Schönen Gruß und auf Wiedersehn – Projekt Nordkorea-Info ist (vorerst) beendet

So: Nachdem ich mir das Elend mit mir mehrere Monate lang angeschaut habe und eben echt schlecht geschlafen habe, habe ich den Entschluss gefasst, konsequent zu sein und dieses Projekt vorerst, aber vermutlich für immer zu beenden. Ich werde in den Folgen ein bisschen was zu meinen Beweggründen sagen und versuchen einen Ausblick für Nordkorea zu geben, aber die wichtigste Info gab es schon oben und wer nicht mehr weiterlesen mag, dem sei das nachgesehen.

Wie alles begann

Ich habe vor fast sechs Jahren, am 29.08.2009 angefangen, das aufzubauen, was zwischenzeitlich das beste deutschsprachige Nordkorea-Blog wurde (was nicht so schwer ist, weil es auch das einzige deutschsprachige Nordkorea-Blog geblieben ist). Aber es war wohl auch eine der wenigen seriösen deutschsprachigen Informationsquellen zu Nordkorea (was etwas schwieriger ist, aber immernoch recht einfach, weil es nur ganz wenige Medien in Deutschland gibt, die sich die Mühe machen seriös zu Nordkorea zu informieren) und darauf bin ich stolz. Ich bin auch stolz darauf, dass dies mein 939er Artikel auf diesem Blog wird, dass 91 Leute jedesmal eine Nachricht bekommen, wenn ich einen neuen Beitrag veröffentliche bzw. veröffentlicht habe dass die Seite insgesamt fast 400.000 mal angeklickt wurde. Zu dem Blog gibt es eine Facebookseite mit fast 550 Fans und einen Twitter-Account, dem etwa 160 Leute folgen. Ich hatte ein gutes Netzwerk aus Interessierten und Leuten, die sich auf die eine oder andere Weise professionell mit dem Thema befassen, in Deutschland und international. Ich habe tatsächlich einige sehr nette Leute kennengelernt, mit denen ich regelmäßigen Kontakt habe. All das freut mich, macht mich stolz und ein bisschen wehmütig.

Aber warum will ich das alles aufgeben?
Kurz gesagt: Mein Leben hat sich geändert! Als ich das Blog angefangen habe, war ich gerade mit dem Studium fertig und froher Hoffnung, dass ich irgendwann demnächst einen Job haben und Geld verdienen würde. Die Zeit bis dahin wollte ich u.a. überbrücken, indem ich mir im Rahmen des Blogs Nützliches aneigne (das ist passiert: Ich habe sehr viel gelernt, das mir auch heute beruflich weiterhilft). Das alles hat so nicht geklappt. Tatsächlich habe ich eine gefühlte Ewigkeit keinen Job gefunden, so lange, dass ich es zwischenzeitlich aufgegeben und wieder zu studieren angefangen habe, eh ich letztes Jahr dann doch etwas gefunden habe, was meinen Vorstellungen von einem guten und sinnvollen Job sehr nahe kommt. In der Zwischenzeit war das Blog mir eine Art Stütze und Selbstvergewisserung. Wenn man dauern Absagen kriegt und man keine Idee hat, was man noch machen kann, um potentielle Arbeitgeber von sich zu überzeugen, tut es sehr gut, von irgendwoher das Feedback zu bekommen, dass man etwas kann und etwas gutmachen kann. Das Blog war in dieser Zeit sehr wichtig für mich und hat mir wirklich geholfen. Aber ich habe ihm auch sehr viel Zeit gewidmet. Wenn man sich dauernd nach Arbeit umguckt, hat man mehr Zeit als einem lieb ist und es ist mitunter gut, die irgendwie sinnvoll zu nutzen. Ich glaube das habe ich getan.

…und warum es jetzt endet

Was hat sich seitdem geändert?
Wie eben schon gesagt, habe ich einen Job bekommen. Der macht Spaß, nimmt aber normalerweise mindestens 30 Stunden meiner wöchentlichen Wachzeit in Anspruch (normalerweise, wenn ich nicht in Elternzeit bzw. Elternteilzeit bin).
Und damit kommt schon der zweite Punkt. Ich habe seit Ende Februar diesen Jahres eine Tochter. Das verändert mein Zeitbudget und verschiebt meine Präferenzen. Ich habe selten wirklich Zeit, mich ein paar Stunden hinzusetzen und am Blog zu schreiben, weil das Kind viel Aufmerksamkeit verdient.
Auch und vor allem verdient das Kind aber auch, dass ich ihm, wenn er heranwächst, eine guten Stadt und eine gute Welt hinterlasse. Ich bin dafür zwar nicht allein zuständig, ich kann aber dazu beitragen und deshalb bin ich schon seit einigen Jahren bei den GRÜNEN aktiv. Das ist sehr gut so, fordert aber ebenfalls einen ordentlichen Teil meiner Energie und Zeit.
Nebenbei habe ich noch viele Freunde und Familie, die weiter weg wohnen, um die ich mich aber kümmern will.

All das führt dazu, dass ich das Blog nicht mehr so betreiben kann, wie es das eigentlich mein Anspruch ist. Ich kann nicht mehr regelmäßig den Nachrichten aus und über Nordkorea folgen, was das Schreiben von Beiträgen immer mehr zur Kraftanstrengung macht. Früher hatte ich einfach auf dem Schirm, was die Analysen zu bestimmten Vorgängen waren und wo gute Artikel erschienen sind. Heute muss ich das erstmal nachlesen, raussuchen und mich auf den Stand bringen. Das geht auf Dauer nicht. Es geht aber auch nicht, der Nachrichtenlage regelmäßig zu folgen und deshalb kann ich hier leider nicht mehr weiterbloggen. Für die, die hier schon seit Jahren mitlesen tut mir das sehr leid, aber es hilft ja nichts. Naja, heute Nacht habe ich dann bei meiner schlechten Schlaferei beschlossen, dass ich dem jetzt einfach mal ein offizielles Ende setze, damit alle wissen, woran sie sind.
Ich will nicht kategorisch ausschließen, dass ich hier je nochmal was schreibe. Vielleicht gibt es irgendwann Ereignisse in Nordkorea, von denen ich denke, dass ich sie analytisch mindestens so gut verstehe, wie die Holzschnittanalysten der meisten Medien. Wenn es wichtig genug ist, ich Zeit habe und ich noch nah genug am Thema bin, könnte das passieren, aber naja, um mit mir selbst und Euch ehrlich zu sein: Die Chance steht vielleicht bei zwanzig Prozent.

Wie man dem Verstehen näher kommt

Aber mal ganz im Ernst: Ihr könnt das auch selbst. Ihr könnt auch selbst sehr vieles über Nordkorea verstehen, wenn Ihr nur ein paar einfache Punkte beachtet:

  • Für ein tieferes Verständnis ist es gut, selbst nicht allzusehr emotional verstrickt zu sein. Wer sich einen Gegenstand betrachtet und dabei in Wut, Trauer oder Verzückung (im Falle Nordkorea gibt es glaube ich (was mich durchaus erstaunt) alles davon) gerät, der sieht nicht klar und kann nicht rational analysieren.
  • Glaubt nichts, was…
    • …in Deutschland über Nordkorea gesagt wird
    • …in den USA über Nordkorea gesagt wird
    • …in China über Nordkorea gesagt wird
    • …in Südkorea über Nordkorea gesagt wird
    • …in Nordkorea über Nordkorea gesagt wird
    • Die Wahrheit liegt immer irgendwo dazwischen. Deshalb muss man sich ein möglichst breites Bild über Wahrnehmungen und Aussagen machen und dann schauen, was Gemeinsamkeiten sind, was Unterschiede und was bei wem fehlt.
  • Um ein Ereignis verstehen zu können, sollte man immer versuchen herauszufinden, wer die Akteure sind und was ihre Interessen sind, oder sein könnten. Eine Analyse, die beinhaltet: „Nordkorea macht das aus diesem und jenem Grund, weil es dieses und jenes Interesse hat.“ ist für die Tonne. Das, was Nordkorea tut, ergibt sich aus dem Handeln vieler und wenn man das ausblendet, kann man nicht verstehen.
  • Wissen kann man über Nordkorea sehr wenig. Daher ist misstrauen bei denen, die es ganz genau wissen (bis auf die Nachkommastelle, bis ins letzte grausame Detail etc. sehr angebracht. Diejenigen, die kennzeichnen, dass sie es nicht wissen können und dann das was sie zu wissen glauben auf Basis von Fakten und Erkenntnissen herleiten, denen kann man trauen.

Naja, wer jedenfalls prüft, sich selbst und seine Informationen, sich eine möglichst breite Informationsbasis schafft, nicht glaubt die Wahrheit zu kennen, aber trotzdem nach Erkenntnissen strebt, der ist auf nem ganz guten Weg und macht nichts anderes, als ich es immer getan habe.

Kurz und knapp: Was wird in Nordkorea weiter passieren

Wie geht es weiter in Nordkorea?
Aktuell deutet meines Erachtens nichts darauf hin, dass sich in Nordkorea schnell etwas ändert. Die neue Führung unter Kim Jong Un hat sich noch immer nicht vollständig konstituiert, weshalb es momentan noch immer nicht so wichtig ist, sich Gesichter und Namen von Ministern etc. zu merken. Die können ganz schnell wieder von der Bühne verschwunden sein. Vielleicht würde ich mir den Namen Choe Ryong-hae mal im Hinterkopf behalten, der kann vielleicht auch auf Dauer wichtig bleiben. Aktuell wichtig, aber nicht mehr lange da, ist Kim Yong-nam. Der Mann erfüllt vor allem Außenpolitisch eine Rolle im Regime, für die ich bisher keinen Nachfolger sehe. Aber er geht stramm auf die 90 zu und ich wundere mich eh, dass er sich so lange in den Dienst des Regimes stellt.
Die aktuelle außenpolitische Lage erlaubt es dem Regime weiterzuwurschteln, ohne dass es sich sorgen zu machen, dass einer der großen Akteure China oder USA ihm allzuviel Aufmerksamkeit schenken. Mit dem aktuellen Regime in Pjöngjang wird es keine koreanische Vereinigung geben und eine Annäherung mit Südkorea und den USA wird, wenn sie stattfindet, extrem langsam und voller Rückschläge verlaufen.
Das Regime weiß, dass zuviel Offenheit, zu viele Kontakte, zu viele wirtschaftliche Möglichkeiten ganz schnell dazu führen können, dass die eiserne Kontrolle über das Volk verloren geht. Es wird daher weiterhin Änderungen nur ganz langsam zulassen, um die Effekte dieser Änderungen messen zu können und sie eventuell wieder rückgängig zu machen. Von innen ist daher bis auf weiteres kein großer Wandel zu erwarten. China und die USA, die aktuell die einzigen Akteure wären, die Änderungen von außen herbeiführen könnten, sind beide mit sich selbst bzw. der volatilen globalen politischen Situation beschäftigt und können daher keine großen Energien auf Pjöngjang richten, das heißt aber auch, dass beide keine unkontrollierten Änderungen dort wollen. Der Status quo dürfte beiden lieber sein, als ein neuer heißer Krisenherd in einer aktuell relativ berechenbaren Region (auch Nordkoreas Provokationen sind berechenbar, lasst Euch da nicht von irgendwelchen blöden Medienhypes kirre machen).
Die eingefrorene politische Situation in Korea wird sich erst ändern, wenn das Regime in Pjöngjang fällt, zumindest wenn man die Perspektive maximal zehn Jahre im Auge hat. Darüber hinaus kann eh kein Mensch gucken (oder glaubt ihr, dass 2005 irgendwer die schwierige Situation, die wir heute mit Russland haben vorhergesagt hätte, oder das, was ISIS gerade macht oder was in Syrien los ist?). Ob das Regime fällt, weiß man aber nicht, man wird das daran erkennen, dass sich plötzlich schnell viel ändert, die Kontrolle nach innen verloren zu gehen scheint (viele Menschen fliehen, es gibt echte interne Konflikte, Militär handelt eigenmächtig). Wenn dieser Moment kommt, kann es sein, dass ich hier wieder einsteige, weil die Geschichte dann eine neue, spannende und wichtige Seite aufschlägt.

So, das war es vorerst von mir. Ich werde das Schreiben hier und Euch vermissen und hoffe, dass ich einigen von Euch irgendetwas mitgeben konnte. Machts gut!

9 Antworten

  1. Es ist sehr schade, dass Sie diesen Entschluss fassen. Wir mögen Menschen die verbreiten frohe Botschaft von Oberste Führer, hochverehrte Marschall Kim Jong Un in die ganze Welt, damit auch andere Menschen glücklichste Volk werden können.

  2. Du hast nicht den einzigen Nordkorea Blog mein Lieber 😉

  3. Auch FDP-Mitglieder sind unter deinen Lesern, um der politischen Farbvielfalt noch etwas hinzuzufügen.

    Viel Erfolg bei deiner politischen Arbeit und viel Freude an deiner Tochter!

    Danke für all die exzellenten Artikel in den letzten Jahren!

  4. Grüsse aus der Schweiz & Danke vielmals, war eine Freude hier regelmässig lesen zu dürfen!

  5. Lieber Meister Dondelinger, panta rhei , Alles Fliesst, für die Beschreibung der Entwicklung beim NK Blog will ich danken. Das erklärt nicht nur alles, sondern zeitig ALLE ACHTUNG.

    Allerbesten Dank für das Teilen von Wissen, ich habe es immer sehr beachtet und aufmerksam verarbeitetet, manches an Freunde weitergeleitet. Da gabs auch Zustimmung an dritter Front, von Freunden in Korea.

    ich wünschte, dass es mal mit einem handfesten Job geklappt hätte, der etwas mit NK oder Asien zu tun hätte, habe ich auch mal für dich verwendet, aber ohne greifbaren Erfolg. Umso besser zu hören, dass du jetzt wenigstens eine STelle hast, welche auch immer. Und Kind und Familie sind auch ein Pfund.

    In aller bester Erinnerung an deine großartige Leistung,

    grüße ich aus Berlin.

    Thomas Ulbrich

  6. Als wahrscheinlich einziges aktives CDU-Mitglied unter Deinen Lesern möchte ich mich herzlich bedanken und freue mich, dass auch Grüne sesshaft werden können 😀
    Alles Gute und Viel Spiel, Spass und Spannung mit dem Nachwuchs.

  7. Ein schöner Schlussakkord in Moll. Einerseits natürlich sehr bitter, denn ich habe diesen Blog immer gerne gelesen. Im medialen Irrenhaus Deutschland warst du soetwas wie ein Ruhepunkt der nüchtern-sachlichen Information und Recherche. Ich wünschte mehr Journalisten würden an dir ein Beispiel nehmen.
    Andererseits ist in dieser Welt nichts für die Ewigkeit. Womöglich noch nicht einmal die Herrschaft der Kims- obwohl ich offen zugebe, dass ich ein Staatszerfallszenario wie in obigem Ausblick beschrieben, mit einer anschließenden „Wiedervereinigung“ nach deutschem Muster, nur sehr ungern mit ansehen würde.
    Ich gehe sogar soweit, zu behaupten, dass die übrigen Akteure in der Weltpolitik mindestens keinen Deut besser sind als diejenigen in Pjöngjang.
    Was uns zu der von dir aufgeworfenen Frage führt, ob man bereits vor Zehn Jahren das momentane Chaos in der Welt hätte vorausahnen können. Ich denke nämlich schon.
    So ist die Stoßrichtung der Nato bereits in den 90ern bei ihrer Osterweiterung erkennbar geworden. Und die Ereignisse in der Ukraine sind lediglich eine logische Konsequenz jener Geopolitik. Georgien 2008 war eine weitere Blüte dieser Art. Spätestens ab da war es gut zu erkennen wo die Reise hingehen wird.
    Und mal ganz ehrlich, wer hätte nach dem Scheitern des afghanischen Staates in den 90ern nicht geglaubt, dass die Sache in Nahost so ausarten wird. Oder bessergesagt so ausgeartet wird- denn da steckt sehr viel Strategie dahinter.

    Aber genug der unwichtigen Dinge.
    Meinen aufrichtigen Glückwunsch zur Geburt deiner Tochter.

    Schön dass es jetzt auch mit dem Job geklappt hat- obwohl ich dich ehrlichgesagt lieber bei der Linken gesehen hätte. Aber über (politischen) Geschmack lässt sich ja bekanntlich (nicht) streiten. Und es hätte ja auch noch schlimmer kommen können (CDU, SPD, NPD…)

    Zum Schluss von mir noch eine Verabschiedung im Nordkorea-Style:
    Alles gute für deine Zukunft und die deiner Familie, lieber Tobi, viel Glück und Gesundheit und Kraft wünsch ich euch- für die nächsten 10000 Jahre!

    Manse!

    😉

  8. Sehr schade – aber ich freue mich natürlich für für Dich! Ich habe Deinen Blog immer aufmerksam gelesen. Du hast mein Bild und Verständnis von Nordkorea sehr geprägt. Vielen Dank dafür!

  9. Sehr schade für uns, die dir mit Interesse gefolgt sind. Aber schön für Dich, dass Du nun endlich was gefunden hast und natürlich noch nachträglich herzlichen Glückwunsch zur Tochter. Viel Glück für Dich, wir werden Dich vermissen.
    Viele Grüße.

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