Wie immer in der letzten Zeit, wenn sich auf der Koreanischen Halbinsel etwas ergibt, das hier eine breite Medienaufmerksamkeit auf sich zieht, mache ich auch heute nochmal eine kleine Presse-/Medienschau, bei der der Fokus wie immer auf der Berichterstattung liegt, die durch Expertenmeinungen fundiert ist.
Presseschauen
Vorab aber ein paar Presseschauen anderer, die eher auf Kommentare der deutschen und internationalen Presse ausgerichtet sind, was auch eine interessante Meinungsschau ermöglicht. Dazu kann ich einmal die Frankfurter Rundschau empfehlen (gottseidank gibt es sie noch, auch wenn ich gespannt bin, was die Rumpfcrew da zukünftig noch fabrizieren wird), aber natürlich auch den zeitlosen Klassiker, die Presseschau des Deutschlandfunks. Heute Morgen international und heute Mittag national, beide Male mit Nordkorea als erstem Thema.
Radio
Rüdiger Frank (Universität Wien) im Interview mit WDR 5 (Wie häufig richtet sich der Blick Franks stärker auf die internen Vorgänge in Nordkorea, als das bei anderen Analysten der Fall ist. Da man Kim Jong Un nicht einschätzen könne, sieht Frank durchaus eine bedrohliche Situation. Gute Analyse mit gutem Blick fürs Ganze.)
Rüdiger Frank (Universität Wien) im Interview mit Ö1 (Siehe oben.)
Werner Pfennig (FU Berlin) im Interview mit radioeins (Er sieht es als zentral an, den Blickwinkel der nordkoreanischen Seite zu verstehen, also so etwas wie Empathie für das Regime zu zeigen. Das sehe ich genauso. Allerdings geht mir seine „Empathie“ etwas zu weit, einfach weil es mir mitunter vorkommt, als würde er der nordkoreanischen Propaganda auf den Leim gehen. Die Militärmanöver der USA und Südkoreas gibt es jedes Jahr. Nordkorea geht nur manchmal laut, manchmal sehr laut und manchmal extrem laut damit um, ohne dass die Bedrohungslage jetzt extrem unterschiedlich wäre. Kontrovers, aber nicht schlecht.)
Werner Pfennig (FU Berlin) im Tagesgespräch mit BR alpha (Das Ganze dauert fast eine Stunde und es handelt sich dabei um eine Call-in-Sendung. Ich hab‘s mir nicht ganz angehört, aber es dürfte sich wohl lohnen, wenn man gerade eine Stunde über hat…)
August Pradetto (Bundeswehr-Uni Hamburg) im Interview mit DRadio Kultur (Eigentlich ist mir Herr Pradetto noch nicht als dezidierter Nordkorea-Experte aufgefallen, aber er verfügt über gesunden Menschenverstand und scheint dem Thema in der Vergangenheit bereits aufmerksam gefolgt zu sein. Angenehm nüchterne und sachliche Analyse.)
Hans-Joachim Schmidt (HSFK) im Interview mit dem rbb Inforadio (Stand gestern. Wie immer solide Analyse. Ob allerdings das nordkoreanische Vorgehen primär außenpolitisch motiviert ist, darauf würde ich nicht wetten. Solide.)
„Print“
Hartmut Koschyk (MdB CSU und in den deutsch-koreanischen Beziehungen engagiert) im Interview mit dem Straubinger Tagblatt (Gute Analyse der Situation.)
Hanns Günther Hilpert (SWP) im Interview mit der WELT (Solide Analyse mit meiner Meinung nach zu starker außenpolitischen Erklärung des Verhaltens Nordkoreas. Das Ziel mit den USA zu sprechen mag ein zentrales außenpolitisches Motiv sein, aber es ist bei weitem nicht handlungsleitend für das Regime.)
Christoph Pohlmann (FES) im Interview mit dem Tagesanzeiger (Pohlmann sieht die aktuellen Drohungen Nordkoreas als neue Eskalationsstufe. Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Gute, aber nicht tiefschürfende Analyse.)
Christoph Pohlmann (FES) im Interview mit der deutschen Welle (Was die Eskalationsstufe angeht, siehe oben. Ansonsten sieht man im Vergleich zum vorigen Interview, das bei einem guten Fragesteller und einer vernünftigen Vorbereitung auch der Befragte viel besser rüberkommt. Gute Sache.)
Sondererwähnung
Kürzlich habe ich mich sehr über einen ziemlich schwachen (und wenig -sinnigen) Artikel von Michael Stürmer geärgert. Aber nur weil jemand einmal etwas sehr dummes schreibt/sagt/tut, heißt das ja nicht, dass das immer so sein muss (Dieser Satz bezieht sich auf alle Menschen gleichermaßen und nicht auf einen im Speziellen). In seiner heutigen Analyse zieht Stürmer den durchaus bedenkenswerten Schluss, dass das aktuelle Gebaren Pjöngjangs vor allem an China gerichtet sei. Wie gesagt, das ist einen Gedanken wert und wurde von den vorgenannten Analysten wenig beachtet. An diesem lobenswerten Aspekt ändert sich auch dadurch nichts, dass Herr Stürmer ein paar Fakten durcheinanderwirft (Cheonan und Yonpyong in die Amtszeit Kim Jong Uns zu verlegen, zeugt von verbessernswerter Redaktion).
Was lernen wir daraus
Einige Aspekte ziehen sich durch fast alle Bewertungen:
- Die Drohungen aus Pjöngjang sind nicht wörtlich zu nehmen.
- Durch die neue Führung ist Nordkorea wieder unberechenbarer geworden.
- Die Militärmanöver auf beiden Seiten bergen in dieser verbal angespannten Zeit das wahre Eskalationsrisiko.
- Eine weitere Lehre will ich nur kurz anreißen: Dass Nordkorea mehr auf Worte als auf Taten setzt, mag auch damit zu tun haben, dass Worte ein Echo hervorrufen, dass mitunter stärker ist als das von Taten. Das mediale Echo nach den Drohungen aus Pjöngjang war nämlich (mal wieder) besser zu vernehmen, als nach dem Nukleartest. Vielleicht gibt uns die nordkoreanische Führung auch nur das, was wir wollen. Spektakel!
Filed under: Berichte, Interviews, Bücher, Die UN und Nordkorea, Die USA und Nordkorea, Die Welt und Nordkorea, Nuklearprogramm, Recherche, Südkorea und Nordkorea | Tagged: Christoph Pohlmann, Hanns Günther Hilpert, Hans-Joachim Schmidt, Nordkorea, Rüdiger Frank, Resolution 2094, Werner Pfennig |
Hanns-W. Maull („Brennpunkt Korea“) gegenüber Zeit-Online:
Das Muster der schrillen Drohungen ist vertraut: Seit 1991 ist Nordkorea insgesamt bereits fünfmal aus dem Waffenstillstandsregime ausgetreten, die Vereinbarungen mit dem Süden aus den Jahren 1991 und 1992, die es nun offiziell zerrissen hat, hatte es bereits zuvor routinemäßig gebrochen, und selbst die Formel vom „Meer der Flammen“ klingt den Eingeweihten vertraut.
Wie immer: Zunehmend deutlich erkennbar ist, worauf Nordkoreas Provokationen abzielen, nämlich direkte, gleichberechtigte Verhandlungen mit Washington. Vermutlich würde Pjöngjang liebend gerne seine chinesischen gegen amerikanische Sicherheitsgarantien eintauschen, der Haken dabei ist nur, dass die USA die Sicherheit des Regimes in Pjöngjang, um die es diesem im Kern geht, weder garantieren wollen noch garantieren können.