Bericht des UN-Experten Panels: Deutliche Fingerzeige, dumpfe Sanktionen und nordkoreanisch-syrische Zusammenarbeit

So, habe mir eben mit neuem Haarschnitt den Bericht des UN-Expertenpanels zur Umsetzung der Sanktionen gegen Nordkorea durchgelesen und es war wie jedes Jahr eine durchaus spannende Lektüre. Vieles von dem, das wir da lesen können, haben wir vorher schonmal gehört, aber zu vielen Aspekten die angesprochen werden, werden auch neue Details bekannt.

Es geht nichts verloren

Interessant auch, wie die Mitglieder des Panels einzelne Informationen bewerten. Oft hilft das dem unbeteiligten Beobachter (uns) ein bisschen besser zu verstehen, was jetzt eine vermutlich glaubwürdige Information ist und was mit großer Wahrscheinlichkeit den Hirngespinsten oder Vermutungen einzelner entsprungen sein wird. Ganz witzig finde ich auch, wie das Panel mit der Tatsache umgegangen ist, dass ihr letztjähriger Bericht nicht veröffentlicht werden konnte. Man hat nämlich einfach alle wirklich wichtigen Informationen auch in den diesjährigen Bericht reingeschrieben, so dass nichts verlorenging. Interessant im Zusammenhang mit dem Nichterscheinen des letztjährigen Berichts fand ich übrigens diese Fußnote:

One Panel member, Xiaodong Xue, would like to disassociate himself from the 2011 report, since he did not sign it despite his full participation in the drafting process. The report remains an internal document of the Security Council.

Ein Panel-Mitglied, Xiaodong Xue, möchte sich vom Bericht des Jahres 2011 distanzieren, da er ihn trotz seiner vollständigen Teilnahme an der Erstellung nicht unterschrieben hat. Der Bericht bleibt ein internes Dokument des Sicherheitsrates.

Da wird relativ klar, warum Herr Xue den Bericht nicht unterschrieben hat, nämlich auf Weisung von Oben. Denn warum hätte er sonst permanent mitarbeiten sollen, um dann am Ende seine Stimme zu entziehen. Interessant jedenfalls, dass er in diesem den diesjährigen Bericht dann unterschrieben hat, denn wie gesagt: Alles Wichtige aus dem letzten Jahr steht da drin.

Syrien und Nordkorea da ging so einiges.

Aber das nur am Rande. Im Vorfeld wurde ja schon viel über die Verbindungen zwischen Syrien und Nordkorea geschrieben, die durch den Bericht beleuchtet würden (und ich habe mich dem gleichen Thema ja schonmal von einer anderen Warte aus genähert). Und tatsächlich sind neben ollen Kamellen wie dem Al-Kibar Reaktor (Paragraph 60) auch ein paar Sachen dabei, über die man bisher noch nicht so genau Bescheid wusste. Einmal geht es da um einen Fall aus dem Jahr 2007 als eine Ladung von Raketenteilen aufgebracht wurde. Die kam definitiv aus Nordkorea und wenn man die außerdem in der Ladung enthaltenen „Care-Pakete“ miteinbezieht, dann ist wohl davon auszugehen, dass damals nordkoreanische Entwickler den syrischen Kollegen beim Bau von Scud-Ds halfen (Paragraph 57). Über aktuellere Mutmaßungen über Raketenkooperationen möchte sich das Panel nicht so definitiv äußern, bemerkt aber, dass eine solche Weiterführung des Engagements zum Verhalten Nordkoreas passen würde. Außerdem seien Ähnlichkeiten in den Konstruktionen denkbar (Paragraph 58).

Über die Geschichte mit den Schutzanzügen und Gasmasken, die 2009 irgendwo auf dem Weg nach Syrien abgefangen wurden, konnte man auch schon was lesen, aber nichts genaues wusste man nicht. Insgesamt wurden in einem relativ kurzen Zeitraum Ende 2009 zwei Ladungen mit Chemieschutzausrüstung für Syrien abgefangen. Da aber in einem der Fälle Schutzstiefel fehlten, hält das Panel es für naheliegend, dass zumindest eine Lieferung nach Syrien durchgekommen sei (Paragraphen 65 und 66). Ende 2010 fing Frankreich darüber hinaus eine Ladung von Rohmaterialien ab, deren wahrscheinlichste Verwendung die Produktion von Artilleriemunition und Raketen gewesen sei (Paragraph 67). Da kommt schon einiges zusammen. Allerdings ist auch zu bemerken, dass einige der Geschichten älter sind und dass das nicht unbedingt damit zu tun haben muss, dass diese beiden Länder extrem viel zusammengearbeitet haben, sondern auch damit zusammenhängen kann, dass hier beide Staaten unter scharfer  Beobachtung stehen. Andere Handelspartner Nordkoreas in Afrika stehen beispielsweise weniger im Fokus der Weltöffentlichkeit (z.B. Kongo-Brazzaville, über dessen rege (Waffen-)Handelsbeziehungen zu Pjöngjang Paragraph 71 Auskunft gibt).

Deutschland: Vorbildlich und erfinderisch

Jedoch war natürlich nicht der ganze Bericht nur Syrien. Es gibt auch durchaus andere interessante Aspekte. So tauchte auch in diesem Bericht wieder Deutschland auf. Anders jedoch als im vorvergangenen Jahr, als die Commerzbank Eingang fand, weil einer ihrer Geschäftspartner dem Panel ein bisschen suspekt war, las man dieses Mal nur Gutes. Der Botschafter in Pjöngjang wusste zu berichten, dass die Sanktionen keine negativen Auswirkungen auf den Betrieb der Botschaft hätten (was sein russischer Kollege scheinbar etwas anders sieht (Paragraph 109)). Vor allem aber demonstrierten die deutschen Behörden, wie eifrig sie möglichen Sanktionsverstößen nachspüren. Im Jahr 2009/10 habe man einen potentiellen Verstoß gegen die Sanktionen geprüft, sei aber zum Schluss gekommen, dass die Lieferung von 6 Schiffsdieseln (oder sowas ähnlichem, bin kein Seemann) nicht gegen Sanktionen verstoße (Paragraph 90).

Und sogar die deutschen Medien werden als Hinweisgeber zitiert. Allerdings die, die immer mal wieder durch Hirngespinste und wild zusammenfabulierte Geschichten auffällig werden. Gut daher, dass das Panel die Behauptungen der WELT, die sich auf ungenannte westliche Sicherheitskreise beriefen (macht man ja gerne dort), stark in Zweifel zieht (Das könnte man ja schon fast als redaktionelle Linie sehen, dass man auf Teufel komm Raus eine Achse Teheran-Damaskus-Pjöngjang erfinden will, egal wie abwegig die Geschichten auch sein mögen)  (Paragraph 25 bes. Fußnote 22).

Smarte Sanktionen oder dumpfes Embargo?

Und damit bin ich auch schonwieder bei einem meiner Lieblingsthemen. Nämlich bei der Frage danach, wie Smart die Sanktionen wirklich sind und was alles Luxusgüter sein können. Ich meine, allein die Dual-Use Güter (also Sachen mit mehreren möglichen Verwendungszwecken, von denen einer die Waffenproduktion ist) für die Waffenproduktion bringen für die nordkoreanische Wirtschaft ja schon einige Einschränkungen mit sich, aber da halte ich es ja noch für sinnvoll, die trotzdem zu sanktionieren. Aber zu Sachen, die ich einfach mal als „Dual-Use-Luxusgüter“ bezeichnen möchte, kann man ja irgendwie fast alles zählen. Und das machen einige Staaten auch scheinbar. Während es in Deutschland ja (mit gutem Grund) schon fast ein Menschenrecht ist, einen Computer zu besitzen, zählen für Japan gebrauchte Notebooks zu Luxusgütern. Ebenso Musikinstrumente. In Italien scheinen Kinos als Luxus zu gelten, jedenfalls fing man Gegenstände ab, die zum Bau eines Kinos gedient hätten (Paragraphen 77 und 82). Ich denke da eher an kulturelle Teilhabe oder sowas. Aber gerade der Fall mit den Notebooks wirft die Frage auf: Wird da Regimespitzen ihr dolles Leben vermiest, oder hält man nicht auch irgendwie die Entwicklung eines Landes auf? Und was ist an den Sanktionen denn bitte noch smart, wenn ja eigentlich irgendwie alles zu Luxuszwecken oder als Waffenvorprodukte gebraucht werden kann. Das ist dann doch nur eine pfiffige Umetikettierung des guten alten aber ebenso dumpfen Embargos.

Der Finger zeigt deutlich wie nie auf China

Naja, aber ist es eben auch wieder nicht. Denn Nordkorea steht ja nicht ganz allein, sondern hat einen wohlwollenden großen Bruder an der Nordgrenze. Und auf den wird im aktuellen Bericht recht deutlich mit dem Finger gezeigt: Wenn ich richtig gezählt habe, wird Dalian, die große chinesische Hafenstadt westlich von aber relativ nah an Nordkorea dreimal als Zwischenstation für illegale nordkoreanische Fracht genannt. In dem Teil, der sich mit den Arten des Transports beschäftigt (Paragraph 95), kann man lesen, dass Nordkorea sich der Tatsache bewusst ist, dass die eigene Schiffsflotte unter scharfer Beobachtung steht. Daher versuche man die Waren in Containern zu verschiffen, die, wenn sie erstmal im internationalen Warenstrom mitschwimmen, kaum mehr auszumachen sind. Daher nutze man große Reedereien zum Verschiffen der Güter (an anderer Stelle wird bezüglich der Schmuggelmethoden der Vergleich zum Vorgehen der organisierten (Drogen-)Kriminalität gezogen (Paragraph 100)).

Because none of the mainstream shipping companies calls at ports of the Democratic People’s Republic of Korea, all containers to or from the country have to be processed through a neighbouring regional trans-shipment hub. Since 2006, the Democratic People’s Republic of Korea has progressively lost access to some of these ports.

Weil aber keine der großen Reedereien Häfen Nordkoreas anläuft, müssen alle Container nach und von Nordkorea durch einen benachbarten regionalen Knoten laufen. Seit 2006 hat Nordkorea mehr und mehr Zugang zu einigen dieser Häfen verloren.

Naja, Dalian scheint jedenfalls nicht dazu zu gehören, so die Implizite Botschaft, die man da rauslesen kann. In keinem der vorherigen Berichte wurde so deutlich gemacht, dass China der Pferdefuß bei den Sanktionen ist. Trotz aller diplomatischer Zurückhaltung bleibt hier eigentlich kein Raum mehr für Interpretationen. Umso erstaunlicher, dass man dieses Jahr der Veröffentlichung des Berichtes wieder zustimmte.

Es gibt noch mehr interessantes, also lest ihr am besten auch noch selbst. Aber ich will euch nicht ermüden und ziehe daher hier einen Strich.

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