Wer provoziert hier wen? Nordkorea kämpft weiter um die Deutungshoheit für den Yonpyong-Zwischenfall


Nach ihrem „First installment“ zum Untergang der Cheonan, hat sich die NDC über KCNA nun auch zum Beschuss der Insel Yonpyong durch die nordkoreanische Armee geäußert. So lässt es zumindest der Titel des Artikels vermuten: „NDC Inspection Group Issues Statement Revealing Truth behind Yonphyong Island Shelling„. Dass ihnen der Inhalt dieses Beitrags wichtig ist, erkennt man auch schon an der für KCNA Verhältnisse unglaublichen Länge. Ich hab ihn spaßeshalber mal in ein Word-Dokument gecopy-pastet und es sind zehn volle Seiten, mit über 6.000 Wörtern.

Im Norden nichts Neues

Wenn man sich die Mühe macht, das Mal wirklich ganz durchzulesen (und es ist Mühe! Ein paar Zeilen von dem Propagandagesülze sind ja vielleicht noch ganz witzig. Aber zehn Seiten…) dann fallen mehrere Dinge auf: Erstens geht es nicht nur um Yonpyong, sondern es geht um den aktuellen Status der Nord-Süd-Beziehungen. Zweitens enthalten die verdammten Zehn Seiten nicht die geringste Neuigkeit (Der Cheonan-Zwischenfall war eine Intrige: „Explicitly speaking, the Cheonan case has nothing to do with the DPRK. It is the immutable truth“, der Yonpyong-Zwischenfall wurde von den Südkoreanern provziert: „The Yonphyong Island shelling would not have occurred if the south Korean group of traitors had not preempted shelling in the waters of the DPRK side“, die Northern Limit Line (NLL) ist unfair und völkerrechtswidrig und muss verlegt werden, Lee Myung-bak und die USA wollen nur Krieg und Nordkorea übt schon Zurückhaltung seit es im Koreakrieg triumphiert hat). Drittens scheint man frustriert zu sein über die Tatsache, dass es nicht so recht gelingen will, mit dem Süden in Gespräche zu kommen, denn an dem gescheiterten Vorbereitungstreffen für hochrangige Militärgespräche arbeitet man ich weiter ab. Viertens hat man sich dabei, wie in allen anderen Punkten, große Mühe, alle Aussagen der südkoreanischen Regierung als hinterhältige Lügen darzustellen. Im Fall der Militärgespräche sagt man beispielsweise, nicht die nordkoreanische Delegation habe die Gespräche einseitig abgebrochen, sondern die südkoreanische. Achja, ganz abgesehen von den vielen friedfertigen nordkoreanischen Fischern, die in dieser Region von den Südkoreanern entführt oder umgebracht wurden

Interessant…vor allem für Verschwörungstheoretiker

Generell dürfte die Lektüre nicht zuletzt für verstörte Verschwörungstheoretiker Politwirrköpfe (die Herrschaft über die Koreanische Halbinsel ist für die Weltbeherrschungspläne der US-Imperialisten unerlässlich, deshalb versuchen sie schon seit Jahren dort einen Krieg zu provozieren) interessant sein, denn die Logik der nordkoreanischen Argumentation ist ungefähr die gleiche und ungefähr genauso konsistent. Aber es gibt ja genug von denen, von daher ist es sehr rücksichtsvoll, dass KCNA auch mal was für solche Leute schreibt.

Die NLL nervt Pjöngjang

Ein bisschen was sagt der Artikel aber auch noch über die politische Agenda des Regimes aus. Es wird nämlich sehr deutlich gemacht, dass man die NLL nicht mehr als Grenze haben will und diese künftig verlegt werden soll. Eigentlich arbeitet man die aktuelle Grenzziehung als Kernproblem von nordkoreanischer Seite heraus (bei Südkorea und den USA ist das Kernproblem, dass es böse, hinterhältige und unverbesserliche Imperialisten und ihre Diener sind) und das ist doch mal ein relativ ehrlicher Inhalt, denn tatsächlich hat man in Pjöngjang scheinbar große Probleme damit. Lobend wird auch explizit Selig S. Harrison erwähnt, der sich mit seinem mutigen (mir fallen auch noch andere Attribute dazu ein. Aber das ist das Schöne an dem Wort „mutig“ es beinhaltet keinerlei Ausschlusskriterien für weniger schmeichelhafte Zuschreibungen nach dem Motto „mutig aber…“) Artikel in der New York Times zur NLL ja ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Ob man das als Experte als Ehre begreifen kann, wenn die nordkoreanischen Medien ihre Argumentation auf eigene Thesen aufbauen weiß ich nicht so genau (ich weiß was ich davon hielte, wenn ich ein Experte wäre und mir das passierte).

Das alte Lied: Drohend und versöhnlich

Abschließend können es die Autoren des Beitrags aber nicht lassen, der Regierung in Seoul ziemlich unverhohlen zu drohen, sollten sie nicht zu Gesprächen bereit sein:

It is too natural that broad strata of south Korea are becoming increasingly concerned and worried that if the present authorities turn their back on the DPRK′s proposal for unconditioned dialogue and rush headlong into one-sided confrontation, calling into question the two incidents, this will entail miserable consequences of swamping the whole land of south Korea as the Cheonan warship and turning it into a wormwood field like Yonphyong Island.

Allerdings, so der versöhnliche Schluss, werde die Armee Nordkoreas weiterhin ihr Bestes tun, um das Vorgehen der konfrontativen Kräfte im Süden ins Leere laufen zu lassen und für Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel zu sorgen.

