Kürzlich habe ich mich ja etwas darüber echauffiert, dass viele Medien, politische Entscheidungsträger und Hilfsgruppen ihr Handeln gegenüber Nordkorea mehr auf emotionale Reflexe, dogmatische Meinungen und sachfremde Interessen aufbauen, als auf Fakten und Informationen. Das führt fast zwangsweise bei jeder der genannten Gruppen dazu, dass sie schlechte Ergebnisse produzieren. Zu allem Unglück interagieren sie dabei und verstärken gegenseitig noch die Wirkung ihrer schlechten Arbeit, bzw. sie liefern sich gegenseitig Argumentationsfutter, dass die ganze Geschichte am Ende so aussehen lässt, als würde sie nicht auf kruden Bauchgefühlen oder Abneigungen beruhen sondern auf realen Fakten.
Ich scheine nicht der Einzige sein, den das nervt. In der letzten Woche sind nämlich zwei sehr interessante Artikel erschienen, die sich mit genau diesem Problemfeld auseinandersetzen, es etwas näher analysieren und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Andrei Lankov geht in dem Artikel „It’s not all doom and gloom in Pyongyang“ in der Asian Times kritische mit der Medienberichterstattung westlicher und Nordkorea-freundlicher Medien ins Gericht. Andrew Yeo hat sich auf 38 North der Politisierung der Menschenrechtsfrage in Nordkorea und der nicht wirklich wünschenswerten Folgen daraus gewidmet. Er beleuchtet also das Spannungsfeld zwischen Politik und Hilfsorganisationen und Menschenrechtsgruppen.
Andrew Yeo: Can’t we all just get along? The Politicization of North Korean Human Rights
Yeo macht dabei deutlich, dass es seit Ende der 1990er Jahre zu einer Polarisierung zwischen Menschenrechtsgruppen und Hilfsorganisationen gekommen. Erstere versuchen von außen auf bestehende Probleme aufmerksam machen und das Regime in Pjöngjang so an den Pranger zu stellen, wofür nicht zuletzt die Tatsache verantwortlich ist, dass man in Nordkorea selbst nur sehr schwer als Helfer fungieren kann, ohne in irgendeiner Art Kompromisse zu machen und das Regime sogar indirekt zu stützen, was den betroffenen Menschen denen man ja helfen will, auch wieder schadet. Genau diesem Vorwurf sind Hilfsorganisationen ausgesetzt, die vor Ort agieren. Sie arbeiten oft im Stillen und sehen mitunter unmittelbare Hilfe als wichtiger an, als vollständige Transparenz und müssen in ihrer Arbeit eher pragmatisch vorgehen. Die Menschenrechtsgruppen ordnet Yeo eher dem konservativen Lager zu, während Hilfsorganisationen nach ihm eher im progressiven Bereich zu finden sind. Fatalerweise haben sich diese beiden Lager im vergangenen Jahrzehnt mit Abneigung gegenübergestanden, da auf Beiden Seiten die Wahrnehmung vorherrschte, dass es nur ein „entweder oder“ aber kein Miteinander geben könnte (Man kann nicht in Nordkorea arbeiten, wenn man auf der anderen Seite außerhalb des Landes eine Kampagne gegen das Regime fährt; Man kann die Menschenrechtsverletzungen des Regimes nicht beenden, wenn man es auf der anderen Seite stützt). Yeo sieht aber durchaus die Möglichkeit, beide Positionen miteinander zu vereinen und so ein kohärenteres und sich ergänzendes Handeln gegenüber Pjöngjang zu bewirken.
Nur am Rande wird erwähnt, dass sich die Gruppen im Rahmen ihres Konflikts gegenseitig in Misskredit gebracht haben (aufgrund von völlig unterschiedlicher Kommunikationsstrategien- und Zielen) und dass das im Endeffekt den Eindruck in Politik und Gesellschaft noch bestärkt haben muss, dass es einfach keinen gangbaren Weg im Umgang mit Nordkorea gebe. Diese unterschiedlichen Kommunikationsstrategien lassen sich übrigens noch immer recht gut beobachten und tatsächlich scheint es so, als müsse man eine Entscheidung treffen, welcher Argumentation man folgt. Hilfsgruppen agieren mit menschelnden Bildern von Hungernden und Armen, um so das individuelle Leid der Menschen ins Blickfeld zu Rücken. Wenn Menschenrechtsgruppen Bilder zeigen, dann Satellitenaufnahmen, denn da erkennt man den Einzelnen ja nicht, sondern nur das große Bild. Man agiert mit oft eher technisch klingenden Argumentationslinien, in denen gerne auch mal Zahlen vorkommen können. Interessant ist dabei der Sonderfall Hunger. Denn da ist die Zahl ja ziemlich direkt mit dem Einzelschicksal verbunden und es gäbe (im Gegensatz zu bspw. den Gefangenenlagern) auch ein einfaches Mittel das Problem zu lindern, nämlich Nahrungsmittelhilfen. Hier agieren beide Seiten mit Zahlen, nur dass wie auf dem Markt, die eine Seite möglichst hoch ansetzt und die andere möglichst niedrig. Wie gesagt, im Endeffekt ist keine Seite wirklich glaubwürdig und geholfen ist damit niemandem.
Andrei Lankov: It’s not all doom and gloom in Pyongyang
Auch in Lankovs Artikel spielt ein Meinungsgegensatz eine gewisse (wenn auch keine überragende) Rolle. Er stellt pro-Pjöngjang und westliche Medien gegenüber. Es hätte beide kein wirkliches Interesse daran, die Wahrheit zu schreiben, sondern würden sich aus verschiedenen Gründen in die Tasche lügen. Besonders hart geht er dabei mit unseren Medien ins Gericht. Das Dogma unserer Medien sei, dass
things can only go from bad to worse in that unfortunate country. [sich die Dinge in diesem unglücklichen Land nur von schlimm zu schlimmer entwickeln können.]
Dies sei aber ganz und gar nicht wahr. Dazu führt er drei Beispiele an, von denen ich allerdings nur zwei für hundertprozentig sinnvoll halte. Das Eine ist ein Bericht der (konservativen) Heritage Foundation in Zusammenarbeit mit dem Wall Street Journal. Dabei ging es um die Entwicklung der wirtschaftlichen Freiheit in Nordkorea in den letzten fünfzehn Jahren. Anhand einer Grafik wurde die ökonomische Freiheit dargestellt und ihr dürft raten, welches die einzige Richtung ist, die die Kurve kennt. Dass das totaler Quatsch ist erklärt Lankov recht eingehend ist aber auch für jeden offensichtlich, der sich beispielsweise an die Reformen von 2002 erinnert. Das zweite Beispiel ist die Lebensmittelsituation. Lankov sagt/postuliert, die habe sich stetig gebessert. Ich weiß nicht ob das stimmt. Natürlich gab es da einige Horrorschlagzeilen in letzter Zeit. Aber die basierten eben auf Zahlen von UN-Organisationen, was Lankov zu erwähnen vergisst. Naja, da weiß ich nicht was ich von halten soll. Ein gutes und spannendes Beispiel finde ich dagegen die Menschenrechtssituation. Lankov behauptet, hier habe es in den letzten 20 Jahren eine stetige Besserung gegeben und nennt als Beispiel die weitgehende Abschaffung der Sippenhaft. Hiervon hört man tatsächlich in westlichen Medien nie etwas. Da gibt es dann eher Luftbildaufnahmen von denen keiner mit Sicherheit sagen kann was sie zeigen garniert mit alten Zahlen von Lagerinsassen, die als neu verkauft werden.
Was mir in Lankovs Artikel ein bisschen fehlt, ist die Antwort auf die Frage, warum es nach unseren Medien in Nordkorea immer nur schlechter werden kann. Ich habe darauf leider auch keine richtige Antwort, aber wenn man die hätte, dann könnte man das (mediale) Problem etwas analytischer angehen.
Wichtiger erster Schritt zu reflektiertem Verhalten
Ich finde es gut und interessant, dass in der letzten Zeit im akademischen Bereich das Problembewusstsein über die Wahrnehmung Nordkoreas in unseren Medien und Gesellschaften zuzunehmen scheint (ich messe das einfach mal an der steigenden Zahl von Beiträgen, die mir dazu in letzter Zeit unterkommen). Der nächste Schritt wäre dann nur noch, dass die genannten Akteure ein ähnliches Problembewusstsein entwickeln und reflektierter an das Thema Nordkorea herangehen.
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