Wie ich kürzlich ja schon angekündigt habe, finde ich es durchaus spannend mal einen Blick darauf zu werfen, ob der Konflikt um die Ukraine, bei dem Russland ja unbestritten eine zentrale Rolle zukommt, Auswirkungen auf das Agieren des Regimes in Pjöngjang hat oder haben kann. Relevant ist die Situation allemal, denn je nachdem, wie sich die geopolitische Dynamik weiterentwickelt, werden sich für Pjöngjang neue Spielräume bieten, mit deren Hilfe das Fortbestehen des Regimes gesichert werden kann. Wo genau diese Spielräume zu finden sind und ob und wenn ja wie Pjöngjang sie schon nutzt oder zumindest erkennen lässt, ob sie interessant sind, will ich mir heute mal anschauen.
Das Geheimnis ihres Überlebens
Eine der zentralen Erklärungen, warum das Regime in Pjöngjang in den letzten 25 Jahren trotz aller Hemmnisse sehr persistent war und wirklich systemgefährdenden Krisen widerstand, ist die Fähigkeit der Staatslenker, sich bietende Chancen und Spielräume durch sich ändernde geopolitische Konstellationen für die eigenen Zwecke nutzbar zu machen oder aber entstehende Bedrohungen aus solchen Veränderungen schnell zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Aus der aktuellen Krise um die Ukraine und den noch zu erwartenden Konsequenzen aus dem verschärften Gegensatz, sowie dem verstärkten Misstrauen zwischen westlichen Staaten und Russland ergeben sich schon jetzt Spielräume, die Pjöngjang für die eigenen Ziele kultivieren könnte.
Bruch zwischen Russland und westlichen Staaten als Chance für Nordkorea
Über allem steht dabei der offen aufgetretene Bruch zwischen Moskau und den westlichen Staaten. Dieser Bruch lässt erwarten, dass künftig die Kooperation zwischen beiden Seiten schwieriger werden wird. Es ist sogar möglich, dass Russland auch in anderen außenpolitischen Spielfeldern jenseits der Ukraine in eine eher destruktive Richtung schwenkt, also seine Interessen vor allem auf Kosten der anderen Seite durchsetzen wird. Außerdem können die im Raum stehenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland sich indirekt zugunsten des Regimes auswirken. Generell schwebt natürlich über allem die Frage, welche Ziele Wladimir Putin mit seinem Agieren verfolgt. In der Folge will ich einige konkrete Möglichkeiten aufzeigen, die sich für Pjöngjang in Folge des Ukraine-Konfliktes ergeben könnten:
- In den vergangenen Jahren bestand in den Reihen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen weitgehende Einigkeit, dass auf Provokationen Pjöngjangs, also zum Beispiel Nuklear- und Raketentests, eine Antwort des Sicherheitsrates erfolgen müsse, was in den letzten Jahren zu immer schärferen Resolutionen und damit auch Sanktionen gegen Nordkorea geführt hat. Dabei war vor allem wichtig, dass sich die Fünf Vetomächte, also USA, Großbritannien, Frankreich, China und Russland einig waren. In Bezug auf Nordkorea war es, wenn überhaupt, eher China, das bremste. Wenn Russland nun im Sicherheitsrat eine weniger konstruktive Haltung einnähme, könnte Nordkorea außenpolitisch etwas freier agieren. Die Abschreckung mit Blick auf mögliche Nuklear- und Raketentests wäre deutlich geringer. Vor allem hinsichtlich des anstehenden nordkoreanischen Nukleartests wird es sehr interessant zu sehen sein, wie Russland in der Folge agiert.
- In den letzten Jahren hat sich die Beziehung Nordkoreas zu China deutlich abgekühlt. China lässt immer mal wieder erkennen, dass es starke Druckmittel in Händen hält und wendet diese (wenn auch bisher nur sachte) bei Bedarf auch an. Ein Treffen auf Führungsebene steht seit Machtantritt Kim Jong Uns aus und aktuell deutet nicht viel darauf hin, dass sich das bald ändert. Sollte Russland daran arbeiten, einen eigenen starken Machtblock zu konstruieren, würde das für Nordkorea vermutlich bedeuten, dass eine zweite strategische Option wieder ins Blickfeld rückte. Damit könnte die Abhängigkeit von China reduziert werden und gleichzeitig würden für Pjöngjang neue Spielräume zum gegeneinander Ausspielen der beiden Freunde entstehen. In den letzten Jahren war das Interesse Russlands schlicht nicht groß genug, um für Nordkorea eine wirklich relevante strategische Option darzustellen.
- Generell würde es für Pjöngjang erstmal einen Zuwachs an gefühlter Sicherheit versprechen, wenn Russland einen Bereich der eigenen Einflusssphäre abstecken würde und sich Pjöngjang dann unter diesen Einflussbereich begäbe, wenn also wieder eine Art Blockkonfrontation entstünde. Hierzu wäre aber Voraussetzung, dass Russland gestärkt und selbstbewusst aus der Krise hervorginge.
- Auch im wirtschaftlichen Bereich könnten sich für Pjöngjang Möglichkeiten bieten. Sollte Russland unter starke Wirtschaftssanktionen fallen, so ist es denkbar, dass Ressourcen zum Export frei werden, die den Handel mit Nordkorea fördern könnten, andererseits könnte Russlands Interesse an strategischer Rohstoffversorgung steigen, hier ist Nordkorea, beispielsweise mit den wohl nicht zu verachtenden Vorräten an seltenen Erden ein interessanter Partner.
Der Konflikt findet in Nordkoreas Medien nicht statt
Die oben beschriebenen Aspekte finde ich durchaus beachtlich und ich bin mir sicher, dass man sich in Pjöngjang schonmal ähnliche Gedanken gemacht hat. Eigentlich würde ich aber in einem solchen Fall erwarten, dass man irgendwie versucht, sich in die Situation einzubringen, zumindest durch mediale Stellungnahmen. Interessanterweise konnte ich bei Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA nichts dergleichen finden. Um genau zu sein findet der Konflikt bei KCNA nicht statt. Wenn ich einer der Verfechter wäre (die gibts ja auch in Deutschland), die sagen sie könnten nur glaubwürdige Infos von KCNA beziehen, dann wüsste ich nicht einmal, dass da was ist mit der Ukraine. Und das, obwohl Nordkorea ansonsten nie um Aussagen verlegen ist, die irgendwelche imperialistischen Machenschaften der USA und ihrer Diener weltweit aufs schärfste brandmarken. Irgendwie scheint den Nordkoreanern das hier aber nicht so passend zu sein.
Vorsichtig, oder mit anderem beschäftigt: Gründe für Pjöngjangs Desinteresse
Wie lässt sich dieses bewusste Desinteresse also erklären?
Ich denke, das hat viel mit China zu tun. Der aktuell wichtigste Verbündete Nordkoreas verhält sich sehr zurückhaltend und möglicherweise möchte man sich nicht aus dem Windschatten Pekings begeben und damit den Ärger dort provozieren. Oder man will sich vorerst anschauen was passiert um erst Position zu beziehen, wenn klar ist, welche Richtung vorteilhaft ist. Eventuell nimmt man auch Rücksicht auf Peking, das ja immer sehr kritisch ist, wenn es darum geht, dass Staaten anderen Staaten Landesteile abtrünnig machen, was auf der Krim ja passiert ist. Zuletzt könnte man das vorsichtige Abwarten Nordkoreas auch innenpolitisch erklären. Man verwendet zur Zeit alle bereitstehenden Kapazitäten auf die Regimekonsolidierung. Man will nicht in außenpolitische Situationen hereingehen, die sich dynamisch entwickeln, um daraus nicht internes Konfliktpotential und einen Verlust der Konzentration auf das zentrale Thema Machterhalt zu erzeugen.
Aktuell ist aus Pjöngjang also nichts außer einem vorsichtigem Abwarten zu vermelden. Wenn das auch so bleibt, nachdem klarer wurde, wer gestärkt aus dem Konflikt in der Ukraine hervorgeht, dann dürfte das laute Schweigen aus Pjöngjang innenpolitisch motiviert sein. Ändert sich bald etwas im Verhältnis zwischen Pjöngjang und Moskau, dann hat es sich um strategisches Abwarten gehandelt.
Erste Zeichen der Annäherung
Einen ersten Hinweis auf eine Änderung gibt es bereits. Vor ungefähr drei Wochen ratifizierte die russische Staatsduma ein Abkommen mit Nordkorea, nachdem dem Land 10 seiner 11 Milliarden US-Dollar Schulden bei Russland erlassen werden. Im Gegenzug soll Russland eine Gaspipeline durch Nordkorea nach Südkorea bauen dürfen (mit beiden Projekten habe ich mich in der Vergangenheit befasst). Zwar wurde das Abkommen bereits vor längerer Zeit beschlossen, aber die Ratifizierung zum jetzigen Zeitpunkt könnte man als Signal aus Moskau lesen. Insofern ist dies jedoch nicht als Aktion Nordkoreas sondern nur als ein Zeichen Russlands zu verstehen und ein Tätigwerden Pjöngjangs steht weiter aus. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich die Beziehungen der beiden Länder in den nächsten Jahren entwickeln werden.
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