Kampf um die Deutungshoheit

Scheinbar verspürt man in Pjöngjang weiterhin das Bedürfnis, die Deutungshoheit hinsichtlich der innerkoreanischen Beziehungen zu erringen. Ob dieser Artikel allerdings dazu beitragen kann, möchte ich doch in Zweifel ziehen (außer vielleicht für die Zielgruppe der Verschwörungstheoretiker und Politwirrköpfe, aber für die ist vielleicht ein bisschen wenig „Chemtrails“ und „HAARP“ dabei). Ansonsten ist der Artikel natürlich ein Beleg dafür, dass das Regime nicht bereit ist, irgendwelche Zugeständnisse an den Süden zu machen. Es wurde jetzt nochmal zur offiziellen NDC Position gemacht, dass man mit dem Cheonan-Zwischenfall nichts zu tun hat und für den Angriff auf Yonpyong nichts konnte. Damit fällt wohl definitiv die Option aus, dass man sich für die Zwischenfälle entschuldigen würde. Dies fordert Lee Myung-bak aber vehement. Dass sich die Armee weiterhin als stabilisierende Kraft für Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel einsetzen wollen könnte man (könnte, muss aber nicht) als Zugeständnis hinsichtlich künftiger Provokationen lesen. Insgesamt ist der Artikel wohl nicht mehr als eine Fußnote in den angespannten Beziehungen auf der Koreanischen Halbinsel, aber eine lange…

Nordkorea vor den Internationalen Strafgerichtshof: Chefankläger leitet Voruntersuchung ein


Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes Moreno-Ocampo hat gestern bekannt gegeben, dass er Voruntersuchungen gegen Nordkorea einleiten will. Das Büro des Chefunterhändlers sei informiert worden, (von Südkorea offenbar), dass nordkoreanische Streitkräfte auf südkoreanischem Territorium Kriegsverbrechen begangen hätten. Zur Anzeige gebracht worden seien sowohl der Beschuss der Insel Yonpyong als auch die Versenkung der Cheonan. Diese Voruntersuchungen sind allerdings noch bei weitem kein Prozess. Hier wird geprüft, ob die Bedingungen für die Eröffnung einer offiziellen Untersuchung gegeben sind. Ein Prozess käme zustande, wenn der Chefankläger nach der offiziellen Untersuchung zu dem Entschluss käme, dass die entsprechenden Kriegsverbrechen vorlägen. Ein langer Weg also.

Da hat Südkorea also doch noch einen Weg gefunden, Nordkoreas aggressives Gebaren vor einer internationalen Körperschaft verhandeln und im besten Falle brandmarken zu lassen. Allerdings dürfte der IStGH wohl nur die zweite Wahl gewesen sein, denn er ist ein zweischneidiges Schwert. Anders als beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen weiß man vorher eben nicht relativ sicher, was dabei rauskommen wird. Die Unabhängigkeit der Justiz macht ein Urteil natürlich umso beeindruckender wenn es den eigenen Wünschen entsprechend ausfällt. Aber wenn nicht, ist auch die Niederlage größer. Außerdem folgt die Strafe nicht auf den Fuß. Bis ein eventueller Prozess abgeschlossen ist, dürfte einige Zeit vergehen. Aber selbst ein Anklageerhebung wäre schon ein großer symbolischer Erfolg für Südkorea und würde den Norden an den Pranger stellen. Allerdings, und da wird es schwierig, kann der IStGH nur Individuen anklagen, keine Länder. Das heißt, die Verantwortlichen müssten zur Anklageerhebung identifiziert werden. Wie man das machen will ist mir weitestgehend ein Rätsel. Vermutlich könnte man Kim Kyok-sik drankriegen (aber wohl nicht nach Den Haag), denn als Befehlshaber der dort stationierten Truppen ist er wohl zumindest für den Granatbeschuss von Yonpyong unmittelbar verantwortlich. Aber sonst? Da kann nicht viel kommen.

Was mich ehrlich überrascht hat ist die Tatsache, dass Südkorea auch die Versenkung der Cheonan vorgebracht hat. Da muss man sich seiner Beweise also sehr gewiss sein. Man stelle sich nur mal vor, ein unabhängiges Gericht würde den Untergang der Cheonan prüfen und käme am Ende zu dem Schluss, dass keine gerichtsfesten Beweise vorlägen, um Nordkorea anzuklagen. Das wäre eine ungeheure Blamage für alle, die in die Untersuchung des Untergangs involviert waren. Da sich die Südkoreaner dieser Gefahr wohl nicht aussetzen würden, wenn man nicht absolut sicher wäre, dass die Beweise wasserdicht sind, ist dies eine elegante Lösung, die Verantwortlichkeiten für den Untergang der Cheonan vor aller Welt unabhängig prüfen und klären zu lassen. Und eine weitere Tatsache kann man in Südkorea damit sehr elegant untermauern. Den Verlauf der Seegrenze. Da die Cheonan in umstrittenem Gebiet sank, wäre es als klare Anerkennung der Seegrenze durch das Gericht zu werten, wenn der Fall in die offizielle Untersuchung ginge. Denn das Gericht darf nur tätig werden, wenn der Angeklagte Staatsbürger eines Mitgliedsstaats ist, oder das Verbrechen auf dem Territorium eines Mitgliedsstaats verübt wurde. Letzteres trifft aber nur dann zweifelsfrei zu, wenn man die von der UN gesteckten Grenzen anerkennt. Damit würde man den Forderungen des Nordens hinsichtlich der Seegrenze den Wind aus den Segeln nehmen.

