„Eine Reise nach Nordkorea ist wie eine Zeitreise“ — Christoph und Ronny von Nordkorea-Reise.de stellen sich vor


Über Tourismus in Nordkorea schreibe ich relativ selten, obwohl ich weiß, dass das Thema viele von euch interessiert. Das hat einerseits damit zu tun, dass ich selbst noch nie dort war und damit vermutlich ein bedeutender Teil der Leser auf mehr eigene Erfahrungen zurückgreifen können als ich, zum anderen hängt es aber auch damit zusammen, dass ich das Gefühl habe, dass es selten was neues zu dem Thema gibt. Wer mal ein paar Reiseberichte aus Nordkorea gelesen hat (hier habe ich ein paar davon  verlinkt), dem wird aufgefallen sein, dass das mit der Zeit ziemlich redundant wird. Und immer nur das Selbe, das finde ich langweilig und dafür ist mir auch meine Zeit zu schade.
Seltener liest man aber etwas aus Sicht derjenigen, die den Tourismus nach Nordkorea ein Stück weit zur Geschäftsgrundlage haben, also von Nordkorea-Reiseanbietern. Deshalb bin ich froh, dass ich Christoph, mit dem ich schon eine Zeit lang bekannt bin und seine Kollegen dafür gewinnen konnte, aus ihrer Sicht als junge Nordkorea-Reiseanbieter zu berichten und zu verschiedenen Aspekten dieses Geschäfts, sowohl was den eigenen Weg zu diesem Geschäftsbild, als auch was eher grundsätzliche Fragen des Reisens nach Nordkorea und den Umgang mit den Partnern dort angeht. Also Bühne frei für Nordkorea-Reise.de:

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wie einige von Euch sicherlich schon festgestellt haben, existiert seit einigen Monaten ein neuer Reiseanbieter zu Nordkorea auf dem deutschen Markt. Wir, André, Ronny und Christoph sind Nordkorea-Reise.de (für den deutschsprachigen Markt) bzw. Pyongyang-Travel.com (für den internationalen Markt). Wir freuen uns über die Möglichkeit, Euch an dieser Stelle einige unserer Erfahrungen zu Nordkorea im Bereich Tourismus mitteilen zu können und uns bei der Gelegenheit nebenbei auch etwas bekannter zu machen.

Nordkorea ist voller Fragezeichen. Generell ist der Allgemeinheit ja wenig bekannt über das Land, abseits von medial hochgespielten Drohgebärden sowie den üblichen Nachrichten über Hunger und die Menschenrechtslage. Besucht man Nordkorea einmal als Tourist, kehrt man ziemlich sicher mit noch mehr Fragezeichen im Gepäck zurück.

Daher haben wir uns entschlossen, an dieser Stelle ein kleines Selbstinterview zu führen, in welchem wir uns mit den häufigsten Fragen zu unserer Tätigkeit auseinandersetzen und Euch hoffentlich ein paar interessante Einblicke in die Tätigkeit einer sich auf Nordkorea spezialisierenden Reiseagentur geben können.

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wie kommt man überhaupt auf die Idee, Reisen nach Nordkorea anzubieten?

Ronny:  Wir lernten uns ursprünglich über unterschiedliche Freunde kennen. Unsere Verbindung war, dass wir zunächst aus Interesse für das große Unbekannte unabhängig voneinander Nordkorea besucht haben. Bei einer kleinen Feier tauschten wir uns über unsere Reise-Erfahrungen aus. Wir teilen ein hohes Interesse an Nordkorea, an den aktuellen und vergangenen Ereignissen, den Chancen für die Zukunft und den Analogien der deutschen und koreanischen Teilung. Wir sind, denke ich, mit einigem Fachwissen und der nötigen Expertise über das Land ausgestattet. Christoph als Politikwissenschaftler hat sich bereits während seines Studiums mit Nordkorea beschäftigt, ich als angehender Historiker auch. André ist ein belesener Nordkorea-Experte.

Christoph: Eigentlich hatten wir, zumindest ich, am Anfang nicht gleich vor eine Reiseagentur aufzumachen. Mein erster Besuch in Nordkorea sollte ein einmaliges Wagnis werden. Letztendlich war dieses Erlebnis so prägend für mich als politikinteressierten Menschen, dass ich ein zweites Mal fuhr. Zwischendurch verschlang ich unzählige Bücher über Nord- und Südkorea, den Krieg, die Teilung, etc. Und dann überlegt man sich, wie es wäre hier in Berlin eine kleine Reiseagentur aufzumachen, um aus seinem Hobby auch etwas Zählbares zu machen und die Zeit und Energie, die man in sein Hobby investiert, auch positiv zu nutzen. Alleine wäre das wohl nichts für mich gewesen, doch zu dritt verfügen wir auch über die nötige Ausstattung und Kapazität, solch ein Projekt erfolgreich zu führen.

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Was ist denn für Euch so faszinierend an dem Land?

Christoph:  Viele Leute rieten mir von meiner ersten Reise ab, ich würde dort nur Leid sehen, das Land sei unberechenbar, unsicher, etc. Im Nachhinein kann ich sagen, dass die Reise extrem faszinierend war, das Land ist so dermaßen anderes als alles andere. Eine Reise nach Nordkorea ist wie eine Zeitreise. Was unsere Generation größtenteils nur aus Geschichtsbüchern kennt, existiert dort seit über 60 Jahren, extrem abgeschottet von der Außenwelt. Uns als Tourist ist man dort sehr sicher, die Reisen sind extrem gut geplant, die Reiseleiter sehr professionell und nett.

Ronny: Das ganze Land ist ein Mysterium. Ich bin ein Mensch, der erlebt lieber einmal einen außergewöhnlichen Urlaub wie in Nordkorea als zehn Mal Mallorca oder Ibiza. Zudem gibt es so viele Parallelen und Unterschiede zur deutschen Teilung. Das ist schon sehr interessant.

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wonsan (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Ist es ethisch vertretbar, nach Nordkorea zu reisen?

Christoph: Die Frage ist berechtigt. Natürlich gibt es den Vorwurf, dass das durch den Tourismus erwirtschaftete Geld direkt der Regierung zugehen würde und Touristen im Land für Propagandazwecke genutzt würden.  Mit diesem Vorwurf müssen sich alle Reiseagenturen, die Nordkoreareisen im Angebot haben, auseinandersetzen. Reisen zu organisieren ist zudem etwas anderes als selbst einmal als Tourist dort hinfahren. Insofern fühlen wir schon eine Verpflichtung, uns mit solchen Vorwürfen auseinandersetzen.

Um aber gleich beim Argument der Devisen bzw. des Geldes zu bleiben: Es ist nicht so, dass alles an die Regierung geht. In der beschaulichen Tourismusindustrie Nordkoreas sind in den letzten Jahren viele kleine Jobs entstanden, etwa für Hotelbedienstete, Restaurantangestellte, Reiseleiter, etc. Ein nicht unerheblicher Teil des Geldes geht auch an diese Leute und trägt dazu bei, dass ihr Lebensstandard und der ihrer Familien auf ein besseres Niveau gehoben wird. Für die Devisen, die im touristischen Bereich verdient werden, können sich beispielsweise Hotelangestellte auf den inzwischen existenten Märkten Waren kaufen, die nicht nur ihnen, sondern auch ihren Familien zu Gute kommen. Um nun dem Propaganda-Argument bzw. dem Vorwurf, Touristen würden sich instrumentalisieren lassen etwas entgegenzusetzen: Touristen fordern die offizielle Linie mindestens auch genauso heraus. Denn je mehr Touristen einreisen, desto mehr sehen doch die Leute im Land auch, dass die eben keine Monster sind, die ihnen böses wollen. Ich finde einige der Vorwürfe gegenüber touristischen Reisen nach Nordkorea auch schlicht unfair. Niemand würde auf die Idee kommen, Entwicklungs- oder Nahrungsmittelhilfe zu verteufeln. Diese Hilfen stehen bekanntlich in Gefahr, ähnlich propagandistisch instrumentalisiert zu werden. Würde deswegen aber ernsthaft jemand behaupten wollen, Lebensmittelhilfen müssten gestoppt werden? Touristen können weder etwas für die Menschenrechts- und Versorgungslage, noch für die atomare Aufrüstung des Landes. Wer sowas behauptet überschätzt die Bedeutung des Tourismus maßlos.

Ronny: Diejenigen, die den Tourismus nach Nordkorea kritisieren, müssen sich meiner Meinung nach die Gegenfrage gefallen lassen, was denn dagegen über 60 Jahre Isolation dem Land gebracht haben? Hermetisch abgeriegelt von jeglichen Informationen über die Außenwelt war das Land doch schon immer. In letzter Zeit kommt auch Dank der steigenden Touristenzahl mehr Kontakt und Austausch zustande. Ich kann darin nichts Negatives erkennen. Es ist nicht so, dass man bei einer intensiven Auseinandersetzung mit diesem Thema zu einem absolut einseitigen Ergebnis kommen kann. Es existieren Vor- und Nachteile wie bei allem im Leben. Unserer Meinung nach überwiegen die Nachteile nicht. Und deshalb haben wir auch überhaupt kein ethisches Problem damit, den Tourismus nach Nordkorea zu fördern. Wir sehen auf unseren Reisen, wer alles vom Tourismus direkt oder indirekt profitiert. Das sind vor allem die Reiseleiter und ihre Familienangehörigen sowie alle, die in dem Bereich arbeiten. Darüber hinaus sind wir ein marktwirtschaftliches Unternehmen. Wir wollen natürlich auch Geld verdienen für unsere Arbeit. Ja, die ethische Vertretbarkeit ist uns auch wichtig, aber nur weil es 1-2 Argumente gegen das Reisen in das Land gibt, erheben wir uns nicht in die Position absoluter moralischer Urteilsfähigkeit.

Bergsee (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bergsee (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wie regierte die Umwelt auf Eure Pläne?

Ronny:  Es gibt natürlich einige, die unsere Pläne für Quatsch halten und uns für Regimeunterstützer halten. Aber dazu haben wir uns ja gerade geäußert.

Christoph: Der Großteil der Leute ist eher besorgt und fragt sich, ob das sicher ist, Reisen nach Nordkorea zu machen. Wenn dann so etwas wie der Fall Newman kürzlich hinzu kommt, nehmen einige so ein Ereignis als Anlass, nochmal ihre Bedenken kundzutun. Aber wenn man dann sich mit dem Fall beschäftigt, so merkt man schnell, dass Newman eben kein normaler Tourist war. Wieder andere sind extrem fasziniert, dass wir so ein Reise-Projekt tatsächlich aufgezogen haben, denn das macht ja nun wirklich nicht jeder.

Ronny: Um nochmal auf Newman zu kommen. Wir informieren unsere Reiseteilnehmer natürlich vorab ausführlich über die Verhaltensregeln im Land. Um dort festgenommen zu werden gehört schon einiges dazu. Wenn man die wenigen Regeln, die es gibt, befolgt und nicht mutwillig bricht, hat man überhaupt keine Probleme.

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)


Wie läuft die Zusammenarbeit mit den nordkoreanischen Partnern?

Christoph: Bislang gut. Man hat auch immer ein offenes Ohr für unsere Pläne und Ideen. Wir haben natürlich viele Innovationen im Hinterkopf, über die man uns aber ganz klar gesagt hat, dass einige noch nicht durchführbar sind in Nordkorea. Ich habe aber das nicht unbegründete Gefühl, dass vieles in den nächsten Jahren machbar wird. Ein gutes Beispiel ist unsere Nahverkehrsreise. Bisher durften ausländische Touristengruppen lediglich 4-5 Stationen der Pyongyang Metro besichtigen. Nachdem wir unseren Kontakten von KITC (des staatliches nordkoreanischen Reiseveranstalters) aber erklärt haben, dass die Besichtigung der gesamten Metro eine Marktlücke ist, haben wir sehr schnell grünes Licht bekommen.

Ronny: Die Reise ist vor allem interessant für Fans des Berliner Nahverkehrs. Denn in Pjöngjang fahren alte Berliner U-Bahnen. Außerdem stehen Fahrten mit anderen nordkoreanischen Nahverkehrsmitteln auf dem Programm, die ebenfalls erst seit kurzer Zeit möglich sind. Wir denken, dass unsere Partner von KITC auch ganz genau wissen, was Reisende an Nordkorea so fasziniert. Natürlich sind die Kontakte aber auf die geschäftliche Ebene beschränkt.

Im letzten Sommer, kurz nach unserer Gründung, hat man uns sogar zu den Feierlichkeiten des 60. Geburtstags von KITC nach Pjöngjang eingeladen. Bei der Gelegenheit konnten wir auch das sich im Bau befindende Masik Ski Resort besichtigen. Auch an einer Konferenz zur Entwicklung des Tourismus nahmen wir Teil. Dort wurden große Pläne verkündet, die wirklich darauf schließen lassen, dass sich das Land noch mehr gegenüber westlichen Touristen öffnen will. Allerdings bleibt natürlich auch abzuwarten, wie viele der angekündigten Neuerungen wirklich umgesetzt werden. Beispielsweise soll in der Nähe von Wonsan ein neuer internationaler Flughafen gebaut werden.

In Nordkorea erfuhren wir die beste Betreuung, die Arbeit mit KITC gestaltete sich als fruchtbar, und uns wurde nahezu alles ermöglicht was wir sehen und tun wollten. So wurde uns immer wieder gesagt, wie sehr sich KITC freut, dass wir Reisen nach Nordkorea anbieten. Uns wurden darüber hinaus Naturschätze gezeigt, welche vorher nicht von Ausländern besucht werden durften. Wir wurden immer wieder darauf hingewiesen, unseren Touristen unbedingt von diesen Plätzen zu berichten und für Reisen zu werben. Vielen ist gar nicht bekannt, dass Nordkorea ein landschaftlich sehr schönes Land ist. Sei es der Kratersee auf dem Berg Paektu, die Gegend um Myohyangsan oder Kumgangsan.

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Kennt man sich untereinander in der überschaubaren Community der Nordkorea-Reiseagenturen?

Christoph:  Man kennt ein paar der oft gesehenen Leute, wechselt hin und wieder ein Wort miteinander.

Ronny:  Man weiß natürlich voneinander und hat auch ein relativ offenes Verhältnis zueinander. Über neue Reiseideen redet man natürlich nicht mit der Konkurrenz. Es ist glücklicherweise nicht so, dass man dort nach Ellenbogenmentalität agiert, obwohl der Markt in letzter Zeit sehr gewachsen ist und viele neue Anbieter hinzugekommen sind.

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Wie schwierig ist es ein Touristenvisum für Nordkorea zu bekommen?

Christoph: In der Regel ist dies vergleichsweise einfach. Jeder, der mal ein Visum für Russland beantragt hat, weiß was für ein bürokratischer Aufwand das ist. Für das Nordkorea-Visum dagegen benötigt man nicht viel mehr als zwei Passbilder, seinen Reisepass, sowie die wahrheitsgemäße Angabe zum Arbeitgeber (bzw. Universität oder zum früheren Arbeitgeber). Nordkorea möchte bekanntlich keine Journalisten auf touristischen Reisen ins Land lassen. Vor Buchung müssen wir daher eine entsprechende Erklärung verlangen, dass alle gemachten Angaben wahrheitsgemäß sind, und dass die reisende Person nicht als Journalist arbeitet. Denn für den Fall, dass wir unwissentlich Journalisten auf unseren Reisen mitnehmen, drohen uns als Reiseagentur Strafen von nordkoreanischer Seite, so dass wir beispielsweise für zukünftige Reisen gesperrt würden. Uns bleibt also keine Wahl, uns auch rechtlich per Unterschrift der Reisenden gegen falsche Angaben abzusichern, so dass wir etwaige Ausfälle dann auch von den Verursachern zurückverlangen können. Hoffentlich wird es nie soweit kommen. Anderen Reiseagenturen ist es schon passiert. Welche Konsequenzen das für die im Detail hatte, wissen wir allerdings nicht.

Ronny: Natürlich werden die Antragsdaten eines jeden Reisenden vorab von der Botschaft geprüft. Wer Journalist ist, kann uns natürlich um die Herstellung des Kontaktes zur Botschaft fragen. Dort können Journalisten dann auch beantragen, dass sie Nordkorea besichtigen wollen. Allerdings wird solchen Anträgen selten stattgegeben. Alle anderen Berufsgruppen und Nationalitäten sind auf unseren Reisen willkommen, mit Ausnahme von Südkoreanern. Der Grund hierfür liegt aber nicht in den Einreisebestimmungen Nordkoreas, sondern in den Gesetzen Südkoreas, die einen nicht autorisierten Besuch des Nordens unter Strafe stellen.

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)

Bauarbeiten am Masik-Ski-Ressort (Foto und Rechte: Nordkorea-Reise.de)


Wohin wird sich der Tourismus in Nordkorea in den nächsten Jahren entwickeln?

Ronny:  Die Besucherzahlen sind in den letzten Jahren für nordkoreanische Verhältnisse sehr stark gestiegen. Je mehr das Land in den Medien ist, desto attraktiver wird es letztendlich auch für Touristen. Wir gehen aber davon aus, dass der Markt in den nächsten Jahren noch weiter wachsen wird.

Christoph:  Man muss sich nur einmal anschauen, welche touristischen Projekte in Nordkorea alles geplant sind. Beispielsweise das Masik Ski Resort und der Ausbau des Flughafens von Wonsan, um die größten und bekanntesten zu nennen. Es wird also viel investiert in touristische Infrastruktur. Die Touristenzahlen werden somit wahrscheinlich auch weiterhin steigen. Tourismus in Nordkorea wird zudem dezentraler werden. Früher war alles hauptsächlich auf die Hauptstadt Pjöngjang konzentriert und lediglich Besuche etwa nach wie z.B. Myohyangsan, Peaktusan oder nach Panmunjom waren Standard. Inzwischen sind immer mehr Gegenden Nordkoreas für Touristen zugänglich. Wir gehen davon aus, dass Restriktionen für Touristen weiterhin in kleinen und behutsamen Schritten gelockert werden. Man wird mehr sehen und neue Orte besuchen können. Dass man Nordkorea eines Tages ohne Guides auf eigene Faust erkunden kann, wird allerdings auf absehbare Zeit Wunschdenken bleiben.

 

Wenn ihr mehr zum Angebot von Nordkorea-Reise.de erfahren wollt, dann schaut euch doch einfach mal ihre Homepage an oder besucht ihren Facebook-Auftritt

Eine Landverbindung nach Südkorea schaffen: China soll Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke durch Nordkorea planen


Kürzlich habe ich bei KBS einen Artikel  gelesen, den ich sehr spannend fand. Es ging darum, dass China und Nordkorea angeblich ein Abkommen über die Errichtung einer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke und einer Autobahn zwischen Sinuiju im Nordwesten des Landes an der Grenze zu China und Kaesong im Südwesten an der demilitarisierten Zone, der de facto Grenze zu Südkorea geschlossen hätten. Das 14,2 Milliarden Dollar Projekt solle 30 Jahre lang von dem chinesischen Konsortium betrieben werden und dann an Nordkorea fallen. Dieser Bericht beruht scheinbar auf Informationen des südkoreanischen Abgeordneten Hong Ik-pyo. Allerdings berichtet Daily NK, eine Seit mit Fokus auf der Menschenrechtssituation in Nordkorea, unter Berufung auf das südkoreanische Vereinigungsministerium, es handle sich hier nur um einen Diskussionsprozess, der schon länger bekannt sei und bei dem bisher noch keine Entscheidung gefallen sei.

Südkorea als „Binneninsel“

Nichtsdestotrotz machte mich dieses Thema hellhörig, denn hierdurch wird eines der großen Pfunde, mit denen Nordkorea wirtschaftlich mittel- bis langfristig wuchern könnte, nochmal sehr deutlich. Es geht im Endeffekt um die geographische Lage Nordkoreas. Dadurch, dass der Nordteil und der Südteil Koreas hermetisch voneinander abgeriegelt sind, macht Nordkorea aus dem Süden eine Art „Binneninsel“. Zwar ist Südkorea durch eine Landverbindung an den Rest Asiens angebunden, aber es kann diese Landverbindung nicht nutzen. Eigentlich ist das Ganze noch unangenehmer als eine Position als Insel, denn Wasser schießt nicht mit Artillerie etc.. Dieser Umstand verschließt Südkorea einiges Entwicklungspotential, denn alles was ausgeführt werden soll, muss erstmal auf ein Schiff verladen werden. Möglicherweise wäre es aber mitunter kosteneffizienter, Dinge per Schiene oder Straße in die Abnehmerländer zu schaffen. Solange aber die politische Situation mit dem scharfen Gegensatz zwischen Süd- und Nordkorea so ist, wie sie nun eben ist, wird das vermutlich nicht passieren. Es sei denn…

Optionen zum Anschluss Südkoreas an das chinesische Hochgeschwindigkeitsschienennetz

…Es sei denn einer der beiden großen Nachbarn Nordkoreas im Norden, also China oder Russland schaffen es eine Vereinbarung mit Pjöngjang zu schließen, die den Bau und die sichere Nutzung einer Schienen oder Straßenverbindung durch Nordkorea ermöglicht. So etwas wäre nicht zuletzt für Nordkorea selbst nicht unwichtig, da die marode Infrastruktur des Landes ein Stück weit aufgewertet würde, das Land damit besser erschlossen würde und wirtschaftlichere Prozesse der Arbeitsteilung und Produktion ermöglicht würden. Weiterhin würden aus einem solchen Projekt auch noch eventuell Nutzungsgebühren der Straßen-/ Schienenbetreiber anfallen, was einen unmittelbareren Anreiz darstellen würde. Eine durchaus interessante Geschichte also, die durch den Bau einer Schienenverbindung zwischen Sinuiju und Kaesong quasi in die Tat umgesetzt würde, denn Kaesong ist ans südkoreanische Schienennetz angeschlossen während Sinuiju mit Dandong über die Freundschaftsbrücke eine Schienenverbindung hat. Derzeit wird auf chinesischer Seite daran gearbeitet, Dandong bis 2015 über Schenjang an das chinesische Hochgeschwindigkeitsschienennetz anzuschließen. Kurz, eine Verbindung durch Nordkorea hindurch würde Südkorea ans Kontinentale Schienennetz anschließen und das wäre ein großer Schritt für Seoul. Zwar ist das grundsätzlich auch jetzt schon so, allerdings dürfte die marode nordkoreanische Schieneninfrastruktur kaum einen zügigeren Transport von Personen und Waren erlauben, als per Schiff.

Ein Pokerspiel – Für alle Beteiligten

Die Möglichkeit, die in solchen Projekten für Nordkorea stecken könnte, zeigt sich auch in dem Interesse Russlands daran, Infrastruktur quer durch Nordkorea bis in den Süden aufzubauen. Hier geht es neben einer Bahnstrecke auch um eine Pipeline, durch die Gas nach Südkorea fließen könnte. Ich bin zwar kein erfolgreicher Geschäftsmann oder so, aber ich weiß, dass sich die besten Geschäfte machen lassen, wenn mehrere Interessenten eine Sache gerne hätten. Naja und wenn  sowohl China als auch Russland daran interessiert sind, Südkorea an ihr Schienennetz anzuschließen, dann öffnen sich hierdurch für Pjöngjang Spielräume für das Spiel, das man dort wohl am liebsten spielt: Zum Pokern. In diesem Spiel könnte der Einsatz, mit dem Nordkorea die beiden ambitionierten Staaten locken könnte, die Erlaubnis zum Bau einer Bahnstrecke sein und beide dürften bereit sein, einiges in den Pott zu legen, denn eine Verbindung nach Südkorea verspricht günstigere Importe von dort und gleichzeitig die Erschließung eines neuen Marktes.
Es bleiben jedoch auch Risiken, denn Nordkorea ist nicht unbedingt als verlässlicher Geschäftspartner bekannt. Das haben die in Kaesong ansässigen Firmen in diesem Jahr erlebt und scheinbar auch schon einige chinesische Unternehmen. Daher werden beide Interessen wohl auch mit einer gewissen Vorsicht an einen möglichen Deal mit Pjöngjang herangehen. Ich bin gespannt was kommt, aber verlieren wird Nordkorea wohl eher nicht daran…

Jang Song-thaeks Hinrichtung: Konkrete Vorwürfe und ihre Funktionen


Heute schreibt und spricht ja jeder zur Hinrichtung Jang Song-thaeks und den Auswirkungen dieses Ereignisses. Dabei weiß man nicht vielmehr als gestern und die Tage davor. Das einzige Dokument, das möglicherweise Neuigkeiten enthält, ist der Bericht zum Prozess gegen Jang. Den habe ich mir mal angeguckt und alle enthaltenen Vorwürfe aufgelistet. Hier hat NK Leadership Watch den Text samt kurzem eigenen Kommentar und Bildern zur Verfügung gestellt.

Der zentrale Vorwurf war dabei ganz klar:

  • die Gründung einer modernen Splittergruppe, deren Chef er seit langem war. Diese sollte den Staat umstürzen und die absolute Macht in Staat und Partei ergreifen.

Diesem Vorwurf ordnen sich alle anderen Beschuldigungen unter. Entweder indem sie zum Beleg seiner Verwerflichkeit genommen werden, oder indem sie direkt mit diesem Umsturzversuch in Verbindung gebracht werden. Seine Verwerflichkeit drückt sich in seiner moralischen Schwäche aus:

  • Er hatte das Vertrauen aller drei Kims, am meisten jedoch Kim Jong Uns. Dieses Vertrauen missbrauchte er schändlich.
  • Unter Kim Il Sung und Kim Jong Il wagte er es nicht, sein wahres Gesicht zu zeigen. Jedoch glaubte er mit dem Machtwechsel zu Kim Jong Un, seine Zeit sei gekommen.

Dementsprechend begann er dann, die Vorbereitungen seines Umsturzes voranzutreiben:

  • Er sabotierte offen und Verdeckt die Nachfolge Kim Jong Uns.
  • Als Kim Jong Un zum stellvertretenden Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gemacht wurde, applaudierte er nur halbherzig.

Schon solche Beobachtungen werden in den Kontext der Machtpläne gesetzt:

  • Jang gab zu, dass er sich so verhielt, um die Konsolidierung des Führungssystems Kim Jong Un zu sabotieren, damit er später einfacher die Macht in Partei und Staat ergreifen könnte.

Vor allem aber wird wiederholt kritisiert, dass er sich mit Kim Jong Un gleichsetzte und dass er eine Gruppe um sich scharte.

  • Jang versuchte sich im Rahmen der Vor-Ort-Anleitungen Kim Jong Uns als jemand besonderes zu präsentieren, der gleichwertig mit Kim Jong Un sei.
  • Um eine Gruppe aufzubauen, holte Jang Personen in seine Abteilung des Zentralkomitees der PdAK, die gegen die Führung waren und zum Teil wegen Befehlsverweigerung ernsthaft bestraft worden waren.
  • Er fügte der Jugend als Mitglied einer Gruppe, die von Feinden bestochen war, Schaden zu.
  • Jang ließ in wenigen Jahren Vertrauten und Schmeichler, die wegen eines ernsthaften Falls der Befehlsverweigerung gefeuert worden waren, in seine Abteilung. Er herrschte über sie als heiliges und nicht angreifbares Wesen.

Als ein weiteres zentrales Element seines Planes wird die Ausweitung administrativer Kompetenzen dargestellt:

  • Er versuchte Aufgaben des Landes unter seine Kontrolle zu bringen, indem er die Mitarbeiter seiner Abteilung ausweitete und seine Tentakel nach Ministerien und anderen Institutionen ausstreckte.

Allerdings geht sehr viel Kritik in die Richtung, dass er nicht die notwendige Unterwürfigkeit und Unterordnung an den Tag gelegt habe.

  • Er verhinderte die Errichtung eines Mosaiks, das Kim Il Sung und Kim Jong Il darstellte und verneinte die einmütige Anfrage einer Einheit der Sicherheitskräfte, den Inhalt eines unterschriebenen Briefs Kim Jong Uns in einen Granitblock zu meißeln und vor seinem Kommandogebäude zu errichten. Jang ließ es in einer schattigen Ecke aufstellen.
  • Er verneinte systematisch die politische Linie der Partei und erweckte so den Eindruck, er sei jemand besonderes, der über den Entscheidungen der Partei stehe.
  • Er verteilte Geschenke, die für Loyalität für Partei und Führer verteilt wurde an seine Vertrauten und strich dafür den Respekt ein.
  • Er ließ sich von seinen Schmeichlern und seiner Abteilung „Genosse Nr. 1“ nennen.
  • Er errichtete ein heterogenes Arbeitssystem und was er sagte galt mehr als die Parteipolitik.

Interessant ist der Vorwurf, er habe sich in die Kompetenzen des Kabinetts eingemischt, aber auch

  • Mit der Idee, als erster Schritt seiner Machtübernahme Regierungschef zu werden, ließ er seine Abteilung die Kontrolle über zentrale Bereiche der Wirtschaft übernehmen. So wollte er die Wirtschaft in ein Chaos stürzen. Jang übernahm Aufgaben des Kabinetts und verhinderte so, dass es seine Arbeit richtig machen konnte. Dazu gehören das Aufstellen von Einheiten für den Außenhandel, die Devisengewinnung und die Verteilung von Aufenthaltsgenehmigungen.
  • Als er der Partei einen falschen Bericht erstattete und die Genossen anmerkten, dass das dem von Kim Il Sung und Kim Jong Il erarbeiteten Baugesetz widerspreche meinte er nur: „Die Umformulierung des Baugesetzes würde dieses Problem lösen.“

Ausgestattet mit diesen Kompetenzen, aber auch schon vorher, sollte die Wirtschaft ins Chaos gestürzt werden:

  • Er störte Baumaßnahmen in Pjöngjang, indem er Arbeiter und Material an seine Vertrauten weiterreichte, die so Geld verdienten.
  • Er beauftragte seine Vertrauten, Kohle und andere Ressourcen zu verkaufen. Deshalb waren sie hoch verschuldet. Um die Schulden zu begleichen verpachtete Jang einen Teil der Rason SWZ für fünf Jahrzehnte an ein anderes Land.
  • Auf Jangs Befehl hin wurden hunderte von Milliarden Won gedruckt. So verursachte er 2009 ein ökonomisches Chaos. Mit dem Geld wurde unter anderem Korruption finanziert.
  • Außerdem kaufte eine von ihm aufgebaute geheime Organisation im Widerspruch zum Gesetz wichtige Metalle und verursachte so Chaos im staatlichen Finanzsystem.

Er persönlich missbrauchte Mittel und verhielt sich unmoralisch:

  • Er führte ein dekadentes Leben und verteilte seit 2009 alle Arten von pornographischen Bildern unter seinen Vertrauten. Allein 2009 gab er 4,6 Millionen Euro in einem ausländischen Casino.

Seine Umsturzpläne reichten bis ins Militär:

  • Jang versuchte in der Armee Einfluss zu gewinnen um einen Putsch durchzuführen.

Abschließend wird er zu seinen konkreten Plänen zitiert:

  • Er wird zitiert, dass er Unzufriedenheit schüren wollte, um einen Putsch gegen Kim Jong Un auszulösen.
  • Er habe Leute angesprochen, die seit längerem in Positionen seien, da er die jüngst beförderten nicht kenne. Er dachte die Armee würde putschen, wenn die Lebensbedingungen von Volk und Soldaten sich weiter verschlechterten. Er zählte auf seine Vertrauten und versuchte die Organe der Volkssicherheit für sich zu gewinnen. Außerdem versuchte er andere zu gewinnen.
  • Er wollte nachdem er die Wirtschaft zugrunde gerichtet hatte Premier werden, dann mit Mitteln, die er auf unterschiedliche Weise gehortet hatte die Probleme  bei den Lebensumständen der Menschen lösen, so dass Bevölkerung und Militär „Hurra!“ schreien würden und der Putsch einfach umzusetzen wäre.
  • Durch sein Image als „Reformer“ würde er vom Ausland schnell Hilfe bekommen.

Aufgrund dieses „Umsturzplanes“ wurde er von der Sonderkommission schuldig gesprochen und hingerichtet.

Dieser gesamte Bericht enthält viele Komponenten, die verschiedene Funktionen erfüllen dürften. Ich versuche mal kurz die unterschiedlichen Funktionen, die ich sehe, zu erläutern:

  1. Rechtfertigung der Hinrichtung: Jang hat sowohl moralisch, als auch in der Realität gegen das Wertsystem der DVRK verstoßen. Er hat das Vertrauen der Führer missbraucht und er hat gegen das hierarchische Normsystem verstoßen. Außerdem hat er Volksvermögen verprasst und dem Volk geschadet, indem er gezielt seinen Lebensstandard verschlechtert hat.
  2. Klarstellung des Regelsystems: Jeder der nicht genug applaudiert, der sich eigene Netzwerke aufbaut, der sich mit dem Führer auf einer Ebene wähnt, der sich politischen Vorgaben der Partei aktiv oder passiv widersetz oder den Führerkult kritisiert ist verdächtig. Also sollte man als Teil der Führung all diese Regeln mit allen daraus ableitbaren Konsequenzen lieber befolgen.
  3. Stabilisierung der absoluten Führung Kim Jong Uns: Wer ein Netzwerk oder eine Gruppe bildet, gerät ins Blickfeld der Führung und steht potentiell auf der Abschussliste. Ohne Gruppenbildung bleibt das System leicht zu kontrollieren, denn ein alleinstehender Widerständler hat kaum die Möglichkeit, etwas zu unternehmen. Außerdem prüft und kontrolliert sich aktuell jeder noch stärker auf abweichendes Verhalten.
  4. Maßnahmen gegen ältere Generationen werden gerechtfertigt: Wenn Jang sagt (bzw. man Jang sagen lässt…) in den älteren Generationen habe es Leute gegeben, die er ansprechen wollte und die jüngeren kenne er nicht und wenn es im Unklaren belassen wird, wen er alles für seinen Putsch gewinnen wollte, dann ist klar, dass es unter den Älteren weitere Mitglieder der Jang-Gruppe geben könnte. Jüngeren kann man dagegen vertrauen. Kim Jong Un setzt seine eigenen Vertrauten ein und wenn es Konflikte gibt, weil hierarchisch eigentlich Ältere dran wären, dann kann immer das Vertrauensargument gezogen werden. Außerdem werden sich jetzt wohl alle älteren besonders bemühen, ihr Vertrauen zu beweisen.
  5. Ich sehe hier Anzeichen, die gegen reformerische Ideen und Öffnung sprechen. Die Errichtung eines Mosaiks dem wirtschaftlichen Arbeiten in einer Fabrik vorzuziehen zeigt klar die Präferenz: Personenkult geht vor wirtschaftlicher Entwicklung. Vor allem zeigt aber die Denunziation Jangs als „Reformer“ und die Kritik an Maßnahmen zur Öffnung (verpachten von Land in der SWZ Rason), dass man diesem Weg kritisch gegenübersteht. Diejenigen, die sich für Öffnung einsetzen oder Zusammenarbeit mit dem Ausland werden vermutlich wesentlich vorsichtiger werden.
  6. Es wird ein Sündenbock konstruiert, der an allem, was in den letzten Jahren schiefging, Schuld ist: Keine Verbesserung der Lebensumstände? Jang war’s! Inflation? Jang war’s! Stillstand auf Baustellen? Jang war’s! Korruption? Jang war’s! Ausverkauf von Ressourcen? Jang war’s! Alles klar? Wenn es in den letzten Jahren Probleme gab, ist der Schuldige gefunden.
  7. Entlastung der eigentlich Verantwortlichen: Den Punkt, dass Jang sich in die Kompetenzen des Kabinetts gemischt haben soll finde ich spannend, denn damit nimmt man diejenigen, die offensichtlich die Misere im Land nicht behoben haben aus der Schusslinie, sie konnten ja ihre Arbeit nicht richtig machen. Damit sind sie aber ab jetzt so richtig in der Pflicht.
  8. Trennung der Sphären und Verantwortlichkeiten: Jeder soll das machen, was seiner Aufgabenzuschreibung entspricht. Mischt sich eine Abteilung der Partei in die Wirtschaftspolitik, kann dies Verdacht erwecken. Vielleicht ist das übertragbar. Zum Beispiel denke ich da an wirtschaftliche Aktivitäten des Militärs. Generell ist jedenfalls eine klare Funktionstrennung ein gutes Mittel gegen Machtanhäufung.

Vermutlich enthält der Subtext noch einiges mehr, aber dafür muss man sich wohl weitaus besser mit Kultur und Gesellschaft dort auskennen und wohl auch den Originaltext lesen. Aber schon interessant, wieviel hier wirklich drinsteckt und wie wenig manche Medien daraus machen. Ich meine was soll das denn, als Hauptgrund für den Sturz immernoch Korruption und Frauengeschichten anzugeben. Das läuft hier unter „weiteres“ und dient nur als Beleg für seine moralische Verkommenheit. Auch die Verweise auf einen „Militärputsch“ oder auf Kim Jong Un als Reformer finde ich sehr fragwürdig, denn die Hinweise darauf müssen sich aus irgendwas ergeben, jedenfalls nicht aus den Informationen, die aus Nordkorea kommen. Und man sollte nicht in der selbstüberschätzenden Idee an die Sache rangehen, dass die nordkoreanische Propaganda diese Texte in erster Linie für den Westen konstruiert. Da steckt vielleicht die eine oder andere Botschaft drin, aber der überwiegende Teil der Informationen adressiert die Nordkoreaner selbst.

Politisch relevant und symbolisch bedeutsam: Mongolischer Präsident besucht Nordkorea


Wie ja schon kürzlich angekündigt, ist heute der mongolische Präsident Tsachiagiin Elbegdordsch (in englischer Transkription Tsakhiagiin Elbegdor) für einen viertägigen Staatsbesuch in Pjöngjang eingetroffen. Dieser findet anlässlich des 65. Jahrestages der Aufnahme der bilateralen Beziehungen Nordkoreas und der Mongolei statt.
Nichtsdestotrotz sollte man die Staatsvisite aus mehreren Gründen nicht als reinen Höflichkeitsbesuch abtun. Die Reise ist vielmehr Ausfluss der sich rapide vertiefenden Verbindung beider Staaten. Dass sie nicht nur symbolische, sondern auch konkrete politische Ziele verfolgt, zeigt sich in der Tatsache, dass der Präsident einige Kabinettsminister mitgebracht hat. Jedoch sollte auch die Symbolik, die in dem Besuch liegt, nicht unterschätz werden, aber dazu später mehr. Ob Elbegdordsch mit Kim Jong Un zusammentreffen wird ist bisher noch nicht klar, aber ich denke, dass es eine ziemlich große Überraschung wäre, wenn das nicht passieren würde (Also warten wir die Bilder vom gemeinsamen Dinner, den beiden wie sie in Sesseln nebeneinander sitzen und vielleicht noch, wie sie einem Militärorchester lauschen oder so, ab).

Um euch einerseits einen kleinen Überblick über die Beziehungen beider Staaten und andererseits über die Bedeutung des Besuchs, auch im internationalen Kontext, zu geben, werde ich im Folgenden auf die diplomatischen, wirtschaftlichen und andere Themen zwischen Nordkorea und der Mongolei eingehen, bevor ich dann einen Blick auf die symbolischen Aussagen dieses Treffens werfe und abschließend kurz darstelle, welche Aspekte bei der Beobachtung dieses Besuchs meiner Meinung nach besondere Aufmerksamkeit verdienen.

Die Beziehungen zwischen der Mongolei und Nordkorea

Um die Bedeutung der Reise und die eventuellen Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen beider Staaten zu verstehen, lohnt es sich einen näheren Blick auf die Entwicklung dieser Beziehungen in der letzten Zeit und die dabei wichtigen Themen zu werfen.

Sich rapide vertiefende diplomatische Beziehungen…

Auf diplomatischer Ebene war in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme des Austauschs beider Staaten zu verzeichnen (weil ich nicht weitere darauf eingehe, das Thema aber interessant ist, gibt es einen kleinen Überblick über die Anfänge der Beziehungen, in diesem Artikel). Hochrangige nordkoreanische Staatsmänner besuchten Ulan Bator und trafen dort zum Teil auch konkrete Vereinbarungen im wirtschaftlichen Bereich.
Weiterhin erarbeitete sich die Mongolei ein Profil als neutraler Vermittler mit Nordkorea. So fanden beispielsweise unter der Vermittlung Ulan Bators Gespräche zwischen Vertretern Nordkoreas und Japans über die Frage von Nordkorea entführter japanischer Staatbürger statt. Ein Thema, dass Pjöngjang generell meidet und das di Beziehungen zwischen Japan und Nordkorea in den vergangenen Jahren auf den Nullpunkt gebracht hatte.
Daneben tritt die Mongolei in letzter Zeit auf die alljährlichen Bitten Nordkoreas nach Lebensmittelhilfen als verlässlicher (wenn auch nicht übermäßig großer) Geber von Lebensmittelspenden auf. Diese Gaben, deren symbolische Bedeutung wohl über die tatsächliche Wirkung hinausgeht, werden relativ unabhängig vom Verhalten Nordkoreas auf internationalem Parkett gewährt. Generell hat die Mongolei in den vergangenen Jahren eine Position eingenommen, die zwar nicht unkritisch gegenüber Nordkorea ist, die aber unabhängig von allen anderen politisch schwergewichtigen Akteuren mit Bezug auf Nordkorea, also vor allem den USA und China zu sehen ist. Dieser Umstand dürfte die Mongolei für Nordkorea zu einem Partner machen, dem man sich relativ gleichrangig und ohne strategische Handlungszwänge gegenübersieht.

…aber auch gute wirtschaftliche Zusammenarbeit

Die relativ guten politischen Beziehungen ziehen — anders als im Falle Nordkorea ansonsten häufiger — auch gute wirtschaftliche Verbindungen nach sich. Die Mongolei und Nordkorea sind durch vielfältige gegenseitige wirtschaftliche Verknüpfungen, die häufig auch auf relativ offensichtlichen Interessen beruhen, miteinander verbunden.
Beispiele hierfür sind die nordkoreanischen Arbeiter, die in der Mongolei für den nordkoreanischen Staat Devisen erwirtschaften und von den mongolischen Arbeitgebern dafür wohl nach den Wünschen Pjöngjangs „gehalten“ werden. Auch die Übernahme von Anteilen einer nordkoreanischen Raffinerie durch ein mongolisches Unternehmen Mitte dieses Jahres stieß international auf Aufmerksamkeit und machte die strategischen Interessen der Mongolei deutlich, denn ganz Risikolos ist ein solcher Schritt aufgrund des Umgangs der nordkoreanischen Seite mit internationalen Investoren, aber vor allem wegen der bestehenden und möglicher kommender Sanktionen der internationalen Gemeinschaft nicht.
Generell ist das Interesse der Mongolei an der nordkoreanischen Sonderwirtschaftszone Rason augenscheinlich und auch leicht nachvollziehbar. Die Mongolei, die ohne Meerzugang zwischen den beiden ökonomischen Riesen Russland und China „eingeklemmt“ ist, dürfte es nicht so leicht haben, sowohl für den Im- wie für den Export Zugänge zum internationalen Markt zu bekommen, die relativ unabhängig von Russland und China sind. Der Seezugang über Rason und die Möglichkeiten, die die dortige Sonderwirtschaftszone als „Vorposten“ zu nutzen (ähnlich wie im Falle der Raffinerie) dürfte der Mongolei die Chance bieten, einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden und damit wirtschaftlich von den beiden großen Spielern in der direkten Umgebung unabhängig zu werden. Das dürfte wohl auch eine Rolle spielen, um für die Kohle, das Hauptexportgut des Landes faire Preise zu bekommen. Nordkorea ist andersherum natürlich permanent auf der Suche nach Investoren, die die Sonderwirtschaftszone ins Rollen bringen und versucht gleichzeitig ebenfalls, die Abhängigkeit von China abzubauen.
Daneben scheint die relative Offenheit der Mongolei für Nordkorea auch in anderer Hinsicht reizvoll zu sein. Es gibt relativ eindeutige Hinweise darauf, dass Vertreter Nordkoreas mit einzelnen mongolischen Akteuren bzw. über die Mongolei illegalen Aktivitäten nachgehen. Besonders interessant fand ich den Fall, in dem Vertreter Nordkoreas versuchten, alte MIG-Antriebe  zu erwerben, um damit die eigene Flotte ein bisschen in Schuss zu bringen.
Interessant, wenn auch bisher ziemlich schattig, finde ich die Geschichte um das mongolische Unternehmen, das die Auktion um das zwangsversteigerte Hauptquartier der Nordkoreatreuen Chongryon in Tokio gewonnen hat. In Japan wird vermutet und befürchtet (wobei das die Japaner ja eigentlich garnichts angeht), dass das Unternehmen in irgendeiner Verbindung mit der mongolischen oder nordkoreanischen Regierung stehen könne und das Gebäude als Strohmann gekauft habe, um Chongryon so weiter die Arbeit dort zu ermöglichen, weshalb ein Gerichtsverfahren anhängig ist (soweit ich das verstehe). Diese Geschichte ist noch lange nicht ausgestanden und ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt und ob tatsächlich etwas dahintersteckt (ich muss zugeben, dass mir der Verdacht recht zeitnah kam, als ich gehört habe, dass es ausgerechnet ein mongolisches Unternehmen war, das die Auktion gewonnen hat).

Ein Reizthema: Die Mongolei und nordkoreanische Flüchtlinge

Relativ selten, obwohl das für Nordkorea vermutlich ziemlich wichtig ist, wird die Rolle der Mongolei als Teil der „Underground Railroad“ auf der nordkoreanische Flüchtlinge nach Südkorea gelangen, genannt. Dieses Thema dürfte neben wirtschaftlichen und politischen Interessen nicht zu vernachlässigen sein es dürfte bei den hochrangigen Konsultationen in den kommenden Tagen durchaus eine Rolle spielen, auch wenn es vermutlich nie öffentlich erwähnt wird.

Die symbolische Bedeutung des Besuchs

Der Besuch von Tsachiagiin Elbegdordsch und seiner Delegation in Pjöngjang wird sicherlich zu der einen oder anderen Unterzeichnung von Verträgen und Vereinbarungen führen und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir gerade mit Blick auf Rason noch von neuen Initiativen und Plänen hören werden. Diese praktischen Aspekte stellen damit für Nordkoreas Öffnungsstrategie wichtige Fundamente dar, auf die möglicherweise in Zukunft aufgebaut und mit denen wohl auch geworben werden kann. Aber neben dieser ganz praktischen Relevanz des Besuches gibt es auch noch eine symbolische Ebene, deren Bedeutung ebenfalls nicht weniger groß ist.

Erfolg für Kim

Denn der Besuch von Tsachiagiin Elbegdordsch ist nicht irgendein Staatsbesuch, sondern es ist der erste Besuch eines Staatschefs in Nordkorea seitdem Kim Jong Un die Führung des Landes übernommen hat. Damit markiert der Besuch auch eine weitere Stufe in der Karriere Kim Jong Uns als Führer Nordkoreas. Einerseits demonstriert er sich damit als Staatsmann, der auch von der Außenwelt anerkannt wird, gleichzeitig zeigt er aber auch, dass seines Erachtens seine Macht im Inneren so weit konsolidiert ist, dass er sich den Außenbeziehungen zuwenden kann. Wenn er dann noch Abkommen und Verträge mit der Mongolei präsentiert, dann kann dies als Beleg für seine erfolgreiche außenpolitische Strategie verkauft werden, die seine Wirtschaftsstrategie im Inneren ergänzt.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass der Besuch in einem Jahr erfolgt, in dem Nordkorea vor allem durch Konflikte und Säbelrasseln auf sich aufmerksam gemacht hat, eine Rakete ins All schoss und eine Atombombe testete und für all das scharf von der Staatengemeinschaft kritisiert wurde. Dass der Besuch des mongolischen Präsidenten trotzdem erfolgt ist daher ein nicht unwichtiges Zeichen nach innen, dass dieses Vorgehen Nordkorea nicht vollständig isoliert hat, gleichzeitig ist es tatsächlich ein Signal der Bedeutung, die Nordkorea für die Mongolei spielt, wenn der Präsident dem Land aus der Isolation hilft, denn es ist absolut klar: Die USA und ihre Verbündeten werden einiges daran gesetzt haben, die Reise zu unterbinden; Elbegdordsch dürfte also einigen internationalen Druck ausgehalten haben, um sein Vorhaben umzusetzen.

Botschaft an Peking

Und das nicht nur aus Washington, Seoul oder Canberra sondern wohl auch aus Peking, denn ein Signal, dass ich bisher noch nicht erwähnt habe, das aber wohl das Bedeutendste an alledem ist, geht an die Führung Chinas: Nachdem sich Kim Jong Un seit längerem vergebens um einen Besuch in China und ernstzunehmende Besucher aus China bemüht hat, scheint es den Nordkoreanern zu bunt geworden zu sein und so findet der erste Staatsbesuch auf Spitzenebene, den Kim Jong Un absolvieren wird, nicht mit Xi Jinping sondern eben mit Tsachiagiin Elbegdordsch statt. Das Signal an Peking ist klar: Wenn ihr nicht ernsthaft hinter uns steht, dann suchen wir uns eben andere Partner. Wir sind von niemandem abhängig und lassen uns nichts diktieren. Das dürfte China verstehen, wie es dann reagiert steht auf einem anderen Blatt. Jedoch kann es einer Macht mit Weltmachtanspruch nicht gefallen, wenn zwei kleine Staaten in unmittelbarer Nachbarschaft, die man eigentlich innerhalb des Chinesischen Macht- und Interessengebietes verordnen sollte, den Schulterschluss üben und sich dem Einfluss des großen Nachbarn zu entziehen versuchen.
Das Signal das in China ankommen könnte, könnte also unter anderem sein, dass es Probleme im eigenen Hinterhof gibt und dass man wohl kaum als Weltmacht gesehen werden kann, wenn sogar Staaten wie Nordkorea sich einfach abwenden wie es ihnen passt. Das Signal das Kim Jong Un nach innen sendet ist damit nicht zuletzt, dass sich Nordkorea auch unter ihm seine unabhängige außenpolitische Stellung bewahren wird und dass er sozusagen außenpolitischer Spieler von eigenen Gnaden ist, der wichtige Gäste empfängt und nicht seinen ersten außenpolitischen Schritt wie ein Tributpflichtiger nach Peking tut. Ein durchaus starkes Signal. Würde allerdings der Besuch der mongolischen Gäste ohne ein öffentliches Zusammentreffen zwischen Kim und dem Präsidenten der Mongolei zuende gehen, dann wäre das Signal genau umgekehrt: China hätte ihn mit Drohungen dazu bewegt, unterwürfig zu sein und sich erstmal dem Alphatier im Ring zu präsentieren. Wir werden sehen was passiert, aber ich wäre ernstlich überrascht, wenn Kim nicht stolz mit seinen Gästen posieren würde.

Was ich im Auge behalte

Die nächsten Tage werden mit Blick auf dieses Thema also interessant. Dabei werde ich vor allem die folgenden Punkte im Auge behalten:

  • Treffen sich Kim und Elbegdordsch? Wie wird das Treffen bzw. werden die Treffen von der nordkoreanischen Propaganda präsentiert?
  • Von welchen Treffen wird ansonsten noch berichtet?
  • Was werden für konkrete Ergebnisse des Besuchs präsentiert? Sehen wir neue Initiativen mit Blick auf Rason?
  • Reagieren andere Akteure unmittelbar auf den Besuch? (Wohl eher nicht) Oder ändert sich die Haltung relevanter Akteure (v.a. China) in den nächsten Wochen?
  • Gibt es vielleicht sogar neue Vermittlungsanläufe der Mongolei?

Naja, vielleicht gibt es auch noch ein paar andere spannende Sachen die passieren werden, aber dafür reicht momentan meine Vorstellungskraft nicht. Aber euch allen kann ich für die nächsten Tage die Lektüre von KCNA ans Herz legen. Wird bestimmt besonders spannend.

Wohl dem, der Bärengedärme und Diplomatenpässe hat: Nordkoreanische Diplomaten beim Schmuggeln erwischt.


Eben habe ich einen kleinen Artikel bei KBS gelesen, der berichtet, dass zwei nordkoreanische Diplomaten vom mongolischen Zoll bei dem Versuch erwischt wurden, unterschiedliche medizinische Produkte außer Landes zu schmuggeln (darunter mehr als 1.000 Packungen injizierbarer Medikamente und 12 Packungen verarbeiteter Bärenorgane (jeder wie es ihm gefällt…)).

Diplomaten und Beziehungen: Zwei spannende Themen

Nun ist das Ganze keine große Sensation, denn auch Diplomaten anderer Länder nehmen mal dies und das aus über Grenzen mit, das sie besser dalassen würden (nur die ganz schlauen beauftragen dafür Geheimdienste…) und irgendwie habe ich auch keine Lust auf permanentes Nordkorea-Bashing frei nach dem Motto: „Die Schmuggeln alles und jedes das ihnen in die Finger kommt. Ob Migs, Raketen oder Bärengedärme, Hauptsache geschmuggelt…“.
Jedoch fand ich die Geschichte aus zwei Gründen trotzdem interessant. Einerseits vertiefen sich die Beziehungen zwischen Nordkorea und der Mongolei in letzter Zeit sehr deutlich und ich finde dieses Thema ohnehin verfolgenswert, andererseits hat gerade vor ein paar Wochen ein UN-Bericht den Mitgliedsstaaten ans Herz gelegt, die Diplomaten Nordkoreas sehr genau im Auge zu halten, da sie oft als Brückenköpfe für illegale Aktivitäten dienten.

Wo ein Wille ist, da ist ein gemeinsamer Weg

Zuerst möchte ich aber kurz auf die bilateralen Beziehungen zwischen der Mongolei und Nordkorea eingehen. Die scheinen auf legaler wie auf illegaler, auf wirtschaftlicher wie auf politischer Ebene zu florieren und das sie so gut sind wie lange nicht, deutet nicht zuletzt der Besuch des mongolischen Präsidentenberaters Lundeg Purevsuren in Nordkorea an. Dieser wirklich lesenswerte Hintergrundartikel zu den wirtschaftlichen Beziehungen der Mongolei zu Nordkorea (es ist der fünfte, ihr müsst also ein bisschen runterscrollen) zeigt dabei einige der Initiativen auf, über die gesprochen wurde, bzw. die schon vorher bestanden.
Da passt es irgendwie nicht so recht ins Bild, wenn mongolische Zöllner nordkoreanische schmuggelnde Diplomaten ins Visier nehmen. Was der genaue Hintergrund ist, ist natürlich kaum festzustellen, aber möglich, dass die Zöllner die Diplomaten nur zufällig überprüften und es keine größeren politischen Hintergründe gab. Auch möglich, dass die Mongolei einen Tipp von außen bekam und vor dem Hintergrund ihrer pragmatischen Außenpolitik da nicht so einfach drüber weg gehen wollte. Oder aber die Diplomaten wollten am Schmiergeld sparen und sind damit auf die Nase gefallen. Who knows…
Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, dass dieser Vorfall auf die größeren politischen Beziehungen Einfluss hat, denn nicht nur die Mongolen sind recht pragmatisch veranlagt, sondern auch die Nordkoreaner. Und die haben in der Mongolei einen zunehmend wichtiger werdenden Partner gefunden, der bei der Entwicklung der nordkoreanischen Wirtschaft eine große Rolle spielen könnte, der aufgrund des Kohlebooms momentan recht gut bestellt ist und der vor allem wesentlich weniger „erdrückend“ ist, als alle anderen Partner in der Gegend. Daher wird man es sich mit den Mongolen ungern verderben wollen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg und ich glaube die beiden wollen ein Stück weit zusammen gehen.

Sich selbst versorgen (vielleicht auch noch das Regime) und repräsentieren: Ein wahrhaft harter Job

Der andere interessante Part bei der Geschichte betrifft die beiden verwickelten nordkoreanischen Diplomaten. In dem Artikel steht, es sei nicht sicher, ob die beiden wirklich Diplomaten seien, aber naja, wenn man Diplomatenpapiere hat, dann ist man doch irgendwie auch Diplomat, unabhängig davon, ob man eigentlich hauptsächlich andere Geschäfte treibt.
Der Hinweis im oben angesprochenen UN-Bericht betrifft zwar sicherlich nicht den Schmuggel von Bärengedärmen, aber es geht schon irgendwie um kriminelle Aktivitäten. Nichtsdestotrotz möchte ich bezweifeln, dass die aktuelle Aktion das ist, was der UN-Bericht meint, denn da geht es ja eher um Informations- und Hardwarebeschaffung durch Diplomaten. Und Bäreneingeweide sind weder hart noch informativ.
Aber es gibt auch eine lange Geschichte anderer krimineller Aktionen nordkoreanischer Diplomaten. Da wurde mal Elfenbein, mal dies mal jenes mal Drogen mal Zigaretten geschmuggelt und im Endeffekt war das selten wirklich so viel, dass man hätte annehmen können, dass diejenigen da große Beträge für das Regime in Pjöngjang einnehmen (ein paar dieser Aktionen sind hier und hier gelistet.). Vielmehr wurde schon öfter mal berichtet, dass die nordkoreanischen Auslandsvertretungen ein Stück weit Selbstversorger sind. Sie müssen eigene Einnahmen garantieren und in Kombination mit diplomatischer Immunität kommt man da vermutlich schnell mal auf komische Gedanken. Vielleicht haben die beiden in diesem Fall auch komplett in die eigene Tasche wirtschaften wollen, who knows…

Das Sommerloch

Naja, ich werde jedenfalls weiterhin beides im Auge behalten: Die nordkoreanisch-mongolischen-Beziehungen und die nordkoreanischen Diplomaten. Beide Themen versprechen in Zukunft schöne Storys.
Und damit verabschiede ich mich auch schon wieder ins Sommerloch. Wundert euch nicht, wenn ich in den nächsten Wochen ein bisschen weniger Zeit zum Schreiben habe. Muss gucken, dass ein bisschen Geld reinkommt und weil ich keinen Diplomatenpass und keine Bäreninnereien besitze, tue ich das auf konventionellere Weise als die beiden Nordkoreaner, von denen hier die Rede war…

Nordkoreas Wirtschaft wächst…Vieleicht…egal! — Hauptsache wir haben eine Zahl…


Habe den Text gerade nochmal gelesen und mir überlegt, am besten einen Disclaimer davor zu setzen: Jeder der sich nicht dafür interessiert, was ich über die Richtung der Entwicklung unserer Gesellschaft denke, der sollte nach dem zweiten Absatz aufhören zu lesen. Ab da geht es nur noch am Rande um Nordkorea. Bis dahin sind alle harten Fakten genannt worden, der Rest ist dann blabla…

 

Wie jedes Jahr, so hat die Bank of Korea (BOK) auch in diesem Jahr wieder eine auf die Nachkommastelle genaue Aussage über die Entwicklung der nordkoreanischen Wirtschaft gegeben. Dieses Jahr sei die Wirtschaft der DVRK, so die BOK, im zweiten Jahr in Folge gewachsen. Um 1,3 %. Die Angabe im Vergangenen Jahr war 0,8 %, in den beiden Vorjahren war die Wirtschaft laut BOK zurückgegangen (0,9 % in 2009 und 0,5 % in 2010). Die Angaben der BOK setzen sich wiederum zusammen aus nachkommastellen genau berechneten Zahlen zu unterschiedlichen Sektoren der nordkoreanischen Wirtschaft (z.B. wuchs Landwirtschaft und Fischerei um 3,9 %).

Eine Nicht-Beschäftigung mit der Schwachsinnigkeit von Kommagenauen Wirtschaftszahlen

Nun ist das natürlich alles schön und gut und es ist eine super Sache, wenn unter dem Strich eine (+ 1,3 %) oder zwei (BIP: 29,7 Milliarden US-Dollar) Zahlen stehen hat, aber so wie jedes Jahr, frage ich mich auch in diesem Jahr, was das alles denn genau soll. Ich will jetzt garnicht wieder damit anfangen, dass es kompletter Schwachsinn ist, irgendwelche aufs Nachkomma genaue Wirtschaftszahlen zu errechnen, für ein Land, das so verschlossen ist, dass man  einen Raketentest erst dann bemerkt, wenn die Rakete schon fliegt und den Tod des Führers erst dann, wenn es ein paar Tage später in den dortigen Nachrichten läuft. Natürlich hat die BOK Anlass sich mit der nordkoreanischen Wirtschaft zu beschäftigen und Einschätzungen darüber zu produzieren, aber warum tut man das nicht auf eine seriöse Weise, auf Basis dessen, was man wissen kann und nicht auf Basis dessen, was man sich so zusammenspekuliert?

Nichtwissen gibt es nicht!

Ehrlich gesagt weiß ich es nicht so genau, denn eine seriöse Schätzung wäre sicherlich auch eher im Interesse des Auftraggebers und zu Seriosität gehört es eben auch, dass man zugibt etwas nicht zu wissen, wenn man etwas nicht weiß. Aber ich glaube genau da liegt einer der Gründe für dieses seltsame Gebaren. Es ist für uns internetverwöhnte und wissensvergesellschaftete Informationsjongleure einfach unvorstellbar, dass es zu einem so Grundlegenden Thema wie der Wirtschaftskraft eines Staates keine tragfähigen Informationen geben soll. Es ist also sozusagen eine Nachfrage nach dieser Information da. Und wie das auf einem guten Markt so üblich ist, springt dann halt jemand ein, der diese Nachfrage befriedigt. In unserer heutigen Informationsgesellschaft sind uns graue Flecken in unserem  so schön dicht gewebten Wissensteppich ein unglaublicher Graus, denn die zeigen uns ja Grenzen auf und eigentlich haben wir zumindest mental doch durch die Informationsvernetzung jegliche Grenze eingerissen, nur das Fleisch ist noch ein bisschen schwach. Also müssen wir wissen, wieviel die nordkoreanische Wirtschaft produziert.

Der Zeitgeist…

Aber so ganz erklärt das immernoch nicht, warum da unbedingt ein „+ 1,3 %“ stehen muss. Ich meine man könnte sich doch auch vorstellen, dass da einfach irgendwas von „schwachem Wachstum“ oder so gestanden hätte, das wäre wahrscheinlich mindestens so genau dran gewesen, wie die + 1,3 % und es hätte vermutlich auch ausgereicht, um den südkoreanischen und anderen Staatenlenkern Anhaltspunkte über die Entwicklung der nordkoreanischen Wirtschaft zu geben. Wie kommt es also, dass am Ende unbedingt eine Zahl stehen muss? Auch das ist, so sagt mir mein Gefühl, Ergebnis unseres Zeitgeistes.
Dieser Zeitgeist versucht die Welt immer weiter zu rationalisieren und objektivieren. Alles muss irgendwie in objektive und vergleichbare Kategorien gebracht werden. Und das Rationalste, Objektivste und Vergleichbarste überhaupt sind Zahlen. Wir glauben heute an nichts mehr als an Zahlen. Gleichzeitig sind die Zahlen fast schon zum Fetisch geworden. Ohne Zahle ist alles nichts wert. In der Wirtschaft ist das irgendwie ja noch fast logisch, obwohl es da ja irgendwann auch mal noch was anderes gab, Verantwortung oder so, aber diese Sucht nach Zahlen dringt immer mehr in alle Bereiche des Lebens vor. Alles muss messbar werden. Ob es das Bildungs- oder das Gesundheitssystem ist, die Kundenzufriedenheit oder das Konsumklima, das Wetter (wir können es zwar nur sehr begrenzt vorhersagen, aber am Ende jeden Monats wertet jeder Trottel aus, wieviel zu warm der Monat, wie es mit dem Regen war und wer genug Sonnenstunden gekriegt hat. Hat zwar für niemanden von uns irgendeinen Wert, aber wir haben Fakten, super) oder sogar Glück oder Demokratie.

Effizienz: Die große Schwester des Zahlenfetischismus

Jedoch ist, glaube ich, diese Sucht nach Zahlen auch nur das Ergebnis eines anderen Phänomens. Denn wir glauben ja heutzutage allen Ernstes, dass es kein höheres Ziel geben könne als Effizienz. Und ob etwas jetzt effizient ist oder nicht, das kann man eben nur mit Zahlen belegen. Deswegen sind auch sehr viele Aspekte des menschlichen Lebens, die sich nicht in Zahlen ausdrücken lassen, entweder in ihrer Existenzberechtigung einer ständigen Bedrohung ausgesetzt (Kultur ist das perfekte Sparschwein (ist nur nicht mehr so viel dran), denn das einzige Kriterium, das an Kulturproduktion angelegt wird, ist die Jahresbilanz der kulturschaffenden Institution) oder sie werden so umgedeutet, dass sie doch wieder unter Effizienzaspekten messbar werden (einen Teil der Kulturproduktion in das bescheuerte Modewort Kreativwirtschaft auszulagern, unterwirft diesen Bereich nur objektiv den Bedingungen der Effizienz. Als Teil der „Wirtschaft“ muss sich der kreativwirtschaftlich Aktive immer an den Maßstäben der Wirtschaft messen lassen. Da kann es dann schnell zu dem Punkt kommen an dem es heißt: Tja, die Zahlen stimmen nicht! Und damit hat er dann keine Daseinsberechtigung mehr, während sich der Kulturschaffende immernoch auf den übermateriellen Wert der Kultur berufen kann).

Der Übergriff der Zahlen und Effizienz auf fremde Domänen

Nun könnte man natürlich fragen, was das Problem damit sei, irgendetwas anhand von Zahlen vergleichbar zu machen und das gut zu beantworten ist garnicht so einfach. Aber ich will es trotzdem mal versuchen. Die Tatsache, dass Zahlen rational, objektiv und vergleichbar sind, macht Zahlen nämlich nur auf den ersten Blick zu einer großartigen Allzweckwaffe bei der Bewertung, dem Verstehen und dem Planen der Welt. Auf den zweiten Blick legen nämlich gerade die Qualitäten von Zahlen ihre großen Mängel offen. Zahlen ebnen die Realität ein und verstellen den Blick auf das meiste menschliche auf der Welt. Wenn man die Bilanz eines Krankenhauses oder Altenheimes anschaut, dann sind die Zahlen darin scheinbar vollkommen objektiv, aber wenn man dann die Notwendigkeit sieht, die Zahlen zu ändern, dann hat das Auswirkungen, die nicht unbedingt in Zahlen zu fassen sind, weil sie die Menschlichkeit als nicht quantifizierbare Größe direkt betreffen.

Das goldene Kalb

Ich will mich jetzt nicht als hippiemäßiger Feind von Zahlen und Effizienz aufführen, allerdings erschreckt es mich manchmal, wie bedenkenlos wir es immer wieder akzeptieren, dass Zahlen- und Effizienzzwänge in Domänen  Auswirkungen haben, die nicht in Zahlen- und Effizienzmaßstäben messbar sind. Ich glaube wir sollten uns nochmal dessen besinnen, was Zahlen eigentlich tun und was die Idee der Effizienz eigentlich meint. Effizienz ist keine religiöse Zielvorstellung, deren Erreichung wir absolut setzen können, es ist auch kein Muss, um die Weiterentwicklung der Menschheit sicherzustellen. Effizienz und die Zahlen, die helfen sollen Effizienz zu erreichen, sind nur Hilfsmittel die zur Steigerung des allgemeinen Wohlstands beitragen sollen. Allerdings — und hier beißt sich die Katze in den Schwanz — wird als Teil der Wohlstandsrechung nur das begriffen, das man auch in Zahlen fassen kann. Alles andere fällt aus der Rechnung heraus. Dabei (und damit komme ich irgendwie nochmal an meinem Ausgangspunkt vorbei) ist es immer öfter vollkommen irrelevant, ob die Zahlen stimmen oder nicht und ob Effizienz wirklich erreicht wird oder nicht, es geht nur darum, dass Zahlen da sind und das es effizienter aussieht. Wir haben uns eine Art Selbstvergewisserungsfalle gebaut. Wir schauen jeden Monat auf den Konsumklimaindex, die Arbeitslosenzahlen, die Inflation und das Wirtschaftswachstum und wenn die Gesamtmenge der Zahlen eine Zeit lang schlecht ausschaut, dann werden wir depressiv. Wir werden nicht arm oder so, uns geht es wahrscheinlich nicht wirklich schlechter, aber die Zahlen stimmen nicht mehr. Und was macht man dann? Man steigert die Effizienz. Man erfindet Hartz IV oder so nen Kram und ein paar Jahre später stimmen die Zahlen und alles ist irgendwie in Ordnung. Verrückt.

Das Ende der Geschichte und der Wettlauf mit uns selbst

Ich weiß es nicht genau, aber irgendwie habe ich manchmal das Gefühl, das alles hat mit dem Ende des Ostblocks zu tun. Früher konnten wir uns an der DDR messen, die USA konnten sich an der Sowjetunion messen und der Vergleich war dann genug. Aber irgendwann gab es keine DDR und keine Sowjetunion mehr. Es gab nur noch uns, weil wir hatten gewonnen. Wir hatten zwar gewonnen, aber wir hatten nicht mehr so recht etwas, an dem wir uns messen konnten. Wir waren am Ende der Geschichte angekommen. Natürlich gab es noch einiges zu tun, zum Beispiel den Weltfrieden schaffen, aber eigentlich konnte es nicht mehr besser werden. Aber weil der Mensch sich eben gerne misst und vergleicht, haben wir eben angefangen uns an uns selbst zu messen. Aber das mit dem sich an sich selbst messen, ist immer so ein Problem. Also man kann zwar meistens noch ne Schippe drauflegen, aber irgendwann hat man einfach seine Möglichkeiten so weit ausgereizt, dass es nicht mehr besser geht. Dann fängt man an die letzten Reste von Effizienz aus sich rauszuquetschen, aber irgendwann geht das auch nicht mehr. Und was dann passiert, darauf bin ich gespannt. Oder wir treiben einfach einen immer größeren Selbstbetrug, reden uns mit geschönten und gefärbten und geänderten und angepassten Zahlen ein, dass wir noch effizienter wurden und unser Wohlstand noch größer ist und freuen uns daran. Naja, wir werden sehen.

Eine Entschuldigung an die Leser

Jetzt hab ich euch aber bestimmt tierisch genervt mit meinem Schwachsinn, aber genauso schwachsinnig wäre es gewesen, nordkoreanische Wirtschaftszahlen auszuwerten. Und für diejenigen, die meine Schreiberei so richtig genervt hat, habe ich ja immerhin noch ein paar harte Fakten am Anfang genannt, die können sie sich ja dann aufschreiben und jedem weitererzählen, der wissen will, wie es um Nordkoreas Wirtschaft steht… Jedenfalls bitte ich euch meine Tirade zu vergeben und vielleicht habt ihr ja mal Lust, in nächster Zeit einfach mal bei den harten Fakten die ihr in Form von Zahlen präsentiert bekommt zu hinterfragen, was sie eigentlich aussagen und ob sie nicht nur scheinobjektivierungen und-rationalisierungen von nicht Objektivierbarem sind. Auch nett ist es mal darüber nachzudenken, was an dem, das ihr für das gute und angenehme Leben haltet, nicht in Zahlen ausdrückbar ist und was sich daher dem vollständig entzieht, dem wir in Form von Wohlstand jeden Tag hinterherlaufen. Ich verspreche, euch in der nächsten Zeit mit meiner Moralisiererei zu verschonen und mich wieder dem Kerngeschäft zu widmen. Allerdings habe ich mir noch eine Sache vorgenommen, die inhaltlich ganz gut zu dem passt, das ich jetzt geschrieben habe. Ich wollte mir nämlich seit langem schonmal so viele Indizes wie möglich vornehmen, in denen Nordkorea erfasst wird und einfach mal prüfen, ob die Indizierung des Landes so passt, oder ob es eigentlich totaler Schwachsinn oder eine Art Scheinobjektivierung ist, wenn Nordkorea dort auf diesem und jenem Platz aufgeführt wird. Da freue ich mich drauf.

Netze eingeholt: China untersagt Fischerei in nordkoreanischen Gewässern


Die Unstimmigkeiten zwischen China und Nordkorea bezüglich der Fischerei in den aneinandergrenzenden Seegebieten gehen weiter und bleiben nach wie vor undurchsichtig. Nachdem im Mai die Entführung eines chinesischen Fischerboots durch bewaffnete Nordkoreaner (höchstwahrscheinlich Militärs) öffentlich wurde, war es zwischen beiden Ländern zu diplomatischen Verwicklungen gekommen. Im Rahmen des Streits hatten die chinesischen Behörden offensichtlich die Informationssperre zu diesem Themenkomplex aufgehoben und dadurch den Blick auf eine Art mafiöses Netzwerk zwischen nordkoreanischen Militärs und chinesischen Schattenleuten freigegeben, die mit Löse- und Schutzgelderpressung (das Standardverfahren nach der relativ häufigen Entführung chinesischer Fischerboote) und dem Handel mit Fischereirechten in nordkoreanischem Territorium ihr Geld verdienen. Außerdem wurde offensichtlich, dass chinesische Fischer sehr häufig legal und illegal in nordkoreanischen Gewässern fischen.
Der Zugrundeliegende Konflikt wurde aber offensichtlich mit der Freilassung des Fischerbootes im Mai nicht behoben. Das machen Meldungen deutlich, nach denen die chinesischen Behörden ihren Fischerbooten die Fischerei in nordkoreanischen Gewässern untersagen.

Gefährliche Untiefen. In den Grenzgewässern zwischen Nordkorea und China sind die Verhältnisse nicht ganz klar. Der Verdacht liegt nahe, dass Angehörige der nordkoreanischen Marinebasen in der Region ihr Einkommen mit kriminellen Aktivitäten aufbessern. (Karte: Google Earth und North Korea Uncovered von North Korean Economy Watch)

Gefährliche Untiefen. In den Grenzgewässern zwischen Nordkorea und China sind die Verhältnisse nicht ganz klar. Der Verdacht liegt nahe, dass Angehörige der nordkoreanischen Marinebasen in der Region ihr Einkommen mit kriminellen Aktivitäten aufbessern. (Karte: Google Earth und North Korea Uncovered von North Korean Economy Watch)

Chinas Agrarministerium verbietet legale und illegale Fischzüge in nordkoreanischen Gewässern

Hiermit sind zwei verschiedene Fischereiaktivitäten gemeint. Einerseits geht es um legale, andererseits um illegale Fischzüge auf der anderen Seite der Grenze.
Für die legale Fischerei bestehen wohl feste Vereinbarungen, die die nordkoreanische Seite aber jetzt verändern wollte. Um genauer zu sein, wollte sie die chinesischen Bootseigner dazu zwingen, ihre Schiffe von nordkoreanischen Lieferanten betanken zu lassen. Vermutlich sah man hierin einen lukrativen Nebenverdienst, bzw. man wollte möglicherweise die Preise für die Fischereisätze, die vermutlich vertraglich festgesetzt sind, auf diesem Umweg erhöhen. Diesem Ansinnen stand die chinesische Seite allerdings ablehnend gegenüber. Das Landwirtschaftsministerium erklärt die Ablehnung und das damit zusammenhängende Verbot der Fischerei in nordkoreanischen Wassern (kann man das schreiben, oder ist nur „Gewässern“ richtig?) mit Sicherheitsbedenken, was zwar mit Blick auf die Geschichte im Mai nicht gelogen sein dürfte. Allerdings fällt es mir schwer, den Zusammenhang zwischen der (wohl teureren) Zwangsbetankung und Sicherheit herzustellen. Aber vielleicht haben die Chinesen einfach den Kapitalismus schon so gut verinnerlicht, dass man dem Begriff Sicherheit auch die Sicherheit der garantierten Gewinne subsummieren kann.
Aber auch die illegale Fischerei wurde von den Behörden nochmal hoch offiziell untersagt und mit Strafverfolgung bedroht. Das ist interessant, denn damit gibt man erstens zu, dass diese illegale Fischerei existiert und dass sie zweitens bisher nicht verfolgt wurde. Das könnte man also als konziliantes Signal an die nordkoreanische Führung sehen. Muss man aber nicht. Ich weiß nämlich nicht genau, ob mit dieser hier genannten illegalen Fischerei auch der Handel mit Fischereirechten durch die oben angesprochenen mafiösen Netzwerke gemeint ist. Wenn das so ist, dann ist das auch ein Schlag gegen diese Strukturen und damit ein Schlag gegen eine Versorgungsquelle der nordkoreanischen Armeeeinheiten im Grenzgebiet, die über diese Aktivitäten Einnahmen zur Selbstversorgung generierten.  Damit wäre die nordkoreanische Führung entweder gezwungen, die Einheiten mit eigenen Mitteln zu finanzieren oder sie noch mehr darben zu lassen.

Weiterhin ungelöster Konflikt mit unterschiedlichen großen und kleinen Interessenlagen

Insgesamt zeigt sich in diesen Meldungen sehr deutlich, dass weiterhin ein deutlicher Konflikt besteht. Die chinesische Führung verlangt von Nordkorea nicht weniger als Sicherheit für die Boote und Rechtssicherheit bei den Fischereigeschäften. Die chinesischen Fischer klagen gleichzeitig, dass sie nichts zu fischen hätten, wenn sie nicht in nordkoreanischen Gebieten ihre Netze auswürfen, während die nordkoreanische Führung sich damit auseinandersetzen muss, dass das eigene Gebaren nicht besonders nachhaltig ist (wenn man die chinesischen Fischer lässt, dann ist das Meer vor Nordkorea irgendwann auch so leer, dass es da nichts mehr zu fischen gibt) und dass man sich wohl oder übel ein neues Finanzierungsmodell für die Militäreinheiten an der Grenze zu China überlegen muss. Schutzgelderpressung und Entführung scheinen die Chinesen nicht mehr zu dulden, was die Führer und Mannschaften der nordkoreanischen Militäreinheiten wiederum unglücklich machen dürfte, denn sie müssen sich auf ein kargeres Leben einstellen.

Isolierter Konflikt mit Störpotential für die große Politik

Nach wie vor denke ich, dass es sich bei diesem gesamten Komplex um ein isoliertes Problem handelt. Dieser Fischereistreit interferiert so lange nicht mit der großen Politik, so lange kein übermäßiger Druck aus der chinesischen Öffentlichkeit entsteht. Das kann aber schnell passieren, wenn es zu weiteren Bootsentführungen kommt. Wir werden also weiterhin sehen müssen, was sich in diesem Bereich tut aber wir sollten vorsichtig damit sein, Schlüsse hieraus auf andere politische Entwicklungen zu ziehen.

