So, nachdem die Bundestags- und Landtagswahlen zumindest teilweise zu meiner Zufriedenheit abgelaufen ist (es war wirklich einer meiner größten Träume, dass die extremsten Verfechter des Marktes auch mal nach diesen Maßstäben beurteilt werden und als Anbieter eines nicht marktfähigen Produkts, dementsprechend behandelt werden (da bin ich ganz bei Gernot Hassknecht…)), kann ich wieder zum Alltagsgeschäft zurückkehren. Ich kam in der letzten Woche wirklich wenig dazu, die Nachrichten im Auge zu behalten, aber gestern gab es etwas, das ich höchst interessant fand.
Nordkorea ist autark – Zumindest mit Blick auf Nukleare Produktionskapazitäten
Da wurde berichtet, dass Nordkorea nach Einschätzung von Experten dazu in der Lage ist, die Komponenten für die Produktion von auf Uran basierenden Atombomben im eigenen Land zu produzieren. Dabei geht es wohl vor allem um die recht komplexen Gaszentrifugen. Laut Joshua Pollack (den ich als Autor von Arms Control Wonk sehr schätze schon zuvor sehr schätzte) und Scott Kemp verfügt Pjöngjang bereits seit spätestens 2009 über diese Fähigkeit. Die Erkenntnisse haben die beiden Autoren aus Fotografien nordkoreanischer Medien, aus Publikationen in nordkoreanischen Fachzeitschriften und nordkoreanischen Patentanmeldungen gewonnen.
Wirklich interessant ist dabei nicht unbedingt die Tatsache, dass Nordkorea ganz beachtliche technologische Fähigkeiten besitzt und die Gerätschaften zur Anreicherung von Uran selbst bauen kann, sondern vielmehr, was daraus folgt. Denn mal ganz ehrlich, ob die Führung aus Pjöngjang die Geräte nun auf irgendwelchen verworrenen Wegen aus dem Ausland herbeischaffen kann oder ob die Zentrifugen im eigenen Land gebaut werden, das ist jetzt mehr eine Detailfrage, jedoch ergeben sich wie gesagt aus dieser inländischen Produktion einige strategische Konsequenzen.
Nordkoreas zweigleisiges Nuklearprogramm
Um die näher zu erläutern muss ich nochmal kurz auf Nordkoreas Nuklearprogramm im Allgemeinen eingehen. Denn wie einige, aber vielleicht nicht alle von euch wissen, verfolgt Pjöngjang sozusagen ein zweigleisiges Programm. Das ältere und bekanntere ist das auf Plutonium basierende Programm, für das der Reaktor und die Anreicherungsanlagen in Yongbyon eine große Rolle spielen. Dass dieses keineswegs beendet ist, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass man den zwischenzeitlich nach einer Vereinbarung im Rahmen der Sechs-Parteien-Gespräche um die Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel stillgelegten 5 MW Reaktor in Yongbyon wieder fit gemacht und vermutlich am wieder anfahren ist. Dass wir so viel über diesen Strang des Nuklearprogramms wissen, hat vor allen Dingen damit zu tun, dass man Reaktoren und Anreicherungsanlagen so schlecht vor Satelliten verstecken kann. Das heißt, über dieses Programm ist sehr viel bekannt und man kann sich relativ gut ausrechnen, was da an waffenfähigem Material maximal und minimal produziert worden sein könnte. Ganz anders sieht das mit dem Uran-basierten Strang des nordkoreanischen Nuklearprogramms aus. Über diesen Strang wissen wir im Endeffekt fast nichts. Ein bisschen was aus den Anfangsjahren des Jahrtausends, als Importe von Zentrifugen bekannt wurden und ein bisschen was aus den letzten Jahren, als Nordkorea das Programm, bzw. den Teil, den es eben zeigen wollte, ausländischen Experten vorführte. Anders als im Fall des Plutonium-basierten Programms können die Zentrifugen zur Anreicherung von Uran sehr gut versteckt werden. Beispielsweise kann man einfach einen sehr tiefen und großen Bunker bauen und die da reinstellen, oder man packt sie in einen oder mehreren bestehende Bunker (es gibt nur gewisse Mindestmengen an Zentrifugen, die zusammengeschaltet sein sollte und den Bedarf an sicherer Stromversorgung). Naja und in Anbetracht der Tatsache, dass das nordkoreanische Militär im Bunkerbauen und sich eingraben ganz groß ist, sollte man sich keine Illusionen darüber machen, dass nicht genug Platz für die Anlage da sein könnte. Wir haben also nur gesehen, was wir sehen sollten, der Rest sind mehr oder weniger begründete Spekulationen (wobei die bestbegründeten Spekulationen vermutlich von David Albright kommen).
Strategische Folgen aus eigenständigen Produktionskapazitäten
Und hier kommt dann die Fähigkeit zur selbstständigen Produktion der Zentrifugen ins Spiel. Denn wenn wir schon nicht sehen bzw. kontrollieren können, was mit den Zentrifugen im Land passiert, so haben wir doch immernoch die Möglichkeit, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit rauszubekommen, was ins Land hereinkommt. Das sich immer weiter verschärfende Sanktionsregime gegen Nordkorea stellt hierfür das ideale Werkzeug dar. Einerseits kann man so ungefähr hochrechnen, was so ins Land reingeschafft wird, andererseits kann man so das Programm verlangsamen, indem man kritische Komponenten nicht ins Land reinlässt.
Theoretisch jedenfalls, denn wenn Pjöngjang in der Lage ist, alle Komponenten selber zu produzieren, dann kann man weder was aufhalten, noch kann man was abschätzen. Man ist vollkommen hilflos und hat keinerlei (nicht kriegerische) Mittel in der Hand, das Regime an der Produktion nuklearwaffenfähigen Urans zu hindern und gleichzeitig hat man auch kaum sinnvolle Möglichkeiten, abzuschätzen wieviel Uran welchen Anreicherungsgrades jetzt schon produziert wurde.
Wenn man also das Ziel verfolgt, Nordkorea an der Produktion nuklearwaffenfähigen Materials oder von Nuklearwaffen zu hindern, dann ist man in einer strategisch sehr ungünstigen Lage, denn eigentlich kann man das nur schaffen, indem man entweder Krieg führt, oder einen Verzicht Pjöngjangs aushandelt. Da man aber so wenig Vertrauen in die Führung dort hat (vollkommen zurecht, ich würde einem Verhandlungsergebnis mit Nordkorea auch sehr vorsichtig gegenüberstehen, wenn man auf all das zurückblickt, was in den letzten 20 Jahren schon vereinbart wurde (das soll aber nicht heißen, das die Führung in Pjöngjang dafür die Alleinschuld trägt)), ist im Endeffekt verhandeln wohl kaum ein gangbarer Weg. Gleichzeitig ist Kriegführen aber aktuell wohl auch keine Option.
Das Sanktionsregime gegen Nordkorea: Neu überdenken?
Hm, schwierig das alles. Vielleicht müssten sich da einige Parteien mal Gedanken darüber machen, ob ihre Zielsetzungen noch realistisch sind. Gleichzeitig wird hierdurch aber auch das Sanktionsregime in Frage gestellt. Denn 1. hat es offensichtlich nichts dazu beigetragen, Nordkorea daran zu hindern, das Nuklearprogramm voranzutreiben, 2. ist es jetzt nur noch bedingt ein adäquates Werkzeug, Nordkorea künftig daran zu hindern.
Nordkorea muss keine Materialien mehr für das Uran-basierte Programm einführen, also können Sanktionen den Fortschritt des Programms maximal indirekt verhindern. Und das zu hohen Kosten, denn wenn man die Sanktionen als Methode einsetzt, dem nordkoreanischen Regime durch die Schwächung der Wirtschaft Mittel für das Nuklearprogramm zu entziehen, dann ist das ein sehr schwieriger Weg. Denn man entzieht dem Land gleichzeitig auch Mittel zur Umsetzung anderer Ziele. Zum Beispiel der Ernährung der Bevölkerung. Klar, wenn Pjöngjang nichts in das Nuklearprogramm investieren, sondern die Menschen ernähren würde, gäbe es hier kein Problem. Nur sind Diktaturen nicht unbedingt für ihre Menschenliebe bekannt und die in Pjöngjang besonders wenig. Also ist dieser Weg, das Nuklearprogramm zu bremsen gleichzeitig ein Weg, der die Bevölkerung aushungert. Natürlich kann man die moralische Verantwortung an die Führung in Pjöngjang abschieben, nichtsdestotrotz trägt man, wenn man diesen Weg weiter verfolgt, eine reale Mitverantwortung für jeden Menschen der in Nordkorea hungert.
Aber versteht das jetzt nicht falsch, ich plädiere nicht dafür, alle Sanktionen gegen Nordkorea aufzuheben oder sowas. Natürlich soll die Führung in Pjöngjang sich nicht auf dem Weltmarkt mit den neuesten Maschinen zur Produktion von Nuklearanlagen oder so eindecken können. Aber man muss wohl oder übel jedes Produkt, das sanktioniert ist und auch die Sanktionen, die auf die Finanzströme zielen, einer genauen Prüfung unterziehen, inwiefern sie direkt auf die nordkoreanischen Waffenprogramme zielen und inwiefern sie auch „Kollateralschäden“ in anderen wirtschaftlichen Bereichen nach sich ziehen. Und wenn man das schon tut, dann muss man wohl oder übel auch fragen, inwiefern die gegenwärtige Strategie gegenüber Nordkorea vollkommen in der Sackgasse steckt. Denn aktuell fällt den westlichen Staaten ja eigentlich nichts mehr ein, als Sanktionen zu verschärfen, wenn sich Nordkorea „missverhält“ und auf eine Politikänderung Pjöngjangs zu warten, wenn alles in „normalen Bahnen“ läuft. Da aber eigentlich keine Sanktionen mehr denkbar sind, die nicht auch große wirtschaftliche und menschliche Kollateralschäden erwarten lassen, ist diese Strategie eigentlich am Ende.
Neue Strategie ist nötig: Vertrauen muss wieder hergestellt werden
Es ist an der Zeit das verloren Vertrauen wieder herzustellen. Das ist ein unangenehmer, anstrengender und vor allem langwieriger Prozess, aber solange man das aktuelle Vorgehen weiter treibt, wird Nordkorea sein Uranprogramm weitertreiben und das hilft im Endeffekt weder den westlichen Staaten noch Pjöngjang. Man muss sich so bald wie möglich auf den Weg zum Ausgleich und in einem ersten Schritt zum direkten Austausch machen, denn Vertrauen entsteht nicht durch Bedrohung und Erpressung. Ich würde mir wünschen, dass Barack Obama sich eingestehen würde, dass seine Strategie der letzten Jahre ine vollständiger Fehlschlag war und dass er jetzt umkehren muss. In Präsidentin Park hat er hierfür eine Partnerin, die dem wohl offen gegenüberstehen würde (zumindest offener als ihr verbohrter Vorgänger) und auch die meisten anderen Involvierten Staaten wären vermutlich erleichtert, denn der Weg, den die Dinge auf der Koreanischen Halbinsel aktuell gehen, kann eigentlich in niemands Interesse sein.
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Hey, schön wieder von dir zu lesen.Hoffe auf zukünftig mehr Aktivität von deiner Seite, jetzt wo deutschlandtechnisch wieder „Ruhe im Karton“ ist.Leider verschandeln die hässlichen Plakate immer noch die Landschaft.Und das nach zwei Werktagen.Aber ich bin guter Zuversicht dass die Dinger demnächst endlich verschwinden.
Übrigens: Nordkorea besitzt bereits Atomwaffen!
Ja ich weiss was ihr jetzt denkt.Aber offenbar hat man das auf den ganz, ganz, ganz billigen Plätzen erst jetzt bemerkt.Anders kann ich mir die witzige Meldung auf KBS nicht erklären:
http://world.kbs.co.kr/german/event/nkorea_nuclear/news_01_detail.htm?No=32928
Das Nordkorea Atomwaffen hat sollte doch eigentlich bekannt sein. Nur über die Qualität bzw. die Zerstörungskraft lässt sich wenig aussagen.
Hey bagameri,
ebenso schön von ir zu hören.
Tue mein bestes, laufe aber leider momentan weiter ziemlich am Limit. Kann daher nichts versprechen. Habe ja schon oftgenug Anläufe gemacht Leute zu finden, die auch ein bisschen was schreiben, damit nicht immer alles davon abhängt, dass ich Zeit habe, aber das ist leider ist das alles garnicht so einfach.
Daher müsst ihr euch leider an meinen Terminkalender halten, wenn ihr Qualitätsinfos 😉 zu Nordkorea wollt…