Ich habe ja in der vergangenen Woche angekündigt, dass die Vorstellung des Berichts des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für die Menschenrechtssituation in Nordkorea, Marzuki Darusman, in diesem Jahr wegen des relativ offen ausgetragenen Streits um das Schicksal der nordkoreanischen Flüchtlinge in China ein heißes Tänzchen für Nordkoreas Botschafter bei der UN in Genf, So Se-pyong, werden könnte. Aber das es gleich so heiß werden würde… Aber zu dieser kuriosen Geschichte später mehr. Erstmal solls um die Fakten gehen.
Wenn man sich ein bisschen mit der UN und der Sprache die dort gesprochen wird auseinandersetzt, dann fällt einem auf, dass dort schon Worte eine harsche Kritik bedeuten, die man in einem alltäglichen Gespräch vielleicht glatt überhören würde. Dementsprechend ist es auch durchaus bemerkenswert, dass in Darusmans Bericht im Gegensatz zum Vorjahr die folgenden Passagen enthalten sind:
While some asylum-seekers manage to finally make their way to the Republic of Korea, numerous others are forcibly returned to the Democratic People’s Republic of Korea by the neighbouring country.
[Während einige Asylsuchende es letztlich schaffen, die Republik Korea zu erreichen, werden viele andere gegen ihren Willen durch das Nachbarland in die Demokratische Volksrepublik Korea zurückgebracht.]
the Special Rapporteur calls on other neighbouring countries to protect and treat all people fleeing the Democratic People’s Republic of Korea humanely and to respect the principle of non-refoulement, as provided for under the Convention relating to the Status of Refugees.
[der Sonderberichterstatter ruft andere Nachbarländer dazu auf, alle Personen die aus der Demokratischen Volksrepublik Korea fliehen, zu schützen, menschlich zu behandeln und das Prinzip der Nichtzurückweisung zu respektieren, das in der Genfer Flüchtlingskonvention enthalten ist.]
So deutlich wurde China wegen der nordkoreanischen Flüchtlinge bisher noch nicht vor der UN an den Pranger gestellt und dementsprechend ist es auch kein Wunder, dass der Vertreter Chinas sich gegenüber dieser Kritik verwahrte (womit dann auch definitiv geklärt ist, welches Nachbarland gemeint ist):
China welcomed the cooperation of the Democratic People’s Republic of Korea with the United Nations agencies and underlined that food should not be used for economic pressure. The international community needed to give more attention to issues and challenges faced by the Democratic People’s Republic of Korea and to provide humanitarian assistance to its people. China reiterated that the nationals of the Democratic People’s Republic of Korea fleeing the country were not refugees. They had entered China for economic reasons thus violating China’s law; the handling of this issue was entirely within China’s sovereignty. China was opposed to the attempt to turn this issue into a global and political subject.
[China begrüßte die Kooperation der Demokratischen Volksrepublik Korea mit den Körperschaften der Vereinten Nationen und unterstrich, dass Nahrung nicht als ökonomisches Druckmittel genutzt werden sollte. Die internationale Gemeinschaft sollte die Schwierigkeiten beachten, mit denen die DVRK zu kämpfen hat und den Menschen dort humanitäre Hilfe gewähren. China unterstrich, dass die Bürger der DVRK, die aus dem Land flöhen, keine Flüchtlinge seien. Sie seien aus wirtschaftlichen Gründen nach China eingereist und so chinesisches Recht gebrochen; Der Umgang mit dieser Frage unterliege vollständig chinesischer Souveränität. China lehnte die Versuche ab, diese Frage zu einem globalen und politischen Thema zu machen.]
Da hat sich der chinesische Vertreter also nicht nur gewehrt, sondern mit dem Nahrungsmittelthema auch noch ein bisschen in Richtung USA ausgeteilt. Jedoch liegt das Hauptaugenmerk wohl auf der Verteidigung des chinesischen Vorgehens. Er versucht garnicht zu leugnen, sondern begründet es mit der chinesischen Sicht der Rechtslage. Dass der chinesische Vertreter so offensiv mit der Kritik umgeht zeigt, dass man in Peking durchaus den Druck von außen spürt. Und worauf man in Peking so garkeine Lust hat, dass sagt er auch noch: Nämlich, dass sich die Flüchtlingsfrage als dauerhaftes politisches Thema auf der globalen Agenda festsetzt. Denn dann müsste man sich permanent mit Demonstrationen und diplomatischem Druck auseinandersetzen.
