Auf den Stand bringen: Was gestern (und die Tage davor) in Nordkorea passiert ist und was für morgen (und die Tage danach) daraus lernen können…


Es ist ja immer etwas schwierig, sich einen Eindruck über das zu machen, das in den letzten Wochen passiert ist, wenn man in der Zeit zuvor die Nachrichten und Neuigkeiten so garnicht verfolgt hat und deswegen viel nachzuarbeiten hat. Gleichzeitig biete es aber auch einen netten Vorteile, denn es hilft ein wenig den Blickwinkel einer grünen amphibischen Kreatur zu verlassen und stattdessen das Bild eher als Ganzes zu sehen und vielleicht einige weitere Zusammenhänge in den Blick zu bekommen. Auch auf die Gefahr hin, dass sich inhaltlich für einige von Euch das Eine oder Andere wiederholt werde ich in der Folge also erstmal versuchen, die Ereignisse bzw. Entwicklungen zu nennen (ich muss sie ehe aufarbeiten und wieso dann nicht gleich schriftlich), die mir von meinem heutigen Standpunkt als wichtig erscheinen um dann zu sehen, ob sich daraus in der Draufsicht interessante Zusammenhänge ergeben.

Olympia

Aus gegebenem Anlass will ich mich zuerst in aller Kürze mit dem Sport beschäftigen. In diesem Jahr nahmen laut KCNA 51 nordkoreanische Athleten an den olympischen Spielen in London teil (laut Veranstalter waren es 56) wovon allerdings allein 21 dem Fußballteam der Damen angehörten. Bei diesen olympischen Spielen waren die nordkoreanischen Sportler so erfolgreich wie selten zuvor. Nur 1992 fiel die Gesamtbilanz besser aus (wenn man Medaillenzählerei als legitimen Erfolgsmesser gelten lässt (wie ich höre strebt man in Deutschland jetzt nach höheren Idealen, nachdem das mit den Medaillen nicht so gut klappte, wie es das Innenministerium wünschte)). Drei der vier Goldmedaillen sowie eine der zwei bronzenen gab es im Gewichtheben eine Goldmedaille trugen die Judoka bei und eine aus Bronze kam von den Ringern.

Unter den olympischen Ringen trafen die südkoreanischen nordkoreanischen (Ups! Aber das kann ja jedem mal passieren…) Athleten auch auf Gegner aus den beiden Hauptwidersacherstaaten. Die Fußballmannschaft der USA schickte die nordkoreanischen Spielerinnen, die sich gut, aber eben nicht ausreichend geschlagen hatten, mit einem 1:0 zurück in die Heimat. Ähnlich lief es im Tischtennis, wo die südkoreanischen Herren die nordkoreanische Mannschaft nach guten Spielen aus dem Turnier warf. Bei beiden Events mühten sich die Medien ein bisschen politische Spannung aufs Spielfeld zu transportieren, aber im Sport geht es eben doch mehr um Sport und weniger um Politik und so waren die markigen Worte eines nordkoreanischen Spielers über einen „Tischtenniskrieg“ in dieser Hinsicht schon das Spektakulärste.

Zur Nachlese noch ein unerfreulicher Aspekt: Wie immer, wenn nordkoreanische Sportler an internationalen Großevents teilnehmen, wird es auch dieses Mal wieder das Arbeitslagergerücht geben (in etwa: „Jeder der kein Gold nach Pjöngjang bringt, muss samt Kindern und Kindeskindern in den Arbeitslagern schuften.“). Die Arbeitslager existieren und darauf muss die Weltöffentlichkeit hingewiesen werden. Das ist wahr. Aber alle zwei Jahre in Form von Falschmeldungen (die dann auch noch Enten der letzten Großereignisse als Beleg nenne) — Muss das denn sein?

Überschwemmungen und El Niño

Weiterhin hat in Nordkorea die Zyklonsaison angefangen und bei den ersten heftigen Überschwemmungen gab es schwere Schäden an Sachen und Menschen (Die Deutsche Welthungerhilfe spricht von 88 Toten, 68.000 Obdachlosen und 30.000 Hektar überschwemmten Ackerlandes). Auch die entsprechenden Hilfen (auch aus Deutschland) sind bereits angelaufen. Diese Ereignisse sind sicherlich schrecklich, gleichzeitig aber auch irgendwie kalkulierbar, denn es kommt jedes Jahr zu dieser Jahreszeit zu ähnlichen Überschwemmungen. Abzuwarten bleibt allerdings noch, ob die Phänomene in diesem Jahr extremer ausfallen werden, da mit El Niño ein weiterer Unruhestifter im Anmarsch ist, den man in Nordkorea kennt und fürchtet (der Link ist sehr zu empfehlen, weil dahinter ein sehr spannendes neues Blog steht, über das ich eben erst gestolpert bin!). Also Augen auf das Wetter in nächster Zeit.

Medienkampagne gegen Spionagebedrohung etc.

In den nordkoreanischen Medien hat man eine Kampagne gestartet, um Kim Jong Ils Andenken ins rechte Licht zu rücken, ihn zu heroisieren und die positive Erinnerung an ihn fest bei der Bevölkerung zu verankern. Parallel dazu läuft die Angstkampagne, die schon vor meiner Abreise begonnen wurde, weiter. Der inneren und äußeren Bedrohung durch Agenten, Spione und Saboteure soll energisch entgegengetreten werden und darüber wird die Bevölkerung eigentlich tagtäglich auf dem Laufenden gehalten. So versucht man wohl den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken (man wird ja angegriffen und jenseits des eigenen sicheren Landes droht die Gefahr) und möglicherweise auch rigide Maßnahmen im Inneren schonmal präventiv zu rechtfertigen (schließlich kann ja jeder ein Terrorist, Saboteur oder Agent sein, wenn die Staatsmacht da mal brutal zuschlägt, wird das schon seine Richtigkeit haben), sollten sie irgendwann notwendig sein.

Regimemodifizierung geht scheinbar weiter

Scheinbar geht auf etwas weniger spektakulärem Niveau auch der Umbau an der Spitze des nordkoreanischen Militärs weiter, bzw. wird sichtbar. So sieht es ganz danach aus, als sei auch der Chef der Marine nicht mehr in seinem Amt.

Das diplomatische Parkett

Japan

Auf dem diplomatischen Parkett hat sich einiges und auch nicht ganz unwichtiges getan. So wird über ein Treffen auf Ebene des Roten Kreuzes zwischen nordkoreanischen Vertretern und abgesandten Japans in Peking berichtet. Dabei soll es um die Rückführung bzw. Besuchsmöglichkeiten der Überreste von japanischen Soldaten gegangen sein, die zwischen 1910 und 1945 auf nordkoreanischem Territorium bestattet wurden bzw. gestorben sind (immerhin vermutlich weit über 20.000 Fälle). Nach japanischen Angaben haben beide Seiten eine Einigung erzielt und die jeweiligen Vertreter des Roten Kreuzes werden ihre Regierungen auffordern, sie bei der Umsetzung der Einigungen zu unterstützen. Wer die schwierige Außenpolitik Nordkoreas mit den Staaten, die man als Feinde betrachtet und mit denen es keine diplomatischen Beziehungen gibt (beides trifft aktuell auf Japan zu) ein bisschen kennt, der weiß, dass Einigungen in humanitären Fragen häufig den Auftakt zu einer generellen Aufhellung der Beziehungen darstellten. Im Falle Japans bleibt aber noch als übergroßer Stolperstein die Entführtenfrage im Raum. Zeigt die Führung in Pjöngjang hier kein Entgegenkommen, sind auch Annäherungen in anderen Bereichen außer Reichweite.

USA

Auch zwischen den USA und Nordkorea gab es offenbar Gespräche. Die waren aber weniger offiziell. Berichten zufolge sprach man in den letzten Wochen in Singapur und New York miteinander. Die Gespräche in Singapur klingen soweit ich das sehe (was ist das denn für ein behämmerter Satz von mir? „Gespräche..klingen…soweit ich sehe…“ Naja, vielleicht  ist mir lauter „szch“, „csch“, „szcz“ und so im Urlaub das Hirn ein bisschen vernebelt)  eher nach einem Track-II austausch (ohne direkte Regierungsbeteiligung zumindest von Seiten der USA). In New York war es aber recht offiziell und es ging wohl hauptsächlich um Nahrungsmittelhilfen, aber immerhin war mit Cliffort Hart der Vertreter der USA bei den Sechs-Parteien-Gesprächen dabei. Und wenn man sich an die Politik der Konditionalität der USA gegenüber Nordkorea erinnert, dann weiß man ja, dass Hilfen unter der aktuellen Regierung an Leistungen aus Pjöngjang gebunden zu sein scheinen, was dann wohl soviel heißt wie: Es geht nicht allein um Hilfen.

Südkorea

Selbst mit Südkorea gab es die Anmutung einer Annäherung. Da ging es einerseits um das Ressort im Kumgangsan, dass maßgeblich von südkoreanischer Seite gebaut und dann enteignet worden war (hier war eine Delegation südkoreanischer Geschäftsleute zu besuch). Andererseits sandte Seoul Signale aus, indem es Pjöngjang gespräche über Familienzusammenführungen anbot (ebenfalls ein Hinweis auf eine Verbesserung der Beziehungen). Hier scheint die Führung in Pjöngjang jedoch wenig Entgegenkommen gezeigt zu haben, denn heute gab es eine Pressemitteilung des südkoreanischen Vereinigungsministeriums, in der Nordkorea die Schuld für das nicht Zustandekommen vorbereitender Gespräche zugewiesen wird, da Pjöngjang solche an weitere Bedingungen hinsichtlich dem Kumgangsan geknüpft habe.

Kim Yong-nam schon wieder in Südostasien

Das Werben um viele Staaten Südostasiens geht unterdessen ungebremst weiter. Kim Yong-nam, der nominelle Stellvertreter Kim Il Sungs als Staatspräsident ist schon wieder in die Region gereist. Dieses Mal nach Vietnam und Laos. Damit haben befreundete und nicht ganz so befreundete Staaten in dieser Region in diesem Jahr ein ungewöhnliches Maß an Aufmerksamkeit bekommen. Im Gespräch hatte Kim neben Außen- auch mal wieder Wirtschaftspolitiker. Da wird es in diesem Jahr noch einiges interessantes zu sehen geben denke ich.

Was auffällt

Teilweise Öffnung nach Außen…

Wenn man sich das jetzt alles so zusammengewürfelt anschaut, dann fällt mir vor allem in diplomatischer Hinsicht etwas auf. Scheinbar ist man gewillt, sich gegenüber Japan und vielleicht auch den USA wohlwollend zu zeigen, während man Seoul die kalte Schulter zeigt. Es sieht so aus, als würde man versuchen mit der „neuen Führung“ ein bisschen im Trüben zu fischen und zu sehen, ob man mit den USA oder Japan einen dicken Fisch an den Haken bekommt. Damit manipuliert man im Vorfeld der Wahlen in Südkorea am Dreierbündnis herum, das in den letzten Jahren so gut zusammenhielt und die nordkoreanische Politik damit vor einige Herausforderungen stellte. Gleichzeitig lässt man (Wenn man erfolgreich ist) Südkoreas Präsidenten Lee (und mit ihm seine politische Linie gegenüber dem Norden) als Verlierer dastehen und macht ein solches Vorgehen für einen Nachfolger unattraktiver. Gerade Japan scheint aktuell ein hoffnungsvoller Adressat für nordkoreanische Avancen. Südkoreas Präsident Lee hat mit seinem Besuch auf der umstrittenen Dokdo-Inselgruppe (Das Wort „Insegruppe“ ist ein Euphemismus: Es handelt sich um Steine im Wasser, allerdings mit entsprechenden Ausbeutungsrechten in der Umgebung) die ohnehin in letzter Zeit etwas gespanntere Situation um diese Inseln weiter verschärft und diplomatisch einiges Porzellan zerdeppert (Japan hat erstmal seinen Botschafter nach Hause gerufen). In dieser Situation könnte man in Pjöngjang hoffen, bessere Karten in Tokio zu haben. Naja und in den USA ist man im Wahlkampf und man weiß, dass Lee auch nicht mehr lange bleibt. Daher ist es nicht abwegig, dass man versucht das Dreierbündnis in seine Bestandteile zu zerlegen.

…Barrikaden bauen nach Innen.

Parallel zu der Öffnung nach außen hin, ist nach innen besagte Angstkampagne zu vermerken. Vielleicht soll das Misstrauen der Bevölkerung gegen Fremde so aufgefrischt und gestärkt werden, so dass es bei einer merklichen Öffnung nicht zu schnell zu einer Infektion mit westlichen Gedanken und Ideen kommt. Auch die Vorgänge in der Arabischen Welt und vor allem in Syrien dürften die Führung in Pjöngjang weiter von der Notwendigkeit überzeugen, den Menschen im Land die Neugier und die Interesse an der Außenwelt auszutreiben und überall Gefahren zu sehen.

Unsicherheitsfaktor

Einen kleinen Unsicherheitsfaktor im Agieren Pjöngjangs könnte die Entwicklung des Wetters bereithalten. Wenn das Wetter in diesem Jahr tatsächlich verrücktspielen sollte und für größere Schäden sorgen sollte, als das gewöhnlich der Fall ist, würde dies die Handlungsspielräume der Führung in Pjöngjang verändern bzw. verengen. Noch ist die Nachfolge nicht abgeschlossen und eine weitreichende humanitäre Katastrophe könnte in der Bevölkerung für Unmut sorgen. Daher sollte man ab und zu die Augen zum Himmel heben und auf aufziehende Stürme achten, sie könnten auch politische Wirkung haben.

Veranstaltungstipp

So, damit bin ich auch schon fast durch, möchte aber noch schnell auf eine Veranstaltung hinweisen, deren Besuch sicherlich für alle, die hier mitlesen eine höchstinteressante Sache wäre. Das GIGA in Hamburg lädt für den 5. September zu der hervorragend besetzten Veranstaltung aus der Reihe GIGA-Forum: Nordkorea nach Kim Jong II: Einblicke in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft„. Es wird Vorträge vom deutschen Botschafter in Pjöngjang, Gerhard Thiedemann (ich habe mir sagen lassen, dass es sehr lohnend ist ihn mal sprechen zu hören) und dem NDR Journalisten Mario Schmidt, der bis 2010 Ostasienkorrespondent der ARD war, geben. Die Moderation übernimmt mit Patrick Köllner ebenfalls ein ausgewiesener Experte und hervorragender Wissenschaftler. Die Veranstaltung ist kostenlos und man muss sich nicht anmelden. Zumindest für die Nordlichter unter Euch dürfte das eines der wenigen Highlights im Nordkorea-Jahreskalender sein, also schauts Euch an.

Vereint im Sport II: Ping-Pong-Diplomatie reloaded


Die einende Kraft des Sports sollte man zwar nicht überschätzen, aber ein gegenseitiges Kennenlernen und gemeinsames Arbeiten auf ein Ziel hin ist immerhin ein kleiner Schritt in eine gute Richtung. Und dass aus solch kleinen Schritten größeres entstehen kann, demonstrierte ja nicht zuletzt die berühmte Ping-Pong-Diplomatie zwischen China und den USA, die der Überlieferung zufolge zur Annäherung beider Staaten Anfang der 1970er Jahre führte. Diesem Vorbild folgt auch der „Peace and Sport Table Tennis Cup“, der heute und morgen in Katar stattfinden wird und  in dessen Rahmen nicht nur Spieler aus Indien und Pakistan gemeinsame Doppel spielen werden, sondern auch zwei Teams aus Süd- und Nordkoreanern (Damen und Herren).

Dass gemeinsame Auflaufen Süd- und Nordkoreanischer Tischtennisspieler ist zwar keine Premiere, aber das letzte Mal ist schon ziemlich lange her. 1991 gewann das Damenteam im japanischen Chiba sogar eine Goldmedaille. Ein Erfolg den die Sportler sicherlich gerne wiederholen würden. Vollkommen abwegig ist das vermutlich nicht, denn Tischtennissupermacht China wird mit Katar zusammen ein Team bilden und hat damit einen relativ schwachen Partner.

Vielmehr als Symbolik steckt in dem gemeinsamen Spiel der Koreas wohl nicht drin. Aber vielmehr können Sportler wohl auch nicht zu einer Annäherung beitragen und daher ist es gut, dass aus dem Sport immer wieder positive Zeichen zu vermerken sind. Auch die Fußballkollaboration in Basel scheint nach wie vor ganz gut zu funktionieren. Kürzlich lief Pak Kwang-ryong als erster Nordkoreaner in der Championsleague auf und mit seinem südkoreanischen Kollegen Park Joo-ho scheint er sich zumindest auf dem Platz gut zu verstehen. Ich habe kürzlich irgendwo einen Artikel dazu gelesen, in dem Park berichtete, dass man sich privat aus dem Wege ginge um politische Schwierigkeiten zu vermeiden (leider weiß ich nichtmehr wo). Auch wenn weder Fußball noch Tischtennis Mauern einreißen werden, ist es trotzdem eine gute Sache, wenn die beteiligten Sportler jeden Tag erleben, dass es vermutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt.

Mutig Mutig! Der Vorschlag die Olympischen Winterspiele gemeinsam auszutragen und Nordkoreas Reaktion


In der letzten Woche gewann Südkorea oder um genau zu sein Pyeongchang ja den Wettbewerb um die olympischen Winterspiele 2018 (die Bewertung liegt bei jedem selbst, ich finde die Südkoreaner haben es verdient und vermutlich ist es zu niemandes Schaden, auch und vor allem nicht hier in Deutschland). Kurz darauf machte der Vorsitzende der oppositionellen Democratic Party (DP), Sohn Hak-kyu, von sich reden, als er vorschlug, die Spiele zusammen mit Nordkorea auszutragen. Er ließ sich mit den Sätzen:

I will seriously review the possibility of holding the Pyeongchang Winter Olympics jointly with North Korea […] The preparations for the Games will go beyond forming a single inter-Korean team and laying the foundation for joint training.

zitieren, was durchaus mutig ist, wenn man sich mal anschaut, wie oft beide Koreas bisher gemeinsame Mannschaften bei olympischen Spielen gebildet haben (mal ganz abgesehen von den nicht eben herzlichen Beziehungen die zurzeit auf der Koreanischen Halbinsel herrschen). Dass der Vorschlag nicht als wirre Idee eines Politikhinterbänklers gewertet werden kann, belegt die Tatsache, dass Sohn als aussichtsreicher Kandidat der DP für den Präsidentschaftswahlkampf im kommenden Jahr gilt. Mittlerweile gibt es auch so etwas wie eine Antwort von der nordkoreanischen Seite (vielleicht doch eher nur von einem Nordkoreaner. Man weiß es nicht), die auf der einen Seite zeigt, dass sich Nordkorea dieser Idee nicht von vorne herein verschließt. Vor allem wird aber deutlich, wie dünn das Eis ist, auf dem Sohn da erste Wahlkampfpirouetten übt:

The political and military situations between the Koreas aren’t good, and they have to be improved. Otherwise, they could influence the Olympics.

sagte Jang Ung, ein hochrangiger Funktionär des olympischen Komitees Nordkoreas nordkoreanisches Mitglied des Internationalen Olymischen Kommittees gegenüber der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap. Die latente Drohung die da mitschwingt ist nicht zu überhören, denn wer nach Ansicht Jangs in der Bringschuld ist (ich hätte fast geschrieben „liefern muss“ obwohl ich dieses pseudo progressive möchtegern business Geschwafel sowas von zum ko… nicht besonders schätze), ist klar. Zwar wird auch deutlich, dass man in Nordkorea die Olympiade in Pyeongchang so oder so als Ansatzpunkt für mögliche Erpressungen sieht, aber wievielmehr erpressbarer wäre der Süden, wenn er den Erfolg der Spiele unmittelbar vom Mittun und damit dem „guten Willen“ der Nordkoreaner abhängig machen würde. Sicherlich würde die gemeinsame Ausrichtung der Spiele es den Nordkoreanern unmöglich machen, während der Spiele für Stress zu sorgen. Aber im Vorfeld dürfe das die Nerven der südkoreanischen Organisatoren mit Sicherheit belasten. Ob sich Sohn mit dem Vorschlag einen Gefallen getan hat, dass kann bis jetzt zumindest bezweifelt werden. Denn es könnte sein, dass er als möglicher Präsident die Verantwortung dafür tragen muss.

Jedoch wird aus seiner Idee eines sehr deutlich. Sollte er bei den Wahlen antreten und gewinnen, dann wird das Pendel der Nordkoreapolitik seines Landes wieder zurückschwingen. Für mich klingt das nach Hardcore-Sonnenschein. Ob das dann besser wäre als Lees Bulldozer-Politik weiß ich auch nicht. Dass der von Kim Dae-jung und Roh Moo-hyun eingeschlagene Annäherungskurs nicht nachhaltig gewirkt hat und von Pjöngjang zumindest teilweise ausgenutzt wurde, ist heute hinlänglich bekannt. Aber wir werden sehen. Und bis dahin kann sich Sohn Hak-kyu ja noch überlegen, ob und wie er aus der „wir-richten-Olympia gemeinsam-aus-Geschichte“ nochmal rauskommt.

Vereint im Fußball: Beim FC Basel spielen Süd- und Nordkoreaner zusammen


Passend zur Frauen-Fußball WM habe ich eben eine interessante Meldung rund um die schönste Nebensache der Welt gelesen. Keine Angst, ich werde nichts von Blitzschlägen und ähnlichem schreiben, die ursächlich für die 2:0 Niederlage des nordkoreanischen Frauenteams gegen die USA war. Ich will mich stattdessen den Herren widmen. Wie ja im letzten Jahr im Zuge der Herren WM bekannt wurde, hält der Schweizer Karl Messerli viele oder alle Transferrechte nordkoreanischer Spieler für Westeuropa und soll (und will) sie dementsprechend auch vermitteln. Im letzten Jahr ist ihm das auch mit zumindest zwei Kickern gelungen, die beim schweizerischen Zweitligisten FC Wil spielten. Einer der beiden, Pak Kwang-ryong, wechselt nun zum FC Basel, dem aktuellen Schweizer Meister, der auch Chancen auf die Champions League-Teilnahme hat. Die ersten Gehversuche des Stürmers, der bis 2016 unter Vertrag steht scheinen recht erfolgreich gewesen zu sein.

Damit ist nach Jong Tae-se ein weiterer Nordkoreaner oben im europäischen Profifußball angekommen (natürlich ist Schweizer Meister wohl noch etwas besser, als dritter der zweiten Bundesliga). Allerdings ist Pak anders als Jong ein „echter“ Nordkoreaner, der auch dort geboren wurde. Da stellt sich für mich natürlich die Frage, wie das „organisatorisch“ geregelt wird, denn vor einer Verseuchung vor fremdem Gedankengut wird man den Spieler wohl kaum schützen können. Vor allen Dingen nicht, da zu dieser Saison ein weiterer koreanisch sprechender Spieler zum FC Basel wechselte. Der südkoreanische Nationalspieler Park Joo-ho. Dass die Zusammenarbeit  im Fußball ganz gut klappen kann belegten beide auch gleich, als Park eine maßgeschneiderte Flanke für ein Tor Paks servierte. Und wenn man auf dem Feld so gut zusammenspielt, wird man sich wohl auch neben dem Platz mal unterhalten. Ob das Paks ideologische Reinheit unbeschädigt lassen wird? Könnte sowas wie ein erster winziger Schritt zu so etwas wie „Fußball-Diplomatie“ sein. Natürlich weiß ich nicht, ob Pak irgendwelche Sonderregeln einhalten muss, aber bei einem professionellen Erstligaclub dürfte eine permanente Abschirmung des Kickers unmöglich sein. Das dürfte auch den verantwortlichen Nordkoreanern bewusst sein.

Ich denke, dass man das las ein (weiteres) Signal einer sehr vorsichtigen Öffnung des Landes sehen kann. Weitere Beispiele sind die Aktivitäten im Bereich Medien und Internet (Es sieht so aus, als hätten KCNA und AP jüngst etwas vereinbart) sowie die Ausweitung des Liniennetzes der Staatsfluginie Air Koryo (auch hier hat sich seit meinem letzten Bericht ja noch einiges getan (Kuwait und Shanghai). Das wird vermutlich sehr, sehr langsam und vorsichtig (Kims Regime will ja überleben und weiß daher, dass überstürztes Handeln selbstmörderisch ist) vonstattengehen und vielleicht auch mal Rückschläge erfahren, der strategische Wille scheint aber da zu sein.

Nordkorea bei der Frauen-WM: Roundup von „interessant“ bis „überraschend“


Heute möchte ich mich mal mit einem Thema beschäftigen, von dem ich ehrlich gesagt noch weniger Ahnung habe, als es das ja ohnehin oft der Fall ist. Aber wenn schonmal die Frauen Fußball WM in unserem Land stattfindet und die nordkoreanischen Damen es auch wieder in die Endrunde geschafft haben, dann komme ich da wohl kaum drumrum (und es ist ja auch selten schädlich sich mit etwas zu befassen, mit dem man sich bisher nicht so gut auskennt). Und außerdem möchte ich ja kein blöder Macho-Chauvi sein und will den Frauenfußball genauso würdigen, wie ich es letztes Jahr bei den Herren getan habe.

Eine Größe im internationalen Frauenfußball

Die nordkoreanische Nationalmannschaft schlägt sich schon seit Jahren auf internationaler Ebene recht beachtlich. Sie gewann schon dreimal (2001, 2003 und 2008) den AFC Women’s Asian Cup. Zu den letzten drei Weltmeisterschaften waren die nordkoreanischen Kickerinnen ebenfalls qualifiziert und zogen 2007 sogar ins Viertelfinale ein, wo sie von den späteren Siegerinnen aus Deutschland gestoppt wurden. Die guten Leistungen auf internationaler Ebene hängen wohl mit der intensiven Jugendarbeit zusammen, die sich auch in den noch größeren Erfolgen Nordkoreas in diesem Bereich widerspiegelt (bspw. U-20 WM 2006 gewonnen, 2008 zweite). Berichten zufolge werden die größten Talente schon in früher Jugend speziell ausgebildet, wobei der Fußballverband aus einem Pool von über 350.000 Mädchen zurückgreift. Außerdem vermute ich, dass die nordkoreanische Konkurrenzfähigkeit im Frauenfußball noch auf einem anderen Fakt beruht. Anders als bei den Herren ist die Professionalisierung hier noch nicht so weit fortgeschritten. Dadurch macht die wesentlich geringere Erfahrung der nordkoreanischen Spielerinnen durch internationale Spiele auf Vereinsebene weniger aus, als bei den Männern, die im letzten Jahr gegenüber den Spitzen (und mittelmäßigen Teams) doch relativ deutlich abfielen.

Taktisch geschult, aber nicht kreativ

Über die Spielerinnen und ihre Stärken weiß ich leider relativ wenig (es wird ja auch (wie immer wenn das Schlagwort „Nordkorea“ fällt) viel Schwachsinn „berichtet“ und kommentiert). Ich hätte mir natürlich das Testspiel der Mannschaft gegen die deutschen Damen angucken können, um mir ein Bild zu machen, aber Testspiele sind mir meistens ein Graus (ich hasse es einfach, wenn zur Halbzeit die halbe Mannschaft ausgetauscht wird und danach nichts mehr läuft). Aus Vor- und Nachbericht geht allerdings hervor, dass die nordkoreanischen Spielerinnen vor allem taktisch und athletisch fit sind und so wohl relativ effektiv verhindern, dass die gegnerische Mannschaft ihr Spiel vernünftig aufbaut (was oft ein deutliches Zeichen dafür ist, dass es nicht besonders spaßig sein könnte, dass Spiel anzuschauen). Der deutschen Mannschaft waren sie aber wohl trotzdem deutlich unterlegen, was sich auch im 0:2 Endergebnis widerspiegelt. Interessanterweise haben auch die nordkoreanischen Medien über das Freundschaftsspiel berichtet, obwohl man verloren hat, allerdings ohne diesen Sachverhalt (den der Niederlage) anzusprechen. Vielmehr erfreute man sich an der „experience in tactics and operation“ die man „through the match“ gewonnen hat. Die wohl beste Bewertung bzw. Analyse des nordkoreanischen Teams habe ich auf dem Sportschau Blog zur Frauen WM gefunden. Der Tenor: Die nordkoreanischen Frauen sind durch ihre intensive Ausbildung taktisch und in puncto Spielverständnis hervorragend geschult. Allerdings mangelt es ihnen an Kreativität und individuelle Ideen. So können gegnerische Mannschaften durch eine geschickte taktische Vorgehensweise das starre standardisierte Spiel der Nordkoreanerinnen von Anfang an stören, worauf diesen dann wegen der oben genannten Schwächen keine Antwort einfällt. Wie gesagt, ich habe das Damen Team, in dem keine WM-Fahrerin von 2007 dabei ist, noch nicht spielen sehen, aber die Analyse klingt nach der Betrachtung der Herren-WM schlüssig. Mehr werden wir dann wohl ab dem 26. Juni erfahren.

Doch für Überraschungen gut: Wo die Disziplin aufhört

Einen kleinen Knacks bekam das Klischee von den disziplinierten und gedanklich starren Fußballerinnen allerdings, als ich einen Bericht über einen (für mich überraschenden (kann eigentlich etwas „überraschend“ sein, das vor fünf Jahren passiert ist? Aber ihr wisst ja was ich meine)) Vorfall im Rahmen des AFC Women’s Asian Cup im Jahr 2006 gelesen habe. Nach der knappen Halbfinalniederlage gegen China sind nämlich drei der nordkoreanischen Spielerinnen gegen die Schiedsrichterin tätlich geworden. Eine schlug nach dem Abpfiff mit ihrem Schuh nach ihr, während zwei ihrer Kameradinnen Wasserflaschen nach der Italienerin warfen, die von Securitys vom Platz gebracht werden musste. Ehrlich gesagt wundert  es mich gleich doppelt, dass es zu einem solchen Zwischenfall kam. Einerseits dachte ich, nur adrenalindurchflutete Männer würden sich so total vergessen und andererseits hätte ich das speziell von Nordkoreanerinnen, die definitiv eine stark „disziplinlastige“ Ausbildung erfahren haben, nicht erwartet.

Nordkoreanische Doku über Frauenfußball…

Wenn ihr etwas mehr über die nordkoreanisch Sicht auf den eigenen Frauenfußball erfahren wollt, dann empfehle ich euch diese Dokumentation, aber ihr wisst ja: In Nordkorea sieht man manche Dinge etwas anders als sonstwo, aber der Großteil des Berichts handelt von den objektiv nicht zu bestreitenden Erfolgen der nordkoreanischen Mannschaft.

…und ein österreichischer Film zur WM

Außerdem kommt in der kommenden Woche (fast) pünktlich zum Start die österreichische Dokumentation „Hana, Dul, Sed“ in die Kinos. Die Regisseurin Brigitte Weich begleitete für diesen Film vier nordkoreanische Fußballerinnen, die zu Beginn noch in der Nationalmannschaft spielten, über fünf Jahre hinweg. In diese Zeit fällt auch ein Bruch im Leben der Spielerinnen. Als sich die Nationalmannschaft nicht für die olympischen Spiele in Athen (2004) qualifizieren konnte, fanden die Karrieren der Spielerin ihr abruptes Ende und im Rest des Films werden sie dabei begleitet, wie sie sich ein Leben jenseits vom Fußball aufbauen. Ich habe den Film nicht gesehen, daher kann ich ihn auch nicht empfehlen, aber die Kritiken sind gut und wenn er in meiner Gegend kommen sollte, dann werde ich ihn mir wohl anschauen. Mit Trailern ist das ja immer so eine Sache, aber vielleicht helfen sie euch ja bei der Entscheidungsfindung:

Ein Stück Nordkorea kommt nach Deutschland: VfL Bochum holt Jong Tae-se


Einige von euch werden sich sicherlich noch an Jong Tae-se erinnern, den nordkoreanischen Stürmer, der aufgrund seines emotionalen Auftritts beim Absingen der nordkoreanischen Hymne vor dem Spiel gegen Brasilien einen prominenten Platz in meiner Berichterstattung über dieses Spiel bekommen hat. Eben jenen Jong  wird man im nächsten Jahr wohl öfter mal im deutschen Fernsehen bestaunen können, denn er hat vor ein paar Tagen (ich weiß, die Nachricht ist nicht brandaktuell, aber bisher empfand ich andere als wichtiger, aber ein nordkoreanischer Fußballer in Deutschland: Das gehört definitiv hierher) einen Vertrag beim VfL Bochum unterschrieben. Damit wechselt der erste nordkoreanische Spieler (und auch der Auffälligste des WM Teams) in eins der großen europäischen Fußballländer, wenn auch nur in die zweite Liga. Jong unterschrieb einen Zweijahresvertrag mit Option für ein weiteres Jahr. Ob Bochum diese Option zieht wird vermutlich auch davon abhängen, ob er seine Torgefährlichkeit im neuen Umfeld unter Beweis stellen kann, denn die ließ während der WM meiner Meinung nach zu wünschen übrig. Allerdings hat er es in der zweiten Liga ja auch nicht mit solch hochkarätigen Gegenspielern wie beispielsweise Lucio zu tun und wird daher vielleicht weniger überhastet agieren wie bei der WM.

Wie ich bereits vor der WM schrieb, ist Jong ein nordkoreanischer Sonderfall. Zwar hat er einen nordkoreanischen Pass und spielt für die nordkoreanische Nationalmannschaft (und war soweit ich mich erinnere der einzige Spieler, der während dem Absingen der Hymne Rotz und Wasser heulte), allerdings hat er ansonsten nicht wirklich viel mit Nordkorea zu tun. Er wurde in Japan (wo es eine große Gruppe koreanisch-stämmiger Menschen gibt, die teilweise enge Verbindungen zu Nordkorea pflegen) geboren und verbrachte (schaut man sich die Stationen seiner bisherigen Karriere an) seine Jugend in Südkorea, bevor er wieder nach Japan und dort zum Kawasaki Frontale (schöner Name) zurückkehrte. Er ist also nicht in Nordkorea sozialisiert worden und sollte man ihn mal im Interview oder so sehen, stellt er nicht den „typischen Nordkoreaner“ dar. Trotzdem ist er gerade wegen dieser Besonderheiten ein interessanter Typ, denn es bleibt für mich nach wie vor schwer verständlich, wie man in freien Gesellschaften, die Südkorea und Japan ja zweifelsfrei sind leben und sich trotzdem den Realitäten, was die Herrschaft und die Situation in Nordkorea angeht, so gänzlich verschließen kann (die Entscheidung für Nord- und nicht für Südkorea aufzulaufen kann nicht nur sportlich motiviert sein, wenn man sich seine Tränen ins Gedächtnis ruft). Vielleicht wird man im Laufe der Zeit mehr darüber erfahren. Einen ersten Eindruck seiner Person kann man durch ein kleines Interview gewinnen, das auf der Internetseite des VfL Bochum zu finden ist. Über Deutschland sagt er dort:

Hier wird alles immer sehr korrekt geklärt. Alles hat seine Ordnung, man kann sich auf Zusagen verlassen. Das gefällt mir sehr gut.

Fand ich irgendwie schön (die guten alten Klischees), aber auch bezeichnend. Zucht und Ordnung scheinen für ihn an erster Stelle zu stehen (nach dem Tore schießen natürlich, an dem er weiter arbeiten will (und muss)), ob das allerdings von seiner Erziehung herrührt oder daher, dass man sich anderswo nicht immer auf Zusagen verlassen kann (wie gesagt weiß ich nicht wie das im Sport ist, aber in der Politik haben die Oberen in Pjöngjang damit ja gelegentlich ihre Schwierigkeiten). Naja, wie sich Jong sportlich bewährt, das werden wir in den nächsten Monaten ja vielleicht beobachten können und vielleicht gibt es ja auch irgendwann noch mehr über seine Person zu lesen bis dahin habt ihr aber dann wirklich eure Ruhe vor dem Fußball.

Achja, weils so schön war…

Fußballspielen kann er auch, bei der WM zwar glücklos aber mit guten Ansätzen…

aber es geht auch besser, gegen Griechenland fast in Robben-Manier…

Nordkoreas WM: Was war, was bleibt und was nicht sein wird…


Die Fußball WM ist vorbei – zumindest auf diesem Blog – und da wir ja nun auch schon den zweiten fußballfreien Tag zu durchleiden haben, dachte ich, komme ich heute mal meinem Versprechen nach, den seit 44 Jahre ersten Auftritt Nordkoreas bei einer WM (korrekterweise muss man wohl „FIFA Fußball Weltmeisterschaft“ schreiben, aber ich übernehme nicht so gern die Sprachregeln von totalitär angehauchten Alleinherrschern, die sich mit allerlei Kniffen an der Macht halten) retrospektiv zu betrachten. Natürlich gab es auch Sport, aber bei Nordkorea sind ja immer die Gerüchte und Geschichten aus der Kategorie „Vermischtes“ interessanter und außerdem ist der Sport schnell abgehandelt (über das Brasilien-Spiel hab ich berichtet, Portugal ein Desaster: 0:7, Elfenbeinküste eine (etwas kleinere) Katastrophe 0:3).

Aufgeben? Steht doch nicht außer Frage!

Erstmal muss ich eine Aussage, die ich nach dem Brasilien-Spiel getroffen habe korrigieren: Mein dort mit „Aufgeben? Steht außer Frage“ überschriebener Absatz ist nach dem Portugal-Spiel wohl kaum mehr zu halten. Hier setzte sich etwas fort, das ich in diesem Absatz auch kurz angesprochen habe. Der Schock nach dem Rückschlag. Offensichtlich ist auch der Glaube der Nordkoreaner in die eigene Unüberwindlichkeit endlich. Und als dieser Glaube endgültig gebrochen war, begann das Team so zu spielen, wie man es eigentlich schon gegen Brasilien erwartet hätte. Auch hieraus ließen sich durchaus politische Implikationen ableiten, z.B. die, dass man nur den Glauben der Eliten in die Haltbarkeit ihres Regimes brechen muss, um seinen Zusammenhalt zu zerstören, aber das nur am Rande.

Was? Keine Spieler geflohen?…

Was gab es sonst noch? Wie zu erwarten war, gab es während der WM Gerüchte über geflohene Spieler. Genauer gesagt sollen es vier gewesen sein, die angeblich eine Zeitlang vermisst waren.  Es hätte mich ganz ehrlich erstaunt, wenn es solche Gerüchte nicht gegeben hätte, denn eigentlich immer wenn Sportteams aus abgeschotteten oder sehr armen Staaten ins Ausland reisen gibt es die und manchmal sind sie nicht unbegründet. In diesem Falle aber scheinbar schon. Die Verwirrung entstand dadurch, dass der Trainer Nordkoreas den Spielerbogen falsch ausgefüllt („interpretiert“) und die betreffenden Spieler als „abwesend“ eingetragen hatte obwohl sie sich im Stadion befanden, weil er nicht vorhatte sie einzuwechseln. Also viel Lärm um nichts…

…und keine Kohlegrube…

Unter die gleiche Kategorie dürfte auch die Sache mit der Strafe für die Mannschaft fallen, bei der sich das Strafmaß „Kohlemiene“ in den Medien durchgesetzt hat. Bisher zumindest gibt es dafür keinerlei Anzeichen, außer dass ein vor sechs Jahren aus Nordkorea geflohener ehemaliger Fußballtrainer es in die Welt gesetzt hat. Während andere Länder sich entschlossen haben ihre Fußballmannschaften für die nächsten Jahre bei internationalen Wettkämpfen nicht antreten zu lassen (hat Nordkorea in den 90ern auch schonmal gemacht, als man gegen Südkorea verloren hatte), oder eine mittlere Staatsaffäre aus dem Ausscheiden des Teams machten, mit Anhörungen vor dem Parlament und Überlegungen zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, scheint man in Nordkorea einen anderen (aber nicht eleganteren) Weg gewählt zu haben: Man schweigt es einfach tot. Während es nach dem Brasilien-Spiel noch recht zuversichtliche KCNA-Meldungen gab, konnte man seit dem grandios gescheiterten Versuch die Leute beim Portugal-Spiel mit einer Liveübertragung zu erfreuen, nichts mehr über die WM in den nordkoreanischen Medien lesen. Natürlich würde ich nicht mein ganzes Vermögen darauf wetten (obwohl es nicht so viel ist), dass es keine Strafe geben wird, aber neben der Tatsache, dass es bisher keine Strafe gab, glaube ich auch, dass das nicht passieren wird, weil es dem Regime nichts bringt. Das einzige Motiv wäre Unzufriedenheit oder Rachsucht und diese Motive spielen bei rational agierenden Akteuren selten eine Rolle. Da lässt man die Mannschaft lieber nochmal ne Runde üben und hofft, irgendwann nochmal die Chance zu kriegen.

…nur eine langweilige Heimkehr!

Auf jeden Fall ist das nordkoreanische Team mittlerweile wieder in der Heimat angekommen. Nachdem die Mannschaft einen Zwischenstopp in Peking eingelegt hatte, wo man ja eh immer das Flugzeug wechseln muss, und in einem hochklassigen nordkoreanischen Restaurant abgestiegen war (klingt auch nicht nach Strafe), wurden die Spieler am Flughafen in Pjöngjang von Familienangehörigen und Offiziellen in Empfang genommen, woraufhin sich „die versteinerten Mienen der Spieler in lächelnde Gesichter verwandelten.“ Damit ist das Abenteuer WM erstmal beendet, aber Offizielle zeigen sich zuversichtlich, dass die Mannschaft von den gewonnen Erfahrungen profitieren und so künftig noch stärker werden könne.

Manche Fragen bleiben

Damit sind fast alle Fragen rund um den Auftritt Nordkoreas bei der WM in Südafrika beantwortet. Aber einiges bleibt noch offen und wird – so fürchte ich – nie beantwortet werden:

  • Woher hat der Hersteller diese Videos die Fähigkeiten die unnachahmlichen nordkoreanischen Methoden der Fälschung von Bilddokumenten so genau zu kopieren? Und wieso hat er sich überhaupt die Mühe gemacht?

So, für alle Fußballinteressierten: Das wars von meiner Seite zur WM! Für alle Nicht-Interessierten: Geschafft!

Nordkoreas etwas andere WM-Vorbereitung: Chaostage bei der Chollima-Elf


Heute ist es endlich (diejenigen die sich nicht für Fußball interessieren dürfen sich das „endlich“ wegdenken oder, wenn sie von der medialen WM-Berichterstattung schon extrem genervt sind, auch gerne hier aufhören zu lesen) so weit. Nordkorea hat nach 44 Jahren erstmals wieder die Möglichkeit sich auf der großen Bühne des internationalen Fußballs zu beweisen. Vor einiger Zeit (mein Gott, wie schnell dieselbe doch vergeht) ein paar Monaten habe ich mich ja schonmal allgemein mit dem nordkoreanischen Fußball beschäftigt. Da aber Kims Mannen heute Abend gegen Brasilien auflaufen werden, dachte ich mir, dass es vielleicht (meiner Meinung nach definitiv) interessant wäre, die Vorbereitung Nordkoreas auf dieses sportliche Großereignis nochmal revuepassieren zu lassen.

Wäre nämlich die Vorlaufzeit für die WM beim deutschen Team auch nur annähernd so chaotisch verlaufen wie das bei der nordkoreanischen Elf der Fall war, hätten unsere Medien sicherlich schon den nationalen Notstand ausgerufen, Günther Netzer und Gerhard Delling wären sich wahlweise bei einer vierstündigen Dauerdiskussion um die Zustände im deutschen Fußball an den Kragen gegangen oder wären einfach nur in Tränen ausgebrochen und DFB Präsident Theo Zwanziger hätte in einem neutralen Drittstaat wo man keine Ahnung von Fußball hat (Frankreich zum Beispiel) politisches Asyl beantragt. Eine erstaunlich große Zahl der nordkoreanischen Freundschaftsspiele im Vorfeld der WM wurde von mehr oder weniger vorhersehbaren Ereignissen überschattet. Die teilweise kuriosen Ereignisse reichten von höherer Gewalt über organisatorische Unzulänglichkeiten bis zu in Nordkorea wohl nur zu bekannten Problemen. Aber auch sonst stand man vor ungeahnten und hier kaum vorstellbaren Schwierigkeiten…

Testspielchaos allenthalben

Den Anfang machte die Absage des Testspiels gegen Chile. Dort hatte just ein paar Tage vor dem geplanten Termin ein verheerendes Erdbeben (an das ihr euch wahrscheinlich noch erinnert) für schwere Verwüstungen gesorgt, so dass die Chilenen sich um anderes als um Fußball Freundschaftspiele Gedanken zu machen hatten.

Auch in Venezuela hatte der Fußbalgott es nicht eben gut gemeint mit den Nordkoreanern: In der achtzigsten Minute musste das Spiel beim Stand von 1:1 abgebrochen werden, da in dem ölreichen Land die Lichter ausgingen (wie man hört in letzter Zeit kein seltenes Ereignis. Und für die Nordkoreaner dürfte es wohl auch keine Premiere gewesen sein, in deren Heimat scheint die Stromversorgung ja auch nicht die Stabilste zu sein). Im Endeffekt war die nordkoreanische Mannschaft daran aber selbst schuld, denn sie hatte sich zuvor geweigert in der Nachmittagshitze zu spielen. Achja, als wäre das noch nicht genug gewesen, scheint vorher auch noch jemand den Trikot-Koffer in Pjöngjang vergessen zu haben. Daher war man gezwungen in geliehenen Jerseys aufzulaufen.

Aber nicht nur Südamerika barg für Kims Elf so manche Tücke. Auch in Afrika war es nicht unbedingt einfach für die Mannschaft. So versuchte man Nigerias Nationalteam für einen Test nach Pjöngjang zu locken. Dumm nur, dass man sich weigerte für die Reisekosten aufzukommen. Daher wurde das Spiel dann kurzfristig auf einen späteren Termin verschoben. Letztendlich einigte man sich darauf, kurz vor dem WM in Südafrika zu testen. Vom Ergebnis dürftet ihr vielleicht gehört haben. Im Vorfeld kam es zu einer Massenpanik, bei der 15 Menschen verletzt wurden (das Spiel ging 3:1 für Nigeria aus, aber das war dann wohl eher nebensächlich).

Natürlich gab es daneben auch noch Spiele, die ohne größere Zwischenfälle abliefen, eins davon fand sogar in Deutschland statt, aber irgendwie hat hier davon kaum jemand Notiz genommen (700 Leute um genau zu sein) obwohl zwei WM-Teilnehmer mitspielten. Der Gegner war Südafrika und Austragungsort Wiesbaden. Das scheinbar nicht besonders spektakuläre Match endete mit einem 0:0, was nicht das schlechteste Ergebnis für Nordkorea ist (allerdings muss dazu gesagt werden, dass Südafrika die Auslandsprofis nicht dabei hatte). Auch gegen den WM-Teilnehmer Griechenland kam man zu einem Unentschieden. Ob das 2:2 allerdings ein Ruhmesblatt ist dürfte fraglich sein, betrachtet man die desaströse Leistung des Rehagel-Teams gegen Südkorea. Außerdem räumte man im Februar den AFC-Challenge-Cup ab, einen Wettbewerb der Asian Football Confederation, in dem sich „Fußball-Entwicklungsländer“ für die Asienmeisterschaften qualifizieren können. Gegner waren Mannschaften wie Myanmar und Turkmenistan, das man im Finale im Elfmeterschießen bezwang (Also auch ein eher zweifelhafter Qualitätsbeleg).

Auf der Suche nach dem Trainingslager

Aber zur Vorbereitung auf ein WM-Turnier gehören ja nicht nur Testspiele sondern es ist ja auch oft hilfreich sich in einem Trainingslager auf die klimatischen Bedingungen im Austragungsland der WM zu gewöhnen. Das haben sich auch die Verantwortlichen des nordkoreanischen Teams gedacht und sich auf die Suche nach einem passenden Gastgeber gemacht. Swasiland war sicherlich keine schlechte Wahl, denn einerseits dürfte das Wetter dort sich nicht sehr von dem im Nachbarland Südafrika unterscheiden, andererseits wäre den nordkoreanischen Spielern in der absoluten Monarchie kein (politischer) Kulturschock wiederfahren (man könnte fast sagen, dass Nordkorea gegenüber Swasiland ein Muster an Demokratie ist. Dort wurde im Gegensatz zu Nordkorea zu den letzten Parlamentswahlen nämlich noch nicht einmal eine Partei zugelassen.). Ärgerlicherweise war man in Swasiland aber nicht bereit, die Kosten für das Trainingslager zu großen Teilen allein zu tragen. Da half selbst das großzügige Angebot Nordkorea, ein Freundschaftsspiel gegen das Team Swasilands zu spielen, Interviews mit den Spielern zuzulassen und eine (Sport-)klinik zu errichten, nichts.

Auch die weitere Suche gestaltete sich schwierig. Zwar versteht man sich in Pjöngjang ganz gut mit dem verkalkten Despoten Robert Mugabe (der übrigens meiner Meinung nach das Attribut „Wahnsinnig“ weitaus eher verdient als Kim Jong Il) weshalb es naheliegend war das nördliche Nachbarland Südafrikas für ein Trainingslager auszuwählen. Allerdings sind diese freundschaftlichen Gefühle unter der Bevölkerung nicht so verbreitet. Das Volk verübelt es den Nordkoreanern noch immer, dass dieses in den 1980er Jahren eine berüchtigte Einheit der simbabwischen Armee ausgebildet hatte, die in der Folge zwischen 8.000 und 20.000 Menschen ermordete. Nachdem es zu massiven Protesten kam (was in Simbabwe ja ne schwierige Sache ist und zeigt, wie wenig man die Nordkoreanern dort leiden kann) sagte die nordkoreanische Seite dieses Trainingslager kurz vor dem geplanten Termin ab.

Mit klimatischen Ähnlichkeiten wurde es dann eben doch nichts mehr, aber immerhin konnte man (unter Mithilfe der FIFA, aber Sepp Blatter ist ja als ihr Alleinherrscher auch irgendwie Kims Bruder im Geiste) ein bisschen in der Höhe üben, denn letztendlich landete Nordkoreas Team in der Schweiz um sich intensiv auf die WM vorzubereiten (Nordkoreaner vorbereiten und Schweiz scheint irgendwie zusammenzupassen, denn schließlich hat sich hier ja auch Kim Jong Ils Sohn Kim Jong Un auf sein „Amt“ als Diktator vorbereitet…). Dabei scheint man erstaunlicherweise recht offen gegenüber Fans und Autogrammjäger. Hier noch ein kurzer und interessanter Radiobeitrag zu dem Trainingslager.

Wichtiger als die Vorbereitung ist aber wohl das Team. Und auch hier hat sich Nordkorea einiges einfallen gelassen. Die Teamverantwortlichen haben sich nämlich gedacht, dass ein gut aufgestellter Sturm wichtiger sei als drei Tormänner. Dementsprechend bot man anstatt des zweiten Ersatztorhüters einen zusätzlichen Stürmer im Kader für die WM auf. Hätte man die FIFA Regularien vorher wohl mal genauer studieren sollen. Dummerweise darf ein Spieler der als Keeper nominiert ist nämlich auch nur als solcher auflaufen. Daher war dieser Kniff (der aber mal wieder die Kreativität Nordkoreas im Umgang mit Regeln zeigt) wohl ein glattes Eigentor. Aber am dritten Torwart wird die Mission WM wohl nicht scheitern…

Im Stadion oder Zuhause? In Nordkorea keine Frage

Aber nicht nur der Spielbetrieb an sich gestaltetete sich für Nordkorea schwierig. Auch im Umfeld kam es zu einer erstaunlichen Zahl organisatorischer Schwierigkeiten und Kuriositäten, wobei dieses Mal höhere Gewalt allerdings kaum eine Rolle gespielt hat, sondern eher das gespannte Verhältnis der Nordkorea zu international gültigen Regeln und die besonderen Bedingungen in diesem Land.

Eigentlich ist es ja für Fußballfans eine tolle Sache die eigene Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft anzufeuern und für eine Mannschaft auch irgendwie wichtig von den eigenen Anhängern unterstützt zu werden. Im Falle Nordkoreas ist das alles aber nicht so einfach. Vermutlich sieht es Kim Jong Il eh nicht gerne wenn sein Volk Fan von irgendetwas anderem als ihm selbst ist. Noch weniger gern sieht er es allerdings, wenn sich viele Nordkoreaner aus seiner väterlichen Reichweite begeben, denn da verliert man schnell mal die Kontrolle über ihre Handlungen. Aber irgendwie erzeugt das international ja auch immer ein seltsames Bild, wenn gar kein Nordkoreaner im Stadion sitzt. Tja und da hat man eben beschlossen 1.000 Chinesen als Ersatz-Nordkoreaner zu nehmen, merkt ja keiner. Dummerweise hat Xinhua damit aber nicht hinter dem Berg gehalten und natürlich war das mal wieder ne schöne Nachricht fürs Kuriositätenkabinett. (Da hoffen wir doch mal, dass Chinesen für das“ richtige“ Team jubeln, nachdem ein nordkoreanischer Grenzer letzte Woche drei Chinesen erschossen hat…).

Fan-Trikots werden die Chinesen wahrscheinlich schonmal nicht tragen. Da gabs nämlich auch kleinere organisatorische Schwierigkeiten. Aus irgendeinem Grund hatte nämlich keiner der Ausrüster Lust sein Logo auf die Trikots und Schuhe der nordkoreanischen Fußballer zu sehen (wobei ich mir fast sicher bin, dass keine der Firmen große Probleme damit hätte, wenn Sportutensilien von nordkoreanischen Frauen (oder Kindern) hergestellt würden). Und so hat Nordkorea erst vor kurzem einen Vertrag mit der italienischen Firma Leaga unter Dach und Fach gebracht, zu spät um die Merchandise Artikel noch auszuliefern.

Aber zum Glück wird die WM ja per Satellit in alle Welt übertragen und so können die Nordkoreaner ihre Elf von zuhause aus unterstützen. Können sie? Wäre da nicht die Sache mit dem Schiff gewesen, das ein nordkoreanischer Torpedo vor fast zwei Monaten versenkt hat wäre das alles etwas einfacher gewesen. Dann hätte nämlich die südkoreanische Sendeanstalt die Signale geliefert. So haben die zurecht erzürnten Südkoreaner allerdings kurzerhand beschlossen, den Nordkoreanern die Übertragungsrechte für die WM-Spiele nicht zu gewähren. Eine Strafe die möglicherweise auch im Volk für einen gewissen Unmut sorgen würde (auch wenn Fußballspiele bisher meist zeitversetzt ausgestrahlt wurden). Aber da man in Nordkorea wie gesagt ein etwas anderes Verhältnis zu Verträgen und Rechten hat, strahlte man das Eröffnungsspiel der WM einfach trotzdem aus. Wie sich im Nachhinein herausstellte hatte man sich die Rechte auf anderem Weg gesichert (Wie in der großen Politik ist es halt auch im Sport von Vorteil „friends in higher positions“ zu haben, nur heißen die hier eben nicht China sondern FIFA. Da schauen wohl nicht nur die Südkoreaner in die Röhre (die aber eben irgendwie doppelt)).

Fußball ist Fußball bleibt Fußball

Mittlerweile wird das ganze Chaos allerdings wohl vergessen sein. Nach einigen Tagen Vorbereitung im (dank FIFA scheinbar fast nach nordkoreanischen Standards gesicherten) Quartier in Tembsia dürfte das Team wohl mittlerweile auf dem Weg nach Johannesburg sein. Heute Abend um 20:30 h rollt das runde Leder in Johannesburg und es geht mit Brasilien gleich gegen ein Team mit Dauerabo auf den Titel des WM-Favoriten. Und dann sind die Nordkoreaner (zumindest die Elf auf dem Platz) ziemlich vielen anderen Menschen auf der Welt ziemlich ähnlich. Dann geht es eigentlich nur noch um eins: Das Runde muss ins Eckige! In diesem Sinne: Viel Spaß beim Zuschauen…

Achja, wenn ihr euch so richtig gut auf das Spiel vorbereiten wollt und kurze Backgroundinfos zu einzelnen Spielern sucht dann schaut mal hier vorbei.

Was man aus dem Spiel Brasilien vs. Nordkorea über Politik lernen kann


Ich habe mir gestern das Spiel Nordkoreas gegen Brasilien angeschaut und fand es in vielerlei Hinsicht erhellend. Keine Angst, ich werde nicht anfangen die beiden Strategien, die Spieler oder gar einzelne Aktionen zu analysieren, das kann man sonstwo zuhauf nachlesen. Aber die eine oder andere Erkenntnis hat durchaus weitere Implikationen. Aber fangen wir mal an:

Der überzeugteste Nordkoreaner kommt aus Japan

Die erste Überraschung des Spiels erlebte ich bereits vor Anpfiff. Da sah ich Jong Tae-se (der Rooney Asiens) stand da von seinen Emotionen übermannt und weinte, als habe er gerade vor Geliebten Führer persönlich ne Belobigung bekommen. Da fragt man sich natürlich: „Was ist mit dem Jungen los? Muss der heute ein Tor schießen, um seine Familie vor dem Gulag zu retten (oder so), oder ist der einfach so unglaublich froh, für sein Land auflaufen zu können?“ Auf den ersten Blick scheint die erste Erklärung irgendwie schlüssiger, auf den Zweiten aber nicht mehr. Denn die Familie Jongs lebt gar nicht in Nordkorea und er ist in Japan geboren und aufgewachsen und hat auch nen südkoreanischen Pass. Hätte also ebensogut eine Karriere in der südkoreanischen Mannschaft starten können. Was bleibt ist: Der Junge ist so erfüllt von Liebe für Nordkorea, dass es für ihn einfach das Größte ist, für das Land zu spielen. Scheinbar funktioniert Indoktrination auch gegen den Hintergrund relativ offener und demokratischer Gesellschaften. Irgendwie überrascht mich das, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie das geht. (Vielleicht in Sektenmäßig abgeschotteten Gruppen? Aber trotzdem…)

Kein Respekt vor großen Gegnern

„Wir können gegen Brasilien gewinnen!“ Diese Aussage traf Jong Tae-se bei einer Pressekonferenz vor dem Spiel und löste damit einige Erheiterung bei den Medien aus. Nichts mit Understatement also. Und vermutlich war er überzeugt davon und irgendwie hat er ja auch recht. Keine Mannschaft ist unbesiegbar (nur bei Spanien sind hinsichtlich dieser These Zweifel berechtigt). Aber die Aussage und diese Haltung, denn die zeigte sich auch im Spiel, spiegeln in gewisser Art ein nordkoreanisches Selbstverständnis wieder. Wir können es schaffen, wir können den großen Gegner besiegen. Das Spiel gegen die USA (zweifelsohne „das Brasilien der Weltpolitik“) dauert jetzt schon 60 Jahre und man hat dem Gegner schon die eine oder andere empfindliche Niederlage beigebracht. Langfristig ist die Bilanz bestenfalls (für die USA) ausgeglichen. Wie kommts? Keine Ahnung. Aber diese innewohnende Überzeugtheit von den eigenen Fähigkeiten macht es den Spielern leichter an große Aufgaben heranzugehen. Solange die Option einer Niederlage im Kopf nicht existiert, fängt man auch nicht an sich geistig damit anzufreunden.

Starke Verteidigung überraschende und effektive Angriffe

Jetzt muss ich doch kurz auf die Strategie der nordkoreanischen Mannschaft eingehen (aber nur ganz oberflächlich): Aus einer festungsartigen Verteidigung heraus von Zeit zu Zeit überraschende und effektive Angriffe vortragen und dabei die eigentlich überlegene Defensive durchbrechen oder umgehen. Kommt euch bekannt vor? Wenn ihr das Spiel gestern beobachtet habt kein Wunder. Wenn ihr die außenpolitische Strategie Nordkoreas in den letzten Jahren beobachtet habt auch nicht. Mit dem Bau von Nuklearwaffen und dem Ausbau der Kapazitäten asymmetrischer Kriegsführung hat man seine Verteidigungskapazitäten nahezu wasserdicht gemacht (obwohl das fast schon vorher der Fall war, weil Seoul in der Reichweite der nordkoreanischen Artillerie liegt, die dort zweifelsohne in kürzester Zeit verheerende Schäden anrichten würde). Dass man Überraschungsangriffe durchführen kann zeigte zuletzt die Versenkung der südkoreanischen Korvette Cheonan eindrücklich. Allerdings taugen die existierenden Kapazitäten in beiden Fällen nicht um einen permanenten Angriffsdruck auf den Gegner zu entfalten. Meiner Meinung nach sind die Ähnlichkeiten der Strategien nicht zufällig, sondern tatsächlich Ausdruck der nicht zuletzt durch die Juche-Ideologie geprägten Mentalität.

Das Konzept der „Regeln“ ist Nordkoreanern nicht gänzlich unbekannt

Beim Anschauen des gestrigen Spiels viel mir auch ein anderer Aspekt des nordkoreanischen Spiels ins Auge. Sie hielten sich an die Regeln. Sie spielten nicht irgendwie ziemlich fair, sondern sie spielten im gesamten Spiel drei- oder viermal Foul und die waren eher spielerischen Unzulänglichkeiten (zu langsam/Brasilianer machten zuviele Übersteiger) geschuldet und keine absichtlichen Angriffe. Zuerst dachte ich: „Komisch! In der großen Politik nimmt mans mit den Regeln ja nicht so genau und legt sie eher kreativ aus. Das scheint im Sport ja ganz anders zu sein.“ Als ich dann aber ein bisschen weiter darüber nachgedacht habe wurde mir mein Denkfehler klar. Diese Parallele kann man hier nicht ziehen. Hier muss man eher auf die Funktionsweise der nordkoreanischen Gesellschaft schauen. Und die funktioniert — über Regeln. Halten sich die Leute nicht an die Regeln verliert das Regime die Kontrolle und ist zum Untergang verurteilt. Wenn Sportler Anfangen taktisch gegen Regeln zu verstoßen, kann man darin einen Keim von Widerstand sehen. Denn man spricht den Regeln die absolute Autorität ab und sieht sie eher als Richtlinien. Ob die Spieler einfach nicht auf die Idee kommen, dass man gegen Regeln verstoßen kann (kann ich mir zwar vorstellen, aber sie bekommen es bei internationalen Spielen oft genug anders vorgemacht) oder ob sie nicht dagegen verstoßen, weil sie sonst nicht spielen würden (das dürften sie auf keinen Fall) ist schwer zu sagen. Aber die Diszipliniertheit  der nordkoreanischen Fußballer spiegelt einen kleinen Teil der Funktionsweise der Gesellschaft des Landes wieder.

Aufgeben? Steht außer Frage

Nordkorea schoss in der 88. Minute (ungefähr) das Anschlusstor und kam danach noch zu ein zwei mittelmäßigen fast-Chancen. Zufall? Nein, für die Spieler stand einfach außer Frage, zu irgendeinem Zeitpunkt aufzugeben. Zwar merkte man ihnen den Schock nach dem 1:0 Brasiliens an und sie spielten eine Zeitlang weniger gut sortiert, aber man sah kein lustloses Traben oder Gesten des Unmuts. Sie spielten einfach weiter und gaben nach dem Anschlusstor (für ihre Verhältnisse) nochmal richtig Gas. Phrasen nordkoreanischer Soldaten, sie würden bis zum letzten Blutstropfen für ihren geliebten Führer kämpfen etc. finden hier ihre Entsprechung. So gesehen war es ein Kampf bis zur letzten Sekunde. Und fast hätte man damit die Brasilianer noch kalt erwischt. Denn die rechneten augenscheinlich nicht damit, dass die offensichtlich schwächere Mannschaft Minuten vor Schluss nochmal versuchen würde, etwas gegen den Gruppenfavoriten auszurichten. Daran sieht man auch, dass Nordkorea in der Lage ist, aus begrenzten Möglichkeiten erstaunliche Ergebnisse herauszuholen (immerhin gibt es das Land noch (Was nicht selbstverständlich ist) und immerhin nimmt diese spielerisch sehr schwache Mannschaft an der WM teil).

Mit „strategic patience“ ist Nordkorea nicht beizukommen

Das (meiner Meinung nach sehr dumme und euphemistische) Schlagwort von der „strategic patience“ wurde von der US-Außenministerin Clinton gebildet und beschreibt die Strategie der USA gegenüber Nordkorea. Kurz beschrieben besagt die Strategie: „Nichtstun und abwarten ob sich von selbst was ändert, sich dann bietende Chancen nutzen“ (Was daran das „strategische“ sein soll weiß ich zwar nicht, aber vermutlich war Clinton bewusst, dass nur „patience“ dann doch etwas seltsam geklungen hätte). Wer das Spiel gestern geschaut hat, der hat 45 Minuten lang eine fußballerische Entsprechung der „strategic patience“ gesehen. Die Fußballsupermacht Brasilien schob den Ball hin und her und hoffte, dass einer oder mehrere Nordkoreaner einen Fehler machen würden. Taten sie aber nicht. Nordkorea schob auch den Ball hin und her, startete dann aber von Zeit zu Zeit eine überraschende Attacke (siehe oben). Brasilien ließ sich von Nordkorea ein statisches Spiel aufzwingen und kam nicht auf die Idee selbst Dynamik in die Sache zu bringen (obwohl der Raum dazu durchaus da gewesen wäre). So lange das so blieb, lief für Nordkorea alles gut, denn sie konnten sich in Ruhe auf ihr recht starres Verteidigungskorsett verlassen und hatten nichts Innovatives von den Brasilianern zu befürchten, dass dieses Gesprengt hätte. Wie einfach das ging zeigen beide Tore. Zwei drei überraschende Pässe und Nordkoreas Bunker war geknackt. Was ich damit sagen will: (nicht das ich es nicht schon öfter gesagt hätte, aber es ist halt meine Überzeugung und es passt so gut!) es bringt nichts sich auf das Spiel von Nordkorea einzulassen. Zwei Fronten aufzubauen die sich gegenüber stehen, aber keine Veränderung herbeiführen können, helfen nur den Status quo zu sichern (beim Fußball: 0:0, in der Politik: Machterhalt des Kim-Regimes). Die Situation kann nur durch dynamische Momente, durch überraschende Vorstöße verändert werden. Solange die ausbleiben bleibt auch der Wandel aus. Da hoffe ich doch mal, dass ein Berater Obamas sich das Spiel gestern angeschaut und ein paar Lehren gezogen hat.

Ein sehr interessantes Spiel also gestern, wenn auch nicht unbedingt sportlich. Aber ich fands erstaunlich, wieviele Querverbindungen zwischen Sport und Politik/Gesellschaft man in dem Spiel gestern erkennen (meinetwegen auch konstruieren, den Schuh zieh ich mir im Zweifel an) konnte. Denjenigen, die keinen Fußball mögen sage ich: Schauts euch an, da steckt manchmal mehr drin als 22 Männer, ne lederne (heute Plastik) Kugel und Milliarden für die FIFA.

Achja, eine Frage bleibt allerdings ungeklärt: Waren die Leute im ca. 50 Mann starken Nordkorea-Fanblock jetzt echt? Die Accessoires sahen jedenfalls recht authentisch aus und ich kann einfach nicht in drei Sekunden (wahrscheinlich auch nicht in drei Stunden) in denen das Fernsehbild auf die Leute zeigte nicht erkennen, ob das jetzt Koreaner oder Chinesen waren…

Fußball in Nordkorea: Geschichte, Spieler, Hintergründe


Kürzlich hab ich ja versprochen, dass ich mich anlässlich der WM Teilnahme Nordkoreas  ernsthaft mit dem nordkoreanischen Fußball und seinen Protagonisten auseinandersetzen würde. Also hab ich mich aufgemacht (so rein virtuell mein ich natürlich) um mein Wissen über die nordkoreanischen Ballkünstler etwas zu erweitern. Das wichtigste was ich rausgefunden habe werdet ihr im Folgenden zu lesen kriegen.

Beim oberflächlichen Recherchieren stößt man vor allen Dingen immer wieder auf die Info, dass Nordkorea bisher einmal an einer WM teilgenommen hat, nämlich 1966 in England. Dort hat Kim Il Sungs Team dann aber ganzschön für Aufruhr gesorgt und Italien in der Vorrunde rausgekickt. Im Viertelfinale ist ihnen dann das Kunststück gelungen, gegen Portugal 3:0 vorne zu liegen, um am Ende mit einem 3:5 nach Hause zu fahren. Aber das ist es eigentlich auch schon, wovon die (Männer)fußball-Seele Nordkoreas zehrt. Dazu gibts übrigens auch ne Doku, die ich mir bei Gelegenheit mal besorgen werde:

Jedenfalls hat man von den Fußballmännern seit diesem glorreichen Auftritt irgendwie nichtmehr so richtig was gehört. Dies könnte allerdings auch an der nicht eben kleinen politischen Einmischung in den Sport liegen. So war Kim Jong Il nach einer 3:0 Niederlage Nordkoreas gegen Südkorea 1993 so erbost, dass es für die nächsten fünf Jahre keinen internationalen Auftritt der nordkoreanischen Kicker mehr gab, denn sie sollten sich „aufs trainieren konzentrieren“. Die Frauen dagegen sorgen schon seit einigen Jahren für Furore. Die U-17 und U-20 Mannschaften der Frauen wurden in der jüngsten Vergangenheit je einmal Weltmeister, das Frauennationalteam wurde immerhin dreimal Asienmeister und musste sich bei den olympischen Spielen in Peking erst im Viertelfinale dem späteren Olympiasieger Deutschland geschlagen geben.

Hinsichtlich des Fußballs in Nordkorea, aus dem sich ja die Nationalmannschaft zu großen Teilen rekrutiert, gibt es deutliche Unterschiede zu den von uns gewohnten Strukturen. So scheint die die Infrastruktur und Ausstattung des Fußballs sehr schlecht zu sein. Scheinbar gibt es auch keine nationale Liga wie wir sie kennen, sondern Turniere, die im Rahmen verschiedener nationaler Sportfeste stattfinden. Dort ist Fußball nur eine Sportart unter mehreren, wenn auch von besonderer Beliebtheit. (Die Wettbewerbe sind: der Mount Paektu Wettbewerb im Februar, der Mangyeongdae Wettbewerb im April, der Bocheongbo Fackelschein Wettbewerb in Juni und die Republik Meisterschaften im Oktober). Die Weiterentwicklung des Fußballs wird scheinbar vom nordkoreanischen Fußballwissenschaftlichen Labor aus gesteuert, das Videos und Bücher zum Thema aus anderen Ländern importiert und auswertet (Klingt nach nem interessanten Ansatz, oder?). Es gibt acht Fußballmannschaften die zur „ersten Liga“ des nordkoreanischen Fußballs gehören von denen die Athletik Gruppe des 25. April, die dem Militär zugehörig ist, die Aprok River Athletik Gruppe, die der Polizei zugehörig ist, die Pjöngjang City Athletik Gruppe und die Lokomotive Athletik Gruppe die wichtigsten sind.

Erstaunlicherweise gibt es außer den Spielern, die in diesen Vereinen spielen auch einige Nationalspieler, die im Ausland tätig sind. Manche von diesen gehören der Gruppe der in Japan lebenden Koreaner, die Nordkorea gegenüber loyal sind an. Andere sind aber in Nordkorea geboren und aufgewachsen und dann zu ausländischen Clubs gewechselt. Einer von diesen Spielern ist Hong Yong-jo, der nach einem Gastspiel in Serbien zum FC Rostov in die erste russische Liga wechselte. Hong, der für Nordkorea mit der Nummer 10 aufläuft gilt als einer der Leistungsträger der Mannschaft, nicht zuletzt aufgrund seiner internationalen Erfahrung. Auch Choe Myong-ho, der „nordkoreanische Christiano Ronaldo“ stammt aus Nordkorea und spielt(e weiß man nicht so genau) bei  Krylia Sovetov Samara in der ersten russischen Liga. Ahn Young-hak dagegen gehört zu der Gruppe aus Japan stammender Koreaner und spielt zurzeit in Südkorea. Auch Jong Tae-se, der „asiatische Wayne Rooney“ gehört zu dieser Gruppe. Obwohl er einen südkoreanischen Pass besaß und in Japan geboren war, entschied er sich 2007 für die nordkoreanische Nationalelf. Zur Zeit spielt er in der japanischen Liga. Diese interessante und irgendwie auch internationale Mischung hat auf jeden Fall genügt um die nordkoreanische Mannschaft in den Kreis der 32 Teams zu führen, die um die Weltmeisterschaft spielen. Jedoch dürfte ein ähnliches Husarenstück wie vor über 40 Jahren in England nötig sein, um die Gruppenphase gegen, die Elfenbeinküste, Portugal und Brasilien zu überstehen. Aber weil man die Truppe ja nicht besonders gut kennt, sind vielleicht ja ein oder zwei Überraschungen möglich. Ich werd auf jeden Fall versuchen mir ein Spiel von Nordkorea anzugucken.

Achja ums nicht zu vergessen. Hooligans haben sie scheinbar auch in Nordkorea.  Nach ner 0:2 Niederlage in Pjöngjang gegen den Iran warfen Zuschauer mit Steinen und Flaschen nach den gegnerischen Spielern und hinderten sie am Verlassen des Stadions. Erst durch das Einschreiten von Spezialeinheiten der Polizei konnte die Gewalt beendet werden. Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass da nicht gerade sachte mit Aufrührern umgegangen wird. Aber auf der anderen Seite zeigt es ja auch, dass es zumindest eine Gemeinsamkeit zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt gibt…

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