Neue Karte altes Spiel: Lee Myung-bak spielt in Berlin die Atomsicherheitsgipfelkarte


Vorgestern besuchte Südkoreas Präsident Lee Myung-bak Berlin, traf sich dort unter anderem mit unserer Kanzlerin und auf der anschließenden Pressekonferenz sagte er etwas, dass eigentlich zumindest am Rande, die Aufmerksamkeit unserer Medien hätte erregen können, aber nahezu unterging. Er erklärte nämlich, dass es durchaus denkbar sei, dass er Kim Jong Il auf den Atomsicherheitsgipfel im kommenden Jahr in Seoul einladen würde, zu dem Staats- und Regierungschefs aus etwa 50 Ländern erwartet werden.

Das sieht zunächst mal wieder nach einer großen Geste aus, ist jedoch nichts anderes als die Fortsetzung des Schwarzer-Peter-Spiels, dass seit Monaten zwischen den Koreas abläuft. Die Verpackung muss für Außenstehende toll aussehen, denn Nordkorea würde dadurch solch große internationale Anerkennung bekommen wie lange nicht (50 (!) sehr sehr wichtige Leute auf einmal, so viele hat Kim Jong Il vermutlich insgesamt seiner Karriere noch nicht getroffen) und könnte auf einem wichtigen Forum seinen Willen zur Denuklearisierung und damit zur Integration in die Staatengemeinschaft demonstrieren. Aber dummerweise sagen Verpackungen ja nicht immer etwas über den Inhalt des Geschenks aus. Denn vermutlich denkt Lee nicht daran, Kim zu dem Gipfel einzuladen und das wird er auch nicht müssen. Abgesehen davon, dass Kim sich vermutlich nicht die gefühlte Erniedrigung antun und durch seinen Besuch den diplomatischen Erfolg des verfeindeten Bruders im Süden anerkennen würde (ob es überhaupt einen vorstellbaren Anlass für ihn gibt, nach Seoul zu fahren darf man auch bezweifeln), hat Lee auch mit den üblichen Bedingungen für Sicherheit in diesem Bereich gesorgt. An (chronologisch) erster Stelle verlangt er weiterhin eine Entschuldigung Nordkoreas für die Versenkung der Cheonan und den Beschuss von Yonpyong. Dass er die bekommt ist schonmal fast undenkbar. Allerdings ist dies nur Voraussetzung dafür, dass man über eine Denuklearisierung Nordkoreas spricht (zweiter Schritt in der Chronologie) und Nordkorea öffentlich erklärt, auf seine Atomwaffen verzichten zu wollen (finale Bedingung). Hier habe ich eben noch ein interessantes editorial der — zugegeben linken — Zeitung Kyunghyang Shinmun gelesen, die das Ganze ähnlich sieht.

Er verlangt also, dass das Regime für die Reise auf einen Gipfel zu dem man nicht will, eine Entschuldigung ausspricht für etwas für das man keine Schuld anerkennt um dann etwas aufzugeben, dass man als zentral für die staatliche Sicherheit erachtet. Ich weiß nicht genau wie ihr das einschätzt, aber ich sehe da wenig Aussicht auf Erfolg. Das ist auch Lee klar, aber ganz im Sinne seines Spiels kann er so Pjöngjang als verantwortungslosen und Atomwaffenvernarrten Akteur präsentieren, der permanent die tollsten Angebote ausschlägt um weiter eine aggressive irrationale Politik zu verfolgen. Das ist mal wieder ein Lehrstück für Lees Politik der kalten Schulter.

Was mich aber wesentlich mehr erstaunt hat als Lees Leerformel, ist die Tatsache, dass die Aussagen in unseren Medien nahezu vollkommen untergegangen sind. Habt ihr in deutschsprachigen Medien was darüber gehört oder gelesen? Ich jedenfalls nicht (wobei ich allerdings sagen muss, dass ich auch mit anderem beschäftigt war). Und das wo man doch sonst fast jede noch so blödsinnige Schlagzeile aufgreift, die irgendwie mit dem „Irren in Pjöngjang“ zu tun hat. Naja, gab wohl besseres zu berichten oder unsere Journalisten haben das durchsichtige Kalkül Lees durchschaut (den letzten Halbsatz könnt ihr gleich wieder mit dem Hinweis auf noch so blödsinnige Schlagzeilen vergessen).

Naja, eigentlich also nichts Neues. Man spielt weiter das unselige Spiel (nur eben mal mit Kanzlerin in der Kulisse) und wird nächstes Jahr in Seoul vermutlich ohne Kim über Nordkoreas Nuklearprogramm sprechen müssen. Und dann ist Lee ja auch irgendwann mal weg und es gibt die Hoffnung, dass sein Nachfolger eine etwas andere Strategie als Lees Null-Kommunikations-Politik fährt.

Wer provoziert hier wen? Nordkorea kämpft weiter um die Deutungshoheit für den Yonpyong-Zwischenfall


Nach ihrem „First installment“ zum Untergang der Cheonan, hat sich die NDC über KCNA nun auch zum Beschuss der Insel Yonpyong durch die nordkoreanische Armee geäußert. So lässt es zumindest der Titel des Artikels vermuten: „NDC Inspection Group Issues Statement Revealing Truth behind Yonphyong Island Shelling„. Dass ihnen der Inhalt dieses Beitrags wichtig ist, erkennt man auch schon an der für KCNA Verhältnisse unglaublichen Länge. Ich hab ihn spaßeshalber mal in ein Word-Dokument gecopy-pastet und es sind zehn volle Seiten, mit über 6.000 Wörtern.