Die USA dürften das Manöver Südkoreas ebenfalls mit leicht gemischten Gefühlen beobachten, schließlich sind sie auch einer der vielen Staaten, die nicht Mitglied beim IStGH sind, aber immerhin haben sie das Rom Statut unterzeichnet. Allerdings hat man sich (ich erinnere mich noch dunkel an die Diskussionen) in den USA Sorgen gemacht, dass der IStGH auch amerikanische Bürger, vielleicht sogar brave Soldaten, die nur in Abu Ghraib oder so ihren Dienst nach Pflicht verrichten, vor das Gericht gebracht werden könnten. Und das ginge natürlich gar nicht (wie gesagt, die Fallstricke unabhängiger Justiz).

Es ist auf jeden Fall ein mutiger und strategisch schlauer Schritt Südkoreas, den Fall an das IStGH zu geben. So kann Nordkorea von einer unabhängigen und angesehenen Institution als Aggressor identifiziert werden und man muss sich nicht um China bemühen.

Herbstliches Harmoniebedürfnis: Seoul lässt Forderung nach Entschuldigung Nordkoreas für Cheonan fallen!


Update (09.11.2010): Was die NY Times geschrieben hat scheint zu stimmen. Jedenfalls sind heute Yonhap und Xinhua mit ähnlichen Meldungen nachgezogen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch diese Information, nach der Lee Myung-bak das Thema Nordkorea (Sechs-Parteien-Gespräche) am Rande des G-20 Gipfels, mit den anderen involvierten Parteien besprechen möchte.

Ursprünglicher Beitrag (08.11.2010): Wie ich eben in der New York Times gelesen habe, hat die Regierung Südkoreas ihr Beharren auf einer formellen Entschuldigung Nordkoreas, für die Versenkung der Cheonan, derer das Regime in Pjöngjang im Rahmen einer internationalen Untersuchung (die aber noch immer etwas umstritten ist) für schuldig befunden worden war, heimlich still und leise fallen gelassen!

Der Bericht (leider kann man den nur abrufen, wenn man sich bei der NY Times registriert) beruft sich auf ein Interview mit Lee, das bereits am Samstag geführt wurde, sowie die Aussagen von Vertrauten Lees. Lee habe auf zweimalige Nachfrage hin nicht sagen wollen, dass eine Entschuldigung Pjöngjangs weiterhin die Voraussetzung für Gespräche sei. Vielmehr nutzte er die Formulierung:

For the resumption of dialogue in any form, North Korea has to show genuine interest and sincere behavior.

Die gleiche Phrase wurde später auch von einem hochrangigen Mitglied der Lee-Administration genutzt. Ein enger Vertrauter Lees habe einen Politikwechsel bestätigt und gesagt, dass eine Entschuldigung Nordkoreas nun nicht mehr die Vorbedingung für Gespräche sei.

Sollten sich diese Vermutungen als richtig herausstellen (ich bin noch ein bisschen misstrauisch, nicht zuletzt weil die Joong Ang Daily das gleiche Interview so auslegt, dass Lee das Beharren auf einer Entschuldigung bekräftigt habe), würde sich damit die Tür für neue Gespräche weit öffnen und man könnte in den nächsten Tagen und Wochen mit einer weiteren Entspannung der Situation bis hin zur Vorbereitung von Verhandlungen rechnen. Auch vom Timing her wäre ein solcher Schritt recht passend, denn immerhin werden sich alle Beteiligten außer Nordkorea noch in dieser Woche in Seoul treffen. Da könnte man doch schonmal was abmachen… Und auch wenn die USA bis zuletzt auf einer Entschuldigung Pjöngjangs beharrten, so ist ja bekannt, dass man Seoul die „Richtlinienkompetenz“ hinsichtlich der Nordkorea Politik überlassen hat. Und wenn Seoul sagt es geht ohne Entschuldigung, dann wird Washington wohl folgen. Ob die Reihenfolge hinter den Kulissen allerdings so eindeutig war, möchte ich fast bezweifeln.

Naja, fast wie vor einem Jahr, wenn die Blätter fallen und es draußen Kalt wird, hat man allenthalben das Bedürfnis nach Harmonie und einer (mehr oder weniger) kuschligen Sechserrunde…

Cheonan und kein Ende: Pjöngjang fischt in der Untersuchungssuppe


Das Regime in Pjöngjang scheint sich bisher nicht damit zufrieden geben zu wollen, dass es für die Versenkung der Cheonan verantwortlich gemacht wird. Das geht jedenfalls aus einer offiziellen Verlautbarung der Nationalen Verteidigungskommission hervor, die man bei KCNA nachlesen kann. In dem für KCNA-Verhältnisse extrem langen Artikel werden alle Punkte nochmal aufgegriffen, die nach Ansicht der Autoren dafür sprechen, dass es sich bei dem Bericht der internationalen Untersuchungskommission zum Untergang der Cheonan um eine

sheer fabrication and conspirational farce

gehandelt habe.

Enthalten sind dabei einige technische Kritikpunkte wie die Herkunft des Torpedos. In Nordkorea produzierte Torpedos seien

Juche-based torpedos made of steel alloy material

während der gefundene Torpedo aus Aluminium gemacht sei. Toll fand ich auch den Hinweis darauf, dass Nordkorea

possesses torpedos with such tremendous striking power that the world can hardly imagine

den man sich wohl trotz aller Unschuldsbeteuerungen nicht verkneifen konnte.

