Noch mehr Ewigkeit und noch mehr neue Posten: Kim Jong Un setzt sich an die Schaltstellen der Macht

Die gestrige Sitzung der Supreme People’s Assembly (SPA) brachte noch mehr Ewigkeit für Kim Jong Il und noch mehr neue Positionen für Kim Jong Un. Damit hat der junge Kim einerseits seine Pflichten gegenüber seinem Vater erfüllt (also ihn in Ehren gehalten), ohne jedoch Andererseits den Aufstieg an die Schaltstellen der Macht zu vernachlässigen. Der für uns sichtbare Teil der Nachfolge scheint damit weiterhin glatt abzulaufen.

Noch ein ewiger Vorsitz für Kim Jong Il…

Nachdem Kim Jong Il am vergangenen Mittwoch bereits für die Position des Generalsekretärs der Partei der Arbeit Koreas eine Ewigkeitsgarantie erhalten hatte und dafür die Statuten der Partei entsprechend angepasst wurden, hat ihn die SPA gestern auch noch zum ewigen Vorsitzenden der Nationalen Verteidigungskommission (NDC) (oft wird auch „Komitee“ geschrieben. Diese Übersetzung hat zwar einiges für sich, aber ich verstehe dann nicht, warum es in der englischen Übersetzung von KCNA dann „commission“ und nicht „comittee“ heißt. Hat das was mit der direkten Übersetzung aus dem Koreanischen ins Deutsche zu tun? Ich werde vorerst bei „Kommission“ bleiben) gemacht.

…und noch ein neuer Posten für Kim Jong Un

Wie schon im Fall der Partei, hat man auch hier einen neuen Posten für Kim Jong Un geschaffen, der wohl die gleichen Kompetenzen besitzt, wie der, den jetzt Kim Jong Il besetzt und der sich vor allem dem Namen nach unterordnet. Daher wurde Kim Jong Un gestern mit viel „Hurra“ etc. zum „first Chairman“ der NDC gewählt. Damit hat er jetzt die zentralen Schlüsselpositionen des Staates besetzt. Nach dem Bild, das man von außen sehen kann, hat er damit die gleichen Möglichkeiten zur Machtausübung wie einst (das klingt, als wäre es schon lange her, sind aber erst vier Monate, das ist echt nicht lange) sein Vater.

Der Unterschied zwischen nomineller und faktischer Macht

Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Denn natürlich kommt es mindestens genauso darauf an, ob sein Wille die gleiche Autorität besitzt wie der seines Vaters, also ob er alleine Entscheidungen treffen kann und ob diese dann auch Geltung haben. Außerdem weiß man nicht, inwiefern „Berater“ und „Freunde“ in seiner Umgebung ihn in seiner Entscheidungsfindung unterstützen. Daher kann man nicht wirklich sagen, ob seine faktische Macht genausogroß ist, wie seine nominelle. Aber für mich ist es nur schwer vorstellbar, dass die erfahrenen Recken in seiner Umgebung ihr umfangreiches strategisches Wissen dem Willen eines dreißigjährigen unterordnen, der sich einfach noch nicht so gut auskennen kann. Daher ist nicht nur die Frage, ob Kim Jong Un in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen, dass sein Wort also quasi Gesetz ist, sonder auch, wie er sich seine Meinung bildet. Wird er beeinflusst oder wird er beraten? Das werden wir zwar vorerst nicht erfahren, aber es ist nicht uninteressant. Eine kleinen Hinweis auf seine mögliche Autorität gibt vielleicht die Tatsache, dass auch bei Kim Jong Uns Vor-Ort-Anleitungen seine gesamte Gefolgschaft eifrig mitzunotieren scheint, was er weises zu sagen hat (mit diesem Phänomen hatte ich mich ja schon bei seinem Vater befasst).

Die Tradition des Mitschreibens...

...bleibt auch unter Kim Jong Un erhalten. Also wird sein Wort schon etwas gelten.

Für die längere Perspektive, wenn das Regime in seiner bisherigen Form weiterexistiert, ist die Ausgangsposition für den jungen Kim allerdings nicht schlecht. Selbst wenn er jetzt noch beeinflusst wird, dann werden die Beeinflusser lange vor ihm sterben (wenn alles normal läuft) und dann sitzt er an den Schnittstellen der Macht. Er kann also in die Position der absoluten Macht „hineinwachsen“ selbst wenn er vorerst noch auf Ratgeber hören muss.

Wird noch Ewigkeit für Kim Jong Un bleiben?

Ein weiterer praktischer Aspekt, der mich beschäftigt, bezieht sich auf all die Posten, die jetzt von Großvater und Vater besetzt werden. Was würde man denn machen, wenn Kim Jong Un sterben würde. Da bleibt ja nicht mehr viel Ewiges für ihn übrig. „Ewiger Vorsitzender der Zentralen Militärkommission der PdAK“? Klingt irgendwie komisch. Aber da er ja noch jung ist, denkt man in Pjöngjang vermutlich, dass er ja noch viel Zeit hat, sich einen Posten zu schaffen, den er dann ewig besetzen kann. Eine andere Möglichkeit, in der keine Ewigkeit mehr für Kim Jong Un nötig wäre, beschreibt Rüdiger Frank hier sehr plausibel.

Soviel vorerst von mir. Ich werde heute das schöne Wetter ein bisschen genießen und nächste Woche eine Roundup zu den Personalia dieser Woche liefern. Dann gibt es bestimmt auch schon einiges von Experten, von dem wir lernen können.

10 Antworten

  1. Kim Jong Un kriegt endlich den mund auf:

    Eine in monoton-getragenem ton vom blatt abgelesene rede ohne kämpferisches pathos. War Kim Il Sung ein charismatischer redner? Leider kann ich von ihm auf die schnelle keine originalaufnahmen finden.

  2. och – da bleibt schon noch ein bisschen an „Ewigkeiten“ z.B. „Ewiger Ge­ne­ra­lis­si­mus“… – oder „Ewiger Oberster Führer“ klingt doch auch nicht schlecht… 😉

  3. Hm, dieses Mitschreiben scheint im asiatischen Raum zum Teil verbreitet zu sein. Letzte Woche hatte ich eine japanische Delegation zu betreuen und sobald ich irgendetwas erklärte oder über ein Thema referierte kamen diese kleinen Büchlein zum Vorschein, in denen sodann kräftig Notizen erstellt wurden. Das Faszinierende war, dass die Notizen sogar zu gebrauchen waren. Abläufe, Zusammenhänge und statistische Verteilungen wurden grafisch festgehalten und ansonsten gute Stichpunkte notiert.

    Vielleicht findet sich ja ein Gastautor, der uns hier im Blog über das Thema näher informieren möchte.

    • Naja, wir sollten, denke ich, immer daran denken, dass vieles in NK symbolischen (!) Charakter hat und in unserem Verständnis keinen Sinn macht. Der (welcher auch immer) Große Führer besucht(e) einen Entenfarm und sagt: „Ich glaube, wir sollten dafür sorgen, dass die Enten gut aufwachsen“ Also schreiben die Genossen auf: „Der große Führer sagt, die Enten sollen gut aufwachsen“. So what ? Das war’s. Wenn wir uns ernsthaft mit dem Geschreibsel auseinandersetzen, heißt das, glaube ich, nichts Anderes als potentiell anzunehmen der gute Mann ( welcher auch immer 😉 hat(te) wirklich etwas Substantielles zu den 1000 Bereichen des Lebens zusagen ( Metallurgie, Landwirtschaft, Textilindustrie… –> siehe “ Kim Jong-il looks at…“)
      Es ist reine Symbolik – der Führer hat etwas Wichtiges zu sagen – obwohl er keine Ahnung hat – kann er auch nicht – woher auch ? Und das wars aber auch…

      Die Japaner sind eine ganz andere Nummer – das hat nichts mit asiatischer Mentalität zu tun, sondern mit reiner gewinnbringender geschäftlicher „Neugier“ – was für ein Euphemismus in diesem Zusammenhang ( man könnte auch Profitgier sagen- aber das denken wir ja nur – schließlich kämen wir sonst ja auch noch eventuell auf uns selbst und zu anderen „tieferen Einsichten“ – aber das wollen wir ja nicht … ;-);-)

      • Naja, die Frage ist ja immer, inwiefern ein Führer „nur“ ein normaler Mensch ist und inwiefern in ihm mehr gesehen wird. Ich hab zwar meine Schwierigkeiten damit, dass man in irgendeinem Menschen mehr als einen normalen Menschen sehen könnte, aber das liegt vielleicht auch an meiner Persönlichkeit. Wenn ich an das besondere in einer Person glauben würde, dann wären seine Worte doch auch mehr wert als die eines Anderen. Und wenn er dann sagt, „Die Enten müssen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen mithilfe von CNC-Technologie aufgezogen werden“ dann denke ich, dass das ein besonderer Tip ist und das ich damit alle Probleme los werde. Ob da dann am Ende was sinnvolles rauskommt oder eine ökonomische Katastrophe sei mal dahingestellt. Doch wenn es schiefläuft, dann liegt es bestimmt nicht an dem besonderen Menschen, der den Supertip parat hatte, sondern an der schlampigen Ausführung, an den Amis oder an sonstirgendeinem Problem. Daher weiß ich wirklich nicht, wie man das bewerten soll und ob sich das echte Charisma seit Kim Il Sung echt rausgeschliffen hat, oder ob noch was vom Besonderen an Kim Jong Un haftet.

Meinungen, Anregungen, Kritik? Alles gern gesehen!