Im Norden nichts Neues

Wenn man sich die Mühe macht, das Mal wirklich ganz durchzulesen (und es ist Mühe! Ein paar Zeilen von dem Propagandagesülze sind ja vielleicht noch ganz witzig. Aber zehn Seiten…) dann fallen mehrere Dinge auf: Erstens geht es nicht nur um Yonpyong, sondern es geht um den aktuellen Status der Nord-Süd-Beziehungen. Zweitens enthalten die verdammten Zehn Seiten nicht die geringste Neuigkeit (Der Cheonan-Zwischenfall war eine Intrige: „Explicitly speaking, the Cheonan case has nothing to do with the DPRK. It is the immutable truth“, der Yonpyong-Zwischenfall wurde von den Südkoreanern provziert: „The Yonphyong Island shelling would not have occurred if the south Korean group of traitors had not preempted shelling in the waters of the DPRK side“, die Northern Limit Line (NLL) ist unfair und völkerrechtswidrig und muss verlegt werden, Lee Myung-bak und die USA wollen nur Krieg und Nordkorea übt schon Zurückhaltung seit es im Koreakrieg triumphiert hat). Drittens scheint man frustriert zu sein über die Tatsache, dass es nicht so recht gelingen will, mit dem Süden in Gespräche zu kommen, denn an dem gescheiterten Vorbereitungstreffen für hochrangige Militärgespräche arbeitet man ich weiter ab. Viertens hat man sich dabei, wie in allen anderen Punkten, große Mühe, alle Aussagen der südkoreanischen Regierung als hinterhältige Lügen darzustellen. Im Fall der Militärgespräche sagt man beispielsweise, nicht die nordkoreanische Delegation habe die Gespräche einseitig abgebrochen, sondern die südkoreanische. Achja, ganz abgesehen von den vielen friedfertigen nordkoreanischen Fischern, die in dieser Region von den Südkoreanern entführt oder umgebracht wurden

Interessant…vor allem für Verschwörungstheoretiker

Generell dürfte die Lektüre nicht zuletzt für verstörte Verschwörungstheoretiker Politwirrköpfe (die Herrschaft über die Koreanische Halbinsel ist für die Weltbeherrschungspläne der US-Imperialisten unerlässlich, deshalb versuchen sie schon seit Jahren dort einen Krieg zu provozieren) interessant sein, denn die Logik der nordkoreanischen Argumentation ist ungefähr die gleiche und ungefähr genauso konsistent. Aber es gibt ja genug von denen, von daher ist es sehr rücksichtsvoll, dass KCNA auch mal was für solche Leute schreibt.

Die NLL nervt Pjöngjang

Ein bisschen was sagt der Artikel aber auch noch über die politische Agenda des Regimes aus. Es wird nämlich sehr deutlich gemacht, dass man die NLL nicht mehr als Grenze haben will und diese künftig verlegt werden soll. Eigentlich arbeitet man die aktuelle Grenzziehung als Kernproblem von nordkoreanischer Seite heraus (bei Südkorea und den USA ist das Kernproblem, dass es böse, hinterhältige und unverbesserliche Imperialisten und ihre Diener sind) und das ist doch mal ein relativ ehrlicher Inhalt, denn tatsächlich hat man in Pjöngjang scheinbar große Probleme damit. Lobend wird auch explizit Selig S. Harrison erwähnt, der sich mit seinem mutigen (mir fallen auch noch andere Attribute dazu ein. Aber das ist das Schöne an dem Wort „mutig“ es beinhaltet keinerlei Ausschlusskriterien für weniger schmeichelhafte Zuschreibungen nach dem Motto „mutig aber…“) Artikel in der New York Times zur NLL ja ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Ob man das als Experte als Ehre begreifen kann, wenn die nordkoreanischen Medien ihre Argumentation auf eigene Thesen aufbauen weiß ich nicht so genau (ich weiß was ich davon hielte, wenn ich ein Experte wäre und mir das passierte).

Das alte Lied: Drohend und versöhnlich

Abschließend können es die Autoren des Beitrags aber nicht lassen, der Regierung in Seoul ziemlich unverhohlen zu drohen, sollten sie nicht zu Gesprächen bereit sein:

It is too natural that broad strata of south Korea are becoming increasingly concerned and worried that if the present authorities turn their back on the DPRK′s proposal for unconditioned dialogue and rush headlong into one-sided confrontation, calling into question the two incidents, this will entail miserable consequences of swamping the whole land of south Korea as the Cheonan warship and turning it into a wormwood field like Yonphyong Island.

Allerdings, so der versöhnliche Schluss, werde die Armee Nordkoreas weiterhin ihr Bestes tun, um das Vorgehen der konfrontativen Kräfte im Süden ins Leere laufen zu lassen und für Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel zu sorgen.

Kampf um die Deutungshoheit

Scheinbar verspürt man in Pjöngjang weiterhin das Bedürfnis, die Deutungshoheit hinsichtlich der innerkoreanischen Beziehungen zu erringen. Ob dieser Artikel allerdings dazu beitragen kann, möchte ich doch in Zweifel ziehen (außer vielleicht für die Zielgruppe der Verschwörungstheoretiker und Politwirrköpfe, aber für die ist vielleicht ein bisschen wenig „Chemtrails“ und „HAARP“ dabei). Ansonsten ist der Artikel natürlich ein Beleg dafür, dass das Regime nicht bereit ist, irgendwelche Zugeständnisse an den Süden zu machen. Es wurde jetzt nochmal zur offiziellen NDC Position gemacht, dass man mit dem Cheonan-Zwischenfall nichts zu tun hat und für den Angriff auf Yonpyong nichts konnte. Damit fällt wohl definitiv die Option aus, dass man sich für die Zwischenfälle entschuldigen würde. Dies fordert Lee Myung-bak aber vehement. Dass sich die Armee weiterhin als stabilisierende Kraft für Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel einsetzen wollen könnte man (könnte, muss aber nicht) als Zugeständnis hinsichtlich künftiger Provokationen lesen. Insgesamt ist der Artikel wohl nicht mehr als eine Fußnote in den angespannten Beziehungen auf der Koreanischen Halbinsel, aber eine lange…

Annäherung zwischen Süd- und Nordkorea: Vorbei eh sie begonnen hat?


Update (10.02.2011): Die nordkoreanische Delegation bei den zusammengebrochenen Vorbereitungsgesprächen um hochrangige Militärgespräche zwischen beiden Süd- und Nordkorea, hat recht ausführlich ihre Sicht der Dinge veröffentlicht. Der Tenor: Die südkoreanischen Gesprächspartner wollten die Verhandlungen platzen lassen und haben mit allen Mitteln versucht, sie zu sabotieren. Der Norden habe sich dagegen kompromissbereit und entgegenkommend gezeigt (was auch sonst), sei aber immer wieder abgeblitzt.

Damit zeichnet die nordkoreanische Delegation einen Ausschnitt des Bildes, der sicherlich nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Denn klar ist, der Süden wollte keine Gespräche zu den Bedingungen des Nordens. Allerdings fehlt der Ausschnitt der zeigt: Auch der Norden wollte keine Verhandlungen zu den Bedingungen des Südens. Die Positionen waren schlicht unvereinbar.