Auch die Streitigkeiten um das Antriebselement, welches nicht verbogen, dafür aber korrodiert und darüber hinaus mit Tinte mit dem Schriftzug „No.1“ (in Hangul) markiert sei, wurde wieder aufgegriffen. Weiterhin wird die Präsentation der Ergebnisse kritisiert und auf Ungereimtheiten bei Zeugenaussagen etc. hingewiesen. Insgesamt haben die Autoren des Beitrages dreizehn Haare in der Untersuchungssuppe (das Wort finde ich irgendwie treffend, denn dadurch, dass die Untersuchungskommission anfänglich sehr intransparent agierte und in der Kommunikation einige Fehler gemacht hat, machte sie die ganze Geschichte zu einem undurchsichtigen Brei, in dem sich leicht das Eine oder Andere Haar findet) gefunden.

Was den Artikel ein bisschen schwer zu lesen macht ist die übertriebene Anzahl von Beschimpfungen, die bei jeder Möglichkeit hinzugefügt wurden. Ich weiß nicht genau, ob mir das nur aufgefallen ist, weil der Artikel so lang ist und die hundertste Nennung von „US imperialists“ und der „group of traitors“ dann irgendwann doch nervt, aber es kam mir so vor, als hätte man hier sogar für KCNA Verhältnisse dick aufgetragen. Am besten ihr lest selbst und macht euch einen Eindruck von dem, was Pjöngjang zu verlautbaren hat.

Was mir in der Gesamtschau auffällt, ist die Vehemenz, mit der Pjöngjang auch Monate nach der Versenkung auf dem Thema rumreitet. Ich meine, die Koreas befinden sich gerade in einer Phase, in der die Zeichen eher auf Kooperation stehen und in der man beginnt die Cheonan-Geschichte etwas zu verdrängen. Warum holt Pjöngjang das denn gerade jetzt wieder aus der Kiste, obwohl eigentlich klar ist, dass einerseits keine wirklich schlimmen Konsequenzen daraus entstanden sind und andererseits eine Aufwärmung der Geschichte eher kontraproduktiv sein dürfte. Ich muss sagen, da bin ich relativ ratlos…

„We want Carter for Vermittler“: Jimmy Carter zu den Hintergründen seiner Reise nach Pjöngjang


Seit Jimmy Carter erfolgreich von seiner Mission zur Befreiung von Aijalon Mahli Gomes zurückgekehrt ist, hat er sich ja erstaunlich bedeckt gehalten. Es gab kaum mehr Infos über die Reise als diejenigen, die KCNA über den Besuch veröffentlicht hat. Nun hat Carter sein Schweigen endlich gebrochen und zwar, wie es sich für einen demokratischen ex-Präsidenten geziemt, in Form eines Op-Eds in der New York Times. Die wichtigste Erkenntnis seiner Reise:

I received clear, strong signals that Pyongyang wants to restart negotiations on a comprehensive peace treaty with the United States and South Korea and on the denuclearization of the Korean Peninsula.

An sich ist das ja nicht überraschend. Eher überraschend finde ich das Timing und natürlich die Tatsache, dass das Regime in Pjöngjang ganz gezielt „gebeten“ hat, Jimmy Carter möge doch zur Befreiung von Gomes nach Pjöngjang kommen. Nach Carter:

In July, North Korean officials invited me to come to Pyongyang to meet with Kim Jong-il, the North Korean leader, and other officials to secure the release of Mr. Gomes. Those who invited me said that no one else’s request for the prisoner’s release would be honored. They wanted me to come in the hope that I might help resurrect the agreements on denuclearization and peace that were the last official acts of Kim Il-sung before his death in 1994.

Scheinbar hat Nordkorea also schon mindestens einen Monat vor Carters Reise versucht, die Situation auf der Koreanischen Halbinsel wieder zu verbessern und Carter auch ein Treffen mit Kim Jong Il in Aussicht gestellt. In die mögliche Zeitspanne von der Anfrage bis zur Genehmigung fallen verschiedene Ereignisse, die direkt oder indirekt mit der Reise in Verbindung stehen könnten. Natürlich fällt mir da sofort die KCNA Meldung vom 09. Juli, in der berichtet wurde, Gomes habe einen Selbstmordversuch begangen, unter anderem wegen seiner Unzufriedenheit, dass die US-Regierung keine Maßnahmen zu seiner Befreiung ergriffen hätte. Also wenn das mal nicht mit der „Einladung“ an Carter in Verbindung steht. Am selben Tag einigte sich der UN-Sicherheitsrat auch auf ein Presidential Statement wegen der Versenkung der Cheonan. Damit konnte Nordkorea wohl die diplomatischen Folgen des Untergangs er Cheonan (wer auch immer dafür verantwortlich ist) absehen und das weitere Vorgehen planen. In der darauf folgenden Zeit war es bis auf die Festsetzung eines südkoreanischen Fischerbootes und seiner Besatzung relativ ruhig um Nordkorea. Grollende Töne und eine nicht besonders versöhnliche Haltung waren eher aus Seoul und Washington zu vernehmen, die an ihren Manöver-Plänen festhielten und auf dem ASEAN Regional Forum kein Interesse an Gesprächen mit der nordkoreanischen Seite zeigten. Carter informierte die Regierung zwar über die „Einladung“, allerdings scheint man in dieser Zeit in Washington nicht wirklich gewusst zu haben was zu tun ist und daher hat man wohl nichts getan.

Bewegung kam erst in die Geschichte, als Nordkorea scheinbar ungeduldig wurde und man Carter darüber informierte, dass Gomes wieder ins Gefängnis (wohl aus dem Krankenhaus) verlegen würde. Darauf gab die US-Regierung ihre Zustimmung, allerdings erklärte das Regime in Pjöngjang, dass Kim Jong Il nun nicht mehr für Gespräche zur Verfügung stände. Die Verantwortung dafür, dass ein Treffen mit Kim Jong Il nicht zu Stande kam liegt also auch in großen Teilen bei der US-Regierung, die etwas zu lange gezögert hatte (und welcher Staatschef lässt sich schon von einer anderen Regierung auf „standby“ halten? Hätte Kim das getan, wäre das wohl einem Gesichtsverlust gleichgekommen). Ansonsten erklärte die nordkoreanische Seite – im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass Carter keine Entscheidungsbefugnisse hatte – ihre Position, beklagte sich über das Verhalten der USA und erklärte, dass ein Abkommen zur Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel weiterhin Ziel der nordkoreanischen Politik sei (was Carter seinen Gesprächspartnern scheinbar auch abgekauft hat). Carter zitiert seine Gesprächspartner mit dieser (herrlich „nordkoreanischen“) Aussage:

They referred to the six-party talks as being “sentenced to death but not yet executed.”

Auf einer Reise nach China in der darauf folgenden Woche habe er Erfahren, dass Kim Jong Il auf seinem Besuch dort die gleichen Botschaften überbracht habe.

Durchaus spannend finde ich die Informationen die Carter in seinem Bericht gibt. Was ich auch noch interessant finde ist die Tatsache, dass Carter zwar kurz die Situation auf der Koreanischen Halbinsel in den letzten Monaten beschreibt, aber einen Punkt völlig ausklammert: Das Sinken der Cheonan, das definitiv in den Artikel gehören würde, die aber keinerlei Erwähnung findet. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht nimmt er Rücksicht auf Nordkorea und will das Regime nicht reizen. Vielleicht ist er sich über die Hintergründe des Vorfalls auch einfach nicht sicher und lässt ihn daher lieber weg. Vielleicht ist es auch was ganz anderes. Ich weiß es nicht, wüsste es aber gern…

Der abschließende Bericht zum Untergang der Cheonan: Erster Überblick und Download


Am letzten Montag hat das südkoreanische Verteidigungsministerium ja den abschließenden Bericht zum Untergang der Cheonan veröffentlicht. Ich dachte ich schreibe erst darüber, wenn ich mir das Papier selbst ansehen kann. Da ich es eben auf der Internetseite gefunden habe, die die südkoreanische Regierung über den Untergang der Cheonan erstellt hat, ist wohl auch der Zeitpunkt gekommen, das Thema Cheonan nochmal anzusprechen.

Der Bericht der Joint Investigation Group (JIG), an der zivile und militärische Experten aus Südkorea, den USA, Australien und Schweden teilnahmen, ist mit 223 Seiten (ohne Anhänge) sehr umfangreich und enthält eine sehr detaillierte Dokumentation und Begründung der Ergebnisse. Die unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich von dem, was im vorläufigen Bericht der JIG zu lesen war. Allerdings sucht das Dokument die Zweifel die nach der Veröffentlichung des vorläufigen Berichts von verschiedenen Seiten laut geworden waren, zu zerstreuen. So wird beispielsweise sehr genau auf die Möglichkeiten eingegangen, dass das Schiff auf Grund gelaufen, oder durch die Explosion einer abgetriebenen Mine versenkt worden sein könnte. Auch die Frage, warum das Schriftzeichen, das „Nummer 1“ bedeutet, von der Explosion nicht „ausgebrannt“ wurde, wird umfassend erklärt (Allerdings ist da auch zu lesen, dass die Markierung unmittelbar nach dem heben des Torpedos nicht entdeckt wurde, sondern erst nach dem Transport vom Fundort, aber meiner Meinung nach ist diese Anmerkung auch ein Zeichen, dass die JIG versucht transparent zu sein.). Ich habe den Bericht natürlich noch nicht ganz gelesen und weiß auch nicht ob ich das machen werde (von manchen Sachen habe ich einfach keine Ahnung), aber einiges interessantes dürfte da noch zu finden sein.

Einen spannenden Hinweis, auch wenn ich etwas andere Schlüsse ziehe, habe ich auf dem Blog American Everyman gefunden. Dem Autor ist aufgefallen, dass die Unterschriften der Leiter der Untersuchungsteams aus den verschiedenen Ländern (am Anfang des Berichts) jeweils von der Standardfloskel:

As senior [ Name des Landes] Representative to the Republic of Korea Joint Investigation Group I concur with the findings and conclusions of this report

gefolgt wurden. Nur bei der Unterschrift des schwedischen Teamchefs gibt es eine Abweichung. Da ist nämlich an diesen Satz noch angehängt:

[…] relevant to the Swedish team’s participation

Der Autor des Blogs schließt daraus, dass Agne Widholm, der Leiter der schwedischen Gruppe, den restlichen Ergebnissen widerspricht. Während das natürlich nicht vollständig auszuschließen ist, würde ich die weichere Lesart wählen, die da lautet, dass Widholm einfach nichts unterschreibt, von dem er keine Ahnung haben kann, weil seine Leute daran keinen Anteil hatten.

Auch auf „The Cable“ dem Blog der amerikanischen Zeitschrift Foreign Policy geht der Autor auf den Bericht ein. Genauer auf das leidige Thema der nicht veröffentlichten russischen Ergebnisse. Er interpretiert den südkoreanischen Bericht auch als eindeutige Botschaft an Russland, dass das Schiff nicht von der Explosion einer Mine versenkt worden sei. Naja, die Zeit hätte sich der Autor wohl besser gespart, denn so ganz verstehe ich nicht was es bringen soll über einen russischen Bericht zu diskutieren, bei dem niemand weiß was drinsteht, bzw. nur aus „zuverlässigen Informationen“ die Zeitungen zugespielt wurden (was für mich enig mehr als nichts ist).

Naja, auf jeden Fall hat das JIG gut daran getan, den vollständigen Bericht endlich vorzulegen und damit im Zweifel eine wissenschaftliche Diskussion über die gewonnenen Erkenntnisse zu ermöglichen. Damit nimmt man Verschwörungstheoretikern den Wind aus den Segeln, außer natürlich es gibt wirklich große Lücken in der Argumentation. Auf jeden Fall kann sich nun jeder der Mag und Ahnung von der Materie hat (die geht mir in vielen Bereichen ab) an dem Bericht abarbeiten.

Achja, und bevor ich es vergesse: Hier gibts den Bericht natürlich zum runterladen (die Dateien haben jeweils so um die 10 Mb, das dauert als etwas). Alternativ könnt ihr den Bericht direkt von der oben genannten Homepage runterladen. Dort ist die englischsprachige Version mit „천안함조사결과_보고서_영문_1.pdf“ gekennzeichnet.

Joint Investigation Group Bericht, Teil 1

Joint Investigation Group Bericht, Teil 2

Joint Investigation Group Bericht, Anhänge

Russland schließt Untersuchung zum Cheonan Untergang ab – Keine Veröffentlichung der Ergebnisse


Lange hat es gedauert, bis der Bericht der russischen Untersuchungsgruppe zum Untergang der Cheonan fertig war. Jetzt scheint die Gruppe ihre Ergebnisse der Führung des Landes übermittelt zu haben. Dumm nur, dass scheinbar sonst niemand einen Blick darauf werfen können wird. Dies geht zumindest aus den Worten des russischen UN-Botschafters Vitaly Churkin hervor:

We have no intention of making it public. The essence of this report is reflected in our contribution to the text of the presidential statement which was read on July 9.

Was das hinsichtlich der Ergebnisse genau zu bedeuten hat ist wohl Interpretationssache. Klar dagegen scheint, dass diese geheim bleiben und dass damit weiterhin nichts wirklich klar ist. Yonhap verweist in seinem Artikel zu dem Thema zwar auf die Informationen, die in der Hankyoreh veröffentlicht wurden und die die Katastrophe einer Mine zuschreiben. Allerdings wurde sowohl von russischer, als auch von südkoreanischer Seite dementiert, dass die vorgestellten Ergebnisse tatsächlich aus dem russischen Bericht entnommen wurden. Daher ist es wohl sehr spekulativ, hier einen Zusammenhang herzustellen. Damit sind mehr oder weniger fundierten Theorien hinsichtlich des Untergangs der Cheonan weiterhin Tür und Tor geöffnet, ohne dass eine Seite („Nordkorea wars!“ oder „Nordkorea wars nicht!“) die Wahrheit für sich reklamieren kann.

Warum Russland den Bericht nicht veröffentlicht? Wüsste ich auch gerne, denn dann wüsste man wohl auch was ungefähr drin steht. Allerdings gibt es sowohl gute Gründe ihn nicht öffentlich zugänglich zu machen wenn man zu einem ähnlichen Ergebnis kam, wie die Gruppe unter südkoreanischer Führung, als auch, wenn sich die Ergebnisse beider Gruppen unterscheiden. Hätte man gleiche Ergebnisse würde man bedrängt werden auf die südkoreanisch-amerikanische Linie einzuschwenken, wenn die Ergebnisse bekannt wären. Wenn man zu einem anderen Schluss, beispielsweise dem in der Hankyoreh veröffentlichten, gekommen, müsste man eigentlich eindeutiger Position gegenüber Südkorea und den USA beziehen und diese sogar teilweise bloßstellen. Beides ist wenig wünschenswert und mit dem gesammelten Wissen kann man ja auch hinter den Kulissen auf die Parteien einwirken und hat immer die Drohung der Veröffentlichung in der Hinterhand.

Das wäre doch schön, wenn man den Bericht bald mal auf WikiLeaks nachlesen könnte. Allerdings glaube ich, dass man in Russland wohl mit härteren Strafen rechnen muss, wenn man Staatsgeheimnisse weitergibt. Daher ist das Kapitel „russischer Untersuchungsbericht“ wohl geschlossen ohne dass es wirklich geöffnet wurde.

Russischer Untersuchungsmarathon geht weiter — Offene Fragen und kein Einfluss auf deren Beantwortung


Ich habe mich in der letzten Zeit öfter mal gefragt, was eigentlich mit dem russischen Untersuchungsbericht zur Cheonan ist. Denn eigentlich sollte der ja im Juli kommen, ist aber offensichtlich noch nicht fertig. Also hab ich mich ein bisschen umgesehen und tatsächlich, es gibt Neuigkeiten. Scheinbar lässt man sich in Moskau weiter Zeit und gibt die Schuld dafür, dass man noch immer nicht fertig sei Südkorea.

Laut der Meldungen russischer Medien sagte der russische Marinekommandant Vladimir Vysotsky, dass die Untersuchungsgruppe bisher keine definitive Ursache für den Untergang der Cheonan habe finden können. Es gäbe noch offene Fragen hinsichtlich der internationalen Untersuchung unter südkoreanischer Führung, die einen nordkoreanischen Torpedo als Ursache für die Katastrophe identifiziert hatte. Diese seien bisher nicht beantwortet worden und es stände nicht in der Macht Russlands auf die Beantwortung der Fragen Einfluss zu nehmen (So interpretiere ich die beiden Artikel jedenfalls, die etwas schwammig formuliert sind).

Erstaunlich wie schnell die internationale Untersuchungsgruppe nach dem Fund der Beweise mit dem Ergebnis kam und wie lange das nun bei der russischen Untersuchung dauert. Einerseits könnte das heißen, dass die internationale Gruppe vorschnell mit ihren Ergebnissen an die Öffentlichkeit getreten ist (vielleicht auch mit Blick auf den südkoreanischen Wahltermin), andererseits wäre es aber auch möglich dass die Russen auf Zeit spielen. Vielleicht gefallen ihnen die Ergebnisse nicht so recht und sie wollen durch ihre Ergebnisse nicht für eine Verstärkung des Drucks auf Nordkorea sorgen. Daher könnte es sein, dass man einfach wartet, bis die Sache abgekühlt ist. Dazu würde auch passen, dass man in Moskau scheinbar erwägt, die Ergebnisse des Berichts garnicht zu veröffentlichen. Kann natürlich auch sein, dass man die USA und Südkorea nicht bloßstellen möchte und ihnen hinter vorgehaltener Hand zu verstehen gibt, dass man weiß dass ihr Bericht alles Andere als wasserdicht ist.

Alles in Allem sieht es wohl so aus müsste man/ich sich/mich von der Hoffnung verabschieden, dass die russische Untersuchung etwas mehr Klarheit in die Vorgänge rund um den Untergang der Cheonan bringen wird.

Von Kampagnen, Provokationen und vertauschten Rollen – Das Vorgehen der USA gegenüber Nordkorea


Da habe ich mir wohl etwas viel erhofft vom ASEAN Regional Forum (ARF), dem Sicherheitsforum der Gemeinschaft südostasiatischer Staaten. Anders als (von mir) für möglich gehalten scheint sich im Rahmen des ARF, an dem nicht zuletzt US-Außenministerin Clinton und Nordkoreas Außenminister Pak Ui-chun teilnahmen, keine Möglichkeit für Gespräche und damit eine Annäherung zwischen den USA und Nordkorea geboten zu haben. Daran scheint vor allem eine Seite einen großen Anteil zu haben — die USA!

Schon im Vorfeld des Treffens ließ Hillary Clinton keine Möglichkeit aus, zu signalisieren, dass man zurzeit nicht an einer irgendwie gearteten Annäherung an Nordkorea interessiert sei. Zuerst wurden nach einem medienwirksam inszenierten „2 + 2 Gespräch“  zwischen den Außen und Verteidigungsministern Südkoreas und der USA (einschließlich Besuch in der Demilitarisierten Zone) die ohnehin schon beschlossenen Militärmanöver im Ostmeer und dem Gelben Meer unter besonderer Berücksichtigung der Gefährlichkeit Nordkoreas noch einmal breitgetreten (natürlich nicht ohne zu erwähnen, dass man den Flugzeugträger U.S.S. George Washington in die Region entsenden würde, was auch schon beschlossen war). Dann verkündete man, die Sanktionen gegen Nordkorea weiter verschärfen zu wollen und gab auch schon erste konkrete Maßnahmen bekannt, natürlich nicht ohne andere Staaten aufzufordern, dem eigenen Vorbild zu folgen.

In ihrer Rede, die Clinton dann heute vor dem ARF hielt, verkündete sie dann schließlich, dass sich „ein isoliertes und kriegslustiges Nordkorea in eine Kampagne gefährlicher Provokationen gestürzt“ habe. Nordkorea, das sich auf die Ankündigungen der USA hin (wie nicht anders zu erwarten war) mit harschen Reaktionen und Drohungen nicht zurückhielt und in die übliche – wenig konstruktive – „Krieg-der-Worte-Rhetorik“ verfiel, signalisierte trotz des – ebenfalls wenig konstruktiven – Vorgehens der USA weiterhin Gesprächsbereitschaft. Der Sprecher der nordkoreanischen Delegation Ri Tong-il sagte gegenüber Yonhap, seine Seite sei gegenüber den USA und Japan für Gespräche am Rande des Treffens am Freitag bereit wenn diese Interesse zeigten. Dies sei allerdings bisher nicht geschehen.

Damit dürfte diese Chance, einen Neustart für den festgefahrenen Dialog zu versuchen ungenutzt verstreichen. Und Hauptverantwortlich dafür ist diesmal zur Abwechslung mal nicht Nordkorea sondern es sind die außenpolitischen Strategen der USA. Was sie allerdings damit bezwecken ist (und bleibt) mir schleierhaft. Hofft man, dass Nordkorea irgendwann die weiße Fahne hisst und sich still und friedlich an Südkorea angliedert? Gehört das zum Poker im Vorfeld von neuen Verhandlungen? Oder will man einfach nicht mit Nordkorea reden, sondern den Konflikt auf mittlerer Flamme am Köcheln halten?

Wenn ich mir das Verhalten der USA, gerade in den letzten Wochen so anschaue, dann kann ich mir nicht vorstellen, wie die (vornehmlich symbolischen Gesten) der letzten Tage (was die Sache eher schlimmer als besser macht) Teil einer konstruktiven politischen Strategie sein sollen. Aber wenn sie das nicht sind, wozu sollen sie dann gut sein? Ich kann es mir nicht so recht vorstellen, aber in einem Punkt bin ich mir recht sicher. Zur Verbesserung der Atmosphäre auf der Koreanischen Halbinsel tragen die USA so nicht bei!

Das ARF als neue Chance für Diplomatie auf der Koreanischen Halbinsel?


Es sieht ganz so aus, als seien sich die relevanten Parteien auf der Koreanischen Halbinsel einig, dass es so nicht weitergehen kann und man irgendwie zu Gesprächen zurückkehren muss. Dies legen zumindest die Ereignisse der letzten Tage nahe, die positive Signale sowohl Seitens Nordkoreas als auch von den USA und Südkorea brachten. Welche das waren und was sie bedeuten werde ich im Folgenden mal schnell aufzählen:

  • Gestern nahmen Vertreter des nordkoreanischen Militärs an Gesprächen mit dem Kommando der US-amerikanisch geführten UN-Truppen in Südkorea teil, bei denen es um den Untergang der Cheonan ging. Berichten zufolge verliefen die Gespräche in Konstruktiver Atmosphäre, die nur etwas von dem Beharren der nordkoreanischen Seite auf dem Zugang zu den Beweisen des Cheonan-Untergangs gestört wurde. Nichtsdestotrotz vereinbarten beide Seiten, die Gespräche die zurzeit auf der Ebene mittlerer Dienstränge geführt wurden, nach einem weiteren Vorbereitungstreffe auf Generalsebene fortzusetzen.
  • Der Beauftragte des US-State Department für Ostasien, Kurt Campbell, sagte gestern, die USA seien unter den richtigen Umständen zu Gesprächen mit Nordkorea bereit. Wie genau diese Umstände aussähen erläuterte er nicht näher, bekräftigte aber noch einmal die Position der USA, dass es kein Reden um des Redens willens gäbe. Auch wenn dieses „Angebot“ noch sehr vorsichtig daherkommt, sagte Campbell beispielsweise nichts davon, dass Nordkorea seine Schuld im Fall des Untergangs der Cheonan eingestehen müsse. In Washington scheint man dieses Kapitel nun endgültig beenden zu wollen.
  • Die USA und Südkorea haben ihre Marinemanöver im Gelben Meer, die in China starke Proteste der Regierung bewirkt hatten zwar nicht abgesagt, sie scheinen aber bereit zu sein, Zugeständnisse zu machen. So soll der Flugzeugträger U.S.S. George Washington nicht wie anfänglich geplant (und wie es im vergangenen Jahr der Fall war), im Gelben Meer, also nahe der chinesischen Küste üben, sondern im Ostmeer zwischen Japan und der Koreanischen Halbinsel. Damit dürfte man China signalisieren, dass man willens ist, die etwas gespannte Atmosphäre, die sich nach der harten Haltung Chinas bezüglich des Vorgehens des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sowie rund um das südkoreanisch-amerikanische Marinemanöver entwickelt hatte, wieder aufzulockern. So könnte auch Chinas „Laune“ für Gespräche verbessert werden.

Zugegeben, die Signale sind noch schwach und sie bedeuten noch lange nicht, dass sich die Parteien bald wieder zu Konsultationen bspw. im Rahmen der Sechs-Parteien-Gespräche treffen werden. Allerdings sind es einerseits die ersten positiven Signale, die es seit Monaten gibt und sie gehen von allen Seiten aus. Vor allem aber steht nächste Woche ein wichtiges Ereignis in der Region an:

  • Vom 19. bis zum 23. Juli findet in Hanoi das ASEAN Regional Forum (ARF) statt. Ein Sicherheitspolitisches Treffen, bei dem nicht nur Konsultationen auf Arbeitsebene zur Beilegung oder Behandlung konkreter Probleme durchgeführt werden, sondern an dessen Ende auch hochrangige Vertreter der teilnehmenden Staaten (Teil nehmen die ASEAN-Staaten, süd- und ostasiatische Staaten, nordamerikanische Staaten und die EU eine Liste und mehr zum ARF gibts hier) zu Gesprächen zusammenkommen. Das ARF fasst Beschlüsse nur auf Ebene eines Konsenses, so dass für gewöhnlich am Ende ein recht verwaschenes Statement der Parteien steht. Allerdings hat dieses zwanglose Format für Nordkorea den Vorteil teilnehmen zu können, ohne fürchten zu müssen an den Pranger gestellt oder überstimmt zu werden. So boten und bieten sich auf dem ARF immer wieder Möglichkeiten, hinter verschlossenen Türen oder bei Begegnungen auf dem Flur (hoffentlich nicht in den sanitären Örtlichkeiten wie in Südafrika) Probleme anzusprechen und sich in zwangloser Atmosphäre zu verständigen. Die USA werden dieses Jahr Außenministerin Clinton entsenden und auch Nordkorea wird nach zwei Jahren Pause durch Außenminister Pak Ui-chun vertreten sein (der vorher noch Myanmar besuch). Zwar sagte Kurt Campbell, Clinton habe keine Gespräche mit Vertretern Nordkoreas geplant, aber wie gesagt, man trifft sich und wenn man will kann man ein paar Worte wechseln.

Die Zeichen der Entspannung im Vorfeld des ARF könnten die  Möglichkeit eröffnen, dass man sich auf diesem Treffen etwas näher kommt und dort eine Phase der Entspannung auf der Koreanischen Halbinsel eingeleitet wird. Wie das dann konkret aussieht, Gespräche zwischen einzelnen Parteien oder bezüglich einzelner Problemfelder oder eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche, das kann man vorher noch nicht sagen. Aber ich bin zuversichtlich, dass in den nächsten Wochen endlich nochmal Bewegung in die festgefahrene Situation in Korea kommt.

%d Bloggern gefällt das: