Update (17.12.2011): Meldungen zufolge, die sich jedoch auf ungenannte diplomatische Quellen in Seoul berufen, haben die USA und Nordkorea einen Deal vereinbart, der, wenn das so stimmt, recht überraschend kommt. Danach sollen die USA 240.000 Tonnen Nahrungsmittelhilfen liefern und im Gegenzug soll Nordkorea die Anreicherung von Uran stoppen.
Sollte das tatsächlich so zutreffen, dann wäre es einerseits ein sehr bedeutender Schritt zur Entschärfung der Nahrungsmittelknappheit in Nordkorea. Andererseits fände ich das alles aus politischer Sicht allerdings sehr verwunderlich und vor allen Dingen sähe ich das dann als eine Schwache Leistung der USA an. Alles was das Außenamt in den letzten Monat zu diesem Thema geäußert hat, wäre damit über den Haufen geworfen:
- „Politisches und Humanitäres trennen“: Ein Witz!
- „Sind noch nicht fertig mit der Prüfung des Bedarfes“: Das ging aber schnell…
- „Glauben nicht, dass Hilfen am richtigen Ort ankommen“: Auch diese Sorgen wurden schnell ausgeräumt, allerdings kann es hier wirklich sein, dass Nordkorea auf die USA zukam und die Sorgen ausgeräumt hat.
- „Vitamine und Nahrungsergänzer die nicht missbraucht werden können“: 240.000 Tonnen? Damit wäre Nordkorea wahrscheinlich für das nächste Jahrzehnt versorgt.
Es ist natürlich schwierig, etwas über die weitergehenden Implikationen eines solchen Abkommens zu sagen, aber auf den ersten Blick sieht das für mich nach einem Verhandlungserfolg für Nordkorea aus. Die USA weichen ihre harte Haltung auf und liefern das, was Nordkorea schon seit langem nachdrücklich fordert. Als Gegenleistung werden die nordkoreanischen Zentrifugen zur Urananreicherung angehalten, aber die können ja schnell wieder in Betrieb gesetzt werden, wenn sich die Lage ändert (mal ganz abgesehen davon, dass man nicht weiß, wo überall solche Zentrifugen stehen). Aber abschließend ließe sich das erst bewerten, wenn die Einzelheiten des Deals publik würden (was aufgrund der Gerüchte in diesem sensiblen Thema bald passieren dürfte). Interessant wird auch zu beobachten sein, wie Seoul reagiert. Ist man sich mit den USA über das Vorgehen einig oder handelt es sich mehr oder weniger um einen Alleingang? Letzteres wäre ein Desaster für die Alliierten…
Grundsätzlich wäre das Abkommen aber natürlich sehr positiv zu bewerten, denn das Ende der Zurückhaltung/Blockade von Seiten der USA könnte auch anderen potentiellen Gebern als Signal dienen, was aus humanitären Gesichtspunkten sehr wichtig wäre, mal ganz abgesehen davon, dass 240.000 Tonnen weit mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein wären, sondern einen beträchtlichen Teil der Not lindern würden.
Vielleicht gibt es später mehr dazu.
Ursprünglicher Beitrag (15.12.2011): Manchmal ist eben nicht nur Nordkorea für eine Überraschung gut, sondern auch die USA bewegen sich schonmal ohne große Vorwarnung. Und wenn es um Nahrungsmittelhilfen für Nordkorea geht, haben sich die USA in den letzten Monaten ja eigentlich nicht mehr bewegt, als eine durchschnittliche Erdplatte. Von daher hat es mich schon ein bisschen überrascht, als heute gemeldet wurde, dass es in Peking ein Treffen zwischen Vertretern der USA und Nordkoreas gegeben hat, bei dem es um Hilfen für hungernde Menschen in Nordkorea ging (es hatte sich zwar schon seit ein paar Tagen angekündigt, aber ich hatte nicht so viel Zeit das intensiv zu beobachten). Von US-Seite waren mit Glyn Davies (Vertreter bei den Sechs-Parteien-Gesprächen), Robert King (Sondergesandter für Menschenrecht in Nordkorea) und Jon Brause (für humanitäre Hilfen zuständig) wohl die wichtigsten Leute auf Arbeitsebene mit von der Partie. Aus Nordkorea kam Ri Gun, der soweit ich weiß, keine besondere Expertise in Bezug auf humanitäre Hilfen hat, dafür aber bezüglich Nordamerika (dieser Abteilung steht er im Außenministerium vor).
Raus aus dem Däumchendrehmodus
Wie es in den USA zu dem Sinneswandel kam, vom Däumchendrehmodus äh ich meine Bewerten der Ergebnisse der Erkundungsmission vom Juni auf einen Aktionsmodus umzuschalten weiß ich nicht, aber vielleicht hat der permanente Druck von Seiten der UN und durch verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen doch eine Wirkung gezeigt. Schließlich ziehen die USA jetzt zumindest das in Erwägung, was sie eigentlich genausogut schon vor Monaten bedenken hätten können. Nämlich die Lieferung von Nahrungsmitteln bzw. Ersatzstoffen, die eben nicht so gut zu missbrauchen sind. Da wurde z.B. von Vitaminen gesprochen, aber auch von spezieller Babynahrung.
Plattitüden aus Mangel an Argumenten?
Das finde ich grundsätzlich schon eine ganz gute Verbesserung, auch wenn dieser Reporter gestern die Sprecherin des US-Außenamtes auf einen Kommentar von ihr hin, ganz provokant fragte:
And you mentioned it’s not going to end up on the dinner table. But I don’t see Kim Jong – Kim Jong Il isn’t going to be having a banquet with a sack of USAID flour in the middle of the table. I mean, what are you sending them, steaks, lobster? What – I mean, that’s the kind of food that dictators eat. Scotch? Is that the kind of stuff that you were sending? [Und Sie erwähnten es [die Hilfen] wird nicht auf dem Mittagstisch landen. Aber ich sehe Kim Jong Il nicht — Kim Jong Il wird kein Bankett mit einem Sack USAID [die staatliche humanitäre Organisation der USA] Mehl in der Mitte des Tisches haben. Ich meine, was haben sie denen denn geschickt? Steaks? Hummer? Was — ich meine, sowas essen Diktatoren. Scotch? Haben sie sowas geschickt?]
Nun gut, die Frage des Missbrauchs der Hilfen geht ja etwas weiter, aber wenn man so eine plakative platte Bemerkung wie Frau Nuland macht, muss man sich nicht wundern wenn man die um die Ohren gehauen bekommt. Aber dass Frau Nuland solche Bemerkungen machen muss (ich nenne das einfach mal populistisch) hat vielleicht auch damit zu tun, dass es einfach nicht viele Argumente gab.
Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Eigentlich ist ja vollkommen klar: Es geht nicht darum, ob das Essen jetzt ankommt oder nicht. Es ging einfach nur darum, dass dies einer der wenigen Wege war, um das Regime in Pjöngjang merkbar für das Missverhalten in den vergangen Jahren zu bestrafen. Vermutlich geht es auch jetzt nicht um die hungernden Menschen, sondern einfach nur darum, dass die eigenen Ansprüche (humanitäres von politischem trennen und so) und die reale Politik so weit auseinanderklaffen, dass man das auch mit nochsoviel Kitt nicht unter einen Hut bringen kann. Jetzt versucht man möglicherweise einen Kompromiss zwischen „Bestrafen“ und „den eigenen Ansprüchen gerecht werden“ zu finden.
Oder wie es Morton Abramowitz vorgestern in einem sehr lesenswerten Kommentar im National Interest geschrieben hat:
Yet the U.S. government sticks to a public stance that it is still considering food aid for North Korea, holding this out rather than stating (understandably) the real reasons for not providing such aid, namely that North Korea is genuinely an abhorrent country, that there is no domestic political benefit in providing aid, and that both Congress and our ally South Korea have been vehemently opposed. The United States is seeking political benefit from the North, but can we continue to insist on our commitment to humanitarianism while letting politics dominate in this case? The gap between principle and practice has grown ever wider.
Begrenzte politische Bedeutung, aber wichtiges Signal im humanitären Bereich
Ob es tatsächlich unmöglich ist, Getreidelieferungen und ähnliches adäquat zu überwachen weiß ich nicht, aber es ist schonmal ein guter erster Schritt, sich überhaupt in Bewegung gesetzt zu haben. Inwiefern das möglicherweise auch einen Einfluss auf die Vorverhandlungen zu Sechs-Parteien-Gesprächen haben wird, kann man kaum vorhersagen, aber ich bin da eher pessimistisch. Erstens könnte ich mir vorstellen, dass sich Pjöngjang bei entsprechenden Hinweisen der USA auf den Grundsatz „humanitäres und politisches trennen“ zurückziehen würde, wenn die USA etwas forderten. Und zweitens ist hinsichtlich der Sechs-Parteien-Gespräche die Situation ja nach wie vor unglaublich festgefahren und hat sich eigentlich nicht im Geringsten verändert. Da müsste ja schon eine von beiden Seiten entscheidende nachgeben und das ist nicht abzusehen. Interessant fand ich allerdings, dass Nordkorea Ri Gun geschickt hat, denn der kam in der Vergangenheit eher zum Einsatz um ein bisschen gut Wetter zu machen und er hat wie gesagt keine humanitäre Expertise. Vielleicht bringt der auch eine Botschaft mit, die über humanitäres hinausgeht.
Aber im Endeffekt ist das alles nur rumspekuliererei. Handfest ist, jedenfalls, dass die USA sich scheinbar wenigstens mal entschieden haben etwas für die notleidenden Menschen in Nordkorea zu tun. Was das dann am Ende genau sein wird, muss sich noch zeigen. Aber es wird etwas passieren und das ist auch gut so…
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Ob die jüngsten Ereignisse wohl Auswirkungen auf diese Vereinbarung haben werden?