Nordkorea weist Projektleiterin der Welthungerhilfe aus — Was uns das über die Prioritätensetzung des Regimes sagt


Eigentlich denkt man ja, dass Staaten, die in regelmäßigen Abständen wegen der Gefahr von Hungersnöten die Welt um Hilfe bitten, froh um jede Hilfe wären, die sich ihnen bieten. Dass Nordkorea zu diesen Staaten gehört und dass dort, trotz einer scheinbaren Stabilisierung der Lage in den jüngsten Jahren nach wie vor teilweise kritische Versorgungsengpässe herrschen, ist denke ich für die wenigsten hier ein Geheimnis. Ebenfalls kein Geheimnis ist es, dass Nordkorea für Akteure von außerhalb (seien es Staaten, Unternehmen oder Hilfsorganisationen) ein schwieriger Partner ist. Das musste nach Medienberichten jüngst auch eine deutsche Entwicklungshelferin erfahren als sie des Landes verwiesen wurde.

Projektleiterin der Welthungerhilfe ausgewiesen

Regina Feindt war in Nordkorea als Projektleiterin der Deutschen Welthungerhilfe tätig (die dort schon seit Jahren hervorragende Arbeit leistet und innovative Projekte vorantreibt, die die Nahrungsmittelversorgung zu sichern helfen), bis sie vor einem guten Monat das Land verlassen musste. Eine Sprecherin der Welthungerhilfe sagte, man sehe keinen Anlass im Verhalten der Frau, der die Ausweisung rechtfertigte. Das deutsche Außenministerium gab an, in dem Fall bereits zweimal den nordkoreanischen Botschafter in Berlin einbestellt zu haben. Konkreter äußerte sich aber niemand zu den Gründen für die Ausweisung. Der Vorfall wurde bekant, weil Reuters aus der sehr überschaubaren Gruppe der in Nordkorea tätigen westlichen Ausländer einen Hinweis darauf bekam.

Obwohl es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass wir jemals erfahren (zumindest nicht zum Weitererzählen), warum Frau Feindt das Land verlassen musste, lohnt sich ein näherer Blick auf diesen Vorfall, weil sich daraus einerseits ein spannendes Bild auf die Herausforderungen des Arbeitens in Nordkorea eröffnet und sich andererseits Rückschlüsse auf das Sicherheitsbedürfnis und die Prioritätensetzung des Regimes in Pjöngjang ziehen lassen. Erstmal möchte ich daher die Ausweisung von Frau Feindt näher betrachten, indem ich auf vergleichbare Vorfälle und Erfahrungen aus der Vergangenheit Bezug nehme, um dann zu beschreiben, was Motivationen des Regimes für dieses Vorgehen sein könnte und welche Erkenntnisse sich für uns daraus ergeben.

Warum Nordkorea ausländische Helfer ausweist…

Die Praxis Bürger anderer Staaten auszuweisen, wenn sie irgendetwas tun, dass den herrschenden Autoritäten nicht passt, wird in aller Welt genutzt, nur dass Gründe für die Ausweisungen sehr unterschiedlich sind, eben ja nach dem was Verhaltensweisen und Handlungen sind, die den jeweils herrschenden Autoritäten nicht passen. Und dass es im Falle Nordkoreas vieles sein kann, das den Autoritäten nicht passt, das könnt Ihr Euch sicher denken.

…einige Beispiele

Tatsächlich sind einige Fälle bekannt, in denen Ausländer aus unterschiedlichen Gründen das Land verlassen mussten.
Der Deutsche Arzt Norbert Vollertsen sollte im Jahr 2000 das Land verlassen, nachdem er wiederholt westliche Medien auf Missstände und die schlechten humanitären Bedingungen im Land hingewiesen hatte.
Der australische Missionar John Short wurde 2014 nach kurzer Haft abgeschoben, weil er in Nordkorea versucht hatte zu missionieren.
2012 wurde jungen französischen und belgischen Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen ihre Visa nicht verlängert, weil sie eine “Workers’ party” gefeiert hatten, bei der die Teilnehmer als Arbeiter verkleidet kommen sollten. Die nordkoreanischen Behörden fanden dieses witzig gemeinte Motto auf Kosten der Arbeiter nicht lustig und setzten dem Aufenthalt der Helfer ein Ende.
In einem Interview hier auf dem Blog berichtet Entwicklungshelfer Gerhard Tauscher, dass einem deutschen Landwirtschaftsexperten sein Visum nicht verlängert wurde, weil er die Berechnungen der nordkoreanischen Behörden zur Lebensmittelknappheit in Zweifel zog. Von diesem Fall habe ich sonstwo nie etwas gelesen, so dass ich davon ausgehe, dass nicht alle Ausweisungen aus Nordkorea öffentlich werden.
Wenn es den großen politischen Linien entsprach, agiert das Regime aber auch schonmal übergreifend. So gab das Regime Ende 2005 bekannt, es gäbe keine Lebensmittelknappheit mehr und Nichtregierungsorganisationen, die Nahrungsmittelhilfe leisteten sollten bis Beginn des nächsten Jahres das Land verlassen haben.

Schere im Kopf?

Die oben genannten Beispiele dürften nur ein Ausschnitt des gesamten Bildes sein, denn wenn niemand darüber berichtet, dann erfahren wir natürlich auch nichts über eine Ausweisung. Und da in den meisten Fällen die betroffenen Organisationen kein Interesse an einer öffentlichen Thematisierung des Vorfalls haben, weil sie ja weiter im Land tätig bleiben wollen, dürften sich solche Fälle öfter mal unbemerkt von der Öffentlichkeit abspielen. In unserem Interview beschrieb Herr Tauscher damals recht eindrücklich, wie schwierig es ist, als Mensch der in Nordkorea arbeitet mit der Tatsache umzugehen, dass man aus unterschiedlichsten Gründen permanent Gefahr läuft, ausgewiesen zu werden:

Und um im Kopf klar zu bleiben, habe ich mir angewöhnt, einfach frei zu sprechen. Ich glaube, wenn man anfängt zu überlegen: “Hört jetzt einer mit oder nicht?” oder “Kann ich das, was kann ich jetzt genau sagen?”, ich glaub dann fängt‘s direkt an schwierig zu werden. Manchmal muss man vielleicht auch das Risiko eingehen aus dem Land zu fliegen, wenn man was zu gesagt hat, was jetzt dummerweise kritisch ist. Und das ist schnell passiert. Es sind einige, ich habe jetzt einige erlebt, die aus dem Land geflogen sind. […] Ich glaube es ist sinnvoll, eine Einstellung zu haben, dass man dort temporär ist und wenn man dann aus dem Land geschmissen wird, weil man irgendwas kritisch angemerkt hat, dann ist das halt so. Das macht einen in der eigenen Position stärker. Ich glaube zu versuchen, alles recht zu machen um Gottes Willen nichts Kritisches zu machen, das bringt einen auch nicht besonders weit.

Wenn man dann bedenkt, dass gerade die etwa 200 westlichen Helfer, die im Land sind, einem sehr engmaschigen Netz der Überwachung unterliegen, kann man sich vorstellen, dass kaum eine Tätigkeit oder eine Aussage eines der westlichen Helfer unbemerkt bleibt. Naja und wenn man dann aus einer Gesellschaft kommt, in der man erstens gewohnt ist frei zu sprechen und zweitens vielleicht auch garnicht so ein starkes Gespür dafür hat, was jetzt politisch kritisch ist und was nicht, kann man sich schon gut vorstellen, dass öfter mal etwas passiert oder gesagt wird, das zu einer Ausweisung führt.

Entwicklungshelfer wissen mehr über Nordkorea

Ein anderer Grund, der mit ursächlich für den scharfen Blick des Regimes auf die ausländischen Entwicklungshelfer sein dürfte, liegt in den besonderen Zugängen dieser Personen zum Land. Ich habe mal gehört, dass auch die Botschaftsmitarbeiter bei weitem nicht überall hinkommen wo sie gerne wollen. Entwicklungshelfer kommen oft an Orte, die den Botschaftsleuten verborgen bleiben oder an die sie bestenfalls gemeinsam mit den EZlern kommen. Das dürfte auch für die nordkoreanischen Behörden kein Geheimnis, sondern mit eingepreist sein. Trotzdem dürften sie ein sehr waches Auge darauf haben, wieviele Informationen mit wem geteilt werden. Auch hier kann es eventuell mal kritisch für Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen werden, wenn sie gegenüber den Falschen zu offenherzig sind. Generell kann man das natürlich als Paranoia abtun, aber das in anderen Staaten Hilfsorganisation gezielt für geheimdienstliche Tätigkeiten ist Fakt (auch ein interessanter Fingerzeig bezüglich der Abwägung Humanitäres vs Sicherheit, auf die ich später nochmal zu sprechen komme (nur wurde sie hier aus den Reihen der “Guten” zuungunsten humanitärer Fragen getroffen, was die Sachlage natürlich grundlegend ändert…)) und besondere Obacht von Regimen, denen ihre Sicherheit so wichtig ist, wie dem in Pjöngjang daher nachvollziehbar.

Abwägung des Regimes: Humanitäres vs Sicherheit

Und das alles geht ins Kalkül der nordkoreanischen Behörden im Umgang mit westlichen Hilfsorganisationen ein. Im Endeffekt ergibt sich daraus eine Abwägung zwischen zwei zentralen Zielen des Regimes. Die Sicherheit und das Wohlergehen der Bevölkerung, zu der die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen beiträgt, steht aus dieser Sicht dem Ziel der Sicherheit des Regimes gegenüber. Und wie diese Prioritätensetzung in Nordkorea seit Jahren ausgeht, darüber habe ich hier ja schon öfter geschrieben. Die Sicherheit des Regimes steht immer über allem und deshalb werden Entscheidungen im Zweifel immer zuungunsten der Hilfsorganisationen und damit auch der Bevölkerung getroffen. Das ist ein unmenschliches Kalkül, aber vor einer Ideologie, die das Überleben des Volkes unmittelbar mit dem Überleben des Führers verknüpft, ist sie folgerichtig.

Das Spiel ist bekannt

Weiterhin ist in dem aktuellen Fall anzumerken, dass alle Seiten bemüht waren, das nicht an die große Glocke zu hängen und dass die Ausweisung eher durch Zufall öffentlich wurde. Das lässt darauf schließen, dass das Vorgehen in solchen Fällen bereits ein Stück weit “eingespielt” ist. Pjöngjang will die Organisation im Land halten und die Welthungerhilfe will weiter dort arbeiten, deshalb wird das auf niedriger Flamme gekocht. Das heißt aber gleichzeitig, dass die Verantwortlichen in Nordkorea ziemlich sicher davon ausgehen konnten, dass es keine weitreichenden Folgen auf das Vorgehen geben würde, außer, dass sich der Botschafter in Berlin ein bisschen was würde anhören müssen und dass die Welthungerhilfe jemand neues einarbeiten müssen würde. Und auch nachdem es öffentlich wurde spielen alle mit und halten den Mund, so dass da kein grundlegenderer Konflikt draus entstehen kann.

Keine Prinzipienreiterei auf Kosten von Menschen

Und was den Grund der Ausweisung angeht: Natürlich kennt man den bei der Welthungerhilfe. Ob man das selbst als schwerwiegend genug dafür anerkennt oder nicht ist ja vollkommen irrelevant, denn für die Nordkoreaner war es schwerwiegend genug und die setzen die Regeln in ihrem Land eben selbst.
Nun könnte man kritisch anmerken, dass es ja wohl nicht sein kann, dass sich eine westliche Organisation sich solchen menschenverachtenden Regeln beugt und die Arbeit in Nordkorea generell kritisch betrachten. Jedoch übersieht man dann, dass man im Endeffekt dann nichts anderes tut als die Führung in Pjöngjang. Man wägt zwei Ziele gegeneinander ab und am Ende unterliegt das Ziel, die Situation der Menschen zu verbessern dem abstrakten Ziel: “Wir arbeiten nur mit euch zusammen, wenn ihr unseren Normen folgt.”

Interessante Veranstaltungen zu Nordkorea im Februar in Berlin, Hamburg, Kiel und Stuttgart


Auch auf die Gefahr hin ein bisschen redundant zu sein, möchte ich heute Aufgrund der Vielzahl wirklich spannender Veranstaltungen in den nächsten Wochen doch nochmal einen kleinen Ankündigungsblock einschieben, damit keiner der Zeit und Lust hat einen der durchweg besuchenswerten Termine verpasst.
Wenn das alles für mich nicht so superweit weg wäre (Hamburg und Berlin), würde ich ganz sicher auf ein oder zwei der Veranstaltungen auftauchen, aber für einen Abend zehn Stunden oder so mit dem Zug unterwegs sein, da habe ich keinen Bock drauf. Naja was ich nur sagen will: Jede der Veranstaltungen lohnt sich und um nicht noch redundanter zu wirken werde ich das jetzt nicht mehr extra jedes Mal sagen.

12.02. Hamburg

Ich gehe einfach mal chronologisch vor: Schon übermorgen dem 12.02. um 19h wird es in  Hamburg (Neuer Jungfernstieg 21, 20354 Hamburg) ein GIGA-Forum geben, das von Patrick Köllner (der sich prima in der Region auskennt) moderiert wird. Auf dem Podium sitzen zwei echte Hochkaräter. Zum einen Rüdiger Frank, den die FAZ nicht zu Unrecht vor allem auf Grund seiner relativ einmaligen Nordkorea-Expertise zu einem der 50 einflussreichsten deutschen Ökonomen gekürt hat und dessen Arbeit auch ich einfach prima finde. Zum anderen der ehemalige britische Botschafter in Pjöngjang James Hoare.  Organisiert wird das Ganze vom GIGA in Kooperation mit der Deutsch-Koreanische Gesellschaft Hamburg (DKGH) und dem Ostasiatischer Verein (OAV).

Hier könnt ihr euch schonmal einen kleinen Eindruck von ihm machen.

17.02. Hamburg

Nächste Woche, am 17.02. um 19h gibt es schon wieder in Hamburg (KörberForum – Kehrwieder 12, 20457 Hamburg, Hamburg) was feines. Da gibt es von der Körber-Stiftung eine Diskussionsveranstaltung mit Jang Jin-sung. Für diejenigen, denen es nach Hamburg zu weit ist (also z.B. mich) gibt es coolerweise einen Livestream, den ihr auf der oben verlinkten Seite findet. Wie ich gerade gesehen habe, steht auf der Seite, dass alle Plätze belegt sind, aber ich glaube wenn ich in Hamburg wäre würde ich da einfach mal anrufen. Jang ist einer der führenden Köpfe hinter News Focus International. Er war vor seiner Flucht aus Nordkorea im Jahr 2004 Teil des Regimes und arbeitete für das United Front Department. Ich denke, dass er über einen ganz anderen Blick auf Nordkorea verfügt als wir und einige Aspekte des Systems, die uns unverständlich erscheinen, gut und einfach erklären kann.

19.02. Berlin

Und weil es sich für Jang wohl nicht lohnt, für einen Termin nach Deutschland zu kommen, tritt er am 19.02. um 19h nochmal in Berlin in der Gedenkstätte Hohenschönhausen (Genslerstraße 66, 13055 Berlin) auf. Organisiert hat das Ganze die Europäische Allianz für Menschenrechte in Nordkorea, eine ganz interessante Organisation, die sich vor allem dafür einsetzt, die Aufmerksamkeit für die Menschenrechtssituation in Nordkorea zu steigern, die Informationsbasis zu verbessern und seriöse Forschung zu dem Thema zu fördern.

17.-22.02. Berlin und 20.-25.02. Kiel

Ebenfalls in Berlin gibt es vom 17. bis 22.02. die 2. DVR Korea-Filmwoche im Babylon Kino (Rosa-Luxemburg-Str. 30, 10178  Berlin) zu erleben. Vielleicht erinnert sich der Eine oder Andere von euch: Vor gut zwei Jahren gab es schonmal sowas Ähnliches, damals war es nur ne Art Tournee, bei der nordkoreanische Filme in verschiedenen Städten Deutschlands gespielt wurden. Scheinbar hat man in diesem Jahr (ich bin auch gerade überrascht, das war mir nämlich bisher entgangen) wieder die gleichen Kinos im Programm wie 2011.
Das heißt für die Nordlichter gibt es vom 20. bis 25.02. in der Pumpe in Kiel (Haßstraße 22, 24103 Kiel) ebenfalls die DVRK Nordkorea Filmwoche. Ob es auch in Köln wie 2011 Veranstaltungen gibt, konnte ich bis jetzt nicht rausfinden, aber das war auch schon damals ein bisschen undurchsichtig. Ich werde mal die Augen offen halten.
Das Programm ist ziemlich umfangreich, deshalb werde ich das hier nicht im Detail auswalzen (könnt ihr ja selber nachlesen), aber wenn ihr euch für nordkoreanisches Kino interessiert oder, was ich sehr spannend fände, für Dokus aus Nordkorea, dann solltet ihr euch das mal angucken. Außerdem dürfte es an beiden Standorten zumindest einen Termin mit nordkoreanischen Filmschaffenden und vermutlich auch Botschaftsleuten geben. Den könnt ihr euch ja mal gesondert vormerken.

17.02. Stuttgart

Zuletzt noch eine Veranstaltung, die vielleicht nicht ganz so hoch hängt, wie die vorgenannten, die ich mir aber auch anschauen würde, wenn ich da wäre. Am 17.02. 19h wird die Friedrich-Naumann-Stiftung in Stuttgart (Hotel Sautter, Johannesstr. 28, 70176 Stuttgart) eine Vortragsveranstaltung mit Lars-André Richter durchführen. Der ist Chef des Regionalbüros der Stiftung in Seoul (damit Nachfolger von Walter Klitz, an den ihr euch vielleicht durch das Interview auf diesem Blog erinnert) und damit auch für die vielfältigen und interessanten Aktivitäten in und zu Nordkorea zuständig. Er dürfte interessantes aus der Praxis zu erzählen haben, auch wenn ich mit ihm in seinen Bewertungen nicht immer auf einer Linie liege.

Viel Spaß

Naja, ihr seht, es gibt einiges interessantes in den nächsten Tagen und Wochen und für fast alle Regionen in Deutschland ist was dabei, außer wenn man eher im Westen wohnt ist blöd. Aber das wird bestimmt auch bald besser und bis dahin wünsche ich euch interessante Veranstaltungen und so.

Ein unambitioniertes Interview: Wie die Saarbrücker Zeitung zum nordkoreanischen Propagandalautsprecher wurde


Vor ungefähr einer Woche habe ich ja über das Interview des nordkoreanischen Botschafters in London geschrieben, das in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert war. Damals stellte ich mir unter Anderem folgende Frage:

Ich bin aber gespannt, ob noch andere nordkoreanische Botschafter dazu Pressekonferenzen oder Interviews machen, oder ob Herr Hyon das alleine gemacht hat.

Auf diese Frage gibt es jetzt einige interessante Antworten. Einerseits war das Interview durchaus Teil einer konzertierten Kampagne, wie ich schon gemutmaßt hatte. Denn außer in London, sprachen auch die Botschafter in New York (bei den Vereinten Nationen), Peking und Moskau mit den Medien, allerdings nicht in Form von Interviews sondern auf Pressekonferenzen. Und auch Ri Si-hong, Nordkoreas Botschafter in Berlin beteiligte sich an der Medienoffensive und überraschenderweise auch in einem Interview.

Ri Si-hongs Pseudo-Interview

Allerdings war Ri dabei nicht ganz so ambitioniert wie Hyon Hak-bong. Denn erstens gab es kein Fernseh-, sondern ein Zeitungsinterview, zweitens fand das nicht mit einem Medium aus der ersten deutschen Reihe, sondern mit der Saarbrücker Zeitung statt und drittens war es auch inhaltlich wesentlich wenige ambitioniert.

Der überwiegende Teil des Interviews ist ein aus den anderen Auftritten von Botschaftern bekannter Werbeblock für das „Angebot“ der Nationalen Verteidigungskommission an Südkorea die Beziehungen zu verbessern. Das ist ganz klar der Anlass des Ganzen. Ansonsten gibt es nur die Hinweise, dass Jang Song-thaeks Hinrichtung gerechtfertigt war und dass Deutsche ohne Angst in Nordkorea investieren können. Da wundert man sich doch: Wenn ich einen nordkoreanischen Botschafter für ein Interview bekäme, würde ich ihn aber mehr fragen, als Dinge auf die wir seine Antwort eh schon kennen. Weshalb die Vertreter der Saarbrücker Zeitung das nicht gemacht haben steht unter dem Interview:

Ri Si-Hong suchte nun von sich aus zum ersten Mal den Kontakt zur deutschen Presse. […] Die Botschaft machte in den Vorgesprächen zur Bedingung, dass nur Fragen zum Vorstoß des Verteidigungskomitees gestellt werden dürften, und dass Worte wie „Diktatur“ oder „isoliertes Land“ nicht vorkommen dürften. Außerdem seien die Fragen vorher schriftlich einzureichen. Allerdings war der Gesprächsverlauf dann viel freier und der Botschafter gab sich entspannt. Sein sehr gut deutsch sprechender Stellvertreter übersetzte – korrekt, wie ein externer Dolmetscher anhand des Tonbands hinterher feststellte. Auf eine Prüfung des ausgeschriebenen Interviews verzichtete Ri. Er vertraue der Presse.

Naja, auch wenn das Interview entspannter ablief als gedacht, scheinen die beiden Journalisten die es führten zumindest eine kleine Schere im Kopf gehabt zu haben, bzw. die  Angst, dass das exklusive Interview platzen könnte, wenn sie zu kritische Fragen einreichen. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, wie es zu so unambitionierten Fragen kam.
Damit dürfte auch klar sein, warum das Interview nicht mit dem Spiegel, der FAZ, der taz oder sonst einem der großen deutschen Printmedien geführt wurde. Die werden sich für ein solches Pseudo-Interview einfach nicht hergegeben haben, bei dem im Endeffekt die Propaganda nur in ein anderes Format gepackt wird. Informationszuwachs gleich Null.
Der Botschafter wiederum wird froh sein, seinen Job erledigt zu haben. Wenn er für die Zukunft Tipps braucht, wie man so richtig professionell Pseudointerviews produziert könnte er ja mal einen seiner Leute bei der Deutschen Bank einschleusen. Die PR-Abteilung dort weiß nämlich sehr gut — zumindest in der Theorie — wie man das macht. Oder man fragt mal bei Martin Sonneborn nach…

Experimentieren mit „neuen“ Kommunikationskanälen

Interessant ist das alles mit Blick auf die nordkoreanische Medienstrategie trotzdem. Denn es wird deutlich, dass man mit neuen Formaten experimentiert. Nicht mehr derselbe ewig-gleiche-Pressekonferenzzirkus rund um die Welt, sondern auch mal ein Interview. Das ist ja nahezu ein Quantensprung. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Botschafter scheinbar eine gewisse Autonomie darüber haben, wie sie ihren Job machen. Sie kriegen wohl von Zeit zu Zeit eine Depesche aus Pjöngjang, in der verschiedene talking-points stehen, die sie in die Medien ihres Gastlandes einspeisen sollen. Wie sie das machen ist dann scheinbar ein Stück weit freigestellt. Die ganz Unambitionierten machen eine Pressekonferenz, die etwas Kreativeren suchen sich einen Pseudo-Interviewpartner und die wirklich Mutigen, die es wohl noch zu was bringen wollen stellen sich einem Fernsehinterview. Ich bin gespannt, ob die nordkoreanischen Botschaften weiter an ihrer Medienstrategie feilen und ob in Zukunft dem britischen und deutschen Botschafter weitere folgen und sich dem (mehr oder weniger großen) Risiko eines Interviews stellen. Oder aber das nordkoreanische Außenamt weist den Botschaftern die Formate je nach den lokalen Medienlandschaften zu. Wer weiß es. Ich werde das Thema Kommunikationsstrategien Pjöngjangs jedenfalls weiter im Auge behalten.

Warum ich nicht in Nordkorea investieren würde und weshalb es vielleicht trotzdem keine schlechte Idee ist


Eben habe ich in der WELT einen Artikel gelesen, den ich ganz interessant fand. Darin geht es um den bayrischen Schuhunternehmer Michael Ertl, der plant in der gemeinsam von Nord- und Südkorea auf nordkoreanischem Boden betriebenen Sonderwirtschaftszone Kaesong zu investieren. Ich fand das deshalb relativ spannend, weil ich mir danach einfach mal überlegt habe, ob ich wohl aktuell Geld in Kaesong investieren würde. Anfangen will ich aber mit einem kleinen Korrekturblock, denn, naja, die WELT eben

WELT-Korrekturblock

Michael Ertl ist einer der ersten, aber definitiv nicht der Erste Deutsche, der in Nordkorea investieren will. Das hätte der Autor mit einem Blick ins eigene Archiv herausfinden können, wo er hätte lesen können: „Gerry Weber lässt in Nordkorea schneidern„. Oder er hätte es einfach mal beim zuverlässigen Startpunkt fast jeder Recherche versucht und sich den wirklich guten Wikipedia-Artikel zu den deutsch-nordkoreanischen-Beziehungen angeschaut (ich weiß, dass der ganz gut ist, weil ich bei der Erstellung ein (wenn auch nur geringen) Anteil hatte). Da hätte er lesen können, dass die Firma Prettl von 2007 bis 2010 in Kaesong investiert hatte, bevor sich die Pläne dort zerschlugen. Oder er hätte dort gelesen, dass die IT-Firma Nosotek seit 2008 in Nordkorea Software programmieren lässt und dass diese Firma im Gegensatz zu Ertls Plänen so richtig in Nordkorea sitzt und nicht in dem Mischgebiet Kaesong. Aber naja, ich hatte mir ja vorgenommen nicht zu kritisch zu sein und der Autor hat natürlich recht: „Erster Deutscher will in Nordkorea investieren“ ist eine wesentlich griffigere Schlagzeile als „Zirka vierter Deutscher will in Nordkorea investieren“, sowas interessiert ja dann echt keinen. Aber der Erste. Prima. Aber zurück zum Thema: Ist das jetzt eine gute Idee in Nordkorea bzw. in Kaesong zu investieren?

Würde ich in Kaesong investieren?

Hm, garnicht so einfach, weil ich natürlich nicht weiß, was in den nächsten fünf Jahren passiert:
Wenn sich Nordkoreas Außenpolitik in Zukunft friedlich und berechenbar darstellt, es keine Kriegsdrohungen mehr gibt und keine Schließungen der Sonderwirtschaftszone Kaesong und wenn man alle exportrechtlichen Fragen geklärt hat, dann ist es bestimmt keine total schlechte Idee in Kaesong zu investieren, obwohl es natürlich zumindest aktuell noch einige Hemmnisse gibt, die auch im WELT-Artikel beschrieben sind. Wenn sich das alles so wie beschrieben entwickelt, ist die Investition vermutlich vergleichbar mit einem Einstieg in einem anderen Niedriglohnland, mit gut ausgebildeten und disziplinierten Arbeitskräften.
Wenn sich aber das außenpolitische Verhalten Nordkoreas eher in aggressiven und unberechenbaren Bahnen verharrt, einschließlich Drohungen von oder tatsächlichen Schließungen der Sonderwirtschaftszone, dann  dürfte es schwierig werden, die Investitionssumme wieder reinzuholen. Zumindest wird sich Herr Ertl in diesem Fall nie sicher sein können, dass sich sein Investment je rentiert.
Da das Verhalten Pjöngjangs in den letzten fünf Jahren und auch nach dem Machtwechsel von Kim Jong Il auf Kim Jong Un sich nie dadurch ausgezeichnet hat, dass es besonders friedlich oder berechenbar gewesen wäre, würde ich eher vorsichtig sein mit positiven Prognosen für die nächsten Jahre. Gerade die Tatsache, dass Nordkorea im vergangenen Jahr erstmals so weit ging, Kaesong stillzulegen zeigt, dass die gesamte Anlage nicht so wichtig zu sein scheint, dass man sie nicht als Verhandlungsmasse nutzen würde. Ich würde nicht wetten, dass Pjöngjang in Zukunft davor zurückschrecken wird, den Komplex nochmal oder vielleicht auch komplett stillzulegen. Das Ferienressort im Kumgangsan, das seit Jahren im Dornröschenschlaf liegt, sollte hier als Mahnung dienen.

Andere Orte in Nordkorea bieten bessere Investitionschancen…

Kurz, wenn ich eine Million oder so über hätte, würde ich sie nicht in Kaesong investieren. Das soll aber kein Ratschlag sein, denn ich würde mich auch als besonders risikoavers einschätzen und natürlich hat Herr Ertl recht: Wenn man sich als erster in einem neuen Markt oder Standort etablieren kann, dann hat man bessere Chancen, wenn es irgendwann richtig losgeht. Es kann nur sein, dass man dafür einen langen Atem braucht, länger als ihn Gerry Weber und Prettl hatten. Ich würde mir sogar zweimal überlegen, ob ich als Deutscher ausgerechnet nach Kaesong ginge, denn diese Anlage ist meiner Meinung nach mit geringeren Chancen versehen, dafür aber mit höheren Risiken behaftet, als andere Optionen in Nordkorea:
Kaesong ist meiner Meinung nach sowas wie eine exterritoriale südkoreanische Produktionsstätte mit nordkoreanischen Arbeitern. Durch diese Konstellation ist der Zugang zum nordkoreanischen Markt erschwert und nur der Zugang zum südkoreanischen Wirtschaftsraum offen. Das heißt die Marktchancen, wenn sich in Nordkorea was ändert sind erstmal weniger dynamisch, als wäre man direkt im Land investiert. Gleichzeitig unterliegt Kaesong einem besonderen politischen Risiko. Immer wenn es Spannungen zwischen Seoul und Pjöngjang gibt, schwebt das wie ein Damoklesschwert über der Anlage. An anderen Orten in Nordkorea ist das so nicht gegeben.
Gleichzeitig ist Europäern der Weg nach Rason nicht verschlossen, im Gegensatz zu Südkoreanern  (Irgendwie hat mein Hinweis darauf, dass Südkoreanern der Weg nach Rason verschlossen sei, sich als Fehlannahme erwiesen. Danke Werner für die Richtigstellung!) Gleichzeitig stehen Europäern die Türen nach Rason weit offen.  Dort scheinen die Bemühungen des Regimes in Pjöngjang Wirkung zu zeigen und es entfaltet sich zur Zeit eine gewisse wirtschaftliche Dynamik. Gleichzeitig bestehen sowohl Marktchancen in Nordkorea, als auch wegen der geographischen Nähe in China und mit Abstrichen (weil es da nicht so viele Menschen gibt und so) in Russland. Politische Aspekte dürften sich eher nicht auf Rason auswirken, weil dort China und Russland die Nachbarn sind und mit denen ist vorerst nicht mit einem so tiefgreifenden Konflikt zu rechnen, wie er zwischen Nord- und Südkorea besteht.

…aber da würde ich auch nicht investieren…

Das heißt wiederum nicht, dass ich eine Investition in Rason empfehlen würde, aber wenn ich darüber nachdenken würde in Nordkorea zu investieren, dann würde ich mich eher für Rason als für Kaesong interessieren. Natürlich könnte ich auch noch über ein Joint-Venture außerhalb einer Sonderwirtschaftszone nachdenken, aber aktuell muss man dafür mutig sein. Wenn die Anfangsinvestition eher gering ist, wie ich das bei Nosotek einschätzen würde, dann kann man das Risiko vielleicht noch eingehen. Aber wenn man da viel aufbauen muss, dann zeigt der Fall Orascom (die haben scheinbar Schwierigkeiten an ihre Gewinne zu kommen, weil Pjöngjang die nicht transferiert), dass selbst globale Konzerne so ihre Schwierigkeiten mit der Führung in Pjöngjang bekommen können. Zwar bleibt man bei Orascom optimistisch, aber wenn man das viele Geld, das man in Nordkorea verdient hat, irgendwann mal woanders braucht, dann wird es kompliziert.

…weil ich ängstlich bin. Aber: Den Mutigen gehört die Welt

Alles in allem gibt es in Nordkorea zwar große Chancen, aber die wurden schon seit langem kolportiert und nur wenige konnten wirklich Profit daraus schöpfen. Im Endeffekt hängt sehr vieles von der politischen Entwicklung im Lande ab und ich gehe nicht davon aus, dass es kurz- oder mittelfristig zu Entwicklungen kommen wird, die Nordkorea zu einem stabilen und vielversprechenden Markt machen. Vielmehr kann ich mir Entwicklungen vorstellen, die das Land destabilisieren und die Investitionen in Gefahr bringen. Entweder, weil das gegenwärtige System sich als Risiko darstellt oder weil es ins Wanken gerät und durch die entstehende Unordnung Risiken wachsen. Aber wie ich oben schonmal gesagt habe, das hängt von der individuellen Risikobereitschaft ab. Und es heißt ja nicht ohne Grund: Den Mutigen gehört die Welt…

Parlamentswahlen in Nordkorea: Ein Nachtrag über Sinn und Zweck der Übung


Vor ungefähr zwei Wochen habe ich mir ja mal etwas ausführlicher Gedanken um die anstehenden „Wahlen“ zur Obersten Volksversammlung in Nordkorea gemacht. Weil diese nach fest vorgegebenem Drehbuch ablaufen und jegliche Überraschungen schlicht unmöglich sind (es gibt nichts, was bei diesen Wahlen nicht schon vorab feststehen würde), habe ich mich damals gefragt, was das Ganze denn im Endeffekt soll. Ich konnte mir irgendwie vorstellen, dass es was mit Legitimation und mit Tradition zu tun haben könnte, aber so richtig überzeugend fand ich das nicht.

Einfache Antwort

Daher war ich froh und auch überrascht, als New Focus International genau zu dieser Frage eine recht naheliegende Antwort lieferte (froh, weil ich offene Fragen nicht mag und überrascht, weil die Antwort eigentlich recht naheliegend und einfach war). Der Dreh bei der ganzen Geschichte ist, die Wahlen einfach nicht im Geringsten mit dem in Verbindung zu bringen, das wir unter Wahlen verstehen. Das heißt  die ganzen Funktionen wie zum Beispiel Legitimation von Herrschaft entfallen komplett und man muss sich einfach mal überlegen, was die Vorteile sind, wenn an einem Stichtag im ganzen Land alle Menschen an ihrem Wohnort ihren bereitliegenden Wahlzettel abholen und in eine Wahlurne stecken.

Effektives Werkzeug zur Überwachung

Und? Ganz einfach, oder? Welche bessere Möglichkeit gibt es denn, effektive Kontrolle auszuüben und Daten zu sammeln. Für jeden ist klar, dass es seine Pflicht ist, zu dieser Wahl zu erscheinen und dass sein Nichterscheinen Konsequenzen haben wird. Das heißt, dass jeder der vor Ort und in der Lage ist, an diesem Tag wählen geht. Dadurch wird es für die Behörden ein Leichtes, fehlende zu identifizieren. Im Alltagsbetrieb können Familien von Personen die geflohen sind dies häufig durch Bestechung etc. verbergen. Bei Wahlen und vor allem in deren Vorfeld, wenn die Kontrollorgane überall und kompromisslos prüfen, ob alle Nordkoreaner an ihrem zugewiesenen Ort sind, ist das nicht mehr möglich. Es ist sozusagen eine alle fünf Jahre stattfindende vollständige Volkszählung. In diesem Bewusstsein kann natürlich auch niemand fliehen und hoffen, dass das dauerhaft nicht auffällt. Spätestens die nächsten Wahlen fördern es zutage.

Kontrollverlust vorbeugen

Diese Methode der Kontrolle sehen die Autoren im Zusammenhang mit der Zeit der großen Hungersnot Ende der 1990er Jahre. Damals hatten die nordkoreanischen Sicherheitsbehörden für einige Jahre den Überblick über die nordkoreanische Bevölkerung verloren. Viele wanderten auf der Suche nach Überlebensmöglichkeiten unkontrolliert durch das Land, viele flohen über die Grenze nach China und viele starben. Dadurch kam es zu einer Gemengelage, in der die Überwachungsbehörden nicht mehr wussten, wer wo ist. Aus diesen Ereignissen haben die nordkoreanischen Behörden scheinbar gelernt und die Tradition der Wahlen in ein Instrument zur Identifizierung fehlender Personen umgewandelt.

Warum man immer erstmal darüber nachdenken muss, wo man selbst steht.

Ich finde dieser Sachverhalt stellt mal wieder ganz gut dar, wie wir uns mit unserem westlichen Blick auf Umstände in Nordkorea unser Verständnis für Geschehnisse dort verstellen. Ich kam einfach nicht auf die Idee, dass man Wahlen durchführen könnte, ohne Wahlen im Sinn zu haben. Dass also nur die Fassade der Wahlen stehen geblieben ist und das innere komplett entkernt und durch neue Ideen und Zielsetzungen ersetzt wurde. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein solcher begrenzter Horizont öfter mal zu einem Missverständnis der Geschehnisse in Nordkorea (genau wie in anderen Ländern) führt. Das zeigt mal wieder wie wichtig es ist als erstes darüber nachzudenken, wo der eigene Standort ist, bevor man sich über das weit entfernte Gedanken macht. Denn man kann das dort nicht verstehen, ohne das hier zu reflektieren.

Weil es gerade passt: Spannende Veranstaltung mit Jang Jin-sung

Weil es sich gerade so blendend anbietet, möchte ich euch noch auf eine Veranstaltung hinweisen, die ich nur wärmstens empfehlen kann. Am Mittwoch dem 19.02. findet in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ein Vortrag mit anschließender Fragerunde mit Jang Jin-sung statt, der einer der führenden Köpfe hinter News Focus International ist. Er war vor seiner Flucht aus Nordkorea 2004 Teil des Regimes und arbeitete für das United Front Department. Ich denke, dass er über einen ganz anderen Blick auf Nordkorea verfügt als wir und einige Aspekte des Systems, die uns unverständlich erscheinen, gut und einfach erklären kann (so wie hier das mit den Wahlen). Daher kann ich einen Besuch der Veranstaltung nur empfehlen. Organisiert hat das Ganze die Europäische Allianz für Menschenrechte in Nordkorea, eine ganz interessante Organisation, die sich vor allem dafür einsetzt, die Aufmerksamkeit für die Menschenrechtssituation in Nordkorea zu steigern, die Informationsbasis zu verbessern und seriöse Forschung zu dem Thema zu fördern. Eine aktuelle und interessante Kampagne der Gruppe zielt darauf ab, dass die BBC ein koreanisches Programm nach Nordkorea ausstrahlen soll. Eine gute rangehensweise wie ich finde, denn Information ist der erste Schritt zum Wandel.

Die DDR und Nordkorea — Digitale Fundstellen beim Bundesarchiv


In der Vergangenheit habe ich euch ja immer mal wieder auf Sammlungen von Originaldokumente aufmerksam gemacht, die auf verschiedene Arten in die Öffentlichkeit gelangt sind und aus einem meist westlichem Blickwinkel Auskunft über zeitgeschichtliche Entwicklungen und Einschätzungen im Zusammenhang mit Korea geben. Ich finde es immer ungeheuer spannend und bereichernd in solchen Dokumenten zu stöbern, aber die Quellen, auf die ich euch bis jetzt hingewiesen habe, hatten für gewöhnlich zwei Schwächen: Einerseits waren sie eigentlich immer in englischer Sprache, so dass einige von euch vielleicht keine Lust mehr hatten, sich das anzugucken. Andererseits waren sie aber mit Blick auf Nordkorea auch irgendwie immer (bzw. meistens, denn es gibt ja auch Quellen aus sowjetischen Archiven die digitalisiert sind) nur zweite Hand Informationen und man bekam relativ selten was in die Hand, dass wirklich aus nordkoreanischer Feder stammte.

Deshalb bin ich jetzt froh, euch auf die Arbeit des Bundesarchives hinweisen zu können, das Akten aus der ehemaligen DDR digitalisiert und zur Verfügung stellt. Die drehen sich um allerlei sehr spannende Themen, aber für das Blog habe ich natürlich in erster Linie darauf geachtet, was es da im Zusammenhang mit Nordkorea zu holen gibt. Und das ist durchaus einiges. Ich habe einfach mal ein bisschen rumgesucht und will euch kurz auf ein paar Fundsachen aufmerksam machen, die ich spannend fand, ohne sie komplett durcharbeiten zu können.  Vorher aber noch kurz der Hinweis: Das Navigieren in den Dokumenten ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig und nicht extrem nutzerfreundlich, aber ihr werdet euch schon damit zurechtfinden. Nach einigen kleinen Frustrationen klappt das ganz gut…

Politische und ökonomische Zusammenarbeit der Partei- und Staatsführung der DDR mit Staaten und Parteien. Bd. 59 Korea 1956 – 1968 Da gibt es Schriftwechsel u.a. mit Hinweisen auf politische Säuberungen in Nordkorea, aber auch beispielsweise den Text des 2. Fünfjahresplanes Nordkoreas zu lesen. (Wer seine russisch-Kenntnisse auffrischen will, findet da auch ein paar Dokumente (keine Ahnung was drinsteht.).

Büro Erich Honecker: Beziehungen mit Korea 1973 bis 1989 Unter anderem findet man da Transkriptionen von Gesprächen zwischen Erich H. und Kim Il Sung

Büro Egon Krenz: Bd 2: Weltfestspiele der Jugend und Studenten, 1984 – 1986, 1988 – 1989 Das ist insgesamt eine schöne Dokumentensammlung, die für mich ein ganz klares Highlight hat: Einen Steckbrief von Kim Jong Il (S.89). Da steht unter anderem drin: „Geboren in Chabarowsk (UdSSR) nach neuesten offiziellen Angaben der KDVR wurde Kim Tschongil“im Blockhütten-Stabsquartier des Generals der Koreanischen Partisanenarmee als dessen ältester Sohn in der Nähe des nordkoreanischen Bergs Paekdu“ geboren“.  Außerdem wird er als bestimmend und impulsiv beschrieben, was man an Sofortmaßnahmen mit bindendem Charakter in Politik und Wirtschaft ablesen könne.

Protokoll der Sitzung des Ministerrats 27.9.1960 Enthält u.a. einen Beschluss und sehr ausführlichen Bericht zur Einstellung der Hilfen beim Aufbau der Stadt Hamhung

Protokoll der 87. Sitzung des Ministerrats am 14.6.1984 Enthält einen ausführlichen Bericht zum Besuch Kim Il Sungs in der DDR

Protokoll der 28. Sitzung des Ministerrats am 15.12.1977 Enthält einen Bericht zum Besuch der Delegation um Honecker in der KDVR 1977 u.a. mit dem Wortlaut eines Kooperationsvertrages zwischen der DDR und der KDVR.

Aber ich denke mal da gibt es noch ein paar weitere spannende Dokumente, die ich hier nicht verlinkt habe. Ich habe erstmal ganz oberflächlich gesucht. Wenn euch gute Suchwörter einfallen oder ihr euch für ganz andere Teile der DDR-Geschichte interessiert, dann könnt ihr hier stöbern. Dabei am besten das Häkchen „nur Material mit Digitalisaten“ setzen, sonst kriegt ihr viele Ergebnisse von nicht digitalisierten Fundstellen. Das ist relativ frustrierend. Ganz witzig an OT Sachen fand ich zum Beispiel die Akte „Rockkonzerte„.

Naja, ich hoffe ich habe eure Neugier geweckt und ihr schaut mal selber ein bisschen was die DDR Bonzen so zu Nordkorea verzapft haben.

Natürlich werde ich diese Fundstelle der Seite „Aus den Archiven: Quellensammlungen und Originaldokumente“ hinzufügen.

„Eine Reise nach Nordkorea ist wie eine Zeitreise“ — Christoph und Ronny von Nordkorea-Reise.de stellen sich vor


Über Tourismus in Nordkorea schreibe ich relativ selten, obwohl ich weiß, dass das Thema viele von euch interessiert. Das hat einerseits damit zu tun, dass ich selbst noch nie dort war und damit vermutlich ein bedeutender Teil der Leser auf mehr eigene Erfahrungen zurückgreifen können als ich, zum anderen hängt es aber auch damit zusammen, dass ich das Gefühl habe, dass es selten was neues zu dem Thema gibt. Wer mal ein paar Reiseberichte aus Nordkorea gelesen hat (hier habe ich ein paar davon  verlinkt), dem wird aufgefallen sein, dass das mit der Zeit ziemlich redundant wird. Und immer nur das Selbe, das finde ich langweilig und dafür ist mir auch meine Zeit zu schade.
Seltener liest man aber etwas aus Sicht derjenigen, die den Tourismus nach Nordkorea ein Stück weit zur Geschäftsgrundlage haben, also von Nordkorea-Reiseanbietern. Deshalb bin ich froh, dass ich Christoph, mit dem ich schon eine Zeit lang bekannt bin und seine Kollegen dafür gewinnen konnte, aus ihrer Sicht als junge Nordkorea-Reiseanbieter zu berichten und zu verschiedenen Aspekten dieses Geschäfts, sowohl was den eigenen Weg zu diesem Geschäftsbild, als auch was eher grundsätzliche Fragen des Reisens nach Nordkorea und den Umgang mit den Partnern dort angeht. Also Bühne frei für Nordkorea-Reise.de:

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wie einige von Euch sicherlich schon festgestellt haben, existiert seit einigen Monaten ein neuer Reiseanbieter zu Nordkorea auf dem deutschen Markt. Wir, André, Ronny und Christoph sind Nordkorea-Reise.de (für den deutschsprachigen Markt) bzw. Pyongyang-Travel.com (für den internationalen Markt). Wir freuen uns über die Möglichkeit, Euch an dieser Stelle einige unserer Erfahrungen zu Nordkorea im Bereich Tourismus mitteilen zu können und uns bei der Gelegenheit nebenbei auch etwas bekannter zu machen.

Nordkorea ist voller Fragezeichen. Generell ist der Allgemeinheit ja wenig bekannt über das Land, abseits von medial hochgespielten Drohgebärden sowie den üblichen Nachrichten über Hunger und die Menschenrechtslage. Besucht man Nordkorea einmal als Tourist, kehrt man ziemlich sicher mit noch mehr Fragezeichen im Gepäck zurück.

Daher haben wir uns entschlossen, an dieser Stelle ein kleines Selbstinterview zu führen, in welchem wir uns mit den häufigsten Fragen zu unserer Tätigkeit auseinandersetzen und Euch hoffentlich ein paar interessante Einblicke in die Tätigkeit einer sich auf Nordkorea spezialisierenden Reiseagentur geben können.

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wie kommt man überhaupt auf die Idee, Reisen nach Nordkorea anzubieten?

Ronny:  Wir lernten uns ursprünglich über unterschiedliche Freunde kennen. Unsere Verbindung war, dass wir zunächst aus Interesse für das große Unbekannte unabhängig voneinander Nordkorea besucht haben. Bei einer kleinen Feier tauschten wir uns über unsere Reise-Erfahrungen aus. Wir teilen ein hohes Interesse an Nordkorea, an den aktuellen und vergangenen Ereignissen, den Chancen für die Zukunft und den Analogien der deutschen und koreanischen Teilung. Wir sind, denke ich, mit einigem Fachwissen und der nötigen Expertise über das Land ausgestattet. Christoph als Politikwissenschaftler hat sich bereits während seines Studiums mit Nordkorea beschäftigt, ich als angehender Historiker auch. André ist ein belesener Nordkorea-Experte.

Christoph: Eigentlich hatten wir, zumindest ich, am Anfang nicht gleich vor eine Reiseagentur aufzumachen. Mein erster Besuch in Nordkorea sollte ein einmaliges Wagnis werden. Letztendlich war dieses Erlebnis so prägend für mich als politikinteressierten Menschen, dass ich ein zweites Mal fuhr. Zwischendurch verschlang ich unzählige Bücher über Nord- und Südkorea, den Krieg, die Teilung, etc. Und dann überlegt man sich, wie es wäre hier in Berlin eine kleine Reiseagentur aufzumachen, um aus seinem Hobby auch etwas Zählbares zu machen und die Zeit und Energie, die man in sein Hobby investiert, auch positiv zu nutzen. Alleine wäre das wohl nichts für mich gewesen, doch zu dritt verfügen wir auch über die nötige Ausstattung und Kapazität, solch ein Projekt erfolgreich zu führen.

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Was ist denn für Euch so faszinierend an dem Land?

Christoph:  Viele Leute rieten mir von meiner ersten Reise ab, ich würde dort nur Leid sehen, das Land sei unberechenbar, unsicher, etc. Im Nachhinein kann ich sagen, dass die Reise extrem faszinierend war, das Land ist so dermaßen anderes als alles andere. Eine Reise nach Nordkorea ist wie eine Zeitreise. Was unsere Generation größtenteils nur aus Geschichtsbüchern kennt, existiert dort seit über 60 Jahren, extrem abgeschottet von der Außenwelt. Uns als Tourist ist man dort sehr sicher, die Reisen sind extrem gut geplant, die Reiseleiter sehr professionell und nett.

Ronny: Das ganze Land ist ein Mysterium. Ich bin ein Mensch, der erlebt lieber einmal einen außergewöhnlichen Urlaub wie in Nordkorea als zehn Mal Mallorca oder Ibiza. Zudem gibt es so viele Parallelen und Unterschiede zur deutschen Teilung. Das ist schon sehr interessant.

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Ist es ethisch vertretbar, nach Nordkorea zu reisen?

Christoph: Die Frage ist berechtigt. Natürlich gibt es den Vorwurf, dass das durch den Tourismus erwirtschaftete Geld direkt der Regierung zugehen würde und Touristen im Land für Propagandazwecke genutzt würden.  Mit diesem Vorwurf müssen sich alle Reiseagenturen, die Nordkoreareisen im Angebot haben, auseinandersetzen. Reisen zu organisieren ist zudem etwas anderes als selbst einmal als Tourist dort hinfahren. Insofern fühlen wir schon eine Verpflichtung, uns mit solchen Vorwürfen auseinandersetzen.

Um aber gleich beim Argument der Devisen bzw. des Geldes zu bleiben: Es ist nicht so, dass alles an die Regierung geht. In der beschaulichen Tourismusindustrie Nordkoreas sind in den letzten Jahren viele kleine Jobs entstanden, etwa für Hotelbedienstete, Restaurantangestellte, Reiseleiter, etc. Ein nicht unerheblicher Teil des Geldes geht auch an diese Leute und trägt dazu bei, dass ihr Lebensstandard und der ihrer Familien auf ein besseres Niveau gehoben wird. Für die Devisen, die im touristischen Bereich verdient werden, können sich beispielsweise Hotelangestellte auf den inzwischen existenten Märkten Waren kaufen, die nicht nur ihnen, sondern auch ihren Familien zu Gute kommen. Um nun dem Propaganda-Argument bzw. dem Vorwurf, Touristen würden sich instrumentalisieren lassen etwas entgegenzusetzen: Touristen fordern die offizielle Linie mindestens auch genauso heraus. Denn je mehr Touristen einreisen, desto mehr sehen doch die Leute im Land auch, dass die eben keine Monster sind, die ihnen böses wollen. Ich finde einige der Vorwürfe gegenüber touristischen Reisen nach Nordkorea auch schlicht unfair. Niemand würde auf die Idee kommen, Entwicklungs- oder Nahrungsmittelhilfe zu verteufeln. Diese Hilfen stehen bekanntlich in Gefahr, ähnlich propagandistisch instrumentalisiert zu werden. Würde deswegen aber ernsthaft jemand behaupten wollen, Lebensmittelhilfen müssten gestoppt werden? Touristen können weder etwas für die Menschenrechts- und Versorgungslage, noch für die atomare Aufrüstung des Landes. Wer sowas behauptet überschätzt die Bedeutung des Tourismus maßlos.

Ronny: Diejenigen, die den Tourismus nach Nordkorea kritisieren, müssen sich meiner Meinung nach die Gegenfrage gefallen lassen, was denn dagegen über 60 Jahre Isolation dem Land gebracht haben? Hermetisch abgeriegelt von jeglichen Informationen über die Außenwelt war das Land doch schon immer. In letzter Zeit kommt auch Dank der steigenden Touristenzahl mehr Kontakt und Austausch zustande. Ich kann darin nichts Negatives erkennen. Es ist nicht so, dass man bei einer intensiven Auseinandersetzung mit diesem Thema zu einem absolut einseitigen Ergebnis kommen kann. Es existieren Vor- und Nachteile wie bei allem im Leben. Unserer Meinung nach überwiegen die Nachteile nicht. Und deshalb haben wir auch überhaupt kein ethisches Problem damit, den Tourismus nach Nordkorea zu fördern. Wir sehen auf unseren Reisen, wer alles vom Tourismus direkt oder indirekt profitiert. Das sind vor allem die Reiseleiter und ihre Familienangehörigen sowie alle, die in dem Bereich arbeiten. Darüber hinaus sind wir ein marktwirtschaftliches Unternehmen. Wir wollen natürlich auch Geld verdienen für unsere Arbeit. Ja, die ethische Vertretbarkeit ist uns auch wichtig, aber nur weil es 1-2 Argumente gegen das Reisen in das Land gibt, erheben wir uns nicht in die Position absoluter moralischer Urteilsfähigkeit.

Bergsee (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bergsee (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wie regierte die Umwelt auf Eure Pläne?

Ronny:  Es gibt natürlich einige, die unsere Pläne für Quatsch halten und uns für Regimeunterstützer halten. Aber dazu haben wir uns ja gerade geäußert.

Christoph: Der Großteil der Leute ist eher besorgt und fragt sich, ob das sicher ist, Reisen nach Nordkorea zu machen. Wenn dann so etwas wie der Fall Newman kürzlich hinzu kommt, nehmen einige so ein Ereignis als Anlass, nochmal ihre Bedenken kundzutun. Aber wenn man dann sich mit dem Fall beschäftigt, so merkt man schnell, dass Newman eben kein normaler Tourist war. Wieder andere sind extrem fasziniert, dass wir so ein Reise-Projekt tatsächlich aufgezogen haben, denn das macht ja nun wirklich nicht jeder.

Ronny: Um nochmal auf Newman zu kommen. Wir informieren unsere Reiseteilnehmer natürlich vorab ausführlich über die Verhaltensregeln im Land. Um dort festgenommen zu werden gehört schon einiges dazu. Wenn man die wenigen Regeln, die es gibt, befolgt und nicht mutwillig bricht, hat man überhaupt keine Probleme.

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)


Wie läuft die Zusammenarbeit mit den nordkoreanischen Partnern?

Christoph: Bislang gut. Man hat auch immer ein offenes Ohr für unsere Pläne und Ideen. Wir haben natürlich viele Innovationen im Hinterkopf, über die man uns aber ganz klar gesagt hat, dass einige noch nicht durchführbar sind in Nordkorea. Ich habe aber das nicht unbegründete Gefühl, dass vieles in den nächsten Jahren machbar wird. Ein gutes Beispiel ist unsere Nahverkehrsreise. Bisher durften ausländische Touristengruppen lediglich 4-5 Stationen der Pyongyang Metro besichtigen. Nachdem wir unseren Kontakten von KITC (des staatliches nordkoreanischen Reiseveranstalters) aber erklärt haben, dass die Besichtigung der gesamten Metro eine Marktlücke ist, haben wir sehr schnell grünes Licht bekommen.

Ronny: Die Reise ist vor allem interessant für Fans des Berliner Nahverkehrs. Denn in Pjöngjang fahren alte Berliner U-Bahnen. Außerdem stehen Fahrten mit anderen nordkoreanischen Nahverkehrsmitteln auf dem Programm, die ebenfalls erst seit kurzer Zeit möglich sind. Wir denken, dass unsere Partner von KITC auch ganz genau wissen, was Reisende an Nordkorea so fasziniert. Natürlich sind die Kontakte aber auf die geschäftliche Ebene beschränkt.

Im letzten Sommer, kurz nach unserer Gründung, hat man uns sogar zu den Feierlichkeiten des 60. Geburtstags von KITC nach Pjöngjang eingeladen. Bei der Gelegenheit konnten wir auch das sich im Bau befindende Masik Ski Resort besichtigen. Auch an einer Konferenz zur Entwicklung des Tourismus nahmen wir Teil. Dort wurden große Pläne verkündet, die wirklich darauf schließen lassen, dass sich das Land noch mehr gegenüber westlichen Touristen öffnen will. Allerdings bleibt natürlich auch abzuwarten, wie viele der angekündigten Neuerungen wirklich umgesetzt werden. Beispielsweise soll in der Nähe von Wonsan ein neuer internationaler Flughafen gebaut werden.

In Nordkorea erfuhren wir die beste Betreuung, die Arbeit mit KITC gestaltete sich als fruchtbar, und uns wurde nahezu alles ermöglicht was wir sehen und tun wollten. So wurde uns immer wieder gesagt, wie sehr sich KITC freut, dass wir Reisen nach Nordkorea anbieten. Uns wurden darüber hinaus Naturschätze gezeigt, welche vorher nicht von Ausländern besucht werden durften. Wir wurden immer wieder darauf hingewiesen, unseren Touristen unbedingt von diesen Plätzen zu berichten und für Reisen zu werben. Vielen ist gar nicht bekannt, dass Nordkorea ein landschaftlich sehr schönes Land ist. Sei es der Kratersee auf dem Berg Paektu, die Gegend um Myohyangsan oder Kumgangsan.

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Kennt man sich untereinander in der überschaubaren Community der Nordkorea-Reiseagenturen?

Christoph:  Man kennt ein paar der oft gesehenen Leute, wechselt hin und wieder ein Wort miteinander.

Ronny:  Man weiß natürlich voneinander und hat auch ein relativ offenes Verhältnis zueinander. Über neue Reiseideen redet man natürlich nicht mit der Konkurrenz. Es ist glücklicherweise nicht so, dass man dort nach Ellenbogenmentalität agiert, obwohl der Markt in letzter Zeit sehr gewachsen ist und viele neue Anbieter hinzugekommen sind.

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wie schwierig ist es ein Touristenvisum für Nordkorea zu bekommen?

Christoph: In der Regel ist dies vergleichsweise einfach. Jeder, der mal ein Visum für Russland beantragt hat, weiß was für ein bürokratischer Aufwand das ist. Für das Nordkorea-Visum dagegen benötigt man nicht viel mehr als zwei Passbilder, seinen Reisepass, sowie die wahrheitsgemäße Angabe zum Arbeitgeber (bzw. Universität oder zum früheren Arbeitgeber). Nordkorea möchte bekanntlich keine Journalisten auf touristischen Reisen ins Land lassen. Vor Buchung müssen wir daher eine entsprechende Erklärung verlangen, dass alle gemachten Angaben wahrheitsgemäß sind, und dass die reisende Person nicht als Journalist arbeitet. Denn für den Fall, dass wir unwissentlich Journalisten auf unseren Reisen mitnehmen, drohen uns als Reiseagentur Strafen von nordkoreanischer Seite, so dass wir beispielsweise für zukünftige Reisen gesperrt würden. Uns bleibt also keine Wahl, uns auch rechtlich per Unterschrift der Reisenden gegen falsche Angaben abzusichern, so dass wir etwaige Ausfälle dann auch von den Verursachern zurückverlangen können. Hoffentlich wird es nie soweit kommen. Anderen Reiseagenturen ist es schon passiert. Welche Konsequenzen das für die im Detail hatte, wissen wir allerdings nicht.

Ronny: Natürlich werden die Antragsdaten eines jeden Reisenden vorab von der Botschaft geprüft. Wer Journalist ist, kann uns natürlich um die Herstellung des Kontaktes zur Botschaft fragen. Dort können Journalisten dann auch beantragen, dass sie Nordkorea besichtigen wollen. Allerdings wird solchen Anträgen selten stattgegeben. Alle anderen Berufsgruppen und Nationalitäten sind auf unseren Reisen willkommen, mit Ausnahme von Südkoreanern. Der Grund hierfür liegt aber nicht in den Einreisebestimmungen Nordkoreas, sondern in den Gesetzen Südkoreas, die einen nicht autorisierten Besuch des Nordens unter Strafe stellen.

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)


Wohin wird sich der Tourismus in Nordkorea in den nächsten Jahren entwickeln?

Ronny:  Die Besucherzahlen sind in den letzten Jahren für nordkoreanische Verhältnisse sehr stark gestiegen. Je mehr das Land in den Medien ist, desto attraktiver wird es letztendlich auch für Touristen. Wir gehen aber davon aus, dass der Markt in den nächsten Jahren noch weiter wachsen wird.

Christoph:  Man muss sich nur einmal anschauen, welche touristischen Projekte in Nordkorea alles geplant sind. Beispielsweise das Masik Ski Resort und der Ausbau des Flughafens von Wonsan, um die größten und bekanntesten zu nennen. Es wird also viel investiert in touristische Infrastruktur. Die Touristenzahlen werden somit wahrscheinlich auch weiterhin steigen. Tourismus in Nordkorea wird zudem dezentraler werden. Früher war alles hauptsächlich auf die Hauptstadt Pjöngjang konzentriert und lediglich Besuche etwa nach wie z.B. Myohyangsan, Peaktusan oder nach Panmunjom waren Standard. Inzwischen sind immer mehr Gegenden Nordkoreas für Touristen zugänglich. Wir gehen davon aus, dass Restriktionen für Touristen weiterhin in kleinen und behutsamen Schritten gelockert werden. Man wird mehr sehen und neue Orte besuchen können. Dass man Nordkorea eines Tages ohne Guides auf eigene Faust erkunden kann, wird allerdings auf absehbare Zeit Wunschdenken bleiben.

 

Wenn ihr mehr zum Angebot von Nordkorea-Reise.de erfahren wollt, dann schaut euch doch einfach mal ihre Homepage an oder besucht ihren Facebook-Auftritt

Wahlspecial: Die Positionen der deutschen Parteien zur Nordkoreapolitik der BRD


Ich muss ja ganz ehrlich zugeben, als politischer Mensch hat mich das Wahlkampffieber ein bisschen gepackt. Ich habe mir für diese Woche nicht viel mehr vorgenommen, als Leute zu motivieren zu wählen, im Idealfall auch noch die „richtige“ Partei (aber dafür ist hier nicht der Platz). Daher freut es mich, dass ich zwei meiner Interessen, nämlich den Wahlkampf und das Blog zusammenbringe und ein kleines Wahlspecial zu den Bundestagswahlen schreiben kann. Und natürlich, wie könnte es anders sein, geht es um die Positionen der Bundestagsparteien zu Nordkorea, bzw. der Nordkoreapolitik der BRD. Etwas Ähnliches habe ich auch schon vor vier Jahren gemacht, bin dieses Mal aber aufgrund von gewachsener Erfahrung etwas besser vorbereitet und freue mich daher euch Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Parteien präsentieren zu können. Ich gehe nicht davon aus, dass auch nur ein Einziger von euch seine Wahlentscheidung von dem abhängig machen wird, was er hier liest, aber interessant zu wissen ist es ja trotzdem. Und wenn wir eine neue Regierung bekommen sollten wisst ihr ja vielleicht als erste, in welchen Akzenten sich die Koreapolitik der BRD verschieben könnte.

Methodik

Wie ich ja eben bereits angedeutet habe, hatte ich dieses Jahr etwas mehr Zeit mich auf diesen Beitrag vorzubereiten und habe diese Zeit genutzt einige Schwächen in meinem Vorgehen vor vier Jahren ein bisschen auszubügeln. Damals habe ich einfach das Netz nach Aussagen von Parteipolitikern zu Nordkorea gesucht und diese dann gegenübergestellt. Das hatte meiner Meinung nach vor allem den Pferdefuß, dass die Antworten ja nicht wirklich vergleichbar waren, weil sie von Leuten in unterschiedlichen Positionen und vor verschiedenen politischen Kontexten getroffen wurden. Deshalb habe ich mich bemüht, dieses Mal etwas mehr Vergleichbarkeit herzustellen, indem ich Politiker in gleichen Positionen zum gleichen Zeitpunkt direkt befragt habe. Das Netz bietet dafür mit der Seite Abgeordnetenwatch eine prima Plattform. Ich habe den Politikern gleicher Funktion immer den gleichen Fragekatalog übermittelt und sie darauf aufmerksam gemacht, dass ich auch ihre Kollegen von den anderen Parteien dazu befragen würde. Insgesamt habe ich so elf Abgeordnete aller Parteien befragt. Als geeignete Kandidaten habe ich mir dabei die außenpolitischen Sprecher der Fraktionen sowie die Mitglieder der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Bundestages ausgesucht. Darüber hinaus habe ich noch zwei Politiker, die ein besonderes Interesse an Nordkorea gezeigt haben, dazugenommen. Von Acht der Abgeordneten gab es Antworten, vier haben bis jetzt nichts geschrieben und da meine Anfrage fast zwei Monate her ist, rechne ich auch nicht mehr damit. Neben dieser Quelle werde ich mich noch auf die zu Protokoll gegebenen Redebeiträge zu einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP mit dem Namen „Die deutsch-koreanischen Beziehungen dynamisch fortentwickeln“ beziehen, weil ich ansonsten zu einer Partei nichts hätte schreiben können und weil der im Juni 2013 ohne Gegenstimme angenommene Antrag anlässlich des 130ten Jahrestages der deutsch-koreanischen Beziehungen das wohl wichtigste aktuelle „strategische“ Dokument zu diesen Beziehungen darstellt.

Die Schnittmenge: Interfraktioneller Antrag „Die deutsch-koreanischen Beziehungen dynamisch fortentwickeln“

Und weil man in diesem gemeinsam beschlossenen Antrag auch ganz gut die Schnittmenge aller Parteien erkennt, will ich damit anfangen. Dazu will ich kurz die bezeichnendsten Punkt hinsichtlich der deutsch-nordkoreanische Beziehungen, bzw. der Rolle der BRD als „wiedervereinigungserfahrener Staat“ darstellen:

„Die Bundesrepublik Deutschland hat viel Verständnis für die Situation im geteilten Korea und für den Wunsch der Republik Korea, auf eine Überwindung der Teilung hinzuwirken und dabei die Erfahrungen des wiedervereinten Deutschlands zu nutzen.“ Daher wurde ein Expertengremium zum Austausch von Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen installiert. Deutschland gewährt Südkorea darüber hinaus in diesem Rahmen auf Wunsch Zugang zu staatlichen Unterlagen und weiteren politischen Dokumenten dieser Zeit.

Das Dokument beschreibt die Situation auf der Koreanischen Halbinsel als „anhaltende Eskalationsspirale“ die eine „eine Gefahr für den Frieden in Nordostasien“ darstelle. Darauf reagiert der Antrag mit folgender Forderung: „Das dringendste Ziel aller Bemühungen muss die Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche mit dem Ziel sein, Nordkorea zur Abkehr seiner Nuklearambitionen zu bewegen. Eine schrittweise Denuklearisierung Nordkoreas und eine Rückkehr zu einer Annäherungspolitik sind Voraussetzung für eine Lockerung bestehender Sanktionen.“

Zur Menschenrechtssituation wird nur festgestellt dass sie „sehr besorgniserregend“ bleibt.

Als Konsequenz aus all dem fordert der Bundestag die Bundesregierung u.a. auf:

die politische Annäherung zwischen der Republik Korea und der Demokratischen Volksrepublik Korea mit dem Ziel einer Wiedervereinigung nach Kräften zu unterstützen und sich für eine demokratische Entwicklung im nördlichen Teilstaat einzusetzen;

sich für eine Wiederaufnahme des multilateralen Forums der Sechs-Parteien-Gespräche, mit Beteiligung der beiden koreanischen Staaten, der Volksrepublik China, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Russischen Föderation und Japan, einzusetzen;

die Regierung der Republik Korea darin zu unterstützen, durch Dialog und humanitäre Gesten die Entspannung auf der koreanischen Halbinsel auf der Grundlage klarer politischer Vorgaben und Überzeugungen zu fördern. Der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Korea müssen völkerrechtliche und politische Grenzen ihrer Aktionen deutlich bleiben. Die Bundesregierung trägt zu dieser Entspannung durch diplomatischen Dialog sowie durch die Ermutigung der Tätigkeit deutscher politischer Stiftungen, des Goethe-Instituts und des DAAD bei. Sie begrüßt weiter humanitäre Aktionen der Kirchen und der Deutschen Welthungerhilfe e. V. Die Volksrepublik China soll zu weiterer politischer Unterstützung einer Entspannungspolitik auf der koreanischen Halbinsel ermutigt werden;

Wirklich überraschendes ist hier nicht dabei. Annäherung und Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche sollen zwar gefördert werden, aber da nirgends wirklich steht wie, sind das relativ leere Formeln. Auch die „Unterstützung“ der Regierung der Republik Korea bei Dialog und anderen Aussöhnungsgesten ist inhaltlich nicht viel Wert, denn ob dann konkret darauf gedrungen wird, dass sich auch Südkorea müht oder ob man offensichtlich böswillige Politik wie die die Lee Myung-bak zum Teil betrieb gutheißt, das bleibt eben Auslegungssache. Gut finde ich dagegen, dass die Arbeit der politischen Stiftungen, des Goethe-Instituts und von DAAD explizit als Beitrag der BRD genannt wird und dass auch das Engagement der Kirchen und er Welthungerhilfe gewürdigt wird. Dass China „ermutigt“ werden soll, sich weiter für Entspannung einzusetzen ist dagegen vernachlässigenswert. Ich glaube die Regierung versucht China auch zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards „zu ermutigen“…

Schade finde ich dagegen, dass für Kultur- und Jugendaustausch nur die Regierung der Republik Korea als Ansprechpartner gesehen wird. Gerade hier hätte die BRD Möglichkeiten, Türen nach Nordkorea zu öffnen, was ja die Arbeit der Stiftungen und von DAAD und Goethe-Institut eindrucksvoll belegt. Vielleicht hätte man hier zumindest von Regierungsseite nach Optionen für einen stärkeren Austausch suchen können.

Trotz der Kritik ist es nicht schlecht, wenn einige Punkte der deutschen Koreapolitik vom Bundestag als Auftrag an die Regierung festgeschrieben wurden und damit zumindest eine gemeinsame Basis besteht, unabhängig davon, wer in Berlin regiert. Nichtsdestotrotz lassen die Leerstellen und Schwammigkeiten natürlich viel Raum für Auslegung und Interpretationen. Und diese Räume, bzw. die Prioritäten, die von den Parteien gesetzt werden möchte ich in der Folge mit einem Blick auf die Positionen der verschiedenen Politiker etwas ausloten.

Drucksache 17/14110: Die deutsch-koreanischen Beziehungen dynamisch fortentwickeln

CSU

Interessanterweise spielt die CSU in der deutschen Nordkoreapolitik eine hervorgehobene Rolle (ich weiß nicht, ob das wirklich was besonderes ist, aber irgendwie hab ich Schwierigkeiten das in meinem CSU-Bild unterzubringen…). Das ist wohl vor allem dem besonderen Engagement von Hartmut Koschyk geschuldet, der in dieser Legislaturperiode zwar aufgrund seiner Tätigkeit als parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium zwar nicht so viel parlamentarische Arbeit mit Blick auf Nordkorea treiben konnte, der aber von seinem Parteikollegen Stefan Müller vermutlich „vertreten“ wurde, denn Müller übernahm die Leitung der deutsch-koreanische Parlamentariergruppe, ohne dass ich Belege für ein besonderes Interesse seinerseits an der Koreanischen Halbinsel gefunden hätte. Beide Politiker haben mir ausführlich auf meine Anfrage geantwortet. Sie sehen in der humanitären Unterstützung der nordkoreanischen Bevölkerung, wobei natürlich darauf geachtet werden müsse, dass die Hilfen so gewährt würden, dass sie möglichst nicht zweckentfremdet werden könnte, einen zentralen Aspekt deutscher Politik gegenüber Nordkorea.
Was die eher strategisch außenpolitische Ausrichtung angeht, stehen sie für eine Fortsetzung der bisherigen Politik gegenüber der Koreanischen Halbinsel, die Koschyk als doppelte Strategie im Sinne einer „Vertiefung ihrer bilateralen Beziehungen mit Südkorea unter der Führung der neu gewählten Staatspräsidentin Pak Guen Hye und zum anderen eine entschlossene Haltung gegenüber dem nordkoreanischen Regime unter dem neuen Machthaben Kin Jong Un“ beschreibt. Weiterhin spielt laut Koschyk auch die EU eine wichtige Rolle im deutschen Umgang mit Nordkorea. Hier verweist er meiner Meinung nach auf einen sehr schwierigen Aspekt: „Weitere Kooperation ist gekoppelt an eine Abkehr der bisherigen nordkoreanischen Politik der Konfrontation. Dies gilt sowohl für eine Vertiefung der wirtschaftlichen oder politischen Beziehungen, als auch für humanitäre Hilfeleistungen.“ Fragen der humanitären Hilfen sollen und dürfen nicht gekoppelt werden an poltische Fragen, sondern an die Not der betroffenen Menschen. Koschyk verweist auf eine langfristige Rolle Deutschlands bei der Unterstützung der Sechs-Parteien-Gespräche und darüber hinaus auf die Möglichkeit eines Prozesses ähnlich dem der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, für den es in der Region durchaus Interesse gäbe. Das finde ich einen guten Ansatz, für den es in Präsidentin Park Geun-hye eine Partnerin gäbe, der ähnliches vorschwebt. Interessant fand ich, dass Herr Müller durchaus folgenden Sachverhalt beschreibt: „Die Bundesrepublik Deutschland hat es — im Vergleich zu anderen Ländern — noch relativ leicht, Zugang zu Nordkorea zu finden. Ein Grund hierfür ist, dass die ehemalige DDR bereits diplomatische Beziehungen zu Nordkorea unterhalten hat. Ein anderer Grund ist, dass Deutschland keine unmittelbaren Interessen in der Region verfolgt und daher weniger misstrauisch betrachtet wird.“ Allerdings fehlt bei beiden Vertretern der CSU eine Idee, wie man diesen verhältnismäßig leichten Zugang und die Tatsache, dass Deutschland keine unmittelbaren Interessen verfolgt, in Politik übersetzen kann.
Beide nennen als Ziel er Entwicklung auf der Koreanischen Halbinsel die Wiedervereinigung Koreas.

Antwort von Stefan Müller bei Abgeordnetenwatch auf meinen Fragekatalog.

Antwort von Hartmut Koschyk bei Abgeordnetenwatch auf meinen Fragekatalog.

FDP

Für die FDP antworteten als außenpolitischer Sprecher Rainer Stinner und als Mitglied der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe Bijan Djir-Sarai. Beide sehen die deutsche Politik gegenüber Nordkorea als gut an, auch wenn aus den Aussagen Herrn Stinners eine gewisse Hilflosigkeit zu ersehen ist, was eine mögliche Beeinflussung der nordkoreanischen Politik angeht, denn das quasi singuläre Interesse des Regimes sowie der geringe Austausch mit der Außenwelt führten „dazu, dass die internationale Gemeinschaft faktisch keinen Hebel in der Hand hat, um auf die nordkoreanische Führung effektiv einzuwirken.“ Als zentrales Ziel wird daher formuliert „Nordkorea von seinem Weg der aggressiven Außenpolitik inklusive Drohungen und Atomtests abzubringen und das Land zurück zum internationalen Verhandlungstisch zu führen.“ Stinner nennt als weitere Maßnahmen den Einsatz von Stiftungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, was zu Austausch führe. Maßnahmen und Initiativen, die über das, was ohnehin stattfindet hinausgehen, nennen beide nicht.

Antwort von Bijan Djir-Sarai bei Abgeordnetenwatch auf meinen Fragekatalog.

Antwort von Rainer Stinner bei Abgeordnetenwatch auf meinen Fragekatalog.

CDU

Mit der CDU hatte ich es, was den außenpolitischen Sprecher angeht ein bisschen schwer. Herr Mißfelder mochte mir nicht bei Abgeordnetenwatch antworten, sondern bat dort um eine E-Mail. Diese leitete das Büro des außenpolitischen Sprechers dann aus „Zuständigkeitsgründen“ weiter an die AG Auswärtiges der CDU Bundestagsfraktion (er kann gut sprechen aber scheinbar nicht so gut Außenpolitik, dass war auch meine Wahrnehmung dieser Fehlbesetzung (ansonsten werde ich mir Wertungen sparen, aber in diesem Fall ist das einfach sowas von eklatant)). Die Antwort von dort war dann der Hinweis auf den oben beschriebenen Antrag des Bundestags mit der Anmerkung, Herr Mißfelder teile die dort dargelegten Auffassungen (was ich auch nicht anders erwartet hätte, wo er doch für den Antrag gestimmt hat). Kurz könnte man also annehmen, in der CDU gäbe es sowas wie eine eigene Position hinsichtlich Nordkorea nicht.
Allerdings hellt sich dieses Bild durch Jürgen Klimke etwas auf, der in der vergangenen Legislaturperiode zweimal in Nordkorea war. Er sieht es als eine der größten Aufgaben der BRD, auch in der Rolle eines Vermittlers den Dialog mit Nordkorea aufrechtzuerhalten und gegenüber Pjöngjang die Position der BRD und der EU unter anderem hinsichtlich der Menschenrechte (erstaunlicherweise haben die vorher erwähnten Volksvertreter dieses Wort in ihren Antworten nicht genannt, bzw. nur als Position der EU): „Deutschland ist als Vermittler sowohl in Süd-, wie auch in Nordkorea anerkannt und erfüllt die diese Rolle kontinuierlich.“ Weiterhin wolle man seine Expertise in Fragen einer möglichen Wiedervereinigung weiterhin beiden Seiten (beide Koreas seien hieran interessiert) weitergeben und konkrete Projekte der Annäherung zwischen den Koreas beispielsweise im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich fördern.

Antwort von Jürgen Klimke bei Abgeordnetenwatch auf meinen Fragekatalog.

SPD

Für die SPD antwortete Rolf Mützenich als außenpolitischer Sprecher, Johannes Pflug als Mitglied der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe antwortete leider nicht, obwohl er bisher immer recht engagiert hinsichtlich der Nordkoreapolitik der BRD aufgetreten war. Aber vielleicht hatte er einfach keine Lust zu antworten, weil er eh nicht für den kommenden Bundestag kandidiert… Allerdings gibt es von ihm zumindest die Rede anlässlich des oben beschriebenen Antrags. Mützenich sieht Nordkorea auch in Zukunft als potentielles Sicherheitsrisiko, nicht nur für die Region, sondern durch Proliferation auch darüber hinaus. Neben dem Verweis auf den gemeinsamen Antrag der Bundestagsfraktionen und der Forderung, Nordkorea von weiteren Provokationen abzuhalten, sieht es Mützenich auch als Aufgabe an, den nordkoreanischen Menschenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten. Mögliche Wege, zu einer Besserung der Situation beizutragen, sieht er darin, stärker mit den multilateralen Organisationen der Region zusammenzuarbeiten und die europäischen Atommächte zu einer geänderten Haltung hinsichtlich nuklearer Rüstung zu bewegen, um so ein Vorbild zu bieten und die globale Sicherheitsarchitektur zu ändern.
Pflugs Äußerungen deuten in eine ganz ähnliche Richtung. Er fordert im Umgang mit Nordkorea auch dessen Sicherheitsinteressen ernst zu nehmen und in einem Dialogprozess zu verdeutlichen, dass es aus internationaler Kooperation mehr zu gewinnen gäbe als durch die Fortsetzung der Konfliktsituation.

Antwort von Rolf Mützenich bei Abgeordnetenwatch auf meinen Fragekatalog.

Plenarprotokoll 17/250 (S. 318f)

Die Linke

Für die Linke antwortete Thomas Lutze als Mitglied der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe, von Wolfgang Gehrcke-Reymann, dem außenpolitischen Sprecher erhielt ich leider keine Antwort. Herr Lutze sieht für ein stärkeres Engagement der BRD gegenüber Nordkorea ein großes Potential, das im hohen Ansehen Deutschlands in Nordkorea gründe. Daher konstatiert er: „Wenn eine Öffnung des Landes und eine Verbesserung der Menschenrechtssituation angestrebt werden, dann kann Deutschland aufgrund seines hohen Ansehens in Nordkorea einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten. Die Bundesregierung sollte ihr trotz aller Differenzen hohes Standing in Pjöngjang in diesem Sinne nutzen. Eine Veränderung lässt sich am ehestens durch eine Intensivierung des kulturellen Austausches und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit erreichen.“ Er plädiert also eindeutig für eine stärker kooperative Politik. Sein Parteikollege Stefan Liebich, der die Rede anlässlich der VErabschidung des oben beschriebenen Antrags zu Protokolll gab, merkt darüber hinaus kritisch an, dass es „keinerlei strategische Einbettung“ der deutschen Außenpolitik gegenüber den koreanischen Staaten gebe. Zumindest für den Fall Nordkorea finde ich diese Diagnose sehr treffend. Hier wäre eine echte Aufgabe für eine künftige Regierung.

Antwort von Thomas Lutze bei Abgeordnetenwatch auf meinen Fragekatalog.

Plenarprotokoll 17/250 (S. 319f)

Die Grünen

Seitens der Grünen erhielt ich weder von Bärbel Höhn, als außenpolitische Sprecherin, noch von Kerstin Müller als Mitglied der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe eine Antwort. Das ist schade, aber dann schreib ich eben weniger…
Bärbel Höhn gab allerdings ebenfalls eine Rede zu Protokoll, aus der sich einige Schwerpunkte identifizieren lassen. Einerseits sieht sei eine große Bedeutung in den menschlichen Kontakten zwischen Süd- und Nordkorea, die gefördert werden müssten, um die Gräben, die ungleich tiefer seien als sie das zwischen den deutschen Staaten je waren, zu überbrücken. Weiterhin solle Deutschland seine Bemühungen bei der Weitergabe der Erfahrungen aus der deutschen Wiedervereinigung weiter intensivieren.

Plenarprotokoll 17/250 (S. 320f)

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei eigentlich allen Parteivertretern eine gewisse Ratlosigkeit vorherrscht. Es gibt wenig neue Ideen, wie mit dem Problem Nordkorea umgegangen werden könnte, so dass der Impuls, sie einfach rauszuhalten und die (erfolglosen) Lösungsversuche (bisher erfolglosen) Foren zu überlassen, vorherrscht. Weiterhin delegiert man ein bisschen Verantwortung an die EU, so dass Deutschland im Endeffekt nur ein bisschen zivilgesellschaftlich Gesicht zeigen muss. Dabei fällt allerdings auf, dass Deutschland quer durch die Parteien durchaus ein gewisser Einfluss bzw. zumindest Zugang in Nordkorea zugestanden wird. Allerdings ziehen nur wenige Politiker die Konsequenz, diesen Einfluss bzw. Zugang auch geltend zu machen. Während die Vertreter der Regierungsparteien sagen, dass die aktuelle Politik gegenüber Nordkorea ausreichend und gut sei, kommen aus den Reihen der Opposition durchaus Verbesserungsvorschläge. So sollte der Erfahrungstransfer verstärkt werden, Deutschland sollte seinen Einfluss für einen besseren Dialog und eine Intensivierung des Austauschs mit Nordkorea nutzen, es sollte eine strategische Einbettung der Koreapolitik geben und zu guter Letzt sollte Deutschland über Umwege, zum Beispiel eine Veränderung der Position Frankreichs und Großbritanniens zur Nuklearen Rüstung und durch bessere Zusammenarbeit mit Regionalorganisationen Anreize für Nordkorea bieten, seine Rüstungsambitionen aufzugeben und seine Haltung zu ändern.

Das war’s von mir bis zum 22. September. Ich hoffe es hat euch gefallen und wünsche mir zum letzten Mal bis dahin von jedem von euch, dass ihr am Sonntag oder vorher, euer Kreuz bei einer demokratischen Partei macht.

Kim Jong Uns Porno-Ex und vietnamesische Wasserschweine — Ein gutes Ende für eine inhaltlose Story


Eigentlich hatte ich nicht vor, groß was zu der Kim Jong Un-lässt-seine-Ex-Freundin-wegen-Pornographie-hinrichten-Story zu schreiben. Allerdings wurde sowohl hier als auch auf Facebook danach gefragt bzw. darauf aufmerksam gemacht und daher werde ich doch noch schnell was dazu schreiben.

Warum ich zu solchen Storys ungern scheibe

Einleitend will ich erstmal kurz darlegen, weshalb ich das nicht zum Thema machen wollte (ihr hättet es euch vielleicht auch aus diesem Artikel herleiten können, in dem ich versucht habe Kriterien für meine Themenauswahl aufzustellen):

  1. Ich habe erst gerade Medienkritik geübt und dachte es wäre für mich und für euch ermüdend, alle paar Tage darauf hinzuweisen, dass viele Medien ihre Nordkorea-Berichterstattung nicht in erster Linie an journalistischen, sondern an reiner Sensationslust ausrichten.
  2. Ich habe eigentlich keine Ahnung, was ich dazu schreiben soll. Ich weiß nichts über die Person, die angeblich Kim Jong Uns Ex-Freundin gewesen sein soll, noch weiß ich was über die Pornographiegesetzgebung in Nordkorea und erst recht weiß ich nicht, was an der Geschichte dran ist. Wenn ihr euch also für die Geschichte interessiert, müsst ihr es bei denjenigen nachlesen, die sich entblödet haben das breitzumatschen.
  3. Geschichten die exklusiv von der Chosun Ilbo kommen, mache ich sehr ungern zum Anlass eines Artikels. Wenn ntv schreibt, die Meldung käme aus der größten Zeitung Südkoreas, der Chosun Ilbo, dann ist das wahr. Aber naja, „Größe“ ist bei Zeitungen nicht unbedingt eine geeignete Kategorie um Qualität zu messen, oder wisst ihr nicht, was die größte Zeitung Deutschlands ist… Und wirklich anders ist es in Südkorea leider auch nicht. Die Chosun Ilbo kommt zwar hin und wieder an spektakuläre und richtige Infos ran, aber nur zu dem Preis, dass sie einen unglaublichen Ausstoß an Enten, Halbwahrheiten und niemals bestätigter Gerüchte hat.
  4. Selbst wenn es wahr wäre: Wer braucht denn bitte noch einen Beleg dafür, dass das Regime in Pjöngjang absolut verwerflich und unmenschlich agiert? Ich jedenfalls nicht. Aber scheinbar brauchen einige Leute boulevardeske Unterfütterungen ihrer Abneigung. Es reicht nicht, wenn das Regime abstrakt unmenschlich handelt, sondern man muss für die Bösen (Kim Jong Un) und ihre mutmaßlichen  Opfer (die angebliche Ex-Freundin) Gesichter finden.
  5. Es gibt einen sehr guten Artikel von Patrick Zoll in der NZZ, in dem so ziemlich alles drinsteht, was ich auch schreiben hätte können. Gratulation an Herrn Zoll und die NZZ, schön zu sehen, wenn einige Medien mal kurz innehalten und reflektieren, wozu sie eigentlich da sind.

Ein Faktencheck

Die meisten Fragen, die man an die Geschichte stellen kann, sind damit eigentlich schon mit dem Gesagten beantwortet. Wenn man fragt, ob etwas an der Story dran sei, dann ist vielleicht ein Faktencheck nützlich, in dem man hinterfragt, was übrig bleibt, wenn man alles subtrahiert, das nicht zweifelsfrei bewiesen werden kann.
Soweit ich das überschaue, ist das zum Einen, dass Kim Jong  Un Diktator in Nordkorea ist und dass es zum Anderen eine Frau gibt, die mal im Unhasu-Orchester gesungen hat. Alles Weitere sind Aussagen, die irgendwelche ungenannten Quellen irgendwie geliefert haben und die die Autoren der Chosun Ilbo dann zu einer mehr oder weniger plausiblen Geschichte verknüpft haben.

Ich kann also nicht sagen: „Das ist nicht wahr!“ Aber genauso wenig kann ich sagen: „Ja stimmt, so war das!“ Wenn ich ganz ehrlich bin, dann halte ich diese Geschichte sogar für glaubwürdiger, als den Kram über Kim Jong Uns Schweizer Jugendzeit, denn hier gibt es weniger Ungereimtheiten und Fakten, die dagegen sprechen, aber auch das heißt nicht, dass ich die Story für glaubwürdig halte, ich weiß es einfach nicht.

Ein gelungenes Ende für einen Artikel ohne Gehalt

Und weil ich nicht gerne was schreibe, an dessen Ende steht: „Kann sein, dass Kim Jong Un eine Frau hat hinrichten lassen, die vielleicht mit Pornobibeln (oder wie die Geschichte auch immer genau ging) gehandelt hat und vielleicht auch mal seine Freundin war, ehe sie möglicherweise einen Militär geheiratet hat, weil Kim Jong Il die Verbindung eventuell nicht gutgeheißen hat“, schreibe ich einfach nicht gerne über solchen Boulevardmist.
Ich mache mir über diesen Beitrag keinerlei Illusionen: Wenn man zu etwas über das man nichts weiß schreibt, dass man dazu nichts zu sagen hat und dass einen das Thema nicht interessiert, dann kann das Ergebnis nicht wirklich gutes sein.
Ein gutes hat es allerdings, man kann den Mist mit irgendwelchem Quatsch enden lassen und richtet in der Gesamtkomposition keinen Schaden an.
Sowas wie: „Ließ sich Kim Jong Un ein vietnamesisches Wasserschwein mit dem Gesicht Barack Obamas züchten, dass er mit einem Nuklear bestückten Raketenrucksack hinrichtete?“ kann man doch sonst fast nie schreiben, aber für diese Story ist es das perfekte Ende.
Denn es kann doch sein…oder? Wer einen Gegenbeweis antreten kann, der möge das tun, ansonsten schreibt es bitte in den Wikipedia-Artikel zu Nordkorea, ich glaube da wird es von den Medien am schnellsten gefunden und ändert an der Qualität des Wikis (leider) auch nicht viel.

Der „alte“ Neue. — Thomas Schäfer wird wieder deutscher Botschafter in Pjöngjang


Nachdem vor gut zwei Monaten Gerhard Thiedemann, der bis dahin die Bundesrepublik Deutschland als Botschafter in Pjöngjang vertreten hatte, aus dem Land und von seinem Posten in Pjöngjang verabschiedet wurde, begrüßte Nordkoreas Staatsoberhaupt Kim Yong-nam vor einigen Tagen seinen Nachfolger Thomas Schäfer und überreichte ihm sein Beglaubigungsschreiben (das ist der formale Akt, mit dem Botschafter von ihrem Gastland anerkannt werden). Diese Personalie ist durchaus interessant, denn Schäfer dürfte in Pjöngjang kein unbekannter sein, immerhin ist er nicht nur Gerhard Thiedemanns Nachfolger, sondern auch sein sein Vorgänger — Kurz: Er war bereits einmal (von 2007 bis 2010) Botschafter in Pjöngjang, bevor er im Rahmen der im Auswärtigen Amt üblichen Rotation von dort nach Guatemala versetzt wurde.

Ein alter Bekannter: Mögliche Gründe für diese Wahl

Das ist natürlich nicht uninteressant. Einerseits kann man durchaus kurz darüber nachdenken, warum Schäfer nach einmaliger Rotation wieder nach Pjöngjang zurückkehrt. Diese Rotation wird unter anderem durchgeführt, um zu verhindern, dass sich das Spitzenpersonal zu sehr mit einem Gastland identifiziert. Ein Stück weit würde eine wiederholte Berufung auf ein und denselben Posten in so kurzem Abstand dieser Idee zuwiderlaufen.
Ich kann mir vorstellen, dass Nordkorea nicht das attraktivste Land ist, in das das Auswärtige Amt sein Spitzenpersonal schicken kann. Die Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt, das alltägliche Leben im Land für das Botschaftspersonal und ihre Familien vermutlich recht eintönig und die Optionen für berufliche Initiativen aufgrund des relativ kühlen Verhältnisses zwischen der BRD und der DVRK wohl sehr begrenzt.  Daher dürften Bewerber um diesen Posten nicht gerade Schlange stehen. Und wenn sich dann jemand „freiwillig meldet“, der sich mit der Region verbunden fühlt und deshalb gerne in einem Land dort Dienst tun will, dann gibt man dem vielleicht lieber den Vorzug, als einen anderen Kollegen, der vielleicht garnicht dorthin möchte, zu drei unangenehmen Jahren zu verurteilen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass Herr Schäfer wegen des besonderen Anforderungsprofils, das Nordkorea mit sich bringt und seiner persönlichen Erfahrung mit dem Land wieder dorthin geschickt wurde, weil er schon in der Vergangenheit einen guten Job dort gemacht hat und man sich einen erfahrenen Mann dort wünscht.
Nicht zu unterschätzen ist dabei auch der Wert persönlicher Beziehungen, mit dem politischen Personal in Pjöngjang. Während ein neuer Botschafter sich all diese Beziehungen neu erarbeiten muss und die Zusammenhänge neu erarbeiten muss, kann Schäfer bereits auf einen großen Fundus an Wissen und Kontakten zurückreifen, die sich vermutlich leichter reaktivieren bzw. „updaten“ lassen. Gerade in Zeiten des Wandels, die sich in Nordkorea mit der Machtkonsolidierung Kim Jong Uns weiter abspielen, dürfte es wichtig sein, jemanden vor Ort zu haben, der die Dynamiken des Regimes bereits abzuschätzen gelernt hat und auch einen Vergleichsmaßstab mit der Zeit vor Kim Jong Un hat.

Erfolgreiche „erste Amtszeit“

Neben diesen Spekulationen um die Beweggründe für die erneute Ernennung Schäfers gibt es aber auch noch einige weitere Aspekte zu erwähnen. Einerseits war Schäfers erste Amtszeit in Pjöngjang dem Anschein nach im Rahmen des Möglichen recht erfolgreich. Er scheint durchaus positiven Einfluss auf den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und Nordkorea gehabt zu haben. So fällt zum Beispiel die Ausstellung der „United Buddy Bears“, das sind etwa 150 künstlerich gestaltete Berliner Bären, im Jahr 2008 in Pjöngjang in die Periode seiner Tätigkeit. Auch ansonsten scheint er im Bereich des Kulturaustauschs nicht untätig gewesen zu sein und damit den Spielraum genutzt zu haben, der ihm damals zur Verfügung stand.

Wikileaks Infos

Nicht ganz so gut dürfte den Nordkoreanern gefallen haben, was sie in den Depeschen des US-State-Department nachlesen konnten, die Wikileaks veröffentlichte. Da gibt es nämlich eine Depesche, die nur von den Einschätzungen Schäfers zu internen Entwicklungen in Nordkorea handelt (im Einzelnen geht es in dem Papier von 2010 um eine 150-Tage-Arbeitsschlacht, die Nachfolgevorbereitungen Kim Jong Uns, die Einschätzung, das militärische Hardliner ihren Einfluss im Regime nach Kim Jong Ils Schlaganfall ausgeweitet hätten, Chinas Handel mit Nordkorea und die Regimestabilität). Zwar plauderte Schäfer dabei keine Staatsgeheimnisse aus, aber er äußerte sich durchaus kritisch und er teilte sein Wissen direkt mit der US-Botschaft in Seoul. Die Nordkoreaner dürften sich zwar gedacht haben, dass die Deutschen hin und wieder mit den Amis sprechen, aber ich kann mir trotzdem vorstellen, dass man jemandem, bei dem man das Schwarz auf Weiß hat, trotzdem etwas misstrauisch ist. Andererseits sind die Nordkoreaner auch pragmatisch  und wenn das ihnen in den Kram passt, dann werden sie darüber hinwegsehen können. Naja, interessant ist das trotzdem. Würde mich interessieren, ob so etwas praktische Relevanz für die Arbeit eines Diplomaten hat.

 

Viel Erfolg!

Ohne nähere Kenntnis seiner Person und der Beweggründe für seine Ernennung sagt mir mein Bauchgefühl jedenfalls, dass Schäfer eine gute Wahl für die Position und die jetzige Situation ist. Seine Kenntnisse der relevanten Akteure, der Situation vor Ort und seiner Handlungsbeschränkungen und Optionen werden ihm helfen, das Beste aus der Situation zu machen und wer weiß, vielleicht hat das auch positive Effekte auf die deutsch nordkoreanischen Beziehungen. Ich wünsche ihm für seine Amtszeit jedenfalls viel Erfolg.

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