Familienzusammenführungen zwischen Süd- und Nordkorea: Tatsächliche und symbolische Bedeutung


Ich muss ja ganz ehrlich zugeben, ich bin fast ein bisschen überrascht, dass es heute in der eigens dazu errichteten Anlage im Kumgang-Gebirge tatsächlich erstmals seit November 2010 zu Familienzusammenführungen zwischen nord- und südkoreanischen Familien kam (hier gibt es einen Artikel von mir aus dieser Zeit, indem ich die Fakten dazu (stand 11/2009) zusammengetragen habe), die durch den Koreakrieg getrennt worden waren. Heut, am ersten Tag des für sechs Tage angesetzten Ereignisses trafen 140 Südkoreaner, die mit dem Bus in die Anlage gereist waren, mit 180 Verwandten aus dem Norden zusammen. Unter den zusammengeführten Familien waren auch solche, bei denen die Väter als Fischer nach Nordkorea entführt worden waren und sich scheinbar danach dort eingelebt haben. Ich will mich in der Folge kurz mit der tatsächlichen und symbolischen Bedeutung dieses Ereignisses auseinandersetzen und eine Bewertung versuchen.
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Tatsächliche Bedeutung und symbolische Ebenen

Die Familienzusammenführungen betreffen zwar nur eine relativ kleine (und schnell kleiner werdende) Personenzahl, sind jedoch von ihrer humanitären und vor allem symbolischen Bedeutung her nicht zu unterschätzen. In der Vergangenheit waren solche Ereignisse eigentlich immer erstes sichtbares Zeichen einer (vom Norden) angestrebten Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Koreas. Genauso waren Absagen als Signal der Unzufriedenheit des Nordens zu werten.
Aber die symbolische Bedeutung reicht natürlich ein gutes Stück über die Tagespolitik hinaus, denn diese Familien sind sozusagen sichtbarer Ausdruck des Bandes, das beide Koreas zusammenhält. Sie zeigen, dass es noch nicht so lange her ist, dass Korea eins war und koreanische Familien diesseits und jenseits des 38. Breitengrades sich sehen und begegnen konnten, wie sie wollten.
Und damit sind wir schon bei einer weniger positiven symbolischen Ebene der Familienzusammenführungen angelangt. Denn wer sich die Bilder des Ereignisses anguckt, dem wird auffallen, das die Leute die sich da treffen sehr alt sind. Viele Südkoreaner die ihre Verwandten im Norden sehen wollten sind gestorben, ohne dass ihnen das vergönnt war und momentan trifft dieses Schicksal regelmäßig weitere Süd- und Nordkoreaner.
Das sichtbare Band zwischen den Koreas wird dünner und damit wird es auf beiden Seiten der Demilitarisierten Zone immer schwerer werden, den Menschen zu vermitteln, dass Korea wirklich zusammen gehört und wirklich eins ist. Wie im Norden die Stimmungslage ist weiß man nicht, aber im Süden macht sich in den jüngeren Altersgruppen eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber der gemeinsamen koreanischen Geschichte breit. Das ist per se nicht schlimm, aber es wird in Zukunft den Umgang mit einem sich wandelnden oder umstürzenden Nordkorea oder gar eine Widervereinigung ungemein erschweren.
Nicht zu vergessen ist bei alldem Symbolischen und Politischen natürlich die menschliche Ebene. Einigen 100 Menschen wird diese Zusammenführung so wichtig sein, wie ich es mir eigentlich garnicht vorstellen kann und wie ich es deshalb auch nicht in Worte fassen werde. Das Glück dieser Menschen für sich genommen ist ein großer Wert und kann mit den anderen Aspekten nicht wirklich abgewogen werden, aber wir wissen alle, dass die darüber schwebenden politischen Bedingungen immer bestimmend dafür sind, ob diese Menschen glücklich sein werden oder nicht.

Bewertung: Symbolik und individuelles Glück als zentrale Elemente

Eine Bewertung der Familienzusammenführungen muss daher auf mehreren Ebenen stattfinden und man darf dieses Ereignis leider nicht zu euphorisch abfeiern.
Auf der tagespolitischen Ebene sind diese Zusammenführungen ohne Zweifel als wichtiges Signal zu sehen, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nichts handfestes (außer eben für die betroffenen Menschen) ist. Wenn die Manöver in Südkorea in Kürze starten, dann kann das Signal, das der Norden hier gesetzt hat sehr schnell vergessen sein. Muss nicht, kann aber.
An die gesamte koreanische Bevölkerung setzt die Zusammenführung zweifelsfrei ein sehr wichtiges Zeichen. Es erinnert alle nach langen Jahren, in denen Konflikt und Spannung zwischen den Koreas dominierten, dass man doch gemeinsame Wurzeln hat und dass man die nicht so einfach abschlagen kann.
Gleichzeitig zeigen die Zusammenführungen aber auch, dass die gemeinsamen Wurzeln langsam verdorren, dass das was eint verschwindet und die Unterschiede immer weiter in den Vordergrund rücken. Allen beteiligten muss klar sein, dass jedes Jahr der Spannung und Konfrontation die Erinnerung an die gemeinsame Vergangenheit mehr und mehr verschwinden lässt. Handeln im Sinne der Versöhnung tut jetzt not, wenn man sich eine solche Versöhnung überhaupt noch wünscht.
Das individuelle Glück der Betroffenen kann man wie gesagt nicht wirklich in dieses Kalkül hereinziehen, aber man kann den Umgang mit diesem Glück betrachten und daraus Schlüsse ziehen. Es steht vollkommen außer Zweifel, dass das Regime in Pjöngjang keinen Gedanken an das Glück dieser Menschen verschwendet. Für die nordkoreanische Führung sind die Familienvereinigungen nichts mehr als Instrumente der Politik. Wenn man ein entsprechendes Signal aussenden will, dann lässt man sie zu, wenn nicht, verzichtet man darauf oder sagt sie sogar kurzfristig ab (was ja noch ein perfideres Spiel mit dem Glück der Menschen ist). Auch im Süden mag es manchmal solche Tendenzen geben, aber ganz so zynisch ist man im Umgang mit Menschen dort nicht. Ich denke der Umgang Pjöngjangs mit den Familienzusammenführungen ist ein plakativer Beleg dafür, wie wenig das Regime sich um das individuelle Wohl seiner Menschen schert.

Die Uhr tickt

Alles in allem sehe ich in den Zusammenführungen vor allen Dingen Symbolik auf verschiedenen Ebenen und individuelles Glück einiger weniger. Die tatsächliche politische Bedeutung der Zusammenführungen ist zu vernachlässigen und sollte nicht überschätzt werden. Aber gleichzeitig sollte die Symbolik ausreichen allen Verantwortlichen klar zu machen, dass ein „Weiter so“ ein Erhalt des Status quos nicht dazu führt, dass alles so bleibt wie es wahr, sondern dass sich für das Koreanische Volk damit die Perspektiven für eine gemeinsame und gute Zukunft immer weiter verdüstern.

Die „gemeinsame“ Koreanische Generation stirbt aus: Wird das Band zwischen den Koreas dünner?


Auf beiden Seiten der Demilitarisierten Zone (DMZ), die die Koreanische Halbinsel als unüberwindliche Grenze durchschneidet (noch heute vermutlich unüberwindlicher, als die innerdeutsche Grenze je war), wird vor allem von den Staatsführern viel über das große Ziel der Wiedervereinigung gesprochen. Jedoch stelle ich mir schon länger und immer intensiver die Frage, ob es nicht eine Art „Wiedervereinigungsuhr“ gibt, die nur für eine begrenzte Zeit tickt und die irgendwann abgelaufen sein wird. Die Gemeinsamkeiten der Menschen in den verfeindeten Bruderstaaten werden jeden Tag weniger (ich habe mich hier schonmal mit sprachlichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden beschäftigt) und irgendwann wird der Moment gekommen sein, an dem sie sich auf eine gemeinsame Geschichte vor 1950 und einige Schnittstellen in Stammbäumen beschränken, die aber schon Generationen zurückliegen. Persönliche Bindungen werden dann kaum noch existieren.

Die gemeinsame Koreanische Generation stirbt aus

Dazu hat Yonhap gestern einen interessanten und für Verfechter der Wiedervereinigung besorgniserregenden Artikel veröffentlicht. Darin ist nachzulesen, dass die Zahl der Südkoreaner, die sich in die Datenbank für potentielle Teilnehmer von Familienzusammenführungen haben aufnehmen lassen, unter 80.000 gefallen sei. Im vergangenen Jahr sei die Gruppe von etwa 82.500 auf etwa 79.000 geschrumpft. Ursprünglich hatten sich einmal ca. 128.500 Menschen für die Zusammenführungen gemeldet. Fast die Hälfte der Personen (43,8 %) ist außerdem in ihren 80er Jahren.

Das Band zwischen den Koreas wird dünner

Die Zahl der Personen, die noch gerne Verwandte jenseits der DMZ treffen würden, ist in den vergangenen gut zehn Jahren also um ein Drittel zurückgegangen und dieser Trend dürfte im kommenden Jahrzehnt noch schneller Ablaufen. Den Akteuren auf der Koreanischen Halbinsel (nicht zuletzt denen im Süden) sollte klar sein, dass mit jedem Jahr, in dem es nicht gelingt, Familienzusammenführungen zustande zu bringen, nicht nur eine Vielzahl von Einzelschicksalen ohne die Erfüllung eines Herzenswunsches endet, sondern dass auch mit jedem Jahr ohne die Stärkung und Wiederbelebung zwischenmenschlicher Beziehungen das Band dünner wird, das beide Koreas und ihre Schicksale zusammenknüpft.

Gefahr für die Perspektiven einer Wiedervereinigung?

Man muss da auch ein bisschen realistisch sein. Was verbindet einen Südkoreaner in seinen Zwanzigern mit dem Norden. Warum sollte er irgendwann einen bedeutenden Teil seines Einkommens in eine koreanische Version des Solidaritätszuschlags oder was auch immer investieren, wenn er sich nicht im Geringsten gegenüber den Menschen im Norden in der Pflicht fühlt und wenn das Einzige das er aus dem Norden kennt, Drohungen und Angriffe sind. Ich denke die Politik muss da Acht geben, dass sie bei allen politisch gesetzten Zielen nicht die Entwicklungen in der Bevölkerung aus den Augen verliert, denn ohne das die Menschen davon überzeugt sind, wird es in Korea keine erfolgreiche Vereinigung geben und je höher die Lasten und je dünner das Band der Verbundenheit wird, desto schlechter stehen die Chancen, die Menschen vom Wert einer Vereinigung zu überzeugen.

Mögliches Korrektiv: Die Flüchtlinge

Ein Korrektiv könnten hier höchstens die Flüchtlinge darstellen, die den Norden verlassen und sich im Süden angesiedelt haben. Jedoch dürfte das Verhältnis dieser Gruppe zu den Menschen im Norden noch komplexer und schwieriger sein, als das der Kandidaten für die Familienzusammenführungen. Zwischen Schuldgefühlen, Unverständnis und Ablehnung, dürfte es eine große Spannweite geben. Allerdings werden sie, je größer ihre Zahl wird, auch in der südkoreanischen Gesellschaft zunehmend an Gewicht gewinnen und vielleicht auch bald in der Politik eine Stimme bekommen. Dies würde einer Wiedervereinigung neue Perspektiven eröffnen.