Friends will be Friends — USA sanktionieren myanmarischer General wegen Waffengeschäften mit Nordkorea


Anfang der Woche gab das US-amerikanische Finanzministerium bekannt, dass der myanmarische General Thein Htay mit Sanktionen belegt werde, da er weiterhin Waffengeschäfte mit Nordkorea betreibe. Diese Geschichte wirft ein interessantes Schlaglicht auf die gleichermaßen spannenden wie wechselhaften Beziehungen Myanmars und Nordkoreas. Daher will ich euch kurz über die Hintergründe der Geschichte aufklären.

Nordkorea und Myanmar: Wechselhafte Beziehungen

Die außenpolitische Verbindung zwischen Myanmar und Nordkorea, ist von ihrer wechselhaften Geschichte her durchaus interessant ist (hier habe ich vor Ewigkeiten mal versucht, die Historie etwas näher auszuleuchten). In der letzten Zeit lag der Fokus dabei vor allem auf der Abkühlung dieser Beziehungen, die aktiv und intensiv von den USA vorangetrieben wurde. Dieser Sachverhalt ist mit der geänderten außenpolitischen Haltung Myanmars zu erklären, das seine Existenz als „rogue State“ beenden will, wozu es von den westlichen Staaten — allen voran den USA — mit Zuckerbrot und Peitsche „motiviert“ wurde. Eine der zentralen Forderungen der USA für eine Wiederaufnahme Myanmars auf der Seite der Guten war es, dass Myanmar seine diplomatischen Kanäle nach Nordkorea kappen würde.

Militärkooperation: Da war doch was

Dass es da etwas zu kappen gab steht dabei außer Zweifel, was jedoch genau, dass konnte und kann niemand so genau sagen. Es ist sicher, dass Nordkorea in der Vergangenheit konventionelle Waffen nach Myanmar geliefert hat, außerdem Know-how und Unterstützung beim errichten umfänglicher Bunkeranlagen gewährte und ziemlich sicher wurde auch ein Kontrakt über eine Zusammenarbeit im Bereich ballistischer Raketen (SCUD-?) vereinbart, allerdings weiß man hier wenig über die konkrete Ausformulierung. Die Geschichten über eine nukleare Kooperation sind dagegen alles andere als stichhaltig. Im Jahr 2010 war ein geheimer Besuch hochrangiger myanmarischer Generäle in Nordkorea aus dem Vorjahr publik geworden, die sich die dortigen Fertigungsanlagen für Raketen genauer anschauten und das oben beschriebene Kooperationsabkommen unterzeichneten. Immer mal wieder (Ok, das ist übertrieben. Zweimal.) machten aus Nordkorea kommende Schiffe mit mutmaßlichem Ziel Myanmar auf hoher See kehrt, wenn sie von der amerikanischen Marine entdeckt und um Erlaubnis zur Inspektion gebeten wurden. Jedenfalls deutet einiges, einschließlich der Besorgnis der USA bezüglich dieser Beziehungen, darauf hin, dass eine ziemlich umfangreiche Beziehung bestand.

Thein Htay böse – Myanmars Regierung gut

Diese zu beenden hatten sich die USA zum Ziel gesetzt und es schien auch, als laufe das alles recht gut. Allerdings war schon auffällig, dass Vertreter der USA das Thema immer wieder prominent fallen ließen, was darauf hindeutete, dass wohl noch etwas zu tun war. Das belegt jetzt eindrucksvoll die Sanktionierung von Thein Htay. Dabei ist zu bemerken, dass sich das US-Finanzministerium große Mühe gab, diese Deklarierung als individuelle Geschichte darzustellen und nicht die Regierung Myanmars insgesamt anzuprangern. Dieser wurde vielmehr bescheinigt, dass sie weiterhin „ihre Bemühungen um positive Maßnahmen fortgesetzt hätte, um die Militärbeziehungen zu Nordkorea zu beenden.“ Diese Vorlage nahm die Regierung scheinbar dankbar auf, als sie verkündete, sich einerseits an die Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Nordkorea zu halten, andererseits nichts über die Maßnahmen des US-Finanzministeriums zu wissen, dass dies aber alles eh nicht so wichtig sei, schließlich sei Thein Htay nicht Teil der Regierung, sondern des Militärs.

Thein Htay: Der umtriebige Karrierist

Schaut man sich das Sanktionierte Individuum etwas genauer an, dann ist diese Lesart bestenfalls halbwahr. Thein Htay wird als zielstrebiger Karrieremilitär beschrieben, der einen rapiden Aufstieg in der Nomenklatura Myanmars hinter sich gebracht hat. Außerdem schreibt man ihm zu, einer der, wenn nicht der, führenden Köpfe bei der Modernisierung des Militärs Myanmars gewesen zu sein. Diese Modernisierung trieb er mit Rückendeckung von ganz oben von seiner führenden Position im militärisch-wirtschaftlichen Komplex des Landes voran und natürlich war er auch 2009 beim Nordkoreatrip der myanmarischen Generäle mit dabei.
Allerdings gab er seinen Militärjob (aber nicht seine Uniform) 2011 für einen Ministerjob in der Regierung U Thein Sein an, die den aktuellen außenpolitischen Schwenk vollführt hat (guckt mal, wen er 2012 auch treffen musste durfte. Unseren Außenwirtschaftsminister nein, so heißt das nicht. Obereteppichändler, nein das war‘s auch nicht. Achnein, der nennt sich doch allen Ernstes „Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (egal wer die Wahlen im September gewinnt: Wenn der nicht ausgetauscht wird, dann kann man beim Namen seines Ministeriums in vier Jahren das mit „Zusammenarbeit“ und „Entwicklung“ streichen und die GIZ gleich mit den AHKs fusionieren). Was der in Myanmar gemacht hat? Vielleicht hat er Thein Htay ja vorgeschlagen, dass Deutschland die Exportlücke füllen kann, die Nordkorea hinterlassen hat. Immerhin gehört Myanmar ja jetzt zu den Guten.). Dort arbeitete er als Minister für Grenzangelegenheiten und machte seinen Job, zumindest aus Sicht der Führung auch gut, denn ihm wurde keine Schuld für die Eskalation der ethnischen Unruhen im vergangen Jahr zugeschrieben.
Trotzdem wurde er im Februar dieses Jahres aus seinem Ministerposten entlassen und in sein altes Tätigkeitsfeld zurückversetzt. Gründe dafür wurden  nicht genannt und so wirklich einen Reim konnte sich auch niemand darauf machen. Jedenfalls ist Thein noch nicht besonders lange aus der Regierung ausgeschieden und scheint weiterhin gute Kontakte zu haben. Außerdem wurde richtig angemerkt, dass er Waffengeschäfte mit Nordkorea wohl kaum ohne Billigung zumindest des Verteidigungsministers hätte durchführen können. Naja und mal ganz abgesehen davon stelle ich mir die Frage, inwiefern man in Myanmar heute die Regierung so scharf vom Militär trennen kann.

Myanmar und Nordkorea: Friends will be Friends

Und dieser Mann wurde jetzt von den USA sanktioniert. Erstens könnte man sich da fragen, ob nicht das Ende seiner Ministeriumskarriere schon etwas mit seinen nordkoreanischen Nebengeschäften zu tun hat. Zweitens bleibt aber auch zu bemerken, dass es offensichtlich gar nicht so einfach ist, einmal geschlossene Beziehungen wie die zwischen Nordkorea und Myanmar zu zerschlagen. Ist ja auch kein Wunder. Nur weil man unglaublichen Druck auf ein Land ausübt, bis es einknickt und seine Außenpolitik in die gewünschte Richtung ändert, heißt das noch lange nicht, dass man damit die Überzeugungen der dortigen politischen Akteure geändert hat. Vor allem wenn man wie die USA in der jüngeren Vergangenheit bewiesen hat, was für ein unzuverlässiger neuer Freund man ist. Da kann ich mir durchaus vorstellen, dass einige Militärs der Waffe in der eigenen Hand mehr trauen, als dem Zuckerbrot (und der Peitsch) in Händen der Amerikaner. Sieht jedenfalls so aus, als würden die Beziehungen zwischen Nordkorea und Myanmar auch zukünftig mehr Aufmerksamkeit verdienen, als ich das in der jüngeren Vergangenheit vermutet habe.

Lords of War: Wie Nordkorea für seine Waffengeschäfte gemeinsame Sache mit Waffenschiebern macht


Vor ein paar Jahren habe ich mit relativ großem Vergnügen den Film „Lord of War“ mit Nicolas Cage in der Hauptrolle geguckt, was nicht nur wegen des Hauptdarstellers (seine schlechten Filme überwiegen deutlich), sondern auch aufgrund des Themas, das ja eigentlich alles andere als vergnüglich ist, erstmal schwer nachvollziehbar scheint. Allerdings beruhigte ich mich damals damit, dass die Machenschaften internationaler Waffenschieber wohl ein  bisschen überspitzt dargestellt wurden, um einerseits gute Unterhaltung zu bieten, andererseits aber auch die angehängte moralische Botschaft (vielleicht auch nur als Rechtfertigung dafür, dass man mit so unappetitlichen Themen gute Unterhaltung produziert) wirkungsvoller an den Mann zu bringen (Frauen mögen solche Filme eher selten, allerdings haben gleichzeitig Männer mitunter Schwierigkeiten mit angehängten moralischen Botschaften).

Nordkorea als globaler Waffenhändler: Interessantes aus einem UN-Bericht

Vielleicht fragt ihr euch jetzt: „Das ist ja alles schön und gut (oder totaler Quatsch), aber was hat das denn mit Nordkorea zu tun?“ Vielleicht habt ihr auch schon so eine Idee, denn der Transfer vom internationalen Waffenhandel zu Nordkorea ist ja nicht unbedingt hochkomplex. Allerdings habe ich mir das bisher so vorgestellt, dass diese Deals vor allem direkt zwischen Staaten, also zum Beispiel Nordkorea und Syrien, oder Nordkorea und Myanmar (nur früher (wobei die Meldungen über einen myanmarischen General, der aktuell auf eine Schwarze Liste gesetzt wurde, weil er Waffendeals mit Nordkorea eingefädelt hat, in eine etwas andere Richtung weisen)) oder Nordkorea und ein paar afrikanischen Staaten, ablaufen.
Die Lektüre des jüngsten Berichts des UN-Expertenpanels zur Umsetzung der Sanktionen gegen Nordkorea (sollte der vorige Link nicht klappen, versucht es hier und klickt auf den obersten Bericht), der dieses Jahr besonders spannend ausfällt und euch unbedingt zur Gesamtlektüre empfohlen ist (ach und es gab dieses Mal auch keinerlei Streit um die Veröffentlichung, aber diesen eindeutigen Hinweis auf eine etwas andere Haltung Chinas gegenüber Nordkorea haben die Medien irgendwie nicht wahrgenommen) und den Abschluss vieler Untersuchungen enthält, einerseits vielleicht, weil mehr Experten mittun, aber möglicherweise auch, weil China sich dieses Mal etwas proaktiver beteiligt hat an der Geschichte, hat mich aber gleich in zweifacher Hinsicht eines Besseren belehrt. Einerseits was meine Annahme über Nordkoreas Gebaren auf dem internationalen Waffenmarkt angeht, denn man macht im Zweifel auch Geschäfte mit Privatleuten, andererseits was meine Einschätzung des Films Lord of War angeht, denn der war vermutlich doch nicht so überspitzt, denn nach der Lektüre kommt es einem vor, als seien einige der Figuren, die in den Bericht Eingang finden, direkt aus diesem Film ausgebrochen. Dementsprechend will ich mich heute nur diesen Aspekten des Berichts widmen, was wie gesagt, die anderen Teile nicht weniger wichtig oder spannend macht. Eine kleine aber sehr feine Zusammenfassung zu den Gesamterkenntnissen bietet Marcus Noland auf seinem Blog.
Dem möchte ich eigentlich nur hinzufügen, dass man diesem Bericht durchaus anmerkt, was für eine mächtige Wirkung der Quasi-Automatismus zur Sanktionierung von Personen, Gütern und Organisationen haben wird, der in der jüngsten Resolution des UN-Sicherheitsrates gegen Nordkorea verankert ist. In diesem Bericht wird schon ein ganzer Haufen von Leuten, Sachen und Firmen etc vorgeschlagen und das wird man in Nordkorea spüren. Gleichzeitig kann in Zukunft die Hinzufügung solcher Sachen nicht mehr als Alibimaßnahme ergriffen werden, wenn man sich zu einer weiteren Verschärfungsrunde der Sanktionen entscheidet.

Der Zwischenfall in Bangkok: Eine moderne Waffenschieber-Räuberpistole

Aber nun zurück zu den Kriegstreibern und Waffenschiebern dieser Welt und ihren staatlichen Kumpels. In dem Bericht sind zwei Fälle beschrieben, in denen es zu einer direkten Kooperation zwischen Nordkorea und Waffenhändlern beim Absatz von konventionellen Waffen im Millionenwert ging. Der erste Fall ist uns dabei bereits aus der Vergangenheit bekannt. Da geht es um die Flugzeugladung Waffen in einem Gesamtwert von ungefähr 16 Millionen US-Dollar, die in Bangkok aus Nordkorea kommend und höchstwahrscheinlich mit dem Zielort Iran, aufgebracht wurde. Damals war zwar bekannt geworden, dass die Besatzung der Iljuschin 76 aus Osteuropa gekommen war, aber das Meiste an dieser Geschichte war ziemlich schwammig bzw. verborgen geblieben.
Wenn man die sehr genaue Dokumentation des Panels dazu liest, sowie diesen echt gut recherchierten Artikel, der kurz nach dem Zwischenfall erschien, dann versteht man auch, warum das so war. Diejenigen, die den Transport der Ware — es handelte sich u.a.  um Panzerfäuste, Ein-Mann-Boden-Luft-Raketen, Sprengköpfe für Raketen und 240 mm Raketen — zuständig waren, sind wohl echte Profis in diesem Geschäft. Zur Vorbereitung gehörte das Aufsetzen diverser Scheinfirmen, die gegenseitig Verträge geschlossen haben, das erstellen falscher und alternativer Flugroutendokumente und natürlich das Flugzeug, das schon an diversen Krisenhotspots u.a. in Liberia, dem Tschad und dem Sudan beim Ausladen von Waffen gesichtet wurde. Damit ist man in diesem Fall schon ziemlich nah dran an den Lords of War. Dem Bericht zufolge scheint Nordkorea Luftfracht vor allem dann zu bevorzugen, wenn die versandte Ware teuer ist. Möglicherweise hat es größere Erfolgschancen, wenn die Ware von Profis geliefert wird, als wenn man sie per Container in den internationalen Warenstrom einschleust und hofft, dass sie wohlbehalten am Bestimmungsort ankommt, vor allem wenn man bedenkt, dass einiges von dem Transportgut explosiv ist und es vermutlich beim Containertransport durchaus mal rumpelt und schaukelt, vielleicht will man solch teures Zeug auch permanent unter Bewachung zuverlässiger Leute wissen. Naja, jedenfalls ist die Luftfracht auch nicht eben billig und deshalb müssen für die abgesetzten Waren auch entsprechend große Margen drin sein. Da wird also von Verkäuferseite nicht gekleckert…

Einige Bilder aus dem Arsenal, das in Bangkok aufgebracht wurde. Quelle: Experten Panel

Einige Bilder aus dem Arsenal, das in Bangkok aufgebracht wurde. Quelle: Experten Panel

Ein richtig fetter Deal: Miiittelsreckenraakeeeten, schöööne billig Miiittelsreckenraakeeeten

Das richtig große Geschäft dürfte allerdings der Brite Michael George Ranger gewittert haben, der mittlerweile in England zu einer Gesamthaftstrafe von sechs Jahren verurteilt wurde. Das Geschäft, dass ihm letztlich das Genick brach war der versuchte Verkauf von 70 bis 100 nordkoreanischen Ein-Mann-Boden-Luft-Raketen, sowie US-amerikanischer Beretta Handfeuerwaffen an Aserbaidschan. Allerdings kann sich Ranger wohl glücklich schätzen, dass die anderen Geschäfte nicht ins Rollen kamen, mit denen ihn seine nordkoreanischen Geschäftspartner zu locken versuchten, die er in Allerherrenländer in Bars, Hotels und Restaurants traf und die ihm nie sagten, für wen sie genau arbeiten (vielleicht wollte er das aber auch nicht sagen, um sich die Kontakte für die Zukunft nicht zu versauen), das hätte vermutlich nämlich noch etwas mehr Gefängnis bedeutet.
Da ging es nämlich nicht zuletzt um Raketen mit einer Reichweite von bis zu 3500 km, die die Nordkoreaner zu 100 Millionen US-Dollar das Stück und zumindest im Dreierpack an den Mann bringen wollten. Das ist natürlich nochmal eine andere Hausnummer und zeigt — wenn wahr — dass man zumindest bei konventionellen Waffen nicht besonders wählerisch ist, was die Kundschaft betrifft. NK News, die hierzu einen guten Artikel geschrieben und ein paar Kenner der Materie (also von Raketen und so) befragt haben (und die ihr dämliches Experiment, das Projekt als (überteuerte) Bezahlseite weiterzubetreiben aufgegeben haben), berichten, dass mit einer solchen Reichweite nur die Musudan in Frage käme, die bisher aber noch nicht getestet wurde. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass Herr Ranger keinerlei Belege zur Bestätigung dieses Angebot zu bieten habe und dass dies möglicherweise nur ein Testballon der Nordkoreaner gewesen sei, um zu sehen, was Herr Ranger dann tun würde. Interessant auch der Hinweis Rangers, er habe seit 2004 Geschäfte mit nordkoreanischen Partnern gemacht. Da dürfte in der Vergangenheit also einiges mehr als die Bode-Luft-Raketen über die Ladentheke gegangen sein.

Nordkorea groß im Geschäft — Aber die ganz großen sitzen sonstwo und verkaufen (nur an die Guten)

Vielleicht muss ich meine kritische Haltung gegenüber Sensationsmeldungen über Nordkoreas globalen dunklen Geschäften nochmal überdenken, denn was dieser Bericht so ans Licht gebracht hat, ist zumindest die Erkenntnis, dass einiges von dem stimmen dürfte, das man so über Nordkoreas Geschäftsgebaren weiß. Außerdem gibt es wohl all die unappetitlichen Zeitgenossen, die mit Waffenhandel gutes Geld verdienen tatsächlich, was ich auf der einen Seite beunruhigend finden, auf der anderen Seite aber auch wenig verwunderlich, denn und damit bin ich wieder bei Nicolas Cage und seinem Film:
Die größten Waffenhändler sitzen noch immer in Washington, Moskau, Peking, London und natürlich in Berlin. Immerhin können wir „stolz“ sein, aktuell als global drittgrößter Waffenexporteur zu gelten (oder hat uns China hier auch schon überholt?). Von 2005 bis 2009 verdoppelten sich die deutschen Exporte von Rüstungsgütern und seitdem wir bereitwillig fast jegliche (nur die Guten!) Despoten und Menschenrechtsverletzer mit Panzern beliefern (naja, auf die Pleitegriechen ist ja keinen Verlass mehr. Haben uns früher in aller Regelmäßigkeit unsere Militaria abgenommen und jetzt können die sich noch nichtmal mehr nen klitzekleinen Leopard leiste…), die danach fragen, dürfte sich die Statistik weiter verbessert haben. Prima! Aber klar, Deutschland ist eben nicht Nordkorea. Wir fangen mit unserem hartverdienten Geld was Sinnvolles an und bauen nicht noch mehr Waffen und drohen so die globale Ordnung zu stören… Oder doch? Ob wir die Waffen jetzt für uns selber bauen, oder für irgendwelche Despoten, die Ordnung wird dadurch nicht unbedingt ordentlicher…

Ein Bild von Nordkorea (I): Landwirtschaft


Mein Freund Marc Ucker hat mir und damit auch euch seine wirklich tollen Bilder von seinem Besuch in Nordkorea im letzten Jahr zur Verfügung gestellt und mir gesagt, ich könne sie verwenden wie ich mag. Das ist natürlich toll, so viel gutes Material bei der Hand zu haben und damit ein bisschen arbeiten zu können. Ich habe mir überlegt, dass ich immer mal in relativ kurzen Abständen, so alle ein bis zwei Wochen versuche ein paar Bilder zu einem Themenbereich zusammenzustellen. Da ich zu den Motiven eigentlich nicht mehr weiß als ihr, habe ich mir überlegt, dass ich einfach schreibe, was ich denke was zu sehen ist und dann noch ein paar subjektive Gedanken, Ideen und Assoziationen  dazuschreibe, die die Bilder bei mir wecken.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr auch was dazu beitragen würdet, also einfach auch dazuschriebt, was ihr glaubt oder wisst, was dort zu sehen ist und was euch für Gedanken, Ideen und Assoziationen kommen, wenn ihr die Bilder anguckt. Ich fände es toll, wenn wir so einen kleinen subjektiven Austausch über unsere Wahrnehmungen hinbekämen und bin gespannt, was ihr zu sagen habt.

Alle Rechte an allen folgenden Bildern liegen bei Marc Ucker.

 

Reisfelder klein

Alles so schön symmetrisch hier…
Reisfelder, die zum Teil vorbereitet werden.

 

KanalFeldarbeitklein

Handarbeit: Be-/Entwässerungskanäle werden hergerichtet.
Sieht aus als würden die beiden Leute gerade einen Zugang vom oberen wasserführenden Kanal in das Reisfeld graben. Keine Ahnung, kenne mich mit Reisanbau nicht so aus.

 

BodenverbesserungKlein

Keine Ahnung, was hier genau gemacht wird. Sieht aus, als würde nährstoffreicher Boden auf die Felder aufgebracht, aber irgendwie kommt mir das nicht ganz sinnig vor. Die eine Person trägt definitiv Erde auf dem Rücken und hinten sieht man, dass ein Teil des Untergrunds hell ist und ein Teil, wo gerade gearbeitet wird dunkel.
Hat von euch einer eine Idee?

 

Wohnthierwer

Ein Häuschen im Grünen…
Wohnt hier wer? Sieht irgendwie so aus. Irgendwie aber auch nicht…
Ich weiß nicht genau was ich hiervon halten soll. Kann ein Haus sein, kann aber auch eine Art Unterstand oder ein Lagerraum sein. Ein Haus wäre schon irgendwie abgefahren, aber entgegen der offiziellen Darstellung der nordkoreanischen Propaganda gibt es ja durchaus arme Menschen und Obdachlose in Nordkorea. Vielleicht hat sich hier einer ein Obdach gebaut.

 

TransportKlein

Feldarbeit hält fit — Besonders, wenn man sich bei der Arbeit nicht mit Maschinen etc. rumschlagen muss.
Sicher, die beiden arbeiten vermutlich fleißig und haben gut was zu tun, aber mit einer Karre oder so ginge das bestimmt besser…

 

FeldtransportKlein

Diehier schleppen zum Beispiel ordentlich was weg.
Hier wird sehr schön deutlich, wie personalintensiv die nordkoreanische Landwirtschaft ist. Das hat mit dem geringen Mechanisierungsgrad und dem maroden Maschinenbestand zu tun. Ich sehe da eigentlich auch kein großes Problem. Allerdings weiß ich nicht, ob es ein effizienter Personaleinsatz ist, wenn Studenten und Akademiker immer mal wieder zur Feldarbeit ausrücken müssen.

OchsenkarrenKaputtKlein

Außer…man hat ein Rad ab.
Mein absolutes Lieblingsbild. Warum? Wenn man sich den Jungen da mal anguckt, hat man das Gefühl, der bleibt da einfach stehen, bis er entweder umfällt, oder ihn jemand holt. Er sieht nicht hoffnungslos oder so aus (obwohl das zugegeben schlecht zu erkennen ist). Aber für mich sieht es so aus, als würde er einfach nur da stehen und das ist dann auch Ok so. Irgendwie könnte man das auch als Sinnbild für Nordkoreas Wirtschaft nehmen. Die ist zwar offensichtlich kaputt und es geht nix mehr, aber das nimmt man dann eben so hin…

VorzuchtKlein

Wenn mich nicht alles täuscht sind das Felder zur Vorzucht, vermutlich von Mais, könnte auch Gemüse sein, aber glaube ich eher nicht.
Irgendwann habe ich mal über die seltsame Praxis geschrieben, Mais unter geschützter Atmosphäre vorzuziehen und dann, wenn es das Wetter zulässt an seinen eigentlichen Standort im Freiland auszusetzen (Seltsam, weil das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag kaum zu rechtfertige ist). Dashier könnte so eine Vorzucht sein.

RinderKlein

Eine kleine Rinderherde.
Die sehen zwar ein bisschen strubbelig und nicht besonders schön aus, aber daraus auf ihren Ernährungszustand zu schließen, wäre wohl Schwachsinn. Warum ich das schreibe? Wenn ich zum Beispiel für die WELT Bildunterschriften dichten würde, dann hätte ich mir vermutlich irgendwas Kreatives wie „Zwar gibt es hier und da Rinder, aber unter ihrem Fell tritt jede Rippe hervor, sie sind genauso hungrig wie die Menschen“ einfallen lassen.

PlantageKlein

Sieht aus wie eine recht neu angepflanzte Plantage (vielleicht eine der Obstplantagen von denen man öfter mal hört).
Da wächst etwas und wenn es auch nicht viel oder genug ist, so ist es doch ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn man die Hügel im Hintergrund anguckt, sieht man, wie karg das Land scheint und dass es wenige Bäume gibt. Eines der großen Probleme des Landes, denn hierdurch werden Überschwemmungen häufig verschlimmert und das Land ist stärker der Erosion ausgesetzt. Für die Waldlosigkeit werden meist zwei Gründe genannt: Im Koreakrieg wurden durch Bombardements und den Einsatz von Napalm weite Teile des Landes entwaldet. In der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre wurde so ziemlich alles verfeuert was brennbar war. Mit den Folgen beider Ereignisse kämpft das Land noch heute.

 

Wie gesagt: Ich freue mich auf eure Gedanken…

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