Nachtrag zu Ri Jong-hyoks Europareise: Nordkorea will Botschaft in Brüssel eröffnen und die EU ziert sich, sowie anderes Interessantes

Durch die ganzen Ereignisse in letzter Zeit rund um Kim Jong Ils Tod, habe ich ein kleines aber deshalb noch lange nicht uninteressantes Thema fast ganz aus den Augen verloren. Und zwar war ja Anfang November eine Delegation nordkoreanischer Parlamentarier um Ri Jong-hyok in Europa unterwegs und machte dabei unter anderem in Berlin und Brüssel Station. Damals gab es außer der Information, dass die Gruppe hier war und ein paar Fotos eigentlich nicht so wirklich Informationen, was denn bei dem Besuch Themen waren.

Was Ri Jong-hyok und Hermann Otto Solms besprochen haben…

Solms und Ri beim shake-hands

Solms und Ri beim shake-hands (Foto: Lichtblick/Achim Melde)

Daher hatte ich Hermann Otto Solms einfach mal eine E-Mail geschrieben und gefragt, was denn so besprochen wurde bei dem Treffen mit Herrn Ri. Und vorbildlicherweise hat er (oder wahrscheinlich eher einer seiner Mitarbeiter) mir auch nach einiger Zeit geantwortet. Man sprach wenig überraschend über die aktuelle wirtschaftliche Situation in Nordkorea, wobei Herr Ri (ebenfalls nicht überraschend) ansprach, dass Nordkorea für eine Verbesserung der Lage auf Hilfe von außen angewiesen sei. Außerdem wurde die Euroschuldenkrise thematisiert, wobei auch die unterschiedliche Bedeutung der nationalen Parlamente erörtert wurde (vielleicht hat Herr Ri ja gefragt, ob die europäischen Parlamente bald aufgrund mannigfaltiger komplementärer Krisenmechanismen und „Alternativlosigkeiten“ ähnlich wenig tatsächlichen Einfluss haben werden, wie seins?). Weiterhin warb Herr Solms für einen Verzicht auf Kernwaffen seitens Nordkoreas. Zu guter Letzt Sprach man noch über ein Thema, bei dem die Meinungen ebenfalls auseinandergingen, nämlich über die Chancen einer Koreanischen Wiedervereinigung. Herr Ri hob dabei vor allem die Unterschiede des Koreanischen Falls gegenüber dem Deutschen hervor, was ja auch nicht verwunderlich ist, denn eine Vereinigung nach deutschem Muster dürfte für nordkoreanische Funktionsträger wohl eine worst-case Vorstellung sein. Schließlich brachte Herr Solms noch einen Fall vor, der ihm bekannt ist und in dem es (im Gegensatz zur „großen Politik“) durchaus sein kann, dass Herr Ri Einfluss nehmen könnte. Und zwar hatte die Tochter einer gebürtigen Nordkoreanerin Herrn Solms zugetragen (und ihn wohl um Hilfe gebeten), dass ihre Mutter seit ihrem letzten Besuch aus Nordkorea vermisst sei. In solchen Fällen kann die Ansprache nordkoreanischer Partner ja durchaus hilfreich sein, wie auch der von Claudia Roth berichtet Fall belegt. Schon allein aus diesen „kleinen“ humanitären Gesichtspunkten heraus ist es daher gut und sinnvoll, den Kontakt zur nordkoreanischen Seite aufrecht zu erhalten.

…und was in Brüssel Straßburg Thema war

Ri und Martin Schulz

Ri und Martin Schulz beim Meinungsausausch. Das Treffen war also auch von Seiten des EU Parlaments hochrangig besetzt. © European Union 2011 PE-EP

Auch über Ris Besuch in Brüssel Straßburg habe ich inzwischen nähere und interessante Informationen gefunden. Auf der Seite der Delegation für die Beziehungen zu der Koreanischen Halbinsel gibt es nämlich zwei Protokolle zu Treffen der Delegation Ende letzten Jahres, die recht interessant sind. Eins davon betrifft den Besuch Ris. Spannend war schon das vorherige, denn da wies ein Mitarbeiter des Europäischen Auswärtigen Dienstes die Parlamentarier in den aktuellen Status der Beziehungen der EU zu Nordkorea ein. Themen waren die aktuell nicht geänderte Haltung der EU gegenüber Nordkorea: Das Nuklearprogramm muss abgewickelt werden, da es eine ernsthafte Bedrohung für die Stabilität der Region darstellt; dazu stellen die Sechs-Parteien-Gespräche das richtige Forum dar; ECHO hat einen Bedarf an humanitären Hilfen festgestellt und ein Programm gestartet, das:

can not really be seen generally as emergency aid, but rather addressing a systemic problem.

[im Allgemeinen nicht wirklich als Nothilfeprogramm gesehen werden kann, sondern eher systemische Probleme beheben helfen will.]

Das finde ich interessant. Wird da ein weiteres Hilfe zur Selbsthilfeprogramm aufgebaut? Ich meine im Rahmen eines kurzfristigen Nothilfeprogramms, dass auf ein paar Monate ausgelegt ist, kann man ja keine systemischen Mängel beheben…

Noch interessanter fand ich aber einen anderen Punkt. Denn:

Last but not least, Members were also briefed about the wish of North Korean Authorities to open an embassy in Brussels. It was noted that there is no majority in Council for such a move at the moment, which would also depend on further developments.

[Last but not least wurden die Mitglieder über den Wunsch der nordkoreanischen Autoritäten informiert, eine Botschaft in Brüssel zu eröffnen. Es wurde angemerkt, dass dafür keine Mehrheit im Rat besteht, was aber auch von zukünftigen Entwicklungen abhängen würde.]

Das ist doch fast ein Kracher. Nordkorea will eine Botschaft in Brüssel und damit wohl v.a. bei der EU einrichten, aber die EU, bzw. die Mehrzahl der Mitglieder des Rates ziert sich. Ich verstehe das nicht so ganz. Viele EU Mitglieder haben Repräsentanten in Pjöngjang sitzen und wollen aber keine Nordkoreaner in Brüssel. Wäre das ein falsches Zeichen? Vermutlich wird das so gesehen. Dabei geht es bei diplomatischen Beziehungen, die ja eh fast alle EU Mitgliedsstaaten mit Nordkorea unterhalten, doch nicht ums Belohnen und so. Da sind ja auch direkte Drähte wichtig, gerade in „interessanten Zeiten“ wie der Aktuellen. Aber naja, die Strategen im Rat werden sich schon was dabei gedacht haben. Es wäre interessant zu wissen, wie die deutsche Regierung dazu steht.

Naja, das Protokoll vom Treffen zwischen Ri und der EU Delegation war thematisch ähnlich. Ri bemerkte, dass die EU eine wichtige Rolle für den Erfolg der Sechs-Parteien-Gespräche spielen könnte. Scheinbar wünscht man sich in Pjöngjang ein stärkeres Engagement der EU, vielleicht auch, um den aktuellen Stillstand zu überwinden (oder als finanzstarker Teilnehmer?). Außerdem bat Ri die Mitglieder der Delegation, den Wunsch Nordkoreas für die Eröffnung der Botschaft in Brüssel zu unterstützen. Dem hielt Christian Ehler (der Vorsitzende der Delegation) entgegen, dazu brauche es zuerst Fortschritte seitens Nordkoreas in einer Reihe von Punkten, v.a. Menschenrecht und Denuklearisierung. Im folgenden Meinungsaustausch wurde über den Bedarf Nordkoreas an Nahrungsmittelhilfen gesprochen, wahrscheinlich von Ri angesprochen, über die Beobachtung der Verteilung von Hilfen und Möglichkeiten, die Nahrungsmittelproduktion zu erhöhen. Außerdem diskutierte man die Nachfolge  Kim Jong Uns (die sich damals ja noch in einem ganz anderen Stadium befand).

Ob wir je wieder von dem Botschaftswunsch hören werden?

Naja, ihr seht, es gibt doch ein paar Infos über diese Reise und die sind dazu alles andere als uninteressant (und es beweist sich mal wieder: Wer fragt bekommt Antwort). Habt ihr eigentlich schonmal von dem nordkoreanischen Wunsch gehört, eine Botschaft bei der EU zu eröffnen. Ich nicht. Ich bin aber gespannt, ob wir in Zukunft nochmal was darüber hören werden.

5 Antworten

  1. Laut KCNA tourte Ri Jong Hyok wieder einmal durch europäische Länder:

    SPA Delegation Returns Home
    Pyongyang, November 13 (KCNA) — The delegation of the DPRK Supreme People’s Assembly led by Ri Jong Hyok, chairman of the DPRK-EU friendship parliamentary group, returned home by air on Tuesday after visiting European countries.

    Welche europäischen Länder er mit seiner Delegation besuchte und der Zweck der Reise wird uns leider vorenthalten. Eine Meldung dazu von einer europäischen Zeitung oder Nachrichtenagentur fand ich auch nirgends …

  2. […]  No safety net was used, so do double check with your own dictionary.  Here is the brunt of the February 7 essay on Nordkorea-info on the DPRK’s dance with one German parliamentarian and then the […]

  3. Besuchte Ri Brüssel oder Straßburg?

    • Guter Hinweis, Danke. Wer lesen kann ist klar im Vorteil:
      „MINUTES
      of the meeting of 17 November 2011, from 09.00 to 10.00
      Strasbourg“

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