Nordkorea wird auf dem Gipfeltreffen der Blockfreien Staaten (eine relativ große Gruppe von Staaten, die sich während des Kalten Krieges keinem der Machtblöcke zuordnen wollte und die auch heute noch ihre Daseinsberechtigung hat, wenn man die Beeinflussungsversuche der USA auf die Gruppe mal anschaut) vom 26. bis zum 31. August in Teheran durch Kim Yong-nam, den Vorsitzenden des Präsidiums der Obersten Volkskammer Nordkoreas (und damit Stellvertreter Kim Il Sungs als Präsident, solange der unpässlich ist (was vermutlich noch sehr lange dauern wird)) vertreten werden.
Gerüchte um einen Besuch Kim Jong Uns in Teheran
Damit haben sich endgültige alle Gerüchte um eine Teilnahme Kim Jong Uns an diesem Gipfel erübrigt. Diese waren aufgekommen, nachdem ein Sprecher der iranischen Regierung von iranischen und aserbaidschanischen Medien mit der Aussage zitiert worden war, Kim Jong Un werde an dem Gipfel teilnehmen. Darauf hatte die iranische Seite mit einem entschiedenen Dementi reagiert. Ein solcher Vorgang wäre aber auch von der politischen Aussagekraft irgendwo zwischen ungeheuerlich und undenkbar anzusiedeln gewesen, denn was für ein Signal das ausgesendet hätte, wenn die erste Auslandsreise Kim Jong Uns nicht nach China, zum lebensnotwendigen Stützer des Regimes, gegangen wäre, ist ja selbstredend. Wäre diese Reise dann aber noch zu den Blockfreien gegangen (oben habe ich ja den ursprünglichen Zweck der Gruppe genannt), dann wäre ein deutlicherer Affront kaum vorzustellen. Grundsätzlich wäre eine solche Reise aber auch nicht absolut unwahrscheinlich, denn immerhin hatte Mahmud Ahmadinedjad Kim Jong Il erst 2010 zu einem Besuch eingeladen. Nicht undenkbar also, dass Kim Jong Un dieser Einladung irgendwann in Vertretung nachkommt. Nur eben nicht in der gegebenen Situation, sondern dann wenn dem „Protokoll“ mit dem wichtigen Verbündeten China und vielleicht dem potentiellen „zweitverbündeten“ Russland Genüge getan wurde.
Denkanstöße
Nichtsdestotrotz haben die Gerüchte um Kim Jong Uns Reise zwei bis drei Überlegungen bei mir angestoßen. Dabei geht es einerseits um Nordkoreas außenpolitische Ausrichtung unter der neuen Führung und ob davon etwas auf dem Blockfreien Gipfel erkennbar werden wird, weiterhin darum was man in Pjöngjang tun wird, wenn Kim Yong-nam irgendwann ausfällt und damit verbunden um die Frage, welches außenpolitische Profil Kim Jong Un auf den Leib geschneidert werden wird.
Der Blockfreien Gipfel in Teheran: Mögliche Erkenntnisse.
Nordkorea hat nach dem Tod Kim Jong Ils recht schnell seine Diplomaten wieder an die Arbeit geschickt und zu allerlei Besuchen ausgesandt. Dabei standen besonders die Staaten Südostasiens im Fokus, von denen allein Kim Yong-nam in diesem Jahr vier beehrte. Im Zentrum standen dabei wirtschaftliche Fragestellungen. Gleichzeitig wurde China im Verhältnis eher weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Möglicherweise versucht man in Pjöngjang zurzeit die diplomatischen wie die wirtschaftlichen Beziehungen des Landes zu „diversifizieren“ und damit den immer eklatanter und drückender werdenden Klammergriff des übermächtigen Freundes China ein Stück herauszukommen.
Hierfür böte der Blockfreien Gipfel sicherlich ein gutes Spielfeld, denn es gibt nur selten so viele Staats- und Regierungschefs zu treffen, die häufig wirtschaftlich ebenfalls mit Problemen zu kämpfen haben und auf der Suche nach Freunden sind. Daher dürfte interessant zu beobachten sein, wen Kim Yong-nam mit nach Teheran nimmt (eine wirtschaftslastige Delegation? wie „schwergewichtig“?) und mit wem er sich dort zusammensetzt („nur“ die „üblichen Verdächtigen“ aus Südostasien und Afrika (wohin er auch oft gereist ist) oder Vertreter, die man vielleicht nicht so auf dem Zettel hat?). Dabei dürften ihm seine hervorragenden Kontakte sicherlich zugutekommen, die er über Jahrzehnte seines diplomatischen Engagements aufgebaut hat.
Nordkoreas Diplomatie ohne Kim Yong-nam. Wie wird das gehen?