Ansonsten lief die Debatte in relativ vorhersehbaren Bahnen. Südkorea richtete das Wort ebenfalls an das Nachbarland Nordkoreas (ansonsten nur noch die Schweiz so direkt) und die Staaten, die dem westlichen Lager zuzuordnen sind, übten mit unterschiedlicher Tönung offene Kritik an Pjöngjang. Die meisten Staaten des Südens nahmen eine differenziertere Position ein und forderten Pjöngjang zwar zur Kooperation und Verbesserung der Menschenrechtslage auf, gleichzeitig wurden aber auch Sanktionen kritisiert und gefordert, dass man Nordkorea in der angespannten Nahrungsmittelsituation helfen solle. Eine letzte Gruppe lehnte (wie Nordkorea, von dem das übliche Gerede von Verschwörung usw. kam) das gesamte Verfahren ab, in dem die Situation einzelner Länder durch Berichte diskutiert wird. Welche Länder das sind, dass könnt ihr euch denken: Alles Kandidaten, die auch auf der Liste für solche Berichte stehen bzw. Schwierigkeiten mit der „westlichen Welt“ haben (Simbabwe, Venezuela, Kuba, Syrien, Weißrussland und Myanmar). Eine Sache fand ich noch überraschend: Das einzige Land, dass auf die Idee kam, Kim Jong Un für die glattgelaufene Machtübernahme zu gratulieren war nämlich Thailand. Allerdings ist das wohl auch so ein UN-Sprech-Kniff, denn nach der freundlichen Gratulation sprach man dann von großen Erwartungen und forderte von Pjöngjang, der eigenen Verantwortung nachzukommen.
Aber das Alles stand natürlich irgendwie im Schatten, denn nach Ende der Sitzung gab es einen kleinen Zwischenfall, den ich so tatsächlich überraschend fand. Beim Verlassen der Veranstaltung musste sich So Se-pyong nämlich physischer Attacken südkoreanischer Parlamentarier erwehren, die angereist waren um auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam zu machen. Hier gibt es ein kurzes und leider recht verwackeltes Video dazu, aber schwerere Verletzung wird wohl niemand davon getragen haben (So Se-pyong hatte den Schutz des Sicherheitsdienstes der UN und von einem großen kräftigen Mitglied aus seiner Delegation, der aus der Wäsche geguckt hat, als würde er das gern mit den Südkoreanern austragen). Naja, aber es hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Vielleicht war das ja auch die Idee, mit der die Südkoreaner gezielt einen kleinen Skandal herbeiführen wollten. Ob sie ihr Ziel damit erreicht haben weiß ich nicht genau, aber guter Stil ist das auf keinen Fall (um genau zu sein ist es meiner Meinung nach ein absolutes No-Go, auf dem Gelände der UN einen Botschafter anzugreifen (also quasi auf neutralem Boden eine unverletzliche Person angreifen. Respekt!)). Jedenfalls nutzte die nordkoreanische Propaganda den Zwischenfall um sich (in diesem Fall völlig zurecht) genüsslich über diesen schlechten Stil auszulassen und auch noch ein bisschen auf dem generell öfter mal recht rüden Umgang im südkoreanischen Parlament zu verweisen
Hm, wenn es sowas mal in Deutschland gäbe, dann hätte Phoenix bestimmt wesentlich bessere Einschaltquoten (obwohl mir ehrlich gesagt ein gekonntes Wortgefecht genausolieb ist wie das permanente Gekreische und Gekloppe).
Ein Gedanke zum Schluss: Was hätten wir wohl in unseren Medien lesen können, wenn der Fall umgekehrt gelagert gewesen wäre, also Nordkoreaner einen Vertreter Südkoreas attackiert hätten? Irgendwas mit „irre“ und „typisch nordkoreanische“ wäre bestimmt dabei gewesen aber sorum ist das wohl legitim.
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Zünftige Prügeleien und Handgemenge scheinen bei den Koreanern ja sehr beliebt zu sein.Hier noch ein netter Artikel zu einem Fight von 2008: http://www.dailymail.co.uk/news/article-1097434/Democracy-South-Korean-style-MPs-blasted-extinguishers-trying-break-Parliament-hoses-sledgehammers.html
Was sagt uns das über das Wesen des Koreaners?
Ich kam leider bisher nicht in den Genuss welche kennenzulernen aber es scheinen ja ziemlich heissblütige Menschen zu sein.
Das Klischee vom sanftmütigen und harmonischen Asiaten jedenfalls kann man hier wie alle Klischees getrost über Bord werfen.
Hm, ich glaube man sollte vorsichtig sein da ein „Pauschal-)Urteil über „den Koreaner an sich“ zu fällen. Ich muss sagen ich habe auch immer ein bisschen Schwierigkeiten damit, diese Raubeinigkeit im Parlament zuzuordnen, aber ich würde dafür auch andere Ursachen nicht vernachlässigen. Ich könnte mir zum Beispiel gut vorstellen, dass das was mit der politischen Kultur im Land zu tun hat, die sich aus der jüngeren Geschichte speist. Man darf ja nicht vergessen, dass es garnicht so lange her ist, dass man auch in Südkorea noch eine Diktatur hat. Viele der Leute die jetzt für die eher linken Parteien im Parlament sitzen haben früher auf der Straße für ihre politischen Rechte demonstriert und manchmal gekämpft und manche habe dafür im Gefängnis gesessen. Vielleicht hat sich dieses Straßenkämpferische nun eher ins Parlament verlagert und bricht bei größeren Konflikten aus. Nur so eine Idee, der ich das zumindest in Teilen auch zuschreiben würde…