Dies dürfte beiden Seiten schon grundsätzlich klar gewesen sein. Nur kann es natürlich sein, dass die Strategen in Nordkorea hofften, dass alles läuft wie immer. Am Ende gibt der Süden nach und man bekommt was man will. Nur hat man diesmal eben einen Verhandlungspartner, der ebenso harte Bandagen angelegt hatte wie man selbst. Eine neue Erfahrung für Kim Jong Ils Regime. Der Ärger des Nordens dürfte sich daher wohl vor allem daraus speisen, dass die Dinge jetzt nicht mehr so funktionieren wie früher. Interessant wird zu beobachten sein, ob man versucht die eigenen Strategien darauf anzupassen, oder ob man nach den erprobten Mustern nun beginnt, weiter an der Eskalationsschraube zu drehen.

Ursprünglicher Beitrag (09.02.2011): Nordkorea ist ein schwieriger Verhandlungspartner. Das ist selbst dann der Fall, wenn das Regime sich eigentlich viel Mühe gegeben hat, wieder in eine Phase von Gesprächen einzutreten. Das zeigte sich nun wieder im Rahmen der Vorbereitungsgespräche für höherrangige Verhandlungen. Offensichtlich haben die nordkoreanischen Militärs, die Gespräche auf Ministerebene vorbereiten sollten, das Treffen in Panmunjom heute einseitig abgebrochen. Auch ein Termin über eine weitere Gesprächsrunde sei nicht vereinbart worden. Grund für das abrupte Ende seien Unstimmigkeiten über die Agenda und andere Kernthemen höherrangiger Gespräche gewesen. Die nordkoreanische Seite habe zwei der Vorbedingungen Südkoreas nicht erfüllt. Weder sei es zu einer Entschuldigung für den Angriff auf Yonpyong und die Versenkung der Cheonan gekommen, noch hätten die Vertreter glaubwürdig machen können, dass es nicht zu weiteren Provokationen des Nordens kommen würde. Vielmehr habe man verlangt, diese Themen auf höherrangiger Ebene zu besprechen. Damit ist dann wohl auch die Zustimmung des Südens, auf Rotkreuz-Ebene über weitere Familienzusammenführungen zu sprechen, hinfällig. Das vorsichtige Eingehen auf die Anfrage des Nordens kam erst heute Morgen, wurde aber nach dem plötzlichen Ende der Militärgespräche wieder zurückgezogen. Ohne ein Zustandekommen höherrangiger Militärgespräche, habe man auch keine Pläne über die Familienzusammenführungen zu sprechen, ließ die südkoreanische Seite verlauten.

Lees Linientreue: Keine Zugeständnisse ohne Gegenleistung

Südkoreas Regierung bleibt damit ihrer Linie treu. Ohne Gegenleistung gibt es keine Zugeständnisse an den Norden. Diese konsequente Haltung scheint die Vertreter Nordkoreas überrascht zu haben, die wohl gehofft hatten, erst mal am Verhandlungstisch, schon zu irgendeinem Kompromiss zu kommen. Vermutlich war auch genau das ihr Auftrag. Als klar war, dass da nichts zu holen ist, hat man ohne viel Umschweife die Gespräche verlassen. Die nächsten Tage werden zeigen müssen, ob die vorsichtige Annäherung wieder zu Ende ist, bevor sie begonnen hat.

Alles beim Alten

Objektiv betrachtet wäre das kein Wunder. Eigentlich scheinen sich beide Seiten ja nur ins Gesicht gesagt zu haben, was schon seit Wochen klar ist. Momentan sind beide Positionen unvereinbar. Südkorea will ohne Entschuldigung nicht mit dem Norden sprechen und der Norden will sich nicht entschuldigen ohne zu sprechen (vermutlich will er sich überhauptnicht entschuldigen, aber das hätte meinen schönen Satz zerlegt). Betrachtet man den Vorlauf der Gespräche mal näher, so könnte das Zustandekommen auch ein Manöver des Südens gewesen sein. Man wollte China und den USA beweisen, dass man sprechen will, wusste aber gleichzeitig, dass man das nicht wird tun müssen, wenn man sich hinsichtlich der eigenen Vorbedingungen unflexibel zeigt. Man hat also etwas Druck von den eigenen Schultern genommen, ohne Zugeständnisse machen zu müssen.

Werden die USA weich?

Dass die USA momentan dabei sind, ihre Position zu überdenken zeigt auch ein Interview mit Robert King, dem US-Sondergesandten für Menschenrechte in Nordkorea. King sagte, dass über eine Anfrage Nordkoreas an die USA nach Hilfen noch nicht entschieden sei, aber dass

The United States policy is that when we provide assistance, humanitarian assistance, it is based on need and no political consideration should be involved.

Allerdings seien noch zwei weitere Bedingungen zu Erfüllen, damit der Anfrage entsprochen werden könne. Einerseits müsste der wahre Bedarf und der angefragte abgeglichen werden, da den USA nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung ständen, andererseits müsste vor allen Dingen aber sichergestellt werden, dass die Hilfen dort ankämen, wo sie gebraucht werden.

Südkorea und USA mit unterschiedlichen Ansichten

Hinsichtlich möglicher Hilfen liegen die USA und Südkorea damit ganz und gar nicht auf einer Linie, denn der Süden vertritt zurzeit die Position, dass jegliche Hilfen den Druck vom Regime nehmen würden und den Norden so in seiner bisherigen Linie bestärken könnte.

Die USA sind am Zug. Weiter folgen oder führen?

Den USA scheint eine Politik der totalen Eindämmung des Nordens nicht mehr geheuer zu sein und daher spielt man wohl mit dem Gedanken, über unverdächtige Kanäle wie Hilfslieferungen, wieder Kontakte zu knüpfen. Ob man dazu bereit sein wird die Interessen des Südens zu ignorieren wird sich erst noch zeigen. Allerdings wird auch den Vertretern der USA bewusst sein, dass man mit einer totalen Blockade des Südens keine Besserung auf der Koreanischen Halbinsel bekommen wird. Tja und was den Süden angeht, so kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die Aussage eines der Wikileaks Dokumente, dass Präsident Lee ganz zufrieden damit sei, die Beziehungen mit dem Norden im Zweifel über seine gesamte Amtszeit eingefroren zu lassen, wohl eine sehr treffende Einschätzung war. Ob man im Süden tatsächlich daran glaubt, dem Regime in Pjöngjang durch diese harte Haltung den Todesstoß versetzen zu können, oder ob man es einfach für die beste langfristige Politik hält ist nicht klar. Klar ist aber, dass der Süden dann auch mit den Folgen dieser Politik leben muss. Sowohl was weitere Bösartigkeiten des Nordens betrifft, als auch was eine mögliche humanitäre Katastrophe in der Bevölkerung angeht, die man aber für den erhofften Todesstoß in Kauf zu nehmen scheint.

Nordkorea vor den Internationalen Strafgerichtshof: Chefankläger leitet Voruntersuchung ein


Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes Moreno-Ocampo hat gestern bekannt gegeben, dass er Voruntersuchungen gegen Nordkorea einleiten will. Das Büro des Chefunterhändlers sei informiert worden, (von Südkorea offenbar), dass nordkoreanische Streitkräfte auf südkoreanischem Territorium Kriegsverbrechen begangen hätten. Zur Anzeige gebracht worden seien sowohl der Beschuss der Insel Yonpyong als auch die Versenkung der Cheonan. Diese Voruntersuchungen sind allerdings noch bei weitem kein Prozess. Hier wird geprüft, ob die Bedingungen für die Eröffnung einer offiziellen Untersuchung gegeben sind. Ein Prozess käme zustande, wenn der Chefankläger nach der offiziellen Untersuchung zu dem Entschluss käme, dass die entsprechenden Kriegsverbrechen vorlägen. Ein langer Weg also.

Da hat Südkorea also doch noch einen Weg gefunden, Nordkoreas aggressives Gebaren vor einer internationalen Körperschaft verhandeln und im besten Falle brandmarken zu lassen. Allerdings dürfte der IStGH wohl nur die zweite Wahl gewesen sein, denn er ist ein zweischneidiges Schwert. Anders als beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen weiß man vorher eben nicht relativ sicher, was dabei rauskommen wird. Die Unabhängigkeit der Justiz macht ein Urteil natürlich umso beeindruckender wenn es den eigenen Wünschen entsprechend ausfällt. Aber wenn nicht, ist auch die Niederlage größer. Außerdem folgt die Strafe nicht auf den Fuß. Bis ein eventueller Prozess abgeschlossen ist, dürfte einige Zeit vergehen. Aber selbst ein Anklageerhebung wäre schon ein großer symbolischer Erfolg für Südkorea und würde den Norden an den Pranger stellen. Allerdings, und da wird es schwierig, kann der IStGH nur Individuen anklagen, keine Länder. Das heißt, die Verantwortlichen müssten zur Anklageerhebung identifiziert werden. Wie man das machen will ist mir weitestgehend ein Rätsel. Vermutlich könnte man Kim Kyok-sik drankriegen (aber wohl nicht nach Den Haag), denn als Befehlshaber der dort stationierten Truppen ist er wohl zumindest für den Granatbeschuss von Yonpyong unmittelbar verantwortlich. Aber sonst? Da kann nicht viel kommen.

Was mich ehrlich überrascht hat ist die Tatsache, dass Südkorea auch die Versenkung der Cheonan vorgebracht hat. Da muss man sich seiner Beweise also sehr gewiss sein. Man stelle sich nur mal vor, ein unabhängiges Gericht würde den Untergang der Cheonan prüfen und käme am Ende zu dem Schluss, dass keine gerichtsfesten Beweise vorlägen, um Nordkorea anzuklagen. Das wäre eine ungeheure Blamage für alle, die in die Untersuchung des Untergangs involviert waren. Da sich die Südkoreaner dieser Gefahr wohl nicht aussetzen würden, wenn man nicht absolut sicher wäre, dass die Beweise wasserdicht sind, ist dies eine elegante Lösung, die Verantwortlichkeiten für den Untergang der Cheonan vor aller Welt unabhängig prüfen und klären zu lassen. Und eine weitere Tatsache kann man in Südkorea damit sehr elegant untermauern. Den Verlauf der Seegrenze. Da die Cheonan in umstrittenem Gebiet sank, wäre es als klare Anerkennung der Seegrenze durch das Gericht zu werten, wenn der Fall in die offizielle Untersuchung ginge. Denn das Gericht darf nur tätig werden, wenn der Angeklagte Staatsbürger eines Mitgliedsstaats ist, oder das Verbrechen auf dem Territorium eines Mitgliedsstaats verübt wurde. Letzteres trifft aber nur dann zweifelsfrei zu, wenn man die von der UN gesteckten Grenzen anerkennt. Damit würde man den Forderungen des Nordens hinsichtlich der Seegrenze den Wind aus den Segeln nehmen.

Die USA dürften das Manöver Südkoreas ebenfalls mit leicht gemischten Gefühlen beobachten, schließlich sind sie auch einer der vielen Staaten, die nicht Mitglied beim IStGH sind, aber immerhin haben sie das Rom Statut unterzeichnet. Allerdings hat man sich (ich erinnere mich noch dunkel an die Diskussionen) in den USA Sorgen gemacht, dass der IStGH auch amerikanische Bürger, vielleicht sogar brave Soldaten, die nur in Abu Ghraib oder so ihren Dienst nach Pflicht verrichten, vor das Gericht gebracht werden könnten. Und das ginge natürlich gar nicht (wie gesagt, die Fallstricke unabhängiger Justiz).

Es ist auf jeden Fall ein mutiger und strategisch schlauer Schritt Südkoreas, den Fall an das IStGH zu geben. So kann Nordkorea von einer unabhängigen und angesehenen Institution als Aggressor identifiziert werden und man muss sich nicht um China bemühen.

Herbstliches Harmoniebedürfnis: Seoul lässt Forderung nach Entschuldigung Nordkoreas für Cheonan fallen!


Update (09.11.2010): Was die NY Times geschrieben hat scheint zu stimmen. Jedenfalls sind heute Yonhap und Xinhua mit ähnlichen Meldungen nachgezogen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch diese Information, nach der Lee Myung-bak das Thema Nordkorea (Sechs-Parteien-Gespräche) am Rande des G-20 Gipfels, mit den anderen involvierten Parteien besprechen möchte.

Ursprünglicher Beitrag (08.11.2010): Wie ich eben in der New York Times gelesen habe, hat die Regierung Südkoreas ihr Beharren auf einer formellen Entschuldigung Nordkoreas, für die Versenkung der Cheonan, derer das Regime in Pjöngjang im Rahmen einer internationalen Untersuchung (die aber noch immer etwas umstritten ist) für schuldig befunden worden war, heimlich still und leise fallen gelassen!

Der Bericht (leider kann man den nur abrufen, wenn man sich bei der NY Times registriert) beruft sich auf ein Interview mit Lee, das bereits am Samstag geführt wurde, sowie die Aussagen von Vertrauten Lees. Lee habe auf zweimalige Nachfrage hin nicht sagen wollen, dass eine Entschuldigung Pjöngjangs weiterhin die Voraussetzung für Gespräche sei. Vielmehr nutzte er die Formulierung:

For the resumption of dialogue in any form, North Korea has to show genuine interest and sincere behavior.

Die gleiche Phrase wurde später auch von einem hochrangigen Mitglied der Lee-Administration genutzt. Ein enger Vertrauter Lees habe einen Politikwechsel bestätigt und gesagt, dass eine Entschuldigung Nordkoreas nun nicht mehr die Vorbedingung für Gespräche sei.

Sollten sich diese Vermutungen als richtig herausstellen (ich bin noch ein bisschen misstrauisch, nicht zuletzt weil die Joong Ang Daily das gleiche Interview so auslegt, dass Lee das Beharren auf einer Entschuldigung bekräftigt habe), würde sich damit die Tür für neue Gespräche weit öffnen und man könnte in den nächsten Tagen und Wochen mit einer weiteren Entspannung der Situation bis hin zur Vorbereitung von Verhandlungen rechnen. Auch vom Timing her wäre ein solcher Schritt recht passend, denn immerhin werden sich alle Beteiligten außer Nordkorea noch in dieser Woche in Seoul treffen. Da könnte man doch schonmal was abmachen… Und auch wenn die USA bis zuletzt auf einer Entschuldigung Pjöngjangs beharrten, so ist ja bekannt, dass man Seoul die „Richtlinienkompetenz“ hinsichtlich der Nordkorea Politik überlassen hat. Und wenn Seoul sagt es geht ohne Entschuldigung, dann wird Washington wohl folgen. Ob die Reihenfolge hinter den Kulissen allerdings so eindeutig war, möchte ich fast bezweifeln.

Naja, fast wie vor einem Jahr, wenn die Blätter fallen und es draußen Kalt wird, hat man allenthalben das Bedürfnis nach Harmonie und einer (mehr oder weniger) kuschligen Sechserrunde…

Cheonan und kein Ende: Pjöngjang fischt in der Untersuchungssuppe


Das Regime in Pjöngjang scheint sich bisher nicht damit zufrieden geben zu wollen, dass es für die Versenkung der Cheonan verantwortlich gemacht wird. Das geht jedenfalls aus einer offiziellen Verlautbarung der Nationalen Verteidigungskommission hervor, die man bei KCNA nachlesen kann. In dem für KCNA-Verhältnisse extrem langen Artikel werden alle Punkte nochmal aufgegriffen, die nach Ansicht der Autoren dafür sprechen, dass es sich bei dem Bericht der internationalen Untersuchungskommission zum Untergang der Cheonan um eine

sheer fabrication and conspirational farce

gehandelt habe.

Enthalten sind dabei einige technische Kritikpunkte wie die Herkunft des Torpedos. In Nordkorea produzierte Torpedos seien

Juche-based torpedos made of steel alloy material

während der gefundene Torpedo aus Aluminium gemacht sei. Toll fand ich auch den Hinweis darauf, dass Nordkorea

possesses torpedos with such tremendous striking power that the world can hardly imagine

den man sich wohl trotz aller Unschuldsbeteuerungen nicht verkneifen konnte.

Auch die Streitigkeiten um das Antriebselement, welches nicht verbogen, dafür aber korrodiert und darüber hinaus mit Tinte mit dem Schriftzug „No.1“ (in Hangul) markiert sei, wurde wieder aufgegriffen. Weiterhin wird die Präsentation der Ergebnisse kritisiert und auf Ungereimtheiten bei Zeugenaussagen etc. hingewiesen. Insgesamt haben die Autoren des Beitrages dreizehn Haare in der Untersuchungssuppe (das Wort finde ich irgendwie treffend, denn dadurch, dass die Untersuchungskommission anfänglich sehr intransparent agierte und in der Kommunikation einige Fehler gemacht hat, machte sie die ganze Geschichte zu einem undurchsichtigen Brei, in dem sich leicht das Eine oder Andere Haar findet) gefunden.

Was den Artikel ein bisschen schwer zu lesen macht ist die übertriebene Anzahl von Beschimpfungen, die bei jeder Möglichkeit hinzugefügt wurden. Ich weiß nicht genau, ob mir das nur aufgefallen ist, weil der Artikel so lang ist und die hundertste Nennung von „US imperialists“ und der „group of traitors“ dann irgendwann doch nervt, aber es kam mir so vor, als hätte man hier sogar für KCNA Verhältnisse dick aufgetragen. Am besten ihr lest selbst und macht euch einen Eindruck von dem, was Pjöngjang zu verlautbaren hat.

Was mir in der Gesamtschau auffällt, ist die Vehemenz, mit der Pjöngjang auch Monate nach der Versenkung auf dem Thema rumreitet. Ich meine, die Koreas befinden sich gerade in einer Phase, in der die Zeichen eher auf Kooperation stehen und in der man beginnt die Cheonan-Geschichte etwas zu verdrängen. Warum holt Pjöngjang das denn gerade jetzt wieder aus der Kiste, obwohl eigentlich klar ist, dass einerseits keine wirklich schlimmen Konsequenzen daraus entstanden sind und andererseits eine Aufwärmung der Geschichte eher kontraproduktiv sein dürfte. Ich muss sagen, da bin ich relativ ratlos…

Der abschließende Bericht zum Untergang der Cheonan: Erster Überblick und Download


Am letzten Montag hat das südkoreanische Verteidigungsministerium ja den abschließenden Bericht zum Untergang der Cheonan veröffentlicht. Ich dachte ich schreibe erst darüber, wenn ich mir das Papier selbst ansehen kann. Da ich es eben auf der Internetseite gefunden habe, die die südkoreanische Regierung über den Untergang der Cheonan erstellt hat, ist wohl auch der Zeitpunkt gekommen, das Thema Cheonan nochmal anzusprechen.

Der Bericht der Joint Investigation Group (JIG), an der zivile und militärische Experten aus Südkorea, den USA, Australien und Schweden teilnahmen, ist mit 223 Seiten (ohne Anhänge) sehr umfangreich und enthält eine sehr detaillierte Dokumentation und Begründung der Ergebnisse. Die unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich von dem, was im vorläufigen Bericht der JIG zu lesen war. Allerdings sucht das Dokument die Zweifel die nach der Veröffentlichung des vorläufigen Berichts von verschiedenen Seiten laut geworden waren, zu zerstreuen. So wird beispielsweise sehr genau auf die Möglichkeiten eingegangen, dass das Schiff auf Grund gelaufen, oder durch die Explosion einer abgetriebenen Mine versenkt worden sein könnte. Auch die Frage, warum das Schriftzeichen, das „Nummer 1“ bedeutet, von der Explosion nicht „ausgebrannt“ wurde, wird umfassend erklärt (Allerdings ist da auch zu lesen, dass die Markierung unmittelbar nach dem heben des Torpedos nicht entdeckt wurde, sondern erst nach dem Transport vom Fundort, aber meiner Meinung nach ist diese Anmerkung auch ein Zeichen, dass die JIG versucht transparent zu sein.). Ich habe den Bericht natürlich noch nicht ganz gelesen und weiß auch nicht ob ich das machen werde (von manchen Sachen habe ich einfach keine Ahnung), aber einiges interessantes dürfte da noch zu finden sein.

Einen spannenden Hinweis, auch wenn ich etwas andere Schlüsse ziehe, habe ich auf dem Blog American Everyman gefunden. Dem Autor ist aufgefallen, dass die Unterschriften der Leiter der Untersuchungsteams aus den verschiedenen Ländern (am Anfang des Berichts) jeweils von der Standardfloskel:

As senior [ Name des Landes] Representative to the Republic of Korea Joint Investigation Group I concur with the findings and conclusions of this report

gefolgt wurden. Nur bei der Unterschrift des schwedischen Teamchefs gibt es eine Abweichung. Da ist nämlich an diesen Satz noch angehängt:

[…] relevant to the Swedish team’s participation

Der Autor des Blogs schließt daraus, dass Agne Widholm, der Leiter der schwedischen Gruppe, den restlichen Ergebnissen widerspricht. Während das natürlich nicht vollständig auszuschließen ist, würde ich die weichere Lesart wählen, die da lautet, dass Widholm einfach nichts unterschreibt, von dem er keine Ahnung haben kann, weil seine Leute daran keinen Anteil hatten.

Auch auf „The Cable“ dem Blog der amerikanischen Zeitschrift Foreign Policy geht der Autor auf den Bericht ein. Genauer auf das leidige Thema der nicht veröffentlichten russischen Ergebnisse. Er interpretiert den südkoreanischen Bericht auch als eindeutige Botschaft an Russland, dass das Schiff nicht von der Explosion einer Mine versenkt worden sei. Naja, die Zeit hätte sich der Autor wohl besser gespart, denn so ganz verstehe ich nicht was es bringen soll über einen russischen Bericht zu diskutieren, bei dem niemand weiß was drinsteht, bzw. nur aus „zuverlässigen Informationen“ die Zeitungen zugespielt wurden (was für mich enig mehr als nichts ist).

Naja, auf jeden Fall hat das JIG gut daran getan, den vollständigen Bericht endlich vorzulegen und damit im Zweifel eine wissenschaftliche Diskussion über die gewonnenen Erkenntnisse zu ermöglichen. Damit nimmt man Verschwörungstheoretikern den Wind aus den Segeln, außer natürlich es gibt wirklich große Lücken in der Argumentation. Auf jeden Fall kann sich nun jeder der Mag und Ahnung von der Materie hat (die geht mir in vielen Bereichen ab) an dem Bericht abarbeiten.

Achja, und bevor ich es vergesse: Hier gibts den Bericht natürlich zum runterladen (die Dateien haben jeweils so um die 10 Mb, das dauert als etwas). Alternativ könnt ihr den Bericht direkt von der oben genannten Homepage runterladen. Dort ist die englischsprachige Version mit „천안함조사결과_보고서_영문_1.pdf“ gekennzeichnet.

Joint Investigation Group Bericht, Teil 1

Joint Investigation Group Bericht, Teil 2

Joint Investigation Group Bericht, Anhänge

Von ersten Schritten, rhetorischer Abrüstung und langen Wegen: Die Atmosphäre auf der Koreanischen Halbinsel verbessert sich


Während das gespannte Warten auf die angekündigte Konferenz der PdAK weitergeht, beginnen die Fronten auf der internationalen Ebene scheinbar weicher zu werden. Allenthalben wird verbal abgerüstet und statt von Manövern, Flammenmeeren und heiligen Kriegen spricht man von Nothilfen, Familienzusammenführungen und sogar die Sechs-Parteien-Gespräche werden wieder erwähnt. Kann man darin den Anfang einer neuen Phase der Annäherungen sehen, oder fällt den Akteuren einfach nichts mehr ein, mit dem man die Spannungen verbal noch weiter erhöhen könnte und versucht man es deshalb nun mal andersrum? Dazu später mehr. Erstmal sollte man sich anschauen, was in der vergangenen Woche so alles passiert ist, das die Wahrnehmung verbesserter Beziehungen rechtfertigt.

Nothilfen für Nordkorea: Trägt Südkorea seinen Reisberg ab?

Nachdem Sinuiju von einer schweren Flutwelle des Yalu getroffen wurde und die Bevölkerung vor Ort scheinbar noch immer mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen hat, hat sich Nordkorea entschlossen um südkoreanische Hilfen zu bitten. Diesem Ersuchen scheint Seoul nach der Freilassung der Besatzung eines südkoreanischen Fischerbootes nachkommen zu wollen. Berichten zufolge soll eine Liste mit Vorschlägen für Hilfsgüter wie Reis und Zement (die Lieferung von schwerem Gerät wurde ausgeschlossen, da befürchtet wird, Nordkorea könnte dieses zu militärischen Zwecken missbrauche) an Nordkorea übermittelt werden und die Lieferungen sollen aufgenommen werden, wenn Nordkorea sich mit der Liste einverstanden erklärt.

Gerade um die Lieferung von Reis nach Nordkorea hatte es in den vergangenen Wochen Kontroversen gegeben. Bis zum Amtsantritt Lee Myung-baks hatte Südkorea jährlich etwa 400.000 Tonnen Reis an den Norden geliefert, unter der neuen Regierung waren diese Hilfen aber dann vollständig eingestellt worden. Allerdings waren die Hilfen offensichtlich nicht so selbstlos wie dies auf den ersten Blick schien. Denn damit konnte der Staat künstlich das Angebot an Reis verknappen und so die Preise stabil halten. Seit Lees Amtsantritt füllen sich nun die Lager und das Land hat mit einem veritablen „Reisberg“ zu kämpfen (Bis vor einem guten Jahrzehnt führten in der EU Agrarsubventionen ja auch zu unterschiedlichen Bergen und Seen, die allerdings nicht durch mildtätige Spenden sondern durch eine veränderte Agrarpolitik abgebaut wurden). Daher kämpfen die Reisbauern Südkoreas schon seit 2009 für eine Wiederaufnahme der Reislieferungen nach Nordkorea. Da nun das jährliche Reisaufkaufprogramm des Staates ansteht, die Lager aber alles andere als leer sind, steckt die Regierung in einer Zwickmühle. Dies führte nun zu neuerlichen Demonstrationen der Reisbauern, die (ganz selbstlos) Hilfen für Nordkorea forderten (erstaunlich bis bedenklich finde ich, dass beispielsweise Yonhap nicht über diese Proteste berichtet, sondern dass man nur in ausländischen Medien etwas darüber lesen kann (Warum? Keine Ahnung, waren zwar keine riesigen Proteste (3.000 Bauern), aber eine Notiz sollte das wohl wert sein)).

Familienzusammenführungen: Ein „weiches“ Zeichen der Annäherung

Ein anderes Zeichen der Annäherung war der Vorschlag Nordkoreas, die seit einem Jahr ausgesetzten Familienzusammenführung getrennter Familien in Süd- und Nordkorea wieder aufzunehmen. Auch dieser Vorschlag wird in Südkorea scheinbar mit Wohlwollen behandelt. Bei seiner Umsetzung wäre der recht kurzfristige Vorschlag, der vorgestern gemacht wurde und für den 22. September gilt, ein eindeutiges Zeichen der Entspannung, auch wenn er darüber hinaus wohl kaum als wegweisend gelten kann, da es einerseits nicht um die generelle Wiederaufnahme der Zusammenführungen geht und selbst eine grundsätzliche Wiederaufnahme der Zusammenführungen bei Bedarf schnell wieder rückgängig gemacht werden kann.

Lee lockt mit wirtschaftlichen Kooperationsangeboten

Aber auch aus Südkorea kamen Vorschläge, die eher in Richtung einer Annäherung deuten. Präsident Lee Myung-bak machte während einem Besuch in Russland die interessante Anmerkung, es sei vorstellbar ein zweites Kooperationsprojekt nach dem Vorbild des Industrieparks in Kaesong aufzubauen. Allerdings müsse Nordkorea dazu erst eine Atmosphäre schaffen, die ein solches Projekt ermögliche, unter anderem müssten sich die Investoren aus Südkorea ihres Besitzes sicher sein können. Grundsätzlich ist dies ein spannender und unerwarteter Vorschlag Lees, der wohl auch in Pjöngjang, das momentan ja großen Wert auf wirtschaftliche Entwicklung legt, auf Interesse stoßen dürfte. Allerdings ist fraglich, wieviel Substanz darin steckt, denn einerseits könnten die genannten (recht schwammig formulierten) Vorbedingungen Lees Forderungen enthalten, die das Regime in Pjöngjang nicht zu erfüllen bereit sein wird, andererseits stellt sich die Frage, ob sich zwischen den Regierungen zurzeit überhaupt genug Vertrauen entwickeln kann, um so ein Projekt ernsthaft anzugehen. Da muss man beobachten, ob von dieser Idee auch künftig noch die Rede sein wird.

Verlassen die USA die „Strategic-patience-Schmollecke“?

Auch die USA scheinen gewillt zu sein, der Diplomatie wieder mehr Chancen zu geben. Stephen Bosworth, der US-Sondergesandte für Nordkorea (von dem man, wäre er Nordkoreaner vermutlich gedacht hätte er säße in einem Arbeitslager, so wenig hatte man in den letzten Monaten von ihm gehört), ist heute in Seoul zu Konsultationen über die Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche angekommen. Unter anderem soll er sich mit Südkoreas Chefunterhändler bei den Gesprächen, Wi Sung-lac, treffen. Gleichzeitig war vom US-Vizeaußenminister Jim Steinberg zu hören, dass die USA eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche unter bestimmten Vorbedingungen begrüßen würden. Von Nordkorea forderte er:

We need to have concrete indications that North Korea is prepared, and wants, to return to the talks to seriously implement its commitments in the September 2005 joint statement.

Das kann zwar vieles heißen, allerdings klingt die Forderung nach konkreten Hinweisen, dass Nordkorea bereit ist zu den Gesprächen zurückzukehren um seine Zugeständnisse, die im Rahmen des Joint Statement von 2005 gemacht wurden, zu erfüllen, nicht besonders stark. Natürlich kann man die Aussage so oder so interpretieren, aber wenn man Steinberg beim Wort nähme, müsste Nordkorea nur ernsthaften Willen beweisen, aber noch keine weitreichenden konkreten Schritte machen. Für mich könnten diese Aussage und die Reise Bosworth (endlich!) eine Veränderte Haltung der USA signalisieren.

Annäherung? Bisher nur Gerede, aber der Test kommt bald!

Nimmt man das alles zusammen, gab es in dieser Woche wohl mehr positive Signale zwischen den verfeindeten Parteien, als in den letzten Fünf Monaten zusammen. Ob sich daraus allerdings eine nachhaltige Annäherung ergeben wird ist bisher nicht sicher. Rechnet man aus dem oben Beschriebenen die Rhetorik heraus und sieht sich die harten Fakten an, so ergibt das bisher ziemlich genau Null. Das soll aber nicht heißen, dass sich das nicht in Kürze ändern kann, denn zumindest die Nothilfen und die Familienzusammenführungen werden schon bald abgewickelt werden – oder eben nicht. Daraus könnte man dann auch etwas genauer ablesen, ob es sich hier tatsächlich um einen Trend handelt. Gleichzeitig könnten einige Punkte, wie die für nächste Woche angekündigte Veröffentlichung des südkoreanischen Untersuchungsberichts zum Untergang der Cheonan, aber vielleicht auch die südkoreanische Reaktion auf die erwartete Parteikonferenz in Nordkorea, diese zarte Annäherung schnell wieder abwürgen.

Nichtsdestotrotz ist das Umschalten der Rhetorik von Konfrontation auf Kooperation ein erster Schritt hin zu einer verbesserten Situation auf der koreanischen Halbinsel. Und um nochmal eine gute alte Phrase in den Raum zu stellen, die glaub ich auch aus der Nachbarschaft Koreas kommt: Auch der längste Weg beginnt mit einem ersten Schritt…

Russland schließt Untersuchung zum Cheonan Untergang ab – Keine Veröffentlichung der Ergebnisse


Lange hat es gedauert, bis der Bericht der russischen Untersuchungsgruppe zum Untergang der Cheonan fertig war. Jetzt scheint die Gruppe ihre Ergebnisse der Führung des Landes übermittelt zu haben. Dumm nur, dass scheinbar sonst niemand einen Blick darauf werfen können wird. Dies geht zumindest aus den Worten des russischen UN-Botschafters Vitaly Churkin hervor:

We have no intention of making it public. The essence of this report is reflected in our contribution to the text of the presidential statement which was read on July 9.

Was das hinsichtlich der Ergebnisse genau zu bedeuten hat ist wohl Interpretationssache. Klar dagegen scheint, dass diese geheim bleiben und dass damit weiterhin nichts wirklich klar ist. Yonhap verweist in seinem Artikel zu dem Thema zwar auf die Informationen, die in der Hankyoreh veröffentlicht wurden und die die Katastrophe einer Mine zuschreiben. Allerdings wurde sowohl von russischer, als auch von südkoreanischer Seite dementiert, dass die vorgestellten Ergebnisse tatsächlich aus dem russischen Bericht entnommen wurden. Daher ist es wohl sehr spekulativ, hier einen Zusammenhang herzustellen. Damit sind mehr oder weniger fundierten Theorien hinsichtlich des Untergangs der Cheonan weiterhin Tür und Tor geöffnet, ohne dass eine Seite („Nordkorea wars!“ oder „Nordkorea wars nicht!“) die Wahrheit für sich reklamieren kann.

Warum Russland den Bericht nicht veröffentlicht? Wüsste ich auch gerne, denn dann wüsste man wohl auch was ungefähr drin steht. Allerdings gibt es sowohl gute Gründe ihn nicht öffentlich zugänglich zu machen wenn man zu einem ähnlichen Ergebnis kam, wie die Gruppe unter südkoreanischer Führung, als auch, wenn sich die Ergebnisse beider Gruppen unterscheiden. Hätte man gleiche Ergebnisse würde man bedrängt werden auf die südkoreanisch-amerikanische Linie einzuschwenken, wenn die Ergebnisse bekannt wären. Wenn man zu einem anderen Schluss, beispielsweise dem in der Hankyoreh veröffentlichten, gekommen, müsste man eigentlich eindeutiger Position gegenüber Südkorea und den USA beziehen und diese sogar teilweise bloßstellen. Beides ist wenig wünschenswert und mit dem gesammelten Wissen kann man ja auch hinter den Kulissen auf die Parteien einwirken und hat immer die Drohung der Veröffentlichung in der Hinterhand.

Das wäre doch schön, wenn man den Bericht bald mal auf WikiLeaks nachlesen könnte. Allerdings glaube ich, dass man in Russland wohl mit härteren Strafen rechnen muss, wenn man Staatsgeheimnisse weitergibt. Daher ist das Kapitel „russischer Untersuchungsbericht“ wohl geschlossen ohne dass es wirklich geöffnet wurde.

Russischer Untersuchungsmarathon geht weiter — Offene Fragen und kein Einfluss auf deren Beantwortung


Ich habe mich in der letzten Zeit öfter mal gefragt, was eigentlich mit dem russischen Untersuchungsbericht zur Cheonan ist. Denn eigentlich sollte der ja im Juli kommen, ist aber offensichtlich noch nicht fertig. Also hab ich mich ein bisschen umgesehen und tatsächlich, es gibt Neuigkeiten. Scheinbar lässt man sich in Moskau weiter Zeit und gibt die Schuld dafür, dass man noch immer nicht fertig sei Südkorea.

Laut der Meldungen russischer Medien sagte der russische Marinekommandant Vladimir Vysotsky, dass die Untersuchungsgruppe bisher keine definitive Ursache für den Untergang der Cheonan habe finden können. Es gäbe noch offene Fragen hinsichtlich der internationalen Untersuchung unter südkoreanischer Führung, die einen nordkoreanischen Torpedo als Ursache für die Katastrophe identifiziert hatte. Diese seien bisher nicht beantwortet worden und es stände nicht in der Macht Russlands auf die Beantwortung der Fragen Einfluss zu nehmen (So interpretiere ich die beiden Artikel jedenfalls, die etwas schwammig formuliert sind).

Erstaunlich wie schnell die internationale Untersuchungsgruppe nach dem Fund der Beweise mit dem Ergebnis kam und wie lange das nun bei der russischen Untersuchung dauert. Einerseits könnte das heißen, dass die internationale Gruppe vorschnell mit ihren Ergebnissen an die Öffentlichkeit getreten ist (vielleicht auch mit Blick auf den südkoreanischen Wahltermin), andererseits wäre es aber auch möglich dass die Russen auf Zeit spielen. Vielleicht gefallen ihnen die Ergebnisse nicht so recht und sie wollen durch ihre Ergebnisse nicht für eine Verstärkung des Drucks auf Nordkorea sorgen. Daher könnte es sein, dass man einfach wartet, bis die Sache abgekühlt ist. Dazu würde auch passen, dass man in Moskau scheinbar erwägt, die Ergebnisse des Berichts garnicht zu veröffentlichen. Kann natürlich auch sein, dass man die USA und Südkorea nicht bloßstellen möchte und ihnen hinter vorgehaltener Hand zu verstehen gibt, dass man weiß dass ihr Bericht alles Andere als wasserdicht ist.

Alles in Allem sieht es wohl so aus müsste man/ich sich/mich von der Hoffnung verabschieden, dass die russische Untersuchung etwas mehr Klarheit in die Vorgänge rund um den Untergang der Cheonan bringen wird.

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