Vorgestern besuchte Südkoreas Präsident Lee Myung-bak Berlin, traf sich dort unter anderem mit unserer Kanzlerin und auf der anschließenden Pressekonferenz sagte er etwas, dass eigentlich zumindest am Rande, die Aufmerksamkeit unserer Medien hätte erregen können, aber nahezu unterging. Er erklärte nämlich, dass es durchaus denkbar sei, dass er Kim Jong Il auf den Atomsicherheitsgipfel im kommenden Jahr in Seoul einladen würde, zu dem Staats- und Regierungschefs aus etwa 50 Ländern erwartet werden.
Das sieht zunächst mal wieder nach einer großen Geste aus, ist jedoch nichts anderes als die Fortsetzung des Schwarzer-Peter-Spiels, dass seit Monaten zwischen den Koreas abläuft. Die Verpackung muss für Außenstehende toll aussehen, denn Nordkorea würde dadurch solch große internationale Anerkennung bekommen wie lange nicht (50 (!) sehr sehr wichtige Leute auf einmal, so viele hat Kim Jong Il vermutlich insgesamt seiner Karriere noch nicht getroffen) und könnte auf einem wichtigen Forum seinen Willen zur Denuklearisierung und damit zur Integration in die Staatengemeinschaft demonstrieren. Aber dummerweise sagen Verpackungen ja nicht immer etwas über den Inhalt des Geschenks aus. Denn vermutlich denkt Lee nicht daran, Kim zu dem Gipfel einzuladen und das wird er auch nicht müssen. Abgesehen davon, dass Kim sich vermutlich nicht die gefühlte Erniedrigung antun und durch seinen Besuch den diplomatischen Erfolg des verfeindeten Bruders im Süden anerkennen würde (ob es überhaupt einen vorstellbaren Anlass für ihn gibt, nach Seoul zu fahren darf man auch bezweifeln), hat Lee auch mit den üblichen Bedingungen für Sicherheit in diesem Bereich gesorgt. An (chronologisch) erster Stelle verlangt er weiterhin eine Entschuldigung Nordkoreas für die Versenkung der Cheonan und den Beschuss von Yonpyong. Dass er die bekommt ist schonmal fast undenkbar. Allerdings ist dies nur Voraussetzung dafür, dass man über eine Denuklearisierung Nordkoreas spricht (zweiter Schritt in der Chronologie) und Nordkorea öffentlich erklärt, auf seine Atomwaffen verzichten zu wollen (finale Bedingung). Hier habe ich eben noch ein interessantes editorial der — zugegeben linken — Zeitung Kyunghyang Shinmun gelesen, die das Ganze ähnlich sieht.
Er verlangt also, dass das Regime für die Reise auf einen Gipfel zu dem man nicht will, eine Entschuldigung ausspricht für etwas für das man keine Schuld anerkennt um dann etwas aufzugeben, dass man als zentral für die staatliche Sicherheit erachtet. Ich weiß nicht genau wie ihr das einschätzt, aber ich sehe da wenig Aussicht auf Erfolg. Das ist auch Lee klar, aber ganz im Sinne seines Spiels kann er so Pjöngjang als verantwortungslosen und Atomwaffenvernarrten Akteur präsentieren, der permanent die tollsten Angebote ausschlägt um weiter eine aggressive irrationale Politik zu verfolgen. Das ist mal wieder ein Lehrstück für Lees Politik der kalten Schulter.
Was mich aber wesentlich mehr erstaunt hat als Lees Leerformel, ist die Tatsache, dass die Aussagen in unseren Medien nahezu vollkommen untergegangen sind. Habt ihr in deutschsprachigen Medien was darüber gehört oder gelesen? Ich jedenfalls nicht (wobei ich allerdings sagen muss, dass ich auch mit anderem beschäftigt war). Und das wo man doch sonst fast jede noch so blödsinnige Schlagzeile aufgreift, die irgendwie mit dem „Irren in Pjöngjang“ zu tun hat. Naja, gab wohl besseres zu berichten oder unsere Journalisten haben das durchsichtige Kalkül Lees durchschaut (den letzten Halbsatz könnt ihr gleich wieder mit dem Hinweis auf noch so blödsinnige Schlagzeilen vergessen).
Naja, eigentlich also nichts Neues. Man spielt weiter das unselige Spiel (nur eben mal mit Kanzlerin in der Kulisse) und wird nächstes Jahr in Seoul vermutlich ohne Kim über Nordkoreas Nuklearprogramm sprechen müssen. Und dann ist Lee ja auch irgendwann mal weg und es gibt die Hoffnung, dass sein Nachfolger eine etwas andere Strategie als Lees Null-Kommunikations-Politik fährt.
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