Annäherung zwischen Süd- und Nordkorea: Vorbei eh sie begonnen hat?


Update (10.02.2011): Die nordkoreanische Delegation bei den zusammengebrochenen Vorbereitungsgesprächen um hochrangige Militärgespräche zwischen beiden Süd- und Nordkorea, hat recht ausführlich ihre Sicht der Dinge veröffentlicht. Der Tenor: Die südkoreanischen Gesprächspartner wollten die Verhandlungen platzen lassen und haben mit allen Mitteln versucht, sie zu sabotieren. Der Norden habe sich dagegen kompromissbereit und entgegenkommend gezeigt (was auch sonst), sei aber immer wieder abgeblitzt.

Damit zeichnet die nordkoreanische Delegation einen Ausschnitt des Bildes, der sicherlich nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Denn klar ist, der Süden wollte keine Gespräche zu den Bedingungen des Nordens. Allerdings fehlt der Ausschnitt der zeigt: Auch der Norden wollte keine Verhandlungen zu den Bedingungen des Südens. Die Positionen waren schlicht unvereinbar.

Dies dürfte beiden Seiten schon grundsätzlich klar gewesen sein. Nur kann es natürlich sein, dass die Strategen in Nordkorea hofften, dass alles läuft wie immer. Am Ende gibt der Süden nach und man bekommt was man will. Nur hat man diesmal eben einen Verhandlungspartner, der ebenso harte Bandagen angelegt hatte wie man selbst. Eine neue Erfahrung für Kim Jong Ils Regime. Der Ärger des Nordens dürfte sich daher wohl vor allem daraus speisen, dass die Dinge jetzt nicht mehr so funktionieren wie früher. Interessant wird zu beobachten sein, ob man versucht die eigenen Strategien darauf anzupassen, oder ob man nach den erprobten Mustern nun beginnt, weiter an der Eskalationsschraube zu drehen.

Ursprünglicher Beitrag (09.02.2011): Nordkorea ist ein schwieriger Verhandlungspartner. Das ist selbst dann der Fall, wenn das Regime sich eigentlich viel Mühe gegeben hat, wieder in eine Phase von Gesprächen einzutreten. Das zeigte sich nun wieder im Rahmen der Vorbereitungsgespräche für höherrangige Verhandlungen. Offensichtlich haben die nordkoreanischen Militärs, die Gespräche auf Ministerebene vorbereiten sollten, das Treffen in Panmunjom heute einseitig abgebrochen. Auch ein Termin über eine weitere Gesprächsrunde sei nicht vereinbart worden. Grund für das abrupte Ende seien Unstimmigkeiten über die Agenda und andere Kernthemen höherrangiger Gespräche gewesen. Die nordkoreanische Seite habe zwei der Vorbedingungen Südkoreas nicht erfüllt. Weder sei es zu einer Entschuldigung für den Angriff auf Yonpyong und die Versenkung der Cheonan gekommen, noch hätten die Vertreter glaubwürdig machen können, dass es nicht zu weiteren Provokationen des Nordens kommen würde. Vielmehr habe man verlangt, diese Themen auf höherrangiger Ebene zu besprechen. Damit ist dann wohl auch die Zustimmung des Südens, auf Rotkreuz-Ebene über weitere Familienzusammenführungen zu sprechen, hinfällig. Das vorsichtige Eingehen auf die Anfrage des Nordens kam erst heute Morgen, wurde aber nach dem plötzlichen Ende der Militärgespräche wieder zurückgezogen. Ohne ein Zustandekommen höherrangiger Militärgespräche, habe man auch keine Pläne über die Familienzusammenführungen zu sprechen, ließ die südkoreanische Seite verlauten.

Lees Linientreue: Keine Zugeständnisse ohne Gegenleistung

Südkoreas Regierung bleibt damit ihrer Linie treu. Ohne Gegenleistung gibt es keine Zugeständnisse an den Norden. Diese konsequente Haltung scheint die Vertreter Nordkoreas überrascht zu haben, die wohl gehofft hatten, erst mal am Verhandlungstisch, schon zu irgendeinem Kompromiss zu kommen. Vermutlich war auch genau das ihr Auftrag. Als klar war, dass da nichts zu holen ist, hat man ohne viel Umschweife die Gespräche verlassen. Die nächsten Tage werden zeigen müssen, ob die vorsichtige Annäherung wieder zu Ende ist, bevor sie begonnen hat.

Alles beim Alten

Objektiv betrachtet wäre das kein Wunder. Eigentlich scheinen sich beide Seiten ja nur ins Gesicht gesagt zu haben, was schon seit Wochen klar ist. Momentan sind beide Positionen unvereinbar. Südkorea will ohne Entschuldigung nicht mit dem Norden sprechen und der Norden will sich nicht entschuldigen ohne zu sprechen (vermutlich will er sich überhauptnicht entschuldigen, aber das hätte meinen schönen Satz zerlegt). Betrachtet man den Vorlauf der Gespräche mal näher, so könnte das Zustandekommen auch ein Manöver des Südens gewesen sein. Man wollte China und den USA beweisen, dass man sprechen will, wusste aber gleichzeitig, dass man das nicht wird tun müssen, wenn man sich hinsichtlich der eigenen Vorbedingungen unflexibel zeigt. Man hat also etwas Druck von den eigenen Schultern genommen, ohne Zugeständnisse machen zu müssen.

Werden die USA weich?

Dass die USA momentan dabei sind, ihre Position zu überdenken zeigt auch ein Interview mit Robert King, dem US-Sondergesandten für Menschenrechte in Nordkorea. King sagte, dass über eine Anfrage Nordkoreas an die USA nach Hilfen noch nicht entschieden sei, aber dass

The United States policy is that when we provide assistance, humanitarian assistance, it is based on need and no political consideration should be involved.

Allerdings seien noch zwei weitere Bedingungen zu Erfüllen, damit der Anfrage entsprochen werden könne. Einerseits müsste der wahre Bedarf und der angefragte abgeglichen werden, da den USA nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung ständen, andererseits müsste vor allen Dingen aber sichergestellt werden, dass die Hilfen dort ankämen, wo sie gebraucht werden.

Südkorea und USA mit unterschiedlichen Ansichten

Hinsichtlich möglicher Hilfen liegen die USA und Südkorea damit ganz und gar nicht auf einer Linie, denn der Süden vertritt zurzeit die Position, dass jegliche Hilfen den Druck vom Regime nehmen würden und den Norden so in seiner bisherigen Linie bestärken könnte.

Die USA sind am Zug. Weiter folgen oder führen?

Den USA scheint eine Politik der totalen Eindämmung des Nordens nicht mehr geheuer zu sein und daher spielt man wohl mit dem Gedanken, über unverdächtige Kanäle wie Hilfslieferungen, wieder Kontakte zu knüpfen. Ob man dazu bereit sein wird die Interessen des Südens zu ignorieren wird sich erst noch zeigen. Allerdings wird auch den Vertretern der USA bewusst sein, dass man mit einer totalen Blockade des Südens keine Besserung auf der Koreanischen Halbinsel bekommen wird. Tja und was den Süden angeht, so kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die Aussage eines der Wikileaks Dokumente, dass Präsident Lee ganz zufrieden damit sei, die Beziehungen mit dem Norden im Zweifel über seine gesamte Amtszeit eingefroren zu lassen, wohl eine sehr treffende Einschätzung war. Ob man im Süden tatsächlich daran glaubt, dem Regime in Pjöngjang durch diese harte Haltung den Todesstoß versetzen zu können, oder ob man es einfach für die beste langfristige Politik hält ist nicht klar. Klar ist aber, dass der Süden dann auch mit den Folgen dieser Politik leben muss. Sowohl was weitere Bösartigkeiten des Nordens betrifft, als auch was eine mögliche humanitäre Katastrophe in der Bevölkerung angeht, die man aber für den erhofften Todesstoß in Kauf zu nehmen scheint.

Die Familienzusammenführungen: Ein (strategisches) Zeichen Pjöngjangs. Mehr nicht.


Am vergangenen Wochenende hatten erstmals seit etwa einem Jahr Familien, die im Koreakrieg getrennt wurden und von da an in den verfeindeten Bruderstaaten lebten, die Gelegenheit, sich auf dem eigens dafür errichteten Gelände im Kumgangsan zusammenzufinden. Wie es bei solchen Anlässen ganz natürlich ist, gab es viele Emotionen, die von Freude über das lange erwartete Wiedersehen bis zur Trauer über die kurze gemeinsame Zeit, die den Verwandten vergönnt war, reichten (Hier geht’s zu dem ausführlichen Beitrag, den ich anlässlich der Treffen im Jahr 2009 geschrieben habe).

Keine humanitären Gründe, sondern Symbolwirkung als Hintergrund

An den Zusammenführungen lässt sich immer wieder gut ablesen, welches unermessliche menschliche Leid die seit Jahrzehnten anhaltende, fast hermetische Trennung des koreanischen Volk über viele Menschen auf beiden Seiten der Grenze gebracht hat. Was sich aber auch gut ablesen lässt, ist, dass die Zahl derer, die direkte familiäre Bindungen in den jeweils anderen Teil des Landes hat, täglich abnehmen dürfte. Es wird vermutet, dass von den 80.000 Menschen, die sich in Südkorea ursprünglich für ein Treffen mit Verwandten in Nordkorea hatten registrieren lassen, mittlerweile über die Hälfte verstorben ist. Mit dieser Generation dürfte auch ein Teil der direkten emotionalen Bindung, die zwischen den Menschen der Koreas besteht, sterben. Zwar besteht auch ohne diese direkten Bindungen das Gefühl fort, dass die Teilung überwunden werden muss, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein eher abstraktes Gefühl das Gleiche ist, wie der Wunsch, sein Lebensende mit Brüdern und Schwestern aus dem anderen Korea zu verbringen. Nichtsdestotrotz war es für die Mitglieder der 110 Familien, die  sich bis vorgestern getroffen haben sicherlich eine unglaublich wichtige Angelegenheit. Für diejenigen, die ihre Verwandten  bisher nicht wiedersehen konnten dürfte es allerdings nicht mehr als einen Hoffnungsschimmer sein, denn bisher waren die Treffen immer ein Zeichen des Entgegenkommens aus Nordkorea, dass aber bei veränderter politischer Großwetterlage genauso plötzlich ein Ende fand wie es zuvor begonnen hatte. Das Problem bei den Familienzusammenführungen ist, dass man sich bisher nicht auf eine Institutionalisierung der Treffen einigen konnte, so dass sie einzig von individuellen Entscheidungen der Führung in Pjöngjang abhingen. Da man im Norden aber auch weiß, dass die (PR-)Wirkung der Treffen nachlässt, wenn es sie ständig gibt, dürfte die Zahl selbiger auch in Zukunft begrenzt bleiben und ist eine Institutionalisierung unwahrscheinlich (da müsste schon einiges bei rumkommen für Pjöngjang).

Von  den Toten auferstanden: Für tot erklärte südkoreanische Soldaten nahmen teil

Die Entscheidung für die Treffen ist von Seiten des Nordens weniger aus dem Wunsch heraus entstanden, den Menschen etwas Gutes zu tun, sondern vielmehr ein Zeichen dafür, dass man Annäherung wünscht. Die Menschen und ihre Emotionen sind dem Regime wohl herzlich egal, sie sind wie so oft nur Mittel zum Zweck zum Erreichen übergeordneter Ziele. In diese Kategorie dürfte wohl auch die Tatsache fallen, dass auf den Treffen vier ehemalige Soldaten der südkoreanischen Armee auftauchten, deren Schicksale nach dem Koreakrieg nicht geklärt waren und die zwischenzeitlich für tot erklärt wurden. Was genau die Führung in Pjöngjang  mit dieser „Vorführung“ bezweckt hat ist nicht klar, aber ein Ziel dürfte es gewesen sein, dem Süden die Tatsache unter die Nase zu reiben, dass Soldaten der Armee Südkoreas nach dem Krieg freiwillig in Nordkorea geblieben sind. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Frage der entführten Südkoreaner im Norden, denn es kann der Führung in Pjöngjang als Beleg dafür dienen, dass wirklich Südkoreaner freiwillig im Norden blieben, was die offizielle nordkoreanische Lesart bezüglich aller in Nordkorea befindlichen Südkoreaner ist.

PR-Aktion und strategisches Werkzeug. (Viel) mehr nicht

Alles in Allem sollte man die Familienzusammenführungen als Zeichen der Annäherung nicht überbewerten. Es ist einfach eine PR-Maßnahme des Nordens, von der man weiß, dass sie immer ein großes Echo erzielt, weil es von solchen Ereignissen immer so tolle Fotos und Anekdoten zu berichten gibt, die ideal für die mediale Verwertungsmaschinerie sind. Eigentlich sind diese Treffen genauso ein Werkzeug in der strategischen Trickkiste des Regimes wie beispielsweise Rakten- oder Atomtests. Nur eben auf der entgegengesetzten Seite der Klaviatur. Beide sind öffentlichkeitswirksame Ausdrücke der Stimmung in Pjöngjang und beide zielen nicht zuletzt auf die Emotionen der Menschen ab. Die Einen sollen Angst erzeugen, die anderen Glück, Hoffnung und Freude. Naja, wie gesagt. Diejenigen die von Pjöngjangs Zeichen profitieren konnten dürfen sich glücklich schätzen, aber im großen Bild wird deutlich, dass sich am strategischem Vorgehen des Regimes nicht das Geringste geändert hat.

Von ersten Schritten, rhetorischer Abrüstung und langen Wegen: Die Atmosphäre auf der Koreanischen Halbinsel verbessert sich


Während das gespannte Warten auf die angekündigte Konferenz der PdAK weitergeht, beginnen die Fronten auf der internationalen Ebene scheinbar weicher zu werden. Allenthalben wird verbal abgerüstet und statt von Manövern, Flammenmeeren und heiligen Kriegen spricht man von Nothilfen, Familienzusammenführungen und sogar die Sechs-Parteien-Gespräche werden wieder erwähnt. Kann man darin den Anfang einer neuen Phase der Annäherungen sehen, oder fällt den Akteuren einfach nichts mehr ein, mit dem man die Spannungen verbal noch weiter erhöhen könnte und versucht man es deshalb nun mal andersrum? Dazu später mehr. Erstmal sollte man sich anschauen, was in der vergangenen Woche so alles passiert ist, das die Wahrnehmung verbesserter Beziehungen rechtfertigt.

Nothilfen für Nordkorea: Trägt Südkorea seinen Reisberg ab?

Nachdem Sinuiju von einer schweren Flutwelle des Yalu getroffen wurde und die Bevölkerung vor Ort scheinbar noch immer mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen hat, hat sich Nordkorea entschlossen um südkoreanische Hilfen zu bitten. Diesem Ersuchen scheint Seoul nach der Freilassung der Besatzung eines südkoreanischen Fischerbootes nachkommen zu wollen. Berichten zufolge soll eine Liste mit Vorschlägen für Hilfsgüter wie Reis und Zement (die Lieferung von schwerem Gerät wurde ausgeschlossen, da befürchtet wird, Nordkorea könnte dieses zu militärischen Zwecken missbrauche) an Nordkorea übermittelt werden und die Lieferungen sollen aufgenommen werden, wenn Nordkorea sich mit der Liste einverstanden erklärt.

Gerade um die Lieferung von Reis nach Nordkorea hatte es in den vergangenen Wochen Kontroversen gegeben. Bis zum Amtsantritt Lee Myung-baks hatte Südkorea jährlich etwa 400.000 Tonnen Reis an den Norden geliefert, unter der neuen Regierung waren diese Hilfen aber dann vollständig eingestellt worden. Allerdings waren die Hilfen offensichtlich nicht so selbstlos wie dies auf den ersten Blick schien. Denn damit konnte der Staat künstlich das Angebot an Reis verknappen und so die Preise stabil halten. Seit Lees Amtsantritt füllen sich nun die Lager und das Land hat mit einem veritablen „Reisberg“ zu kämpfen (Bis vor einem guten Jahrzehnt führten in der EU Agrarsubventionen ja auch zu unterschiedlichen Bergen und Seen, die allerdings nicht durch mildtätige Spenden sondern durch eine veränderte Agrarpolitik abgebaut wurden). Daher kämpfen die Reisbauern Südkoreas schon seit 2009 für eine Wiederaufnahme der Reislieferungen nach Nordkorea. Da nun das jährliche Reisaufkaufprogramm des Staates ansteht, die Lager aber alles andere als leer sind, steckt die Regierung in einer Zwickmühle. Dies führte nun zu neuerlichen Demonstrationen der Reisbauern, die (ganz selbstlos) Hilfen für Nordkorea forderten (erstaunlich bis bedenklich finde ich, dass beispielsweise Yonhap nicht über diese Proteste berichtet, sondern dass man nur in ausländischen Medien etwas darüber lesen kann (Warum? Keine Ahnung, waren zwar keine riesigen Proteste (3.000 Bauern), aber eine Notiz sollte das wohl wert sein)).

Familienzusammenführungen: Ein „weiches“ Zeichen der Annäherung

Ein anderes Zeichen der Annäherung war der Vorschlag Nordkoreas, die seit einem Jahr ausgesetzten Familienzusammenführung getrennter Familien in Süd- und Nordkorea wieder aufzunehmen. Auch dieser Vorschlag wird in Südkorea scheinbar mit Wohlwollen behandelt. Bei seiner Umsetzung wäre der recht kurzfristige Vorschlag, der vorgestern gemacht wurde und für den 22. September gilt, ein eindeutiges Zeichen der Entspannung, auch wenn er darüber hinaus wohl kaum als wegweisend gelten kann, da es einerseits nicht um die generelle Wiederaufnahme der Zusammenführungen geht und selbst eine grundsätzliche Wiederaufnahme der Zusammenführungen bei Bedarf schnell wieder rückgängig gemacht werden kann.

Lee lockt mit wirtschaftlichen Kooperationsangeboten

Aber auch aus Südkorea kamen Vorschläge, die eher in Richtung einer Annäherung deuten. Präsident Lee Myung-bak machte während einem Besuch in Russland die interessante Anmerkung, es sei vorstellbar ein zweites Kooperationsprojekt nach dem Vorbild des Industrieparks in Kaesong aufzubauen. Allerdings müsse Nordkorea dazu erst eine Atmosphäre schaffen, die ein solches Projekt ermögliche, unter anderem müssten sich die Investoren aus Südkorea ihres Besitzes sicher sein können. Grundsätzlich ist dies ein spannender und unerwarteter Vorschlag Lees, der wohl auch in Pjöngjang, das momentan ja großen Wert auf wirtschaftliche Entwicklung legt, auf Interesse stoßen dürfte. Allerdings ist fraglich, wieviel Substanz darin steckt, denn einerseits könnten die genannten (recht schwammig formulierten) Vorbedingungen Lees Forderungen enthalten, die das Regime in Pjöngjang nicht zu erfüllen bereit sein wird, andererseits stellt sich die Frage, ob sich zwischen den Regierungen zurzeit überhaupt genug Vertrauen entwickeln kann, um so ein Projekt ernsthaft anzugehen. Da muss man beobachten, ob von dieser Idee auch künftig noch die Rede sein wird.

Verlassen die USA die „Strategic-patience-Schmollecke“?

Auch die USA scheinen gewillt zu sein, der Diplomatie wieder mehr Chancen zu geben. Stephen Bosworth, der US-Sondergesandte für Nordkorea (von dem man, wäre er Nordkoreaner vermutlich gedacht hätte er säße in einem Arbeitslager, so wenig hatte man in den letzten Monaten von ihm gehört), ist heute in Seoul zu Konsultationen über die Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche angekommen. Unter anderem soll er sich mit Südkoreas Chefunterhändler bei den Gesprächen, Wi Sung-lac, treffen. Gleichzeitig war vom US-Vizeaußenminister Jim Steinberg zu hören, dass die USA eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche unter bestimmten Vorbedingungen begrüßen würden. Von Nordkorea forderte er:

We need to have concrete indications that North Korea is prepared, and wants, to return to the talks to seriously implement its commitments in the September 2005 joint statement.

Das kann zwar vieles heißen, allerdings klingt die Forderung nach konkreten Hinweisen, dass Nordkorea bereit ist zu den Gesprächen zurückzukehren um seine Zugeständnisse, die im Rahmen des Joint Statement von 2005 gemacht wurden, zu erfüllen, nicht besonders stark. Natürlich kann man die Aussage so oder so interpretieren, aber wenn man Steinberg beim Wort nähme, müsste Nordkorea nur ernsthaften Willen beweisen, aber noch keine weitreichenden konkreten Schritte machen. Für mich könnten diese Aussage und die Reise Bosworth (endlich!) eine Veränderte Haltung der USA signalisieren.

Annäherung? Bisher nur Gerede, aber der Test kommt bald!

Nimmt man das alles zusammen, gab es in dieser Woche wohl mehr positive Signale zwischen den verfeindeten Parteien, als in den letzten Fünf Monaten zusammen. Ob sich daraus allerdings eine nachhaltige Annäherung ergeben wird ist bisher nicht sicher. Rechnet man aus dem oben Beschriebenen die Rhetorik heraus und sieht sich die harten Fakten an, so ergibt das bisher ziemlich genau Null. Das soll aber nicht heißen, dass sich das nicht in Kürze ändern kann, denn zumindest die Nothilfen und die Familienzusammenführungen werden schon bald abgewickelt werden – oder eben nicht. Daraus könnte man dann auch etwas genauer ablesen, ob es sich hier tatsächlich um einen Trend handelt. Gleichzeitig könnten einige Punkte, wie die für nächste Woche angekündigte Veröffentlichung des südkoreanischen Untersuchungsberichts zum Untergang der Cheonan, aber vielleicht auch die südkoreanische Reaktion auf die erwartete Parteikonferenz in Nordkorea, diese zarte Annäherung schnell wieder abwürgen.

Nichtsdestotrotz ist das Umschalten der Rhetorik von Konfrontation auf Kooperation ein erster Schritt hin zu einer verbesserten Situation auf der koreanischen Halbinsel. Und um nochmal eine gute alte Phrase in den Raum zu stellen, die glaub ich auch aus der Nachbarschaft Koreas kommt: Auch der längste Weg beginnt mit einem ersten Schritt…

Familienzusammenführungen: Geschichte, Fakten, Bewertung


Wie bereits angemerkt, wird die jüngste Annäherung zwischen Nord- und Südkorea begleitet von recht optimistischer, teilweise fast euphorischer Berichterstattung der Medien. Immer wieder wird dabei auf die Wiederaufnahme der Familienzusammenführungen zwischen nord- und südkoreanischen Familien, die nach Ende des Koreakrieges plötzlich von einer unüberwindbaren Demilitarisierten Zone (DMZ) getrennt waren, hingewiesen. Dies ist nicht weiter erstaunlich, denn es ist eine konkret sichtbare Maßnahme die als Zeichen für die Annäherung beider Seiten gesehen werden kann und gut medial darstellbar ist. (Auch wenn der Begriff „historischer Akt“ wohl etwas hoch gegriffen totaler Unfug ist (Zwei Jahre ist wirklich keine so lange Zeit, dass hier „historisch“ gerechtfertigt wäre. Dies schreibe ich mit fester Überzeugung auf meinem ansonsten auch „historischen“ Laptop), aber stimmt schon: Klingt echt super: „historischer Akt“, jedenfalls besser als: „erste Familienzusammenführungen seit zwei Jahren“!) Allerdings wird in den Medien selten mehr über die Familienzusammenführungen berichtet, als dass sich hier seit 1953 getrennt Familien treffen können, die beiderseits der DMZ leben. Diesen (meinerseits verspürten) Mangel an Hintergrundinfos habe ich zum Anlass genommen, mal etwas mehr Informationen zu den Familienzusammenführungen zusammenzutragen.

Geschichte der Zusammenführungen

Die ersten Schritte in diese Richtung gab es bereits 1985, am Ende einer Phase, in der es ebenfalls zu einer vorsichtigen Annäherung  zwischen beiden Seiten gekommen war (Erstaunlicherweise war der Terroranschlag in Rangun 1983, der einen bedeutenden Teil des südkoreanischen Kabinetts auslöschte hier scheinbar kein Hindernis). Nach mehrjährigen Verhandlungen (seit 1971) hatten die jeweiligen Roten Kreuze beider Staaten eine Familienzusammenführung ausgehandelt, bei der 151 Menschen ihre Verwandten in der jeweils anderen Hauptstadt trafen. Allerdings folgten dieser Maßnahme, natürlich unter Anderem bedingt durch das Ende des Kalten Krieges und dem Tod Kim Il Sungs für längere Zeit keine Weiteren mehr. Erst auf dem historischen (hier kann man das Wort wohl ohne weiteres benutzen) Gipfeltreffen zwischen Kim Jong Il und Kim Dae-jung im Jahr 2000  in Pjöngjang wurden die Weichen für weitere Maßnahmen gestellt. Seit 2001 gab es dementsprechend mehrere Zusammenführungsrunden, die aber immer dem Primat der „großen Politik“ unterlagen. Verschlechterten sich die Beziehungen zwischen beiden Seiten so wurden auch die Zusammenführungen unterbrochen, wollte man (sprich: Kim Jong Il) positiv auf die Beziehungen einwirken, so wurden die Maßnahmen wieder aufgenommen. Im geschichtlichen Zusammenhang ist die jüngste Wiederaufnahme der Familienzusammenführungen also keine große Überraschung sondern entspricht gängigen Mustern.

Umfang und gesellschaftliche Bedeutung

Wie das „Ministry of Unification“ Südkoreas schreibt, nahmen seit 2001 auf beiden Seiten der DMZ 19.960 Menschen aus 3.935 Familien an den Maßnahmen teil. Allerdings kam es wie oben bereits beschrieben nie zu einer wirklichen Institutionalisierung der Zusammenführungen. Vielmehr war annähernd jede neue Runde Verhandlungssache. Seit dem Amtsantritt Lee Myung-baks 2007 gab es keine neuen Treffen. In Südkorea haben sich etwa 125.000 Menschen für ein mögliches Treffen mit ihren Verwandten im Norden registriert, wovon aber bereits etwa 40.000 verstorben sind (die südkoreanische Regierung schätzt, das die Anzahl möglicher Aspiranten aus diesem Kreis pro Jahr um 4.000 – 5.000 abnimmt) so dass noch 85.000 interessierte übrigbleiben. In Anbetracht der Tatsache, dass etwa 12.600 der teilnehmenden Menschen aus dem Süden kamen, scheint eine Erfüllungsquote von 10% unter gegebenen Umständen einen relativen Erfolg darzustellen. Allerdings ist erstens: Die Quote derer, die ihre Verwandten auf der anderen Seite definitiv nicht mehr sehen können mehr als dreimal so groß und nimmt zweitens ständig zu. Vor allen Dingen lebten aber drittens Schätzungen zur Folge im Jahr 2000 in Südkorea 7.600.000 Menschen, die keinen Kontakt mit ihren Verwandten im Norden hatten. Also ist nicht die Zusammenführungsquote zwischen beiden Seiten hoch, sondern die Quote derer, die ein Interesse daran haben ihre Verwandten aus dem Norden zu treffen, niedrig. Was sagt uns das? Keine Ahnung, muss jeder selber wissen, aber ich sehe das als Hinweis darauf, dass die Aussichten für eine mögliche Wiedervereinigung (vorerst) relativ schlecht stehen. Denn wer nicht einmal etwas mit seinen Verwandten aus dem Norden zu tun haben will, der will schon zweimal nicht Jahrzehntelang für den Aufbau des in Trümmern liegenden Bruderstaates bezahlen.

Brücken schlagen durch Familientreffen?

Aber zurück zu den Zusammenführungen: Wenn auch nicht besonders viele Menschen in Südkorea Interesse haben, an einer solchen Zusammenführung teilzunehmen, so könnte es doch trotzdem zwischen denen, die daran teilnehmen zu einer dauerhaften Bindung kommen, die erste Brücken über die DMZ zu schlagen hilft. Oder nicht? Der Ablauf (organisatorische) der Zusammenführungen spricht wohl eher dagegen: Sie sind zeitlich stark begrenzt und die Teilnehmer auf nordkoreanischer Seite scheinen aufs Eingehendste vorausgewählt und vorbereitet zu sein (Das Hervorheben der Errungenschaften Nordkoreas im allgemeinen und des geliebten Führers im Speziellen scheint dementsprechend in den Zusammentreffen recht großen Raum einzunehmen). Die Treffen finden an festgelegten Orten statt, es gibt also nicht die Möglichkeit, die Verwandten zuhause zu besuchen. Früher gab es treffen sowohl in Pjöngjang, als auch in Seoul, allerdings wurde 2007 ein Zentrum zur Durchführung dieser Zusammenführungen im Kumgangsan errichtet, was für die nordkoreanische Führung den netten Nebeneffekt hat, dass man die Leute nicht aus dem Land lassen muss, also ein Stück mehr Kontrolle wahren kann. Desweiteren ist das Zusammentreffen unter normalen Umständen eine einmalige Angelegenheit, da die Zahl der Anwärter so groß ist, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich dieselben Leute zweimal treffen. Während die Möglichkeiten den Kontakt auf anderem Wege aufrechtzuerhalten, wie zum Beispiel den Umweg über Verwandte oder Vermittler in China zu nehmen, oder per Handy Kontakt zu halten, äußerst begrenzt sind (um es genauer zu sagen: Sie sind für die Menschen in Nordkorea gefährlich und kostspielig). Ein weiteres Problem stellt die Tatsache dar, dass solche Treffen auch auf persönlicher Ebene oftmals schwierig sind, da durchaus nicht alles nur Friede – Freude – Eierkuchen (S. 185 Hier sind generell interessante Informationen zum Thema soziokulturelle Kontakte zwischen Nord- und  Südkorea zu finden, wer sich also näher damit befassen will, dem sei das Buch ans Herz gelegt (Wer alle Seiten lesen will, der kanns ja auch käuflich erwerben…), da gibts auch noch Vergleiche mit Deutschland und dem Jemen zum Thema geteilte Staaten) ist. Denn Fragen wie: „Warum hast du uns damals verlassen ohne bescheidzusagen?“, oder „Warum hast du uns nicht unterstützt oder hier rausgeholfen?“ können, wenn sie 50 Jahre lang in den Köpfen der Leute gearbeitet haben mitunter das Zusammentreffen ganz schön vermiesen.

Die Deutsche Situation in den 1980ern zum Vergleich…

Um die Situation, die heute für die Menschen in Süd- und Nordkorea herrscht noch etwas deutlicher zu machen ist es vielleicht sinnvoll ein anderes Beispiel eines geteilten Landes zur Hand zu nehmen…ach super, da fällt mir doch tatsächlich eins ein, dass bis vor 20 Jahren ebenfalls physische, durch eine Mauer, getrennt war! Im Gegensatz zum Fall Koreas waren hier Reisen von BRD Bürgern in die DDR eher die Regel als die Ausnahme. Westler waren als Lieferant harter Währung willkommen und unterlagen noch nicht einmal Zwangsweise einer permanenten Bespitzelung oder sogar offener Bewachung, wie das in der DVRK die Regel ist. 1985 reisten etwa 2,6 Millionen Menschen aus dem Bundesgebiet in die DDR und es gab 32,2 Millionen Transitreisende zwischen der BRD und Westberlin, die über das Territorium der DDR reisten. Gleichzeitig wurde 35.000 DDR Bürgern die dauerhafte Ausreise gestattet, während auch die Zahl der Reisen aufgrund dringender Familienahngelegenheiten anstieg. (S.90)  Nimmt man diese Zahlen als Maßstab und betrachtet dann die Zahlen aus Korea, natürlich noch mit der zusätzlichen Einschränkung, dass auch telefonische oder postalische Kommunikation nicht gestattet ist, so kann man sich durchaus die Frage stellen, ob zwischen Nord- und die Südkoreaner mehr Gemeinsamkeiten oder mehr Unterschiede bestehen. Und wenn man sich diese beantwortet hat, dann ließe sich durchaus weiterfragen, ob dies nicht auch (negative) Auswirkungen auf eine mögliche Wiedervereinigung, bzw. die Zeit danach haben könnte. (Ich meine: Nicht dass es so wäre, dass in Deutschland, wo Kontakt bestand, und die wirtschaftlichen Unterschiede wesentlich geringer waren, noch zwanzig Jahre nach der Einheit allenthalben von Mauern in Köpfen gