Die Familienzusammenführungen: Ein (strategisches) Zeichen Pjöngjangs. Mehr nicht.

Am vergangenen Wochenende hatten erstmals seit etwa einem Jahr Familien, die im Koreakrieg getrennt wurden und von da an in den verfeindeten Bruderstaaten lebten, die Gelegenheit, sich auf dem eigens dafür errichteten Gelände im Kumgangsan zusammenzufinden. Wie es bei solchen Anlässen ganz natürlich ist, gab es viele Emotionen, die von Freude über das lange erwartete Wiedersehen bis zur Trauer über die kurze gemeinsame Zeit, die den Verwandten vergönnt war, reichten (Hier geht’s zu dem ausführlichen Beitrag, den ich anlässlich der Treffen im Jahr 2009 geschrieben habe).

Keine humanitären Gründe, sondern Symbolwirkung als Hintergrund

An den Zusammenführungen lässt sich immer wieder gut ablesen, welches unermessliche menschliche Leid die seit Jahrzehnten anhaltende, fast hermetische Trennung des koreanischen Volk über viele Menschen auf beiden Seiten der Grenze gebracht hat. Was sich aber auch gut ablesen lässt, ist, dass die Zahl derer, die direkte familiäre Bindungen in den jeweils anderen Teil des Landes hat, täglich abnehmen dürfte. Es wird vermutet, dass von den 80.000 Menschen, die sich in Südkorea ursprünglich für ein Treffen mit Verwandten in Nordkorea hatten registrieren lassen, mittlerweile über die Hälfte verstorben ist. Mit dieser Generation dürfte auch ein Teil der direkten emotionalen Bindung, die zwischen den Menschen der Koreas besteht, sterben. Zwar besteht auch ohne diese direkten Bindungen das Gefühl fort, dass die Teilung überwunden werden muss, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein eher abstraktes Gefühl das Gleiche ist, wie der Wunsch, sein Lebensende mit Brüdern und Schwestern aus dem anderen Korea zu verbringen. Nichtsdestotrotz war es für die Mitglieder der 110 Familien, die  sich bis vorgestern getroffen haben sicherlich eine unglaublich wichtige Angelegenheit. Für diejenigen, die ihre Verwandten  bisher nicht wiedersehen konnten dürfte es allerdings nicht mehr als einen Hoffnungsschimmer sein, denn bisher waren die Treffen immer ein Zeichen des Entgegenkommens aus Nordkorea, dass aber bei veränderter politischer Großwetterlage genauso plötzlich ein Ende fand wie es zuvor begonnen hatte. Das Problem bei den Familienzusammenführungen ist, dass man sich bisher nicht auf eine Institutionalisierung der Treffen einigen konnte, so dass sie einzig von individuellen Entscheidungen der Führung in Pjöngjang abhingen. Da man im Norden aber auch weiß, dass die (PR-)Wirkung der Treffen nachlässt, wenn es sie ständig gibt, dürfte die Zahl selbiger auch in Zukunft begrenzt bleiben und ist eine Institutionalisierung unwahrscheinlich (da müsste schon einiges bei rumkommen für Pjöngjang).

Von  den Toten auferstanden: Für tot erklärte südkoreanische Soldaten nahmen teil

Die Entscheidung für die Treffen ist von Seiten des Nordens weniger aus dem Wunsch heraus entstanden, den Menschen etwas Gutes zu tun, sondern vielmehr ein Zeichen dafür, dass man Annäherung wünscht. Die Menschen und ihre Emotionen sind dem Regime wohl herzlich egal, sie sind wie so oft nur Mittel zum Zweck zum Erreichen übergeordneter Ziele. In diese Kategorie dürfte wohl auch die Tatsache fallen, dass auf den Treffen vier ehemalige Soldaten der südkoreanischen Armee auftauchten, deren Schicksale nach dem Koreakrieg nicht geklärt waren und die zwischenzeitlich für tot erklärt wurden. Was genau die Führung in Pjöngjang  mit dieser „Vorführung“ bezweckt hat ist nicht klar, aber ein Ziel dürfte es gewesen sein, dem Süden die Tatsache unter die Nase zu reiben, dass Soldaten der Armee Südkoreas nach dem Krieg freiwillig in Nordkorea geblieben sind. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Frage der entführten Südkoreaner im Norden, denn es kann der Führung in Pjöngjang als Beleg dafür dienen, dass wirklich Südkoreaner freiwillig im Norden blieben, was die offizielle nordkoreanische Lesart bezüglich aller in Nordkorea befindlichen Südkoreaner ist.

PR-Aktion und strategisches Werkzeug. (Viel) mehr nicht

Alles in Allem sollte man die Familienzusammenführungen als Zeichen der Annäherung nicht überbewerten. Es ist einfach eine PR-Maßnahme des Nordens, von der man weiß, dass sie immer ein großes Echo erzielt, weil es von solchen Ereignissen immer so tolle Fotos und Anekdoten zu berichten gibt, die ideal für die mediale Verwertungsmaschinerie sind. Eigentlich sind diese Treffen genauso ein Werkzeug in der strategischen Trickkiste des Regimes wie beispielsweise Rakten- oder Atomtests. Nur eben auf der entgegengesetzten Seite der Klaviatur. Beide sind öffentlichkeitswirksame Ausdrücke der Stimmung in Pjöngjang und beide zielen nicht zuletzt auf die Emotionen der Menschen ab. Die Einen sollen Angst erzeugen, die anderen Glück, Hoffnung und Freude. Naja, wie gesagt. Diejenigen die von Pjöngjangs Zeichen profitieren konnten dürfen sich glücklich schätzen, aber im großen Bild wird deutlich, dass sich am strategischem Vorgehen des Regimes nicht das Geringste geändert hat.

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