Nach ihrem „First installment“ zum Untergang der Cheonan, hat sich die NDC über KCNA nun auch zum Beschuss der Insel Yonpyong durch die nordkoreanische Armee geäußert. So lässt es zumindest der Titel des Artikels vermuten: „NDC Inspection Group Issues Statement Revealing Truth behind Yonphyong Island Shelling„. Dass ihnen der Inhalt dieses Beitrags wichtig ist, erkennt man auch schon an der für KCNA Verhältnisse unglaublichen Länge. Ich hab ihn spaßeshalber mal in ein Word-Dokument gecopy-pastet und es sind zehn volle Seiten, mit über 6.000 Wörtern.
Im Norden nichts Neues
Wenn man sich die Mühe macht, das Mal wirklich ganz durchzulesen (und es ist Mühe! Ein paar Zeilen von dem Propagandagesülze sind ja vielleicht noch ganz witzig. Aber zehn Seiten…) dann fallen mehrere Dinge auf: Erstens geht es nicht nur um Yonpyong, sondern es geht um den aktuellen Status der Nord-Süd-Beziehungen. Zweitens enthalten die verdammten Zehn Seiten nicht die geringste Neuigkeit (Der Cheonan-Zwischenfall war eine Intrige: „Explicitly speaking, the Cheonan case has nothing to do with the DPRK. It is the immutable truth“, der Yonpyong-Zwischenfall wurde von den Südkoreanern provziert: „The Yonphyong Island shelling would not have occurred if the south Korean group of traitors had not preempted shelling in the waters of the DPRK side“, die Northern Limit Line (NLL) ist unfair und völkerrechtswidrig und muss verlegt werden, Lee Myung-bak und die USA wollen nur Krieg und Nordkorea übt schon Zurückhaltung seit es im Koreakrieg triumphiert hat). Drittens scheint man frustriert zu sein über die Tatsache, dass es nicht so recht gelingen will, mit dem Süden in Gespräche zu kommen, denn an dem gescheiterten Vorbereitungstreffen für hochrangige Militärgespräche arbeitet man ich weiter ab. Viertens hat man sich dabei, wie in allen anderen Punkten, große Mühe, alle Aussagen der südkoreanischen Regierung als hinterhältige Lügen darzustellen. Im Fall der Militärgespräche sagt man beispielsweise, nicht die nordkoreanische Delegation habe die Gespräche einseitig abgebrochen, sondern die südkoreanische. Achja, ganz abgesehen von den vielen friedfertigen nordkoreanischen Fischern, die in dieser Region von den Südkoreanern entführt oder umgebracht wurden…
Interessant…vor allem für Verschwörungstheoretiker
Generell dürfte die Lektüre nicht zuletzt für verstörte Verschwörungstheoretiker Politwirrköpfe (die Herrschaft über die Koreanische Halbinsel ist für die Weltbeherrschungspläne der US-Imperialisten unerlässlich, deshalb versuchen sie schon seit Jahren dort einen Krieg zu provozieren) interessant sein, denn die Logik der nordkoreanischen Argumentation ist ungefähr die gleiche und ungefähr genauso konsistent. Aber es gibt ja genug von denen, von daher ist es sehr rücksichtsvoll, dass KCNA auch mal was für solche Leute schreibt.
Die NLL nervt Pjöngjang
Ein bisschen was sagt der Artikel aber auch noch über die politische Agenda des Regimes aus. Es wird nämlich sehr deutlich gemacht, dass man die NLL nicht mehr als Grenze haben will und diese künftig verlegt werden soll. Eigentlich arbeitet man die aktuelle Grenzziehung als Kernproblem von nordkoreanischer Seite heraus (bei Südkorea und den USA ist das Kernproblem, dass es böse, hinterhältige und unverbesserliche Imperialisten und ihre Diener sind) und das ist doch mal ein relativ ehrlicher Inhalt, denn tatsächlich hat man in Pjöngjang scheinbar große Probleme damit. Lobend wird auch explizit Selig S. Harrison erwähnt, der sich mit seinem mutigen (mir fallen auch noch andere Attribute dazu ein. Aber das ist das Schöne an dem Wort „mutig“ es beinhaltet keinerlei Ausschlusskriterien für weniger schmeichelhafte Zuschreibungen nach dem Motto „mutig aber…“) Artikel in der New York Times zur NLL ja ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Ob man das als Experte als Ehre begreifen kann, wenn die nordkoreanischen Medien ihre Argumentation auf eigene Thesen aufbauen weiß ich nicht so genau (ich weiß was ich davon hielte, wenn ich ein Experte wäre und mir das passierte).
Das alte Lied: Drohend und versöhnlich
Abschließend können es die Autoren des Beitrags aber nicht lassen, der Regierung in Seoul ziemlich unverhohlen zu drohen, sollten sie nicht zu Gesprächen bereit sein:
It is too natural that broad strata of south Korea are becoming increasingly concerned and worried that if the present authorities turn their back on the DPRK′s proposal for unconditioned dialogue and rush headlong into one-sided confrontation, calling into question the two incidents, this will entail miserable consequences of swamping the whole land of south Korea as the Cheonan warship and turning it into a wormwood field like Yonphyong Island.
Allerdings, so der versöhnliche Schluss, werde die Armee Nordkoreas weiterhin ihr Bestes tun, um das Vorgehen der konfrontativen Kräfte im Süden ins Leere laufen zu lassen und für Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel zu sorgen.
Kampf um die Deutungshoheit
Scheinbar verspürt man in Pjöngjang weiterhin das Bedürfnis, die Deutungshoheit hinsichtlich der innerkoreanischen Beziehungen zu erringen. Ob dieser Artikel allerdings dazu beitragen kann, möchte ich doch in Zweifel ziehen (außer vielleicht für die Zielgruppe der Verschwörungstheoretiker und Politwirrköpfe, aber für die ist vielleicht ein bisschen wenig „Chemtrails“ und „HAARP“ dabei). Ansonsten ist der Artikel natürlich ein Beleg dafür, dass das Regime nicht bereit ist, irgendwelche Zugeständnisse an den Süden zu machen. Es wurde jetzt nochmal zur offiziellen NDC Position gemacht, dass man mit dem Cheonan-Zwischenfall nichts zu tun hat und für den Angriff auf Yonpyong nichts konnte. Damit fällt wohl definitiv die Option aus, dass man sich für die Zwischenfälle entschuldigen würde. Dies fordert Lee Myung-bak aber vehement. Dass sich die Armee weiterhin als stabilisierende Kraft für Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel einsetzen wollen könnte man (könnte, muss aber nicht) als Zugeständnis hinsichtlich künftiger Provokationen lesen. Insgesamt ist der Artikel wohl nicht mehr als eine Fußnote in den angespannten Beziehungen auf der Koreanischen Halbinsel, aber eine lange…
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