Update (06.05.2013): In einem Statement des Außenministeriums von gestern wird etwas deutlicher, wessen Bae schuldig gesprochen wurde. Offensichtlich handelte es sich um den Straftatbestand „Subversion“ aus Paragraph 50. (siehe unten). Also keine Spionage. Eher deutet die Anklage darauf hin, dass Bae in missionarischer Mission oder als Menschenrechtsaktivist unterwegs war.
Ansonsten besagt die Stellungnahme, dass man Bae nicht als Verhandlungsmasse nutzen wolle und nicht vorhabe, „irgendwen aus den USA wegen Bae einzuladen“. Es sieht also erstmal nicht so gut aus für den Gefangenen. Allerdings bietet der Satz: „as long as the U.S. hostile policy toward the DPRK remains unchanged, humanitarian generosity will be of no use in ending Americans‘ illegal acts.“ etwas Hoffnung, denn dort wird sozusagen das Ende der feindseligen Politik der USA als Bedingung gesetzt, die humanitäre Generositäten wieder zu sinnvollen Maßnahmen machen würde. Die Aussage der Stellungnahme ist Interessant: Man sagt, man will Bae nicht als Verhandlungsmasse nutzen, nachdem man kurz vorher genau das tut. Vielleicht wollte man eigenlich sagen: Wir wollen Bae nicht jetzt als Verhandlungsmasse nutzen…
Ursprünglicher Beitrag (03.05.2013): In den letzten Wochen hatte ich immer mal wieder vor gehabt, mal was zu Kenneth Bae und seinem Schicksal zu schreiben. Ihr erinnert euch: Der US-Bürger, über dessen Verhaftung Mitte Dezember letzten Jahres die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA berichtete (damals saß er schon einen Monat in Haft). Allerdings wurde einerseits alle paar Tage eine neue Sau durchs Dorf getrieben und ich bin den Meisten davon nachgelaufen, andererseits gab es einfach keinerlei Infos zu Bae. Was also hätte ich schreiben sollen? Naja, jetzt ist diese informationsfreie Zeit jedenfalls zuende gegangen und daher lohnt es sich, das Thema nochmal aufzunehmen.
Der Fall Bae: Die bekannten Fakten
Bae, der am 3. November 2012 als Reiseleiter einer sechsköpfigen Touristengruppe über den Hafen Rajin in der Sonderwirtschaftszone Rason eingereist war, ist 44 Jahre alt und hat koreanische Wurzeln, weshalb die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA ihn auch mit Pae Jun-ho benennt. Bae wurde vorgeworfen, ein Verbrechen/feindliche Akte gegen die DVRK begangen zu haben, was er laut der Nachrichtenagentur gestanden hat. Gestern berichtete KCNA dann, dass Bae für sein Verbrechen zu einer Strafe von 15 Jahren im Arbeitslager verurteilt worden sei.
Verbrechen gegen den Staat: Die Rechtslage
Da mir die Geschichte mit „Verbrechen gegen den Staat“ ein bisschen zu abstrakt war, habe ich mal im nordkoreanischen Strafrecht im Kapitel „Verbrechen gegen den Staat“ nachgeschaut, was sich genau dahinter verbergen könnte und soweit ich das verstehe, kommen die Paragraphen 48, 49 und 50 in Frage, weil die sich entweder speziell an Ausländer richten, oder allgemein „Personen“ ansprechen während die anderen Paragraphen entweder nordkoreanische Bürger adressieren oder vom Strafmaß her nicht passen:
Paragraph 48 betrifft Spionage gegen Nordkorea und sieht nicht weniger als sieben Jahre Arbeitslager vor, während Paragraph 49 das Aufwiegeln anderer Staaten oder bestimmter Gruppen (ich glaube das ist auf Südkorea gemünzt), zu einer bewaffneten Intervention, zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen oder zum Vertragsbruch betrifft und nicht weniger als 10 Jahre Arbeitslager nach sich zieht. Bei Paragraph 50 bin ich mir nicht ganz sicher. Der droht der Person, die subversive Akte gegen den Staat begeht nicht weniger als 5 Jahre Arbeitslager an, ist aber nicht speziell auf Ausländer bezogen (aber auch nicht speziell auf Inländer).
Soweit ich das überblicke, kommt Paragraph 49 eher nicht in Frage, womit es wohl entweder Spionage oder Subversion waren, derer Bae verurteilt wurde. Beides würde auch mit den Berichten von Festplatten bzw. einer Festplatte mit kritischem Material zusammenpassen.
