Wenn nichts mehr geht…schlägt die Stunde für Track-II-Diplomatie. Aktuelle Beispiele


In Zeiten in denen die große Politik zwischen Staaten in der Sackgasse steckt und selbst die Aussichten auf ein Gespräch mehr als Mager sind, schlägt oftmals die Stunde von Experten und Wissenschaftlern, die den Gesprächsfluss zwischen beiden Seiten auf niedrigem Niveau aufrechterhalten, Ideen und Meinungen austauschen, Botschaften überbringen und manchmal an Lösungen arbeiten, die später als Vorbild für die Politik dienen. Da man sich auf der Koreanischen Halbinsel momentan in einer Situation befindet, in der ein solches Vorgehen, das auch Track-II-Diplomatie genannt wird, wohl mehr als wünschenswert ist, kann es nicht überraschen, dass man momentan viel darüber spricht und sich in dieser Hinsicht auch einiges tut.

In dem Zusammenhang ist erstmal die Einladungsoffensive Nordkoreas aus dem vergangenen Jahr zu vermerken, in deren Zusammenhang einige ausgewiesene Experten das Land besuchten und unter anderem die neue Urananreicherungsanlage vorgeführt bekamen. Aber auch in jüngerer Zeit hat sich einiges getan. Eine nordkoreanische Delegation war für zwei Wochen in den USA, wo sie unter anderem im Silicon Valley das Google-Hauptquartier besuchte. Es bei der Reise ging wohl hauptsächlich um Wirtschafts- und Handelsthemen (oder wie man in US-Zeitungen lesen konnte um einen „Crash-Kurs im Kapitalismus“). Das allein ist ja schon spannend, aber mindestens genauso interessant ist, wer da alles teilgenommen hat. Die Einladung kam wohl von Susan Shirk, die hin und wieder auch Außenministerin Clinton in Nordkoreafragen zu beraten scheint. Auch dabei waren Siegfried Hecker und ex-Verteidigungsminister William Perry. Beides Leute, die ihre Profession nicht unbedingt in erster Linie im Wirtschafts- und Handelsbereich haben.

Aber auch in Deutschland hat sich was getan. Ein kleines mediales Echo haben die Gespräche hervorgerufen, die das Aspen Institut in Berlin organisiert hat. Daran nahm unter anderem Ri Gun teil, der im nordkoreanischen Außenministerium für die USA zuständig ist. Von amerikanischer Seite waren u.a. Christopher Ford (von dem hab ich bisher noch nicht wirklich was gelesen, aber er hat sein Redemanuskript und ein über dreißigseitiges Paper online gestellt, in dem er sein Punkte erläutert und sich damit die Erwähnung verdient) und Nicholas Eberstadt (den das Trefen offensichtlich nicht zu neuen Ansichten oder Einsichten geführt hat) dabei, was mich ein bisschen gewundert hat, da ich dachte, die Nordkoreaner würden sich mit dem vermutlich nicht so gut vertragen. Scheint auch so gewesen zu sein, denn was man so über das Treffen zu lesen bekommt, vermittelt den Eindruck, dass die Amerikaner den Nordkoreaner einer Aufzählung all ihrer Hinterhältig- und Boshaftigkeiten präsentiert haben, worauf die Nordkoreaner mit einer Vorstellung altbekannte rund unveränderter Maximalpositionen reagierten (die Reise hätten sich wohl alle sparen können). Am lustigsten fand ich aber noch den Ansatz von Herrn Ford:

I know that it will probably seem strange to say this today, at a time when NATO is engaged in military operations to protect Libyans against attack by their own government – and indeed it may now be that even mentioning Libya in connection with a discussion of the DPRK will occasion a neuralgic reaction.  Nonetheless, it remains the case that Libya’s abandonment of WMD several years ago offers a potential model for how to restore long-isolated regimes to a more “normal” relationship with the rest of the world in return for their verified abandonment of WMD and terrorism.  Events in the Libya of 2011 notwithstanding, therefore, its history in 2003 and 2004 may yet be instructive.

In der Tat klingt das sehr strange für mich. Das Zitat von der ehemaligen Staatsekretärin im Außenministerium Paula DeSutter aus seinem Paper, lässt das Ganze dann endgültig wie Realsatire klingen:

We promised only that Libya’s good faith, if shown, would be reciprocated –and that renouncing WMD would be a path to improved relations with the rest of the world.

Also mutig ist es schon, dass „Libysche Modell“ in der momentanen Lage als Lösung für Nordkoreas Regime vorzuschlagen. Mehr positive Attribute fallen mir dazu aber beim besten Willen nicht ein. Wollten sie die Nordkoreaner einschüchtern, oder sichergehen, dass die vorerst keine Lust mehr haben, mit Amerikanern zu sprechen? Ich weiß es nicht, aber ich verstehe wirklich nicht, wieso Herr Ford sich nicht die Mühe gemacht und sein vermutlich schon im Vorfeld fertiggestelltes Manuskript nochmal umgeworfen hat.

Naja, kam mir alles ein bisschen seltsam vor, aber dann habe ich eben noch einen Beitrag von Joel Wit in der Foreign Policy gelesen. Der singt eigentlich ein Loblied auf Track-II-Diplomatie. Allerdings schränkt er ein, dass die auch den Regeln eines solchen Vorgehens folgen muss, Diskretion, gegenseitige Offenheit und der ehrliche Wille zum gegenseitigen Geben und Nehmen (Er sieht da die Gefahr eines Pandabär-Effekts. Nachdem sich die chinesisch-amerikanischen Beziehungen verbessert hatten, wurde der Zoo in Washington von Besuchern gestürmt, die die Pandas sehen wollten. Ein ähnliches Risiko sieht er bei der gegenwärtigen Track-II-Inflation, nur dass die Teilnehmer des Aspen Treffens keine Pandas angucken wollten.) Dann kommt er auf ein schlechtes Beispiel von Track-II-Gesprächen zu sprechen und lässt kein gutes Haar an dem oben genannten Treffen, das vom Aspen-Institute veranstaltet wurde.

Genauso interessant ist allerdings, dass Wit etwas früher auch Gespräche mit Nordkoreanern hatte. Und zwar in Berlin. Allerdings lässt er darüber seinen eigenen Maximen entsprechend nicht wirklich was verlauten, sondern sagt nur, dass die Ergebnisse seines Treffens ganz andere waren, als die, die Eberstadt in der Washington Post präsentiert hat.

Es tut sich also etwas auf dem zweiten Gleis und in Kürze wird noch ein ziemlich prominenter Termin dazu kommen. Ich finde zwar, dass das Profil der Reise Jimmy Carters und der anderen „Ältesten“ so groß ist, dass man drüber diskutieren könnte, es Track II zu nennen, aber andererseits haben sie alle keine Ämter und damit Macht und daher dürfte grundsätzlich der Gedankenaustausch im Mittelpunkt stehen. Dass der nicht nur mit den Nordkoreanern gepflegt werden soll, hat Carter schon im Vorfeld klar gemacht. Es gibt Gerüchte, dass er sich mit Lee Myung-bak treffen will und den direkten Flugweg von Seoul nach Pjöngjang, der sonst privaten Reisegruppen verwehrt bleibt, scheint er gegenüber Südkorea schon eingefordert und durchgesetzt zu haben (ist ihm ja schwer zu verwehren). Wir dürfen weiterhin gespannt bleiben, ob die Reise irgendwelche konkreten Ergebnisse liefert. Sicher ist jedenfalls, wenn auf Regierungsebene gar nichts mehr läuft, gibt es immernoch Track-II. Zwar sind die Ergebnisse meist weniger greifbar, aber man weiß wenigstens was die anderen denken. Und wenn dabei auch noch so etwas wie gegenseitiges Vertrauen herrscht, dann können wichtige Verbindungen entstehen, an die später angeknüpft werden kann.

Von den Leiden des Nordkorea-Beobachtens: Interessanter Artikel in der Washington Post


Eben habe ich einen interessanten Artikel in (eigentlich nicht direkt in, aber ihr wisst ja was ich meine) der Washington Post gelesen. Im Grunde genommen geht es um die Möglichkeit und Unmöglichkeit des Jobs von „Nordkorea-Beobachtern“. Es wird beschrieben warum es kaum gelingt, Vorgänge in Nordkorea auch nur annähernd korrekt zu beschreiben. Als Beispiel wird unter anderem Andrei Lankov angeführt, der sich nach Kim Il Sungs Tod darauf vorbereitete, in kürze in Nordkorea den erwarteten rapiden politischen Wandel zu erforschen und beschreiben. Daraus ist zwar nichts geworden, aber trotzdem ist Lankov heute einer der bekanntesten Nordkorea-Beobachter. Auch interessant und erstaunlich richtig die Aussage von Nicholas Eberstadt, der eine wirksame nordkoreanische Informationsbarriere beschreibt, die dazu führe, dass „so-called experts plausibly spin out diametrically opposite interpretations of the same information.“ Böswillige Leute könnten das natürlich auch als Rechtfertigung dafür sehen, dass Herr Eberstadt schon seit über 15 Jahren (mal mehr und mal weniger laut) erfolglos den Untergang des Kim Regimes orakelt. Sei‘s drum, der Artikel ist sehr interessant und angenehm zu lesen und daher lege ich ihn jedem dens interessiert wärmstens ans Herz…

„U.S. Policy Toward the Korean Peninsula“: Exzellente Analyse US-amerikanischer Politikoptionen gegenüber Nordkorea


Vor einiger Zeit habe ich mich ja mal mit der über die US-Politik gegenüber Nordkorea beschäftig beklagt. Eben habe ich einen Hochinteressanten Bericht einer exzellent besetzten (u.a. Cha, Eberstadt, Haggard, Hecker, Noland, Snyder) Expertengruppe gelesen, die sich auch mit diesem Thema befasst (nur eben ausführlicher und informierter (also irgendwie besser (aber damit hab ich bei solch geballter wissenschaftlicher Kompetenz auch garkein Problem))). Und weil ich das Thema so hochinteressant fand, hab ich die letzte Stunde damit verbracht, mir den Bericht mal etwas näher anzuschauen.

Vom Namen „U.S. Policy Toward the Korean Peninsula“ (hier frei zum runterladen) darf man sich nicht täuschen lassen. Eigentlich geht es da nur um Nordkorea und am Ende steht ein Katalog mit Handlungsempfehlungen für die US-Regierung. Nachdem kurz die aktuelle Politik (und die der jüngeren Vergangenheit) der USA gegenüber Nordkorea und ihre Herausforderungen analysiert wurden, (mit dem überraschenden Ergebnis:)

The Task Force finds that the Obama administration’s current approach does not go far enough in developing a strategy to counter North Korea’s continuing nuclear development or potential for proliferation.

werden mögliche Strategien der USA hinsichtlich der Denuklearisierung Nordkoreas erörtert. Dies sind:

  • Acquiescence: Also eine Duldung des Nuklearprogramms Nordkoreas, um so eine Verbesserung der diplomatischen Situation herbeizuführen und vor diesem Hintergrund in konstruktive Verhandlungen mit Nordkorea einzutreten. Für die Experten stellt diese Strategie keine echte Option dar, da hierdurch die regionalen Stabilität gefährdet würde (möglicher Rüstungswettlauf), der NVV zunehmend zu einem Muster ohne Wert würde, andere Staaten (Iran) in ihren Ambitionen gestärkt würden und die möglichen Erträge fraglich wären.
  • Manage and Contain: Man erkennt das Problem des Nuklearprogramms an, ohne aber auf eine kurzfristige Lösung zu hoffen. Daher versucht man die Kontrolle über die Vorgänge zu behalten und gleichzeitig zu verhindern, dass Nordkorea Technologien weitergibt oder das Programm weiter ausbaut. Dieser Ansatz versucht die Risiken gering zu halten, während die Lösung des Problems in die Zukunft (wenn die Gelegenheit besser ist) verlagert wird. Nach Meinung der Experten beschreibt diese Strategie am Ehesten das aktuelle Vorgehen der Obama-Administration. Während der Ansatz für eine Sinnvolle Zwischenlösung gehalten wird, birgt er langfristig zu viele Risiken u.a. eine schleichende Verschlechterung der Sicherheitssituation oder Duldung des Nuklearprogramms, ohne Perspektiven für eine endgültige Lösung zu bieten. In diesem Absatz habe ich eine Aussage mit Verwunderung aufgenommen (was sie wohl da geritten hat?):

Conditional on support from allies Japan and South Korea, efforts to prevent North Korea’s vertical proliferation could include a U.S. strike on North Korea’s long-range missile launch facilities (akin to recommendations made by Ashton B. Carter and William J. Perry before North Korea’s 2006 long-range missile launch) in the event that North Korea prepares once again to defy existing UNSC resolutions.

  • Rollback: Es gibt unmittelbare und konsistente Bemühungen um eine Denuklearisierung Nordkoreas, die mit Hilfe von verstärktem Druck kombiniert mit erweiterten Anreizen und einem koordinierten Vorgehen aller Parteien umgesetzt werden soll. Diese Strategie führt im Idealfall zu einer Denuklearisierung Nordkoreas. Diese Option wird von den Experten klar favorisiert und stellt nach deren Meinung den notwendigen Handlungspfad dar.
  • Regime Change: Unter der Grundannahme, dass das gegenwärtige Regime niemals dazu bereit sein wird, seine Nuklearwaffen abzugeben ist es natürlich unmöglich mit diesem Regime zu einer Denuklearisierung zu kommen. Daher ist es notwendig das Regime zu ändern (so oder so), bevor weitere Schritte erfolgen können. Die Experten sehen in dieser Strategie zu viele Gefahren und Ungewissheiten (Kosten, China, die Rolle und das Image der USA) und lehnen den Absatz daher ab. Allerdings sollte diese Möglichkeiten auf dem Radar bleiben, falls Nordkorea weiter unbeirrt an der Entwicklung des Nuklearprogramms oder an der Verbreitung von Technologien und Waffen festhält.

Weiterhin sehen die Wissenschaftler eine Integration Nordkoreas in die Staatengemeinschaft als Unumgänglich, um die Situation zu verbessern und möglicherweise Wandel in Nordkorea herbeizuführen.

Im Folgenden beschreibt der Bericht die Ziele und Rollen der beteiligten Staaten (den Teilnehmern der Sechs-Parteien-Gesprächen außer Nordkorea) und gibt Empfehlungen ab, wie diese in eine gemeinsame Strategie gegenüber Nordkorea eingebunden werden sollen (auch sehr interessant, aber die Strategien sehe ich ml als Kern des Ganzen). Dann werden die Themen angesprochen (Denuklearisierung ist ja nicht das Einzige, wenn auch nach Ansicht der Meisten Wissenschaftler das Wichtigste) die bei der Politik der USA gegenüber Nordkorea auch eine Rolle spielen. Das sind: -Raketen, -Menschenrechte und -humanitäre Hilfen (auch interessant!). Abschließend werden alle Handlungsempfehlungen dann nochmal kurz und knackig zusammengefasst, wer also keine Lust hat alles zu lesen, für den reicht notfalls auch das.

Was ihr auf jeden Fall noch lesen solltet, meiner Meinung nach das Salz in der Suppe solcher Berichte, sind die Darstellungen abweichender Meinungen, die einzelne Wissenschaftler abschließend abgeben konnten. Mal ganz abgesehen davon, dass eigentlich fast jeder zu mindestens einem Punkt widersprochen hat (was mal wieder zeigt wie schwer es ist, bezüglich Nordkorea einen vernünftige Lösungsvorschlag zu präsentieren), zeigt sich hier sehr schön, wer welche Positionen vertritt. Das schönste Beispiel ist meiner Meinung nach die Kundtuung Nicholas Eberstadts:

[…] In essence, the North Korean nuclear problem is the North Korean regime. A nonnuclear North Korea will be possible only under a Additional and Dissenting Views different government in Pyongyang. This is a highly unpleasant reality. But unless we recognize that reality—rather than imagining Pyongyang as the negotiating partner we wish it to be—continuing the current course can only make for a more dangerous future for the United States and its Asian allies.

Nachdem er schon seit Ewigkeiten versucht Kims Regime totzuschreiben versucht er jetzt andere dazu zu bringen es totzumachen. Aber auch die anderen Aussagen sind spannend zu lesen und werfen einiges Licht auf die Autoren.

Generell ist der Bericht wie bereits mehrfach erwähnt eine hoch spannende und interessante Lektüre. Aber den Schlüssel zur Lösung des Nordkoreaproblems liefert er trotzdem nicht annähernd. Viele der enthaltenen Vorschläge sind gut und würden sie umgesetzt, dann gäbe es sicherlich auch einige Chancen das Problem zu lösen. Allerdings hätten die Autoren der US-Regierung die Eierlegende Wollmilchsau die das bewerkstelligt vielleicht auch gleich in den Anhang packen sollen. Denn die Handlungsempfehlungen umsetzen kann man vermutlich nur, wenn Nordkorea das einzige Problem auf der Welt ist. Ansonsten kann man versuchen die vorgeschlagene Richtung zu nehmen. Allerdings hat sich gerade im Fall Nordkoreas ja schon oft gezeigt, dass gut das Gegenteil von gut gemeint ist. Also Vorsicht mit halben Sachen.

Trotzdem ein must read!

%d Bloggern gefällt das: