztendlich den Lebensatem einhauchte. Nachdem sich Kim Il Sung 1950 entschlossen hatte (eigentlich hatte er sich schon früher dafür entschieden, sah aber nun den Zeitpunkt als günstig) Korea mit Gewalt wiederzuvereinigen und daran in letzter Minute von einer massiven UN-Mission unter US-amerikanischer Führung gehindert wurde, sah es bald darauf so aus, als würde die Gegenoffensive der UN-Truppen die Existenz Nordkoreas beenden, bevor sie so richtig begonnen hatte. Binnen weniger Wochen drängten MacArthurs Truppen die Nordkoreaner bis zum Yalu, dem Grenzfluss zu China, zurück. Durch dieses Vorgehen fühlte sich die chinesische Seite bedroht (unter Anderem, weil in der Geschichte Chinas die Mandschurei immer wieder als Einfallstor fremder Mächte (zuletzt der Japaner) gedient hatte und man daher die vorrückenden amerikanischen Truppen mit größtem Misstrauen betrachtete) und Warf eine zunächst etwa 300.000 Mann starke „Freiwilligenarmee“ in die Schlacht. Die schiere Masse an Menschen (denn die Ausrüstung war eher nicht so beeindruckend) genügte um die Niederlage Nordkoreas zu verhindern und die südkoreanischen und UN-Truppen zurückzudrängen. Das Ergebnis ist bekannt, letztendlich wurde die vor dem Krieg bestehende Teilung des Landes wiederhergestellt und verfestigt. Die Unterstützung Nordkoreas kostete etwa 400.000 Chinesen das Leben.
Das Freundschafts- Kooperations- und Beistandsabkommen
Diese mit Blut besiegelte Freundschaft blieb, allerdings mit wechselnder Intensität, bis heute bestehen. Zwischen Kim Il Sung und Mao Tse-tung bestand eine gute persönliche Beziehung und da viele Militärs beider Staaten Seite an Seite gekämpft hatten bestanden auch ansonsten enge Kontakte zwischen den Führungsebenen beider Staaten. Diese Beziehungen erfuhren 1961 im „Treaty of Friendship, Cooperation und Mutual Assistance“ auch eine formal Verankerung. Inhaltlich geht das (grundsätzlich bis heute bestehende) Abkommen recht weit, indem es unter Anderem in Absatz II festlegt:
The Contracting Parties undertake jointly to adopt all measures to prevent aggression against either of the Contracting Parties by any state. In the event of one of the Contracting Parties being subjected to the armed attack by any state or several states jointly and thus being involved in a state of war, the other Contracting Party shall immediately render military and other assistance by all means at its disposal.
Daneben werden auch wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit sowie die Wiedervereinigung Koreas auf „friedliche und demokratische Weise, so wie es dem Interesse des koreanischen Volks entspricht“ festgeschrieben.
Wechselhafte Freundschaft
Jedoch entwickelten sich die Beziehungen unabhängig von diesem Vertrag recht wechselhaft. Nordkorea war nicht gewillt sich in eine einseitige Klientelbeziehung zu einer der beiden Großmächte China und Sowjetunion zu begeben. Mit dem aufbrechen des sino-sowjetischen Gegensatzes Ende der 1950er Jahre und seiner Manifestierung in den 1960ern der sie 1969 an den Rand eines Krieges führte, bot sich für Nordkorea das für beide Seiten von strategischer Bedeutung war, die Gelegenheit, durch geschicktes Lavieren Konzessionen von beiden Seiten zu erlangen. Nach dem Tod Maos und dem Beginn der vorsichtigen wirtschaftlichen Öffnung unter Deng Xiaoping – vor allem seit den 1980er Jahren – neigte sich Nordkorea allerdings mehr der Sowjetunion zu, da die chinesische Linie nun immer weniger den eigenen ideologischen Vorstellungen von einer guten Außenpolitik entsprach. Auch die chinesische Politik gegenüber Südkorea die Anfangs in einer „ein-Korea-Politik“ bestand, sich dann später zu einer „de-jure-ein-Korea; de-facto-zwei Korea-Politik“ wandelte und in der vollständigen Anerkennung der Republik Korea 1992 gipfelte, konnte der Führung in Pjöngjang nicht gefallen.
Unentschiedenheit nach dem Ende der Sowjetunion
Obwohl sich für Nordkorea mit dem Niedergang des Ostblocks Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre die Grundvoraussetzungen grundsätzlich geändert hatten, versuchte China sich nicht unmittelbar als neuer und alleiniger Patron des immer tiefer in die Krise schlitternden Landes anzubieten. Vielmehr wahrte man von Seiten Pekings ein schwaches Profil und versuchte sich soweit wie möglich aus dem innerkoreanischen Konflikt, aber auch aus dem 1994 erstmals offen auftretenden Streit um Nordkoreas Nuklearprogramm herauszuhalten. So versuchte man in aus der Schusslinie zu bleiben während man sich gleichzeitig alle Alternativen offenhielt (eine Verhalten, das Chinas Außenpolitik in den 1990er Jahren generell kenzeichnete).
Wirtschaftliche Beziehungen: Ebenso wechselhaft wie die politischen
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Nordkorea über die gesamte oben beschriebene Zeitspanne spiegeln in hohem Maß die politischen Verhältnisse zwischen beiden Staaten wieder. Lief es gut zwischen Peking und Pjöngjang nerreichte auch der Handel zwischen den beiden Staaten hohe Anteile an Nordkoreas Außenhandel (bis zu 60 %). Waren die Beziehungen gerade angespannt, wurden auch wesentlich weniger Waren ausgetauscht (ca. 10 %). In der neuen Situation Anfang der 1990er Jahre bis zum Ende des Jahrzehnts blieben die offiziellen Handelszahlen zwischen den Staaten zwar weitestgehend konstant (ganz grob gesagt um eine halbe Milliarde US-Dollar +/-), allerdings gab es daneben zwei Entwicklungen, die aus diesen Zahlen nicht abzulesen sind. Erstens verlangte China (wie auch die Sowjetunion) zum Jahr 1992 harte Währung für die Exporte nach Nordkorea. Aufgrund des Mangels an Handel mit anderen Staaten und der nicht vorhandenen Möglichkeit zum Schulden machen stellte sich dies für Nordkorea kompliziert dar und dürfte einer der Faktoren gewesen sein, die die Wirtschaft des Landes ab 1994 vollends ins Chaos stürzte. Zweitens begann China später wieder große Mengen der Exporte nach Nordkorea in Form von Tauschgeschäften abzuwickeln oder als unentgeltliche Hilfen zu gewähren. Die Menge der auf diesen Wegen gelieferten Güter wird von China nicht bekannt gegeben und taucht in den Statistiken nicht auf. Daher sind die Zahlen über den Handel beider Staaten nur von begrenztem Wert. 1994 soll China aber schon drei Viertel der Energie- und Nahrungsmittelimporte Nordkoreas abgedeckt haben. Während der Nahrungsmittelkrise von 1994-98 gab es darüber einen wachsenden „kleinen Grenzverkehr“ mit dessen Hilfe sich Menschen aus grenznahen Gebieten versorgte und der natürlich auch in keiner Statistik auftaucht. In dieser Zeit scheint die Bedeutung Chinas für Nordkorea weiter zugenommen zu haben, ohne dass strategische Entscheidungen getroffen wurden. Die Hilfen waren eher ad hoc Maßnahmen um den Status quo aufrechtzuerhalten.
Schlussworte etc.
Rein geschichtlich betrachtet hat es also keine langfristige und eindeutige Klientelbeziehung zwischen China und Nordkorea gegeben, allerdings wuchs Chinas Bedeutung fast zwangsweise mit dem Ende der Sowjetunion. China scheint in dieser Zeit jedoch noch nicht beschlossen zu haben, dass Regime in Pjöngjang um jeden Preis zu stützen (ob es das jetzt um „jeden Preis“ tun wird ist natürlich fraglich, allerdings scheint man zumindest einen hohen Preis zu akzeptieren). Die Haltung bis zur Jahrtausendwende war eher eine Abwartende, sich alle Alternative offen haltende.
Was die Motive in den Beziehungen beider Staaten zueinander sind, welche Faktoren dabei in der öffentlichen Betrachtung eher im Hintergrund stehen, darüber werde ich das nächste Mal schreiben, wenn ich wieder Zeit finde mich dem Thema zuzuwenden. Achja, ihr habt vielleicht gemerkt, dass ich hier recht wenig verlinke. Das hat damit zu tun, dass das sehr viel Arbeit wäre ohne euch viel zu helfen, weil das Meiste was ich hier schreibe aus langen PDF Dokumenten kommt. Ich werde nach jedem Beitrag eine allgemeine Leseempfehlung geben, die ein bisschen an das Thema ranführt und am Ende der Serie dann ne recht umfassende Quellensammlung zu dem Thema geben.
Heute möchte ich „North Korean foreign relations in the Post-Cold War world“ von Samuel S. Kim empfehlen. Es reicht natürlich weit über die chinesisch-nordkoreanischen Beziehungen hinaus aber als Einführung in dieselben ist es trotzdem sehr lesenswert. Generell gibt es glaub ich kaum was Besseres (auch nicht im Geschäft oder der Bibliothek), das man als Einführung zu den Außenbeziehungen Nordkoreas lesen kann.
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@ Michael: Danke für die Hnweise: Ich kenne jedenfalls beide Bücher nicht, aber das von Kindermann klingt ja recht interessant, wenn acuh zwiespältig besprochen. Und wie gesagt, wenn sowohl Autor als auch Verlag bei nem Buch das „Jong“ mit „Y“ durchgehen lassen, ist das irgendwie schon seltsam…
@ Werner: DAnke für den Hinweis: Ich habe schon lange nicht mehr beim Woodrow Wilson Center und speziell beim NKIDP reingeschaut, scheinbar zu lange. Die leisten ja ganze Arbeit (ist um einiges mehr geworden seit ich zuletzt da war). Das ist eine wirklich tolle Sache (was gibts interessanteres als Originaldokumente) und lohnt sich für historisch Interessiert immer. Ich schließe mich also Werners Empfehlung voll und ganz an: http://www.wilsoncenter.org/index.cfm?fuseaction=topics.home&topic_id=230972
Diese Buch hat im Titel doch tatsächlich … Kim „Y“ong Il … stehen ?!
Da sah ich es:
http://www.amazon.de/Nordkorea-verschlossen-geheimnisvoll-Eine-Reise/dp/3980844390/ref=sr_1_26?ie=UTF8&s=books&qid=1273774163&sr=8-26
Wo wir uns gerade lesenswerten Soff um die Ohren hauen,
kennt jemand „Nordkorea – verschlossen und geheimnisvoll: Eine Reise ins Land von Kim Il Sung und Kim Yong Il“ von Lutz Simon?
Auch hier bringen die Übersetzungen des Wllson Centers von diplomatischer Berichten nordkoreanischer Bruderländer interessante Einblicke zu den sino-nordkoreanischen Beziehunge, speziell auch für den Zeitschschnitt während der Kulturrevoltion in China, die von der nordkoreanischen Führung ja nicht so goutiert wurde.
Klicke, um auf Sino_DPRK_Rel.Reader_webfinal.pdf zuzugreifen
Wer es gerne ausführlicher möchte und Nordkoreas Entwicklung nicht nur im Bezug auf China erforschen will, dem Empfehle ich das 400 Seiten starke Buch von Gottfried-Karl Kindermann: „Der Aufstieg Koreas in der Weltpolitik“.
Kindermann beschreibt eigentlich nur kurz das Führersystem und die Ideologie sowie die nukleare Aufrüstung Nordkoreas, während große Teile des Buches die „Nordpolitik“ von Park Chung-Hee, Chun Doo-hwan, Roh Tae-Woo und Kim Young-Sam dokumentieren.
Zeitlich gesehen endet das Buch bei Kim Young-Sam, denn es erschien ja bereits im Jahr 1994, gerade als Kim Il-Sung verstarb.
Ich habe mir heute eine Rezension durchgelesen und scheinbar gibt es eine erweiterte Neufassung von 2005. Allerdings wurde in der Besprechun der FAZ kritisiert, dass der aktualisierte Teil quasi angeklebt wurde, ohne die „alten“ Teile auf den neusten Stand zu bringen, was teilweise irritierend zu sein scheint: http://www.buecher.de/shop/kalter-krieg/der-aufstieg-koreas-in-der-weltpolitik/kindermann-gottfried-karl/products_products/detail/prod_id/15085864/#faz