Akte geschlossen: Kenneth Bae und Matthew Miller sind frei — Einordnung und Hintergründe


Nachdem der junge Kim nach seiner langen Abwesenheit wieder leicht lädiert aufgetaucht ist und das Thema, was denn jetzt genau der Grund für seine Abwesenheit gewesen sei, den Medien nach einigen Tagen des Spekulierens keinen Spaß mehr gemacht hat; Nachdem dann wie üblich die eine oder andere mediale Sau (wobei es im Bild wohl eher um Kätzchen und Wolf oder so geht) ohne viel Substanz (also magere Säue, vielleicht nur Ferkel) durchs globale Dorf getrieben wurde; Nachdem aber auch die eine oder andere wichtige Entwicklung fortgeschrieben oder auch unterbrochen wurde; Nach all dem kommen heute zwei Dinge zusammen: Erstens habe ich etwas Zeit zum Schreiben und zweitens gibt es ein Thema, dass ich schon allein deshalb spannend finde, weil das mich schon zum Teil seit Jahren begleitet und weil ich fast schon damit gerechnet hatte, das nie mehr abschließen zu können.

Vorerst kann die Akte: „Gefangene US-Bürger“ geschlossen werden

Genau: Es geht um die US-Bürger, die aus verschiedenen Gründen in Nordkorea festgehalten wurden und von denen, nach der Freilassung von Jeffrey Fowle im Oktober, gestern nun die anderen beiden freigekommen sind. Matthew Miller war mit einigen Monaten noch vergleichsweise kurz in nordkoreanischer Haft, während Kenneth Bae bereits seit zwei Jahren seine Gesamtstrafe von 15 Jahren Zwangsarbeit verbüßte. Nach mehreren erfolglosen Anläufen, die zum Teil sehr ausgiebig öffentlich diskutiert wurden schaffte es nun der Geheimdienstchef der USA, James Clapper mit seinem Besuch in Pjöngjang, bei dem er auch einen Brief Barack Obamas an Kim Jong Un mitbrachte, die beiden zu befreien.

Typisch: Prominenz und Diskretion, beides ist Pjöngjang wichtig

Damit werden auch zwei Muster fortgeschrieben, die im Umgang mit Nordkorea immer wieder festzustellen sind: Erstens handelt man seine Faustpfänder nicht gerne ein, wenn an der anderen Seite des Tisches keine wichtige oder zumindest prominente Person sitzt: Nach Bill Clinton und Jimmy Carter war nun der Geheimdienstchef der USA wohl wichtig genug, während Basketballer Dennis Rodman sich vielleicht selbst wichtig findet, aber von den Nordkoreanern in der politischen Sphäre (mit Recht) wohl eher als Fliegengewicht gesehen wird.
Zweitens kam diese, ähnlich wie andere, häufig noch wesentlich wichtigere Entwicklungen, für Beobachter aus dem Nichts. Es gab nicht irgendwelche Gerüchte oder großartige Publikumswirksamen Gespräche, sondern Clapper war schon fast wieder zuhause, als die Medien Wind bekamen. Ähnlich passierte es zuletzt beim Besuch prominenter nordkoreanischer Funktionäre im Süden, aber auch bei internen Verwerfungen, wie der Aburteilung Jang Song-thaeks oder auch dem Tod Kim Jong Ils. Das Regime hat die Informationshoheit und verpflichtet auch ausländische Partner Stillschweigen zu wahren, sollen deren Anliegen mit Erfolg beschieden sein. Erfahrungsgemäß ist an Storys, über die tage- oder wochenlang geredet und geschrieben wird meist ziemlich wenig dran. 

Wozu das Ganze? Hintergründe und Einordnung

Neben dem unmittelbar beobachtbaren interessiert uns alle aber natürlich auch, was das nun eigentlich alles zu bedeuten hat, was also die Infos hinter den puren Fakten sind.

Eine gut tradierte These…

In den deutschen Medien mittlerweile gut tradiert ist die Wahrnehmung, dass US-Gefangene immer als Druckmittel Nordkoreas gegenüber den USA zur Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche dienen sollen (ach übrigens haben die USA gerade einen neuen Sondergesandten für Nordkorea ernannt, der damit auch die Sechs-Parteien-Gespräche verantwortet. Wenn der genausoviel zu tun kriegt, wie sein Vorgänger Glyn Davies, werde ich den Namen von Sung Kim wohl auch schnell wieder vergessen…). Das mag nicht ganz so aus der Luft gegriffen zu sein, wie andere mediale Volksweisheiten, aber die Frage, wie groß die Erklärkraft des Argumentes denn noch sein kann, nachdem die letzte Runde der Verhandlungen mittlerweile sieben Jahre her ist und es mehr als fraglich ist, ob dieses Format von Nordkorea überhaupt noch gewollt wird. Aber mit einem haben die Verfechter dieser These wohl Recht: Es dürfte irgendetwas mit den Beziehungen zwischen Nordkorea und den USA sowie der geopolitischen Situation um Nordkorea generell zu tun haben.

…und einige sinnvoller klingende Überlegungen

Einen etwas kreativeren Ansatz hat die WELT, die eine Verbindung zwischen der Freilassung und dem ab morgen anstehenden APEC-Gipfel für denkbar hält, was ich nicht für gänzlich abwegig halte (was vermutlich eine Premiere ist, denn bisher habe ich die immer sehr kreativen Artikel der WELT zu Nordkorea durchweg für gänzlich abwegig gehalten (und ich fühle mich ehrlich gesagt unwohl damit, dass das jetzt anders sein soll)). In ausländischen Medien werden weitere Thesen diskutiert. Diese reichen vom schlichten Versuch, die Ausländer, die mehr Scherereien machen als sie nützen, über eine Botschaft an China, man sei durchaus ein verantwortlicher Akteur, bis hin zum Versuch, den internationalen Druck wegen der permanenten Menschenrechtsverletzungen zu mildern. Aber auch eine generelle Charmeoffensive des Landes wird als Hintergrund gehandelt.

Was ich denke: Teil einer größeren Strategie

Meine Wahrnehmung des Agierens der nordkoreanischen Führung ist die, dass dort sehr, sehr wenig einfach so geschieht und dass man gerade in den wichtigen Politikfeldern — und dazu gehören die Beziehungen zu den USA zweifelsohne — kaum etwas dem politischen Zufall überlässt. Daraus erklären sich auch ein Stück weit die Misserfolge bei früheren Versuchen, die Gefangenen frei zu bekommen. Nordkorea passten die Rahmenbedingungen nicht und deshalb behielt man die Leute lieber noch eine Zeit. Daher sehe ich die Freilassung auch eingebettet in einer größeren strategischen Planung. Dazu passen Elemente, die man nahtlos damit in Verbindung bringen kann, wie beispielsweise den Besuch der nordkoreanischen Offiziellen im Süden vor einem Monat. Aber auch Geschehnisse, die dem erstmal zuwiderzulaufen scheinen, passen in diese Entwicklung. Das harte Ringe um ein Anknüpfen an den im Oktober geflochtenen Gesprächsfaden zwischen Süd und Nord und die Drohung des Nordens, den Faden wegen der Flugblattpropaganda des Südens abreißen zu lassen sowie die deutliche Ablehnung eines Menschenrechtsdialogs mit den USA scheinen erstmal unpassend zu einer größer angelegten Charmeoffensive, aber vor einer Annäherung steht immer erst die Phase der Verhandlung darum, was alles auf den Tisch kommt, wenn man sich denn gemeinsam an selbigen setzen will. So gesehen könnte man das Ende der Propagandaflugblattaktionen als Vorbedingung des Nordens für eine Dialogaufnahme und das Menschenrechtsthema als nicht verhandelbar betrachten. 
Man könnte jetzt anmerken, dass es bei dem einen ja um die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea geht, bei dem anderen aber um die zwischen Nordkorea und den USA. Das stimmt, aber die Strategie der USA, ihre Verbündeten eng zusammenzubinden und zu koordinieren hat in den vergangenen Jahren sehr gut gegriffen (wenn sie auch keinen Erfolg gebracht hat), so dass sich die Strategen im Norden durchaus denken können, dass es keinen Sinn macht, nur eine Partei mit einer Charmeoffensive zu adressieren. In diesem Kontext kann auch die Bereitschaft Nordkoreas gesehen werden, auf die Bedürfnisse Japans mit Blick auf die entführten Japaner in Nordkorea besser einzugehen, denn Japan ist schließlich der Dritte im (engen regionalen) Bunde mit den USA. 

Ich bleibe zuversichtlich

Und wenn man das Handeln Nordkoreas gegenüber den USA und ihren Verbündeten zur Zeit so versteht, dass es einem größeren strategischen Plan folgt, dann ist die Freilassung der beiden Amerikaner ein ausnahmslos gutes Zeichen. Denn sie kann nicht anders verstanden werden, als positives Zeichen bzw. Investition und wenn der Norden investiert, dann tut er das normalerweise mit der Absicht, damit ein bestimmtes Ziel zu erreichen und hier kann ich wiederum nur die Verbesserung der Beziehungen mit den USA am Horizont als mögliches strategisches Ziel erkennen.

Weitere Kaninchen im Hut?

Der Rest ist abwarten und Tee trinken. Ich bleibe weiterhin zuversichtlich und bin gespannt, ob in den nächsten Wochen bzw. Monaten weitere positive Entwicklungen holterdipolter aus dem Hut gezaubert werden. Die Menschen in Nordkorea und in der Region hätten es jedenfalls nach den angespannten und damit anstrengenden letzten Jahren verdient, langsam in ein ruhigeres Fahrwasser einzuschwenken.

Blutauffrischung auch in den USA: Bosworth Nachfolger Davies reist mit zu Nukleargesprächen nach Genf


Update (20.11.2011): Eben habe ich noch einen sehr interessanten Artikel zu dem Personalwechsel und der Möglichkeit der Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche in der New York Times gelesen. Zwei interessante Aussagen:

1. Der Personalwechsel sollte nicht überbewertet werden. Aber irgendwas sagt er wohl aus. Interessant zum, Beispiel auch der Unterschied, dass nun ein „Vollzeitmitarbeiter“ aktiv ist und nicht jemand, der eigentlich schon einen Job hat. Man wird wohl mehr investieren wollen…

2. China und Russland setzen die USA und Freunde unter Druck die Gespräche fortzusetzen. Das heißt dann wohl, dass nach dieser Einschätzung Nordkorea mal wieder erfolgreich war, einen Keil zwischen die fünf anderen Gesprächsteilnehmer zu treiben (wobei vor allem die USA da ungewollt wohl mitgetrieben haben).

Ursprünglicher Beitrag (20.10.2011): Nachdem in den letzten Monaten schon in Südkorea das Nordkorea-Personal kräftig aufgefrischt wurde, ziehen jetzt wohl auch die USA nach. Gestern Abend hat das US State Department bekanntgeben, dass es in der kommenden Woche in Genf zu den seit längerem erwarteten bilateralen Gesprächen mit nordkoreanischen Vertretern kommen wird. Dabei wird Stephen Bosworth der nordkoreanischen Delegation unter Vizeaußenminister Kim Kye-gwan, seinen Nachfolger Glyn Davies vorstellen. Außerdem wurde bekanntgegeben, dass auch der alte Chefunterhändler der USA bei den Sechs-Parteien-Gesprächen, Sung Kim durch Clifford Hart ersetzt werden wird. Dies alles sei aber nicht als Hinweis auf einen Politikwechsel zu werten.

Glückloser Bosworth

Bosworth war 2009 von Barack Obama ernannt worden, hatte aber nur wenig Gelegenheit, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, denn nach seinem Besuch in Pjöngjang im Dezember 2009 war es nicht zu weiteren Gesprächen gekommen, nicht zuletzt aufgrund des Untergangs der Cheonan im März 2010 und dem Beschuss der südkoreanischen Insel Yonpyong durch das nordkoreanische Militär im September desselben Jahres. Daher konnte er kaum das tun, was man von einem Gesandten für Nordkorea erwartet, nämlich Gespräche mit Nordkorea führen. Stattdessen äußerte er sich weit häufiger über Nordkorea. Da er mit diesem Job natürlich nicht so richtig ausgelastet war, konnte er auch ohne weiteres seiner akademischen Tätigkeit als Dekan an der Fletcher School of Law and Diplomacy der Tufts Universität beibehalten. Dem State Department zufolge habe sich Bosworth entschieden, sein Amt niederzulegen. Gründe wurden nicht genannt. Ich könnte mir einerseits vorstellen, dass er mit der Linie der USA nicht ganz glücklich ist, es kann aber auch sein, dass er in dieser Zeit, in der sich neue Möglichkeiten zu bieten scheinen, einfach Platz für frisches Blut machen wollte.

Interessanter Davies

Mit Glyn Davies wurde ein recht interessanter Kandidat ausgewählt. Anders als Bosworth, der auf eine wirklich umfangreiche und prominente Erfahrung mit der Situation auf der Koreanischen Halbinsel zurückblicken konnte (von 1995 bis 1997 war er Direktor der KEDO, die damals die im Genfer Rahmenabkomme (dem ersten Nukleardeal zwischen den USA und Nordkorea) getroffenen Abmachungen umsetzen sollte (u.a. sollten zwei Leichtwasserreaktoren gebaut werden) und von 1997 bis 2001 war er als US-Botschafter in Seoul tätig), hat Davies keine spezifischen Koreaerfahrungen zu bieten. Allerdings kennt sich der Karrierediplomat mit der Region aus seiner früheren Tätigkeit als stellvertretender Staatssekretär im Ostasienbüro des State Department (von 2007 bis 2009) aus. Vor allem über das Thema, das bei den Gesprächen der USA mit Nordkorea zentral sein dürfte, weiß er wohl durch seinen aktuellen Job bestens Bescheid. Er ist nämlich momentan US-Repräsentant bei der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) in Wien und die Frage der Denuklearisierung Nordkoreas ist ja vor Allem auf Seiten der USA das Thema schlechthin.

Warum Davies?

Der Nominierung von Davies kann man damit eine zweifache Signalwirkung zuschreiben. Einerseits ist der Davies zwar Diplomat, aber eben kein Veteran der Koreapolitik wie Bosworth, sondern kennt sich stattdessen sehr gut mit dem Nuklearthema aus. Der Schluss liegt also nicht fern, dass man Pjöngjang durch diese Wahl ein weiteres Mal deutlich machen will, dass eine zielgerichtete Arbeit an der Denuklearisierung Nordkoreas das Vorrangige Ziel ist und dass man nicht gewillt ist, nur ein bisschen diplomatisches Schönwettergerede zu diesem und jenem Thema zu veranstalten. Gleichzeitig kann man darin aber auch den eindeutigen Willen der USA vermuten, die Sechs-Parteien-Gespräche um die Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel endlich wieder ins Rollen zu bringen. Die Chancen dafür stehen aktuell vermutlich so gut, wie seit mindestens zwei Jahren nicht mehr und Davies kann bald einen entscheidenden Teil dazu beitragen.

Davies kennt den Sprechzettel des State Department

Davies dürfte kein Innovator sein, der der Nordkoreapolitik der USA eine völlig neue Richtung gibt. Dazu hat er erstens nicht die Kompetenz und zweitens deutet folgendes Statement, das er anlässlich der Besprechung des jüngsten IAEO-Berichts zu Nordkoreas Nuklearprogramm (hier zu finden) abgab, darauf hin, dass er den Sprechzettel, den das State Department wohl jedem Diplomaten an die Hand gibt, der was über Nordkorea sagt, genau studiert hat:

The United States believes that a dual track approach offers the best prospects for achieving denuclearization. We continue full implementation of national and multilateral sanctions. At the same time, we remain open to dialogue with North Korea, but we are not interested in negotiations for the sake of simply talking. The U.S.-DPRK bilateral talks held in New York in July were intended to explore North Korea’s willingness to take concrete and irreversible steps toward denuclearization. Our message to North Korea has been consistent and it has been clear:  the DPRK must abide by its commitments under the Joint Statement, cease all nuclear activities, including enrichment, and demonstrate its seriousness on denuclearization, through substantive actions prior to the resumption of Six-Party Talks.

[Die USA glauben, dass ein zweigleisiger Ansatz die besten Möglichkeiten bietet, eine Denuklearisierung zu erreichen. Wir setzen die vollständige Umsetzung nationaler und multilateraler Sanktionen fort. Gleichzeitig bleiben wir offen für einen Dialog mit Nordkorea, aber wir sind nicht daran interessiert zu verhandeln, nur um zu sprechen. Die US-Nordkorea Gespräche in New York im Juli sollten Nordkoreas Bereitschaft erforschen, konkrete und nicht rückgängig zu machende Schritte zur Denuklearisierung zu unternehmen. Unsere Botschaft an Nordkorea ist konsistent und klar: Nordkorea muss seine Verpflichtungen des Joint Statement erfüllen, alle nuklearen Aktivitäten, einschließlich der Anreicherung beenden und seine Ernsthaftigkeit bezüglich der Denuklearisierung demonstrieren, indem es im Vorfeld der Sechs-Parteien-Gespräche substantielle Schritte ergreift.]

Wie man sieht, kennt auch Davies die Phrasen und ob die dahinter stehenden Richtlinien ihm Raum lassen, das wird sich wohl bald zeigen.

Wille zur Änderung

Immerhin ist endlich wieder der Wille aller Parteien erkennbar, die Situation etwas freundlicher zu gestalten. Wie weit dieser Wille geht und welches die tatsächliche Agenda der Parteien ist, das ist allerdings noch lange nicht gesagt und damit werden wir wie üblich erst abwarten müssen, ob und worauf sich die Parteien einigen können. Die Tatsache, dass Südkorea und die USA in den letzten Monaten ihr Kernpersonal zu Nordkorea ausgetauscht haben, kann aber kein Zufall sein. Irgendetwas hat man sich dabei gedacht und das ist schonmal gut.

Nordkorea-Politik der USA vor Wandel? Interessante Personalie im US State Department


In der Führungsebene des US State Department ist ein Personalwechsel geplant, der sich auch auf die Nordkorea-Politik der USA auswirken könnte. Im Rahmen der Personalrotation nach dem Ausscheiden von James Steinberg, dem bisherigen Vize-Außenminister, soll Wendy Sherman Staatssekretärin für politische Angelegenheiten werden und damit im amerikanischen Außenamt an dritter Stelle stehen. Sherman steht in enger Verbindung mit der ehemaligen Außenministerin Madeleine Albright, die unter Bill Clinton den Annäherungskurs der USA zu Nordkorea mit verantwortet hat. Damals war sie Beraterin Albrights und Politikkoordinatorin für Nordkorea und begleitete Albright auch bei ihrem Besuch in Pjöngjang. Ihr Amt wird Frau Sherman allerdings erst nach einer Senatsanhörung antreten können, was für sie durchaus unangenehm werden dürfte.

Ihre Berufung auf den Posten wird schon deshalb als etwas ungewöhnlich betrachtet, weil dorthin für gewöhnlich Karrierediplomaten berufen werden, die ihren Weg durch die Abteilungen des Amts gemacht haben und nicht — wie Sherman — von außen kommen. Auch das was sie außerhalb des State Departments gemacht hat, dürfte bei einigen Senatoren Munition liefern. In den 1990ern arbeitete sie für die Fannie Mae Stiftung, die zwar nichts mit den Immobilienfinanzierungen des Pleiteriesen zu tun hat, aber der Name wirkt schon irgendwie — abschreckend. In den letzten Jahren war sie darüber hinaus in der Consulting Firma von Madeleine Albright tätig, was ihr Unterstellungen einbrachte, sie habe als Lobbyistin für die chinesische Regierung/chinesische Staatsunternehmen gearbeitet.

Substanzielle Kritik im politischen Bereich wird ihr aber sicherlich das Handeln gegenüber Nordkorea einbringen, für das sie stand. Aus konservativen Kreisen, wird diese Politik als „schlimmstes Appeasement“ gegenüber Nordkorea bezeichnet. Wichtige Wegmarken/Schlagworte der Nordkorea-Politik dieser Zeit sind das Genfer Rahmenabkommen von 1994 in dessen Folge die Organisation KEDO aufgebaut wurde, die zwei Leichtwasserreaktoren in Nordkorea errichten sollte und Öllieferungen durchführte wofür Nordkorea sein (auf Plutonium basierendes) Nuklearprogramm (v.a. die Anlagen in Yongbyon) rückbauen sollte, sowie das Raketentestmoratorium Nordkoreas von 1999, besagter Besuch Albrights in Pjöngjang 2000 und ein nicht mehr zustande gekommener Gipfel zwischen Bill Clinton und Kim Jong Il. Auch nach ihrer Tätigkeit im State Department hatte sich Sherman weiter für eine Politik des Dialogs ausgesprochen und für einen Gipfel zwischen George W. Bush und Kim Jong Il plädiert.

Für all das wird sie sich nun rechtfertigen müssen, da ein völlig anderer Zeitgeist herrscht als Anfang 2001. Es wird höchst interessant sein zu sehen, wie sie das tut und ob sie ihre Politik von damals als Modell für die Zukunft darstellen wird (auf irgendeine Art), oder sich auf den Standpunkt zurückzieht, dass die damalige Politik unter den damaligen Gegebenheiten richtig war, seitdem aber viel passiert ist (die Standardfloskel wenn man früher etwas getan hat, was heute nicht mehr zu vertreten wäre). Ihre Haltung bei der Anhörung dürfte erste Signale senden, ob die Obama Regierung ihren bisherigen Nordkoreakurs modifizieren wird, oder den bisherigen Kurs halten will. Für einen Wandel hin zu mehr Dialog würde Sherman sicherlich viele Chancen bieten. Durch persönliche Kontakte, die sie während der Reise nach Pjöngjang knüpfen konnte und die positiven Erinnerungen, die in Kims Regime an die Zeit der Clinton Regierung herrschen (die sind jedenfalls da, ob mit dem Unterton „Mit denen konnte man noch gut reden…“ oder „Die konnte man noch gut übers Ohr hauen…“ wage ich nicht zu beurteilen), dürften es wesentlich leichter sein, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Und so etwas kann in der Diplomatie oft mehr wert sein als die besten Argumente. Wir dürfen also gespannt sein, was die neue Staatssekretärin für eine Richtung einschlagen wird (wenn sie nicht die Senatsanhörung vergeigt)…

Neue Vorsitzende des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses — Mögliche Auswirkungen auf die Nordkoreapolitik der USA


Für die US Regierung dürfte es künftig noch etwas schwieriger werden, eine Außenpolitik gegenüber Nordkorea zu umzusetzen, die Aussichten auf eine konstruktive Lösung der Situation auf der Koreanischen Halbinsel bietet. Die Zwischenwahlen für das Repräsentantenhaus haben die Mehrheitsverhältnisse dort ja bekanntermaßen verändert und dementsprechend geht der Vorsitz des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses nun an die Republikaner. Die Designierte Vorsitzende des einflussreichen Komitees, Ileana Ros-Lehtinen, hat gestern ihre Vorstellungen für ihre Arbeit dort bekanntgegeben und die lassen nicht viel Gutes hoffen.

Ros-Lehtinen, die ihren Wahlkreis in Südflorida hat und in ihrer Kindheit aus Kuba floh, gilt als außenpolitische Hardlinerin und erklärte unter anderem:

Finally, my worldview is clear: isolate and hold our enemies accountable, while supporting and strengthening our allies. I support strong sanctions and other penalties against those who aid violent extremists, brutalize their own people, and have time and time again rejected calls to behave as responsible nations. Rogue regimes never respond to anything less than hardball.

Das ist deutlich. Zwar frage ich mich, wo sie als Frau mit kubanischen Wurzeln genau die Reaktion des Castro-Regimes auf das jahrzehntelange „hardball“ Spiel der USA gegenüber Kuba sieht (insgesamt wird sie Probleme haben die Behauptung, dass „Rogue regimes“ nur auf „hardball“ reagieren, empirisch zu untermauern), aber so wie ich das sehe, ist ihre Weltsicht nicht nur klar, sondern auch, nunja, einfach. Mit einfachen (und wenig zielführenden) Weltsichten schmücken sich Außenpolitiker der Republikaner in den letzten Jahrzehnten ja ganz gerne und wie es aussieht, wird sich daran auch nicht so bald etwas ändern. Auch ihre Herkunft lässt nicht unbedingt Nachsicht erwarten, denn die Gruppe der Exilkubaner ist ja dafür bekannt, dass dort oft radikale Positionen gegenüber autoritären Regimen, vor allem natürlich dem auf Kuba, vertreten werden.

So ist wohl zu erwarten, dass das Komitee für Auswärtige Angelegenheiten unter Frau Ros-Lehtinen Druck auf die Obama Administration ausüben wird, ein noch schärfere Linie gegenüber Nordkorea zu fahren. Ein Hebel könnte der Versuch sein, Nordkorea wieder auf die Liste der Terror unterstützenden Staaten zu setzen. Hierfür setzt sich Frau Ros Lehtinen schon seit längerem ein.

Dass die US-Außenpolitik durch die neue Konstellation besser wird bezweifle ich, aber vielleicht zwingt sie die Obama Administration dazu, sich von einem „falkigeren“ Komitee abzusetzen. Durch eine solche Abgrenzung könnte Ros-Lehtinen Hillary Clinton und ihren Untergebenen zu etwas verhelfen, dass ihnen in den bisherigen zwei Jahren, zumindest hinsichtlich der Koreanischen Halbinsel, abging. Inspiration. Und eigene Ideen und Initiativen. Das wäre doch mal was! Sollte das nicht passieren ist das Gute an der Sache, dass auch ein neues, radikaleres Gesicht die US-Politik gegenüber Nordkorea nicht entscheidend verschlechtern kann. Da ist schlicht nicht mehr viel Luft nach Unten.

Wer Frau Ros-Lehtinen und ihre Standpunkte zu Nordkorea etwas näher kennen lernen möchte, dem sei die Aufnahme ihrer Rede auf einer Veranstaltung der Korean Church Coalition ans Herz gelegt. Er ist recht aufschlussreich und danach fand die Frau vor allen Dinge sehr unsympathisch.

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