Wissenschaftskooperationen als vertrauensbildende Maßnahmen am Beispiel USA-Nordkorea: Ein Modell für Deutschland?

Eben habe ich ein recht interessantes Paper zu einem Thema gelesen, zu dem man zwar hin und wieder was hört, zu dem es aber wenig Handfestes gibt. Es geht um die Förderung eines Dialogs mit Nordkorea (in diesem Fall der USA) mit Hilfe von akademischer Kooperation. Ich finde das Thema sehr interessant, weil sich meiner Meinung nach nicht nur für die  USA, sondern auch für Deutschland bzw. die Staaten Europas hier die Möglichkeit zum Aufbau eines dauerhaften Dialogs bietet. Natürlich weiß ich, dass es hier und in einigen anderen Ländern Europas bereits diverse Initiativen gibt, die die wissenschaftliche Zusammenarbeit bzw. den akademischen Austausch fördern sollen, aber da ginge vermutlich noch was mehr.

Wissenschaftliche Kooperation mit Nordkorea: Chancen und…

Aber zuerst mal zurück zu dem Paper: Darin beschreibt Stuart J. Thorson die Ratio hinter der Zusammenarbeit der Syracuse University (SU) an der er tätig ist (kürzlich haben wir in anderem Zusammenhang, nämlich bezüglich eines Track II Dialogs, der u.a.  von der Friedrich Ebert Stiftung mitorganisiert wurde, von der SU gehört, das erwähnt der Autor auch kurz in seinem Paper) mit der Kim Chaek University of Technology (KCUT). Dazu geht er zuerst allgemein auf die Möglichkeiten einer Wissenschaftskooperation von (US-)Universitäten bei der Förderung von Dialog mit Staaten, gegenüber denen ein Gefühl des Misstrauens vorherrscht, ein. Hierzu zählt er die Tatsache, dass US-Forschung weltweit ein großes Renommee besäße; Dass Wissenschaft mehr auf Empirie als auf Ideologie setze und dass somit in diesem Bereich ein Konsens zwischen den Seiten über den „richtigen Weg“ bestehe; Dass generell ein Trend zur Globalisierung der Wissenschaft bestehe; Und dass Wissenschaft gleichzeitig zunehmend virtuell würde, dass eine Kooperation also auch ohne permanente Reisetätigkeit über große geographische Distanzen hinweg möglich sei. Alles gute Argumente, die für Deutschland ebenso richtig sind, wie für die USA. Gleichzeitig, so Thorson, seien Kooperationen auch für nordkoreanische Wissenschaftler ansprechend, denn durch die Isolation ihres Landes seien die Forschung dort hinter der Welt zurückgefallen, obwohl die Fähigkeiten der Forscher bessere Ergebnisse ermöglichen würden. Eine bessere international Einbindung und Vernetzung könnte also ihre wissenschaftliche Arbeit verbessern helfen.

…Herausforderungen

In der Folge beschreibt er das Kooperationsprojekt der SU mit der KCUT die sich vor allem auf den Aufbau digitaler Bibliotheken, die Vermittlung englischer Sprache für Wissenschaftler und die Vorbereitung einer Studentengruppe für einen internationalen Maschinenprogrammierwettbewerb bezogen hätte. Hierzu gab es insgesamt fünfzehn Treffen zwischen Mitarbeitern der KCUT und der SU, bei denen bis auf einmal eine personelle Konstante geherrscht habe. Außerdem beschreibt er einige Probleme, die bei der Zusammenarbeit bestanden hätten. Es sei notwendig, dass auf beiden Seiten wichtige Leute gewonnen würden, die hinter dem Programm stünden. Nichtsdestotrotz könne es aufgrund der fragilen politischen Lage zu Verwerfungen kommen, die zu Missverständnissen oder gar Misstrauen zwischen den Partnern führen könnten (beispielsweise weil geplante Besuche nicht durchgeführt würden). Außerdem seien für beide Seiten die rechtlichen Rahmenbedingungen hoch komplex. Die US-Seite brauche nahezu ständige juristische Beratung um Verstöße gegen Sanktionen auszuschließen. Auch hinsichtlich der formellen Vorbereitungen von Reisen (Visa etc.) bestünden wegen der nicht vorhandenen diplomatischen Beziehungen Hemmnisse, die den Austausch erschwerten (weil verlangsamten und verteuerten). Interessant fand ich diesen etwas verschwurbelten Hinweis:

U.S. participants have kept relevant stakeholders aware of their activities and we are aware that our DPRK counterparts have done the same.

[US Teilnehmer haben relevante Akteure über ihre Aktivitäten informiert gehalten und wir wissen, dass unsere DVRK Gegenstücke dasselbe getan haben.]

Ist zwar nicht neu und nicht überraschend, dass zumindest die Außenämter aber wahrscheinlich auch Geheimdienste informiert werden (müssen) bei solchen Kooperationen, aber ich frage mich, ob das nicht ein wirkliches Vertrauensverhältnis unmöglich macht. Weiterhin gebe es entscheidende Unterschiede darin, wie Forschungsprioritäten in den jeweiligen Ländern bestimmt würden. Während man in den USA ein Forschungsvorhaben ausarbeiten und prüfen lassen müsse um sich dann um eine Finanzierung zu bewerben, sei das System in Nordkorea viel mehr top-down. Prioritäten und damit Vorhaben würden von der Spitze festgelegt und die Finanzierung würde dann gewährt (ohne dass das Vorhaben von den Wissenschaftlern großartig ausgearbeitet wurde). In der Folge sei das Problem entstanden, dass die US-Seite erst ein Vorhaben entwerfen wollten, um dann die Kooperation voranzutreiben, während die Nordkoreaner es für eine nachhaltige Kooperation für notwendig hielten, dass erstmal entsprechende Gerätschaften angeschafft würden. Da diese aber zu bedeutenden Teilen den Exportregulierungen durch die US-Regierung unterlagen, wurde eine Kooperation wesentlich verkompliziert.

Erkenntnisse auf Europa übertragen

Einige der genannten Probleme dürften auch bei einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen europäischen Staaten und Nordkorea zum Vorschein kommen, aber einige Aspekte fallen auch weg. Durch die nicht so sehr vorhandene politische Beteiligung Europas am Konflikt auf der Koreanischen Halbinsel könnten politische Interferenzen geringer ausfallen. Auch Hemmnisse durch nichtvorhandene diplomatische Beziehungen fielen in den meisten Fällen weg. Allerdings sind rechtliche Fragestellungen, systemische Unterschiede und implizites Misstrauen wohl auch für europäische Wissenschaftler problematische Aspekte. Nichts destotrotz lässt sich festhalten, dass die Syracuse University trotz aller Hemmnisse eine Kooperation aufgebaut und aufrecht erhalten hat. Es ist also auch kein Hexenwerk.

 Das U.S.-DPRK Scientific Engagement Consortium

Seit 2007 versucht man (irgendwie klingt das alles ein bisschen nach durchwachsenem Erfolg) durch das U.S.-DPRK Scientific Engagement Consortium eine Kooperation zwischen den USA und Nordkorea aufzubauen, die auf einem breiteren Fundament steht und von mehr Akteuren getragen wird. Zwar gibt es hin und wieder mal Reisen nach Pjöngjang (so wie die nordkoreanischen Wissenschaftler hier angezogen sind, dürfte es den westlichen Besuchern ganzschön Kalt geworden sein in ihren Sakkos und Hosenanzügen…) und Konferenzen, aber ein richtig nachhaltiges Netzwerk oder Konsortium (was wohl der Gedanke dahinter war) hat sich wohl noch nicht entwickelt.

