Vor ein paar Tagen habe ich ein bisschen bei Naenara rumgestöbert. Dort habe ich eigentlich sehen wollen, ob vielleicht auf der deutschen oder englischen Seite des staatlichen Informationsportals etwas zu der neuesten Überarbeitung der Verfassung des Landes zu finden sei. Auf der koreanischen Ausgabe scheint die ja zumindest auszugweise nachzulesen zu sein. Aber wie so oft habe ich nicht gefunden, was ich gesucht habe. Dafür habe ich aber etwas anderes gefunden, das ich spannend finde und das ich euch daher vorstellen möchte.
In der Geschichte mit dem „grünen“ Nordkorea…
Ihr erinnert euch vielleicht noch an meinen Beitrag, in dem ich berichtete, dass Nordkorea sich mit Hilfe der Hanns-Seidel-Stiftung für den “Clean Development Mechanism” (CDM) der Vereinten Nationen fit machen und genauer dort in den Handel mit Emissionszertifikaten einsteigen wolle. Diese Zertifikate wollte man erwerben/zugeteilt bekommen, indem man Wasserkraftwerke baut, die die Produktion von Energie mithilfe herkömmlicher thermischer Kraftwerke ersetzen sollten. Viel mehr gab es aber zu dem Zeitpunkt, als ich das geschrieben habe nicht zu erfahren. Daher fand ich es interessant, als ich bei meiner Naenara-Stöberei rechts ein Banner (über die Funktion von den Bannern auf nordkoreanischen Seiten bin ich mir nie ganz im Klaren, vermutlich sind die Links einfach nur in Bannerform, damit die Seite „zeitgemäß“ aussieht) mit dem Titel „Carbon Trade“ gesehen.
…gibt es Neuigkeiten…
Das fand ich sehr spannend, weil ich davon lange nichts mehr gehört hatte und was ich noch spannender fand war die Tatsache, dass hinter dem Link tatsächlich Informationen zu finden waren. Da gibt es (neben jeder Menge unausgefüllter Formblätter der ausführenden UN Gliederung (keine Ahnung warum die da stehen) auch eine grobe Übersicht, über das nordkoreanische Stromnetz und Zahlen zur Stromproduktion in Wasserkraftwerken und thermischen Kraftwerken (ich weiß nicht, ob die Aufstellung erschöpfend ist von 2005 bis 2009 sowie sieben „Letter[s] of Approval“ der nordkoreanischen Regierung. Die sind am spannendsten, denn sie beinhalten jeweils eine Erlaubnis zum Bau eines Wasserkraftwerks vor dem Hintergrund, dass das jeweilige Kraftwerk im Einklang mit den Anforderungen für die Teilnahme am CDM-Mechanismus sei. Weiterhin enthält es jeweils die Erlaubnis, eine bestimmte Menge an CO2 Zertifikaten (Certified Emission Reductions (CERs)) an die Topič Energo s.r.o. in der Tschechischen Republik zu übertragen.
…und erstaunlich detaillierte Informationen
Naja, das fand ich dann alles doch sehr interessant, denn von dem ganzen CDM Komplex hatte man ja wirklich ewig nichts mehr gehört und scheinbar ist das ja schon so richtig am laufen. Weil ich mir noch immer nicht ganz sicher war, habe ich noch ein bisschen weitergesucht und tatsächlich auf der CDM-Seite der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) einige sehr detaillierten Infos zu den einzelnen Projekten gefunden (die ich nicht weiter auswerten will, weil ich darüber sowas von keine Ahnung habe. Aber vielleicht interessiert sich ja einer von euch für Dammbau, Stromproduktion oder CO2-Zertifikate). Ich verlinke einfach die Projekt Design Document Forms (PDDs) (und wenn es solche gab, auch die kritischen Kommentare und Anmerkungen im Rahmen der Registrierungsprozedur (Allerdings sind es bei den Ryesoggang-Kraftwerken immer dieselben (und ich verstehe das Meiste nicht wirklich, nur hört es sich zum Teil sehr kritisch an))) und kann wirklich nur empfehle mal eins anzugucken um zu sehen, wie detailliert und transparent man in Nordkorea sein musste, um sich zu registrieren. Das hat bestimmt einige Gewöhnung benötigt. Außerdem fand ich das teils detaillierte Kartenmaterial ganz nett.
- Kumya Hydropower Plant
- Ryesonggang Hydropower Plant No.3 (Kommentare)
- Ryesonggang Hydropower Plant No.4 (Kommentare)
- Ryesonggang Hydropower Plant No.5 (Kommentare)
- Paekdusan Songun Youth 14MW Hydropower Project No.2
- Wonsangunmin Hydropower Project No.1 (Kommentare)
- Hamhung Hydropower Plant No.1
Naja, soweit ich den Mechanismus verstehe hat Nordkorea jedenfalls diese sieben Projekte in den CDM reinbekommen und wird damit bald zum Verkäufer von CO2-Zertifikaten werden. Wenn ich das aus den nordkoreanischen Dokumenten richtig verstanden habe, könnte das Gesamtvolumen höchstens Zertifikate im Äquivalent von knapp 2,5 Mio. Tonnen CO2 betragen. Ich kenne den Marktpreis nicht genau, aber ich glaube der Preis für eine Tonne schwankt so um 10 Euro. Allerdings weiß ich nicht genau, ob man die Rechnung so aufmachen kann, aber dazu später mehr.
Wer ist Topič Energo?
Nachdem ich all das erfahren hatte, fand ich es dann interessant, dass die Zertifikate soweit ich das verstehe alle an eine tschechische Firma Namens Topič Energo gehen sollen. Also habe ich noch schnell versucht was über die rauszufinden. Vor ein paar Tagen gab es aber nicht vielmehr, als diesen Artikel in der Pyongyang Times mit dem bezeichnend Titel „Carbon trade arouses interest“ in dem u.a. über den Besuch des Chefs der Firma, Miroslav Blazek, berichtet wird. Aber auch auf diesem Weg konnte ich nicht wirklich viel rausfinden, außer dass es scheinbar nicht so einfach ist, wenn man mit Nordkorea Geschäfte macht. Darauf lässt jedenfalls der Titel seines Vortrages auf dem European Carbon Forum 2011 schließen, der ungefähr mit „CDM-Umweltprojekte in Nordkorea: Vom Kampf eines kleinen lokalen Unternehmens mit internationalen Vorurteilen“. Dann hatte ich ein bisschen Glück, denn scheinbar hat man sich bei Bloomberg gestern (bzw. vor einiger Zeit) derselben Geschichte angenommen und mit Blazek gesprochen. Dadurch kommt noch etwas mehr Licht ins Dunkel. Blazek und sein Unternehmen fungieren in der ganzen Geschichte scheinbar nur als Zwischenhändler und verkaufen die nordkoreanischen Zertifikate weiter. Das scheint aber garnicht so einfach zu sein, da sich viele Unternehmen wegen des US-Embargos (so steht es da, vielleicht sind die Finanzsanktionen gemeint, die als „de facto Embargo“ wirken) Sorgen machten und über 30 abgesprungen seien, ehe Blazek einen Investor in China fand. Die Zertifikate (241.000 Tonnen im Jahr, was wohl heißt, dass das Ganze für zehn Jahre läuft) seien jährlich etwa eine Million Euro wert.
Was ich alles nicht so recht verstehe
Alles in Allem finde ich diese ganze Zertifikate-Geschichte sehr interessant, ohne so recht zu wissen, was ich davon halten soll. Einerseits ist es natürlich gut, wenn umweltfreundlich Energie geschaffen wird. Allerdings frage ich mich, ob die Kraftwerke nicht so oder so gebaut worden wären und ob der „saubere Strom“, der erzeugt wurde, tatsächlich „schmutzigen Strom“ ersetzt, oder nur ergänzt. Denn es wäre doch irgendwie verrückt für Pjöngjang, bei permanenter Stromknappheit Kraftwerke abzuschalten. Außerdem wäre das wahrscheinlich auch nicht im Sinne des Erfinders, denn es würde ja so ungefähr bedeuten, dass die reichen Industriestaaten armen sich entwickelnden Ländern Geld bezahlen würden, damit die sich nicht weiter entwickeln (denn dem kommt doch die Nicht-Nutzung von Kapazitäten zur Stromerzeugung gleich). Naja, aber wenn Nordkorea seine thermischen Erzeugungskapazitäten nicht herunterführe, wie wäre dann der Umwelt damit gedient? Garnicht. Und warum würde dann Geld fließen? Weiß nicht. Wie ihr seht, gar nicht so einfach diese Geschichte, aber das ist natürlich kein speziell nordkoreanisches Problem. Was dagegen ein speziell nordkoreanisches Problem ist, ist die Tatsache, dass es sogar schwierig scheint solch „potentiell weltrettende“ Produkte wie CO2-Zertifikate aus Nordkorea abzusetzen, nur weil sie eben von dort kommen. Ob sowas im Sinne des Erfinders der achso smarten Sanktionen gegen das Land ist weiß ich nicht, aber ganz abwegig ist es leider nicht.
Für mehr Infos über Nordkoreas Weg zum CDM empfehle ich den ausführlichen Beitrag von North Korean Economy Watch zu dem Thema an und für mehr Infos über die Dammbauprojekte schaut euch ebenfalls auf dieser Seite die vielen Artikel dazu an.
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