Und damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt. Denn für gewöhnlich ist man nicht mehr der Jüngste, wenn man auf Jahrzehnte diplomatischen Schaffens zurückschauen kann. Auch bei Kim Yong-nam ist das so. Mit 84 Jahren hat er ein Alter erreicht, in dem die Meisten auf ihrem Altenteil ihren Ruhestand genießen, jedenfalls wenn sie nicht schon einen Schritt weiter sind, im natürlichen Lebenslauf.
Nicht so Kim Yong-nam. Wie gesagt: Der alte Herr macht pro Jahr noch mehrere Auslandsreisen und wenn er das nicht macht, empfängt er allerlei Außenminister, Botschafter und andere Besucher. Er ist also gut beschäftigt. Allerdings ist absehbar, dass er das nicht mehr ewig tun können wird (man braucht wohl nicht sehr viele Hände, um die Zeit, in der das so weitergeht anzuzählen) und das wirft dann natürlich die Frage auf, was ist dann? Natürlich gibt es in Pjöngjang einige diplomatische Schlachtrosse, die ebenfalls schon lange im diplomatischen Feld tätig sind, z.B. der aktuelle Außenminister Pak Ui-chun, aber niemand hat auch nur annähernd eine solche Erfahrung und vor allem eine solche Vielzahl persönlicher Kontakte sammeln können wie Kim Yong-nam.
So einer will erstmal ersetzt werden und m.E. ist das auch nicht unwichtig, will sich Pjöngjang in den kommenden Jahren tatsächlich stärker nach außen orientieren und zwar nicht nur einseitig in Richtung China. Es bleibt also zu beobachten, ob man in Pjöngjang nicht irgendwann doch mal anfängt, eine Art Nachfolger aufzubauen. Oder aber, ob Kim Jong Un das außenpolitische Repräsentieren und Netzwerken möglicherweise sogar zur Chefsache macht.
Kim Jong Un als Außenpolitiker: Welches Profil?
Und damit haben wir den Sprung zum letzten bedenkenswerten Punkt geschafft. Kim Jong Un wird nicht umhin kommen, außenpolitisch aktiv zu werden und was bisher von seiner Imagebildung und vielleicht auch dem, was seine Persönlichkeit sein könnte, bekannt wurde, ist zu erwarten, dass er das anders tut, als sein Vater. Kim Jong Il war sehr scheu und vermied als Führer seines Landes Auslandsreisen. Soweit das bekannt ist, besuchte er nach 1990 mit China und Russland nur zwei Länder (wenn auch mehrfach) und reiste immer (was irgendwie exzentrisch schien) mit seinem Panzerzug. Kim Jong Un scheint weniger scheu und erinnert Beobachter in Aussehen und Wesen (oder dem was von seinem Wesen vermittelt wird) eher an seinen Großvater, den volksnaheren und offeneren Kim Il Sung.
Der Gedanke ist daher nicht abwegig, dass auch Kim Jong Uns außenpolitisches Profil eher dem des Großvaters ähneln wird. Der hatte viele persönliche Beziehungen zu Führern in aller Welt aufgebaut, von denen die nordkoreanische Diplomatie zum Teil noch heute zehrt (z.B. fallen mir da Indonesien und v.a. Kambodscha ein). Aber solche Beziehungen kommen natürlich nicht von selbst. Dazu gehört viel Reiserei und viel Treffen mit ausländischen Führern. Will Kim Jong Un das leisten und damit möglicherweise zur Diversifizierung der außenpolitischen und wirtschaftlichen Beziehungen seines Landes beitragen, dann muss er schon bald mit der Reiserei anfangen.
Wie gesagt: Die erste Reise wird mit höchster Wahrscheinlichkeit nach China gehen. Aber danach wird es interessant werden. Folgen danach in nicht allzugroßen Abständen Besuche in kleineren Staaten, vielleicht zuerst Südostasiens? Oder beschränkt er seine Reisediplomatie weitgehend auf dei wichtigen Verbündeten. Das wird im nächsten Jahr ein Thema sein, dass ich sehr aufmerksam beobachten werde und wenn er erstmal ein bisschen gereist ist, wird sich etwas genauer herauskristallisieren, in welche Richtung sich Nordkorea in Zukunft entwickeln wird.
Fragen die man im Auge behalten sollte
Es gibt also einige Dinge zu beobachten in den nächsten Tagen, aber auch Monaten und Jahren:
- Wie verläuft der Blockfreien Gipfel aus nordkoreanischer Sicht?
- Wird ein Ersatzmann für Kim Yong-nam aufgebaut?
- Kann Kim Yong-nam seine Geschäfte weiterhin uneingeschränkt führen?
- Wann reist Kim Jong Un zum ersten Mal nach China?
- Wohin tritt Kim Jong Un seine ersten Reisen nach dem Chinabesuch an?
- Wie tritt er gegenüber ausländischen Gastgebern auf?
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