Deutsche Wissenschaftskooperation mit Nordkorea

Natürlich ist auch Deutschland im wissenschaftlichen Bereich nicht ganz untätig. Es gibt einen Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an der Kim Il Sung Uni, der dort Deutsch unterrichtet und die Konrad Adenauer Stiftung vergibt Stipendien an nordkoreanische Juristen. Auch eine Kooperation im Naturwissenschaftlichen Bereich scheint zu existieren, wobei ich keine Ahnung habe, worum es da konkret geht/ging, irgendwas mit Lasern. Aber generell wäre es doch vielleicht garkeine schlechte Idee, das weiter zu institutionalisieren. So ließen sich Verbindungen knüpfen, die über das oftmals kurzlebige politische Alltagsgeschäft haltbar wären und sich abseits von ideologischen Unterschieden kooperativ einem Problem widmen würden. Vielleicht wäre das auch eine Möglichkeit für die EU, ihr planloses Agieren gegenüber Pjöngjang zumindest durch eine nachhaltige Komponente zu ergänzen und so einen Fuß für weiteres Engagement in die Tür zu setzen.

Der Zeitpunkt ist jetzt!

Gerade jetzt ist vermutlich kein schlechter Zeitpunkt für sowas. Das lassen einige Beobachtungen vermuten. Kim Jong Un hat sich bei seinerm programmatischen Vortrag zur Landespflege ja kurz auch zum akademischen Austausch und der Internationalisierung der nordkoreanische Wissenschaften geäußert:

Rege zu entfalten ist auch der wissenschaftlich-technische Austausch mit anderen Ländern und internationalen Organisationen. Auch im Bereich Landespflege und Umweltschutz sind die weltweite Entwicklungstendenz und viele fortgeschrittene und entwickelte Technologien anderer Länder einzuführen. Wie ich schon gesagt habe, ist es notwendig, im Internet mehr Informationen über die weltweite Tendenz und Materialien über die fortschrittliche und entwickelte Wissenschaft und Technik anderer Länder nachlesen zu lassen und Delegationen in andere Länder zu senden, damit sie viel Notwendiges lernen und Informationen sammeln. Das Ministerium für Landespflege und Umweltschutz und andere zuständige Organe sollten mit wissenschaftlichen Forschungsorganen anderer Länder die gemeinsame Forschung, den wissenschaftlichen und Informationsaustausch rege durchführen, an den international stattfindenden Konferenzen und Symposien teilnehmen und die fortgeschrittene Wissenschaft und Technik aktiv einführen.

Das bezieht sich zwar nur auf die Landespflege und den Umweltschutz, aber vermutlich ließe sich das auch auf andere Forschungsfelder verallgemeinern. Und wenn die Aussagen die hier beschrieben werden zutreffen:

The SAOS reported that they have now made the internet accessible to their scientists, which would be a new development from past trips. Giving their scientists access will be essential to building links between our scientists.

[Die SAOS [staatliche nordkoreanische Akademie der Wissenschaften] berichtete, dass sie nun das Internet für ihre Wissenschaftler zugänglich gemacht haben, was eine neue Entwicklung gegenüber vergangenen Besuchen wäre. Ihren Wissenschaftler zugang zu verschaffen wird essentiell sein, um Verbindungen zwischen unseren Wissenschaftlern aufzubauen.]

dann unternimmt man in Nordkorea schon erste Schritte in diese von Kim Jong Un angekündigte Marschrichtung.  Naja und wenn die Staatspitze schonmal offensiv nach einer Öffnung des Wissenschaftssystems ruft und das dem Anschein nach auch durch eigene Maßnahmen fördert, wäre es doch eine schlaue Maßnahme, genau diese Chance zu ergreifen, bevor sich wieder etwas ändert. Vielleicht kann ich ja bald hier mal über eine formale Zusammenarbeit einer deutschen und einer nordkoreanischen Universität berichten. Das wäre doch was!

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