Das Strafmaß von 15 Jahren ist auch deshalb nicht uninteressant, weil es unabhängig von dem zugrundegelegten Straftatbestand deutlich über das Mindestmaß hinausgegangen wurde. Man hat sich also nicht besonders bemüht, Rücksicht zu nehmen. Aijalon Mahli Gomes wurde 2010 zu „nur“ acht Jahren verurteilt, bevor Jimmy Carter ihn durch seine Nordkoreareise befreite. Auch Euna Lee und Laura Ling kamen mit weniger, nämlich zwölf Jahren, davon. Jun Young-su und Robert Park wurden sogar begnadigt.
Unterschiede zu Fällen der vergangenen Jahre
Wie meine kleine Auflistung vorne zeigt, gab es in den vergangenen Jahren einige Fälle von gefangenen US-Amerikanern in Nordkorea. Allerdings unterscheiden sich diese Fälle von dem aktuellen.
So waren in drei der vier Fälle die Vergehen der jeweils betroffenen augenscheinlich. Sie sind nämlich ohne Erlaubnis, dafür aber mit (unterschiedlichen) Missionen, nach Nordkorea eingereist. Der Fall Jun blieb dagegen relativ mysteriös, endete aber wie gesagt mit einer Begnadigung und ohne großartige Vermittlungsreise.
Kenneth Bae reiste dagegen als Tourist ein und Touristen verhaften und dann für 15 Jahre ins Arbeitslager schicken ist unabhängig von ihren Vergehen nicht besonders imagefördernd. Auch haben sich Nordkoreas Behörden in der Vergangenheit nicht durch unberechenbares Verhalten gegenüber Touristen ausgezeichnet. Der Umgang mit den Touristen war ganz im Gegenteil sehr berechenbar, weil extrem reglementiert (eine unrühmliche Ausnahme stellt die Erschießung einer südkoreanischen Touristin durch einen nordkoreanischen Soldaten im Jahr 2008). Wenn also jetzt ein Tourist verhaftet wurde, dann dürfte das nicht aus reiner Willkür, sondern auf Basis eines tatsächlichen Vergehens Baes geschehen sein. Auffällig ist auch die fast vollkommene Informationssperre hinsichtlich dieses Falles im Westen. Während es bei den anderen Vorfällen durchaus Äußerungen von Verwandten etc. gab (in den Fällen Park und Lee/Ling sogar richtige Kampagnen) herrschte um Bae Stille.
Was hat Nordkoreas Führung mit Bae vor?
Neben der Frage, was die Hintergründe für Baes Verhaftung sind, wird in unseren Medien aber mindestens genauso sehr diskutiert, was die nordkoreanischen Entscheidungsträger jetzt mit ihm tun wollen/bzw. werden. Ich meine, es ist vollkommen klar, dass ein US-Bürger in einem nordkoreanischen Arbeitslager eine Belastung für die ohnehin nicht besonders belastbaren Beziehungen der USA und Nordkoreas sind. Die Frage ist aber nun: Soll Bae wirklich ins Lager gehen, oder ist ihm ein anderer Zweck zugedacht?
Auf letzteres zu tippen ist nicht besonders abwegig, denn in der Vergangenheit wurden die oben aufgeführten Gefangenen immer mal wieder benutzt, um in irgendeiner Art mit den USA in den Dialog zu kommen. So wurden in den Fällen Lee/Ling und Gomes die Gefangenen im direkten Zusammenhang mit Besuchen der Ex-US-Präsidenten Clinton (Lee/Ling) und Carter (Gomes) freigelassen, auch im Fall Jun gingen der Freilassung intensive Bemühungen inklusive Besuch Jimmy Carters und anderer voraus.
Aber sich irgendwelche US-Emissäre ins Land zu holen, setzt ja auch irgendwie voraus, dass man in Nordkorea an einem Dialog mit den USA interessiert ist. Sollte das aktuell nicht der Fall sein, dann wäre es auch irgendwie nicht besonders sinnig, jemanden ins Land zu holen, mit dem man garnicht sprechen will. Gleichzeitig ist es aber auch kaum vorstellbar, dass Bae nach der Verurteilung einfach so laufen gelassen wird. Denn selbst wenn man aktuell nicht sprechen wollen würde, so hätte man mit Bae jemanden in der Hand, der jederzeit Anlass zur Kommunikation böte. Man könnte also künftig bei Bedarf einen Gesprächsfaden knüpfen. Besonders wertvoll wäre das Faustpfand natürlich, wenn Bae tatsächlich in irgendeiner Art für die US-Regierung gearbeitet hätte. Dann könnte man dort seine Gefangennahme noch nicht einmal als illegitim ansehen, müsste sich aber um so mehr um seine Befreiung bemühen.
Signal an die USA oder verfahrensrechtlich bedingt?
Insgesamt ist meiner Meinung nach also davon auszugehen, dass die Führung in Pjöngjang nicht vorhat, Bae für fünfzehn Jahre in irgendeiner „Reforminstitution“ schuften zu lassen. Man will ihn loswerden. Die Frage ist nur, ob man das jetzt will. Die Tatsache, dass man ihn nochmal aus dem Hut gezaubert hat, könnte man als Signal an die USA lesen, jetzt in Kontakt zu treten. Aber ebenso wahrscheinlich ist es, dass der aktuelle Termin das Ergebnis der Verfahrensregel nordkoreanischen Strafrechts ist.
Die besagen nämlich, dass die Untersuchung nach sechs Monaten abgeschlossen sein muss. Wenn Bae um den 3. November herum festgenommen wurde, dann ist diese Frist ziemlich genau jetzt verstrichen. Man musste also das Verfahren irgendwann abschließen, ob man wollte oder nicht. Und wenn man sich die letzten Monate anschaut, dann hatte man scheinbar keine Lust, das Thema Bae aufs Tapet zu bringen, als die Spannungen mit den USA ohnehin schon extrem hoch waren (also vor ein paar Wochen).
Erstmal abwarten…
Wenn man mit der Aburteilung Baes jedoch nur den eigenen Regeln gefolgt ist, würde ich nicht davon ausgehen, dass dieser Vorgang ein Signal nach außen darstellt. Und wenn das so ist, würde ich auch nicht darauf wetten, dass Bae in Kürze freikommt, denn dann ist es durchaus nicht abwegig, dass man ihn erstmal für eine spätere Verwendung behalten möchte.
Aber ganz unabhängig davon, was die nordkoreanische Führung mit dem Gefangenen vorhat. Eines ist klar: Man wird ihn nicht einfach so laufen lassen. In irgendeiner Art werden die USA einen Preis für seine Freiheit bezahlen müssen, vor allem weil davon auszugehen ist, dass die Anklage gegen Bae nicht jeder Substanz entbehrt. Die Verhaltenen Reaktionen aus den USA deuten genau in diese Richtung. Ich werde diesen Fall auf jeden Fall im Auge behalten.
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Laut KCNA wurden die früheren Fälle am „Central Court“ in Pyongyang verhandelt, Kenneth Bae nun wurde vom „Supreme Court“ verurteilt. Ist das nur eine Übersetzungsungenauigkeit oder wurde Bae tatsächlich an einem anderen (höheren) Gerichtshof angeklagt.
Bestimmt das nordkoreanische Gesetzbuch, an welchem Gericht die Verhandlung für Ausländer stattzufinden hat?
Eine Berufungsmöglichkeit gegen das Urteil scheint es für Bae ja nicht zu geben.
Zu Gründen einer Festnahme: Bermerkenswert ist die Einschätzung des Utrechter Briefmarkenhändlers van der Bijl, dass seine Verhaftung vor allem im Streben der nordkor.Geheimpolizei nach Informationen über Nordkoreaner – mit denen Van der Bijl in Europa und Nordkorea im Kontakt stand – lag (siehe das Interview mit van der Bijl bei nknews),
Nebenbei: Bijl mußte bei seiner Freilassung € 120,- Essensgeld bezahlen, Hunziker 1996 US-§ 5000,- Nächtigungsgeld! (es ist also auch ein Geschäft für Nordkorea).
Ein eigenes Thema wären die Wirtschaftsbetriebe und sonstigen umfangreichen Aktivitäten der koreanisch-amerikanisch evangelikalen Kirchen in Rason. Die bieten im Internet sogar preisgünstige Missionsreisen nach Rason an!
Hey Werner,
danke für deine interessanten weiterführenden Hinweise und deine Frage.
Ja, das ambivalente Verhältnis Nordkoreas zu den Evangelikalen ist ein spannendes Thema, das eigentlich mal einen näheren Blick verdient.
Und klar, Pjöngjang versucht eben aus allem, das mit dem Ausland zu tun hat irgendwie Devisen rauszuschlagen.
Was die Central Court vs Supreme Court Geschichte angeht. Ich denke es ist ein Übersetzungsfehler. Habe eben in die Strfprozessordnung reingeschaut und da ist kein Gericht zu finden, das über dem Central Court steht. Das wäre auch komisch, weil das Central Court schon eine reine Berufungsinstnz ist, für die District Courts, die u.a. zuständig sind bei Fällen, bei denen Todesstrafe oder 15 Jahre Reforminstitution in Frage kommen. Wenn Du Interesse hast, leg ich die Datei auch gerne nochmal in ne Dropbox, dann kannst du dir das Gesetzbuch selbst anschauen. Schreib mir dann einfach ne Mail.