Ich habe ja schonmal vor einiger Zeit über die Aktivitäten von Orascom Telecom berichtet, die einen Anteil von 75 % an dem Mobilfunkbetreiber Koryolink hält, der seit 2009 durch einen rasanten Zuwachs von Kunden von sich reden macht. Das Unternehmen, dessen andere 25 % der staatlichen Telekommunikations- und Postbehörde gehören hatte Mitte dieses Jahres bereits fast 700.000 Kunden und in den vorangegangenen vier Quartalen lag die Neukundenzahl jeweils bei mehr als 100.000. Bisher bietet das Koryolink für sein 3G Netz, das neben Pjöngjang 14 Großstädte und 74 kleinere Städte abdeckt und damit 92,9 % der bewohnten Teile Nordkoreas erreicht, jedoch nur Basisdienstleistungen wie Telefonie und Textnachrichtendienste an, sowie seit Ende 2010 Videotelefonie und seit 2011 MMS. (Mehr zu Koyolink und zur Telekommunikation in Nordkorea findet ihr bei North Korea Tech.)
Erster Schritt ins mobile Internet geplant
Nun scheint das Unternehmen den nächsten Schritt zu planen. Laut einem Bericht von Choson Exchange will Koryolink in „naher Zukunft“ die Möglichkeit zu mobilem Internetzugang, die sich momentan noch in der Testphase befindet, an den Markt bringen. Ganz so revolutionär wie es sich anhört ist es allerdings noch nicht, denn die Option mobil zu surfen soll vorerst nur Ausländern zugänglich sein, die in Nordkorea leben. Allerdings kann das langfristig wohl nicht die Zielgruppe von Koryolink für dieses Angebot bleiben, denn die Gruppe ist doch recht überschaubar und dürfte wohl allein kaum ausreichen, um die Kosten eines solchen Services zu decken. Und mit Orascom steht eben kein Staatsunternehmen hinter Koryolink, der nicht kostendeckend arbeiten muss, sondern ein privatwirtschaftlicher Betrieb, der ganz genau auf die Zahlen schauen dürfte.
Nicht ohne Risiko
Das Regime ist dabei, auf dem Telekommunikationsmarkt Schritte zuzulassen, die kaum mehr ohne sehr große Kosten rückgängig zu machen sind. Gleichzeitig ist die Möglichkeit zu schneller und einfacher nationaler (und irgendwann auch internationaler) Kommunikation jedoch unerlässlich, will man die Wirtschaft des Landes irgendwann nochmal auf die Beine bringen (in Berichten zu Investitionsmöglichkeiten in Nordkorea kann man immerwieder klagen darüber lesen, dass es kompliziert sei, die Partner im Land zu kontaktieren). Gleichzeitig dürfte die Möglichkeit zu schneller Kommunikation für das Regime aber auch ein nicht unerhebliches Risiko darstellen, da es in Teilen die Kontrolle über die Kommunikation der Bevölkerung verliert. Je mehr Kanäle es gibt, desto schwieriger wird es dem Regime fallen, auf jede Kommunikation ein Auge zu haben (im allzu wahren Sinne des Wortes). Durch einen Internetzugang, selbst wenn er gefiltert und zensiert ist, werden sich neue Möglichkeiten zur Informationsgewinnung bieten, die dem Regime noch mehr zu schaffen machen werden. Ob Chancen oder Risiken überwiegen ist schwer zu sagen, aber die zunehmenden Freiheiten im Kommunikationsbereich haben jedenfalls einige beachtliche Fallsticke für Kims Regime. Aber vielleicht haben diese Schritte auch mit dem „Technologie Fetischismus“ zu tun, den Andrei Lankov Kims Regime kürzlich in einem sehr spanenden Artikel in der Asia Times attestierte. Danach hofft Kims Regime — wie viele Führer des ehemaligen Ostblocks vor dessen Ende auch — auf Basis wenig rationaler Überlegungen, auf eine Wiederbelebung der Wirtschaft durch „neue“ Technologien (ich sag nur: „CNC“).
Kaum mehr rückgängig zu machen
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich die Geschicke von Koryolink in Zukunft entwickeln werden. Es ist offensichtlich, dass der Chef von Orascom Telecom Naguib Sawiris einen guten Draht nach Pjöngjang hat, immerhin hat ihn Kim Jong Il empfangen (was auch andeutet, wie wichtig man die neuen Telekommunikationsmittel in Pjöngjang schätzt). Dabei dürfte man nicht nur über Geschäftschancen, sondern auch über etwaige Sicherheitsbedenken des Regimes gesprochen haben. Offenbar ist es Sawiris dabei gelungen, diese auszuräumen. Wie genau, das bleibt sein Geheimnis, aber da Koryolink wohl der einzige flächendeckende Massenkommunikationsanbieter bleibt, dürfte man auf jeden Fall über einen „Panic-button“ verfügen, mit dem man das Netz ruckzuck ausschalten kann. Aber es hat sich ja im Frühling unter anderem in Sawiris Heimatland Ägypten gezeigt, dass es dann oft schon zu spät für die Potentaten sein kann. Ich sehe jedenfalls in den Geschäften von Koryolink einen winzigen, aber vermutlich irreversiblen Schritt in Richtung Liberalisierung der nordkoreanischen Gesellschaft.
Werbung
Hier noch ein Werbefilmchen für Koryolink. Leider nur in Koreanisch verfügbar, aber das Meiste was gesagt wird, kann man sich auch dazudenken und die Bilder sind hier das interessante.
Und hier noch eins, das mich einerseits aufgrund der actionreichen und reißerischen Anfangssequenz überzeugt hat, aber daneben auch interessant ist weil u.a. Naguib Sawiris bei einem Besuch in Pjöngjang zu sehen ist. Scheinbar eröffnet er einen Koryolink Shop oder sowas.
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Ich glaube eigentlich nicht, dass ein DPRK-Handynetz eine besondere Gefahr für das Regime darstellt. Im Gegensatz zu einem (wahrscheinlich eher weniger modernen) Festnetz kann man die Handy Daten direkt über Kims Schreibtisch leiten.
Sind eigentlich alle gezeigten Handys in den Videos von Sony-Ericsson? (Zumindest sind alle die ich identifizieren konnte von denen.)
Gut zu überwachen schon, aber dafür muss das Regime irgendwann ganzschön viele Leute einstellen. Ob das funktionieren wird?
Ich dachte ich hätte irgendwo auch mal Bilder gesehen, die eher nach Nokia aussehen. Hier sieht man wohl eines der Standardmodelle, die aus China importiert werden..
[…] solid analysis and copious links, I recommend the blog Nordkorea-info (today’s entry is on cellular and internet technology in the DPRK), a blog which recently carried a very interesting entry about a German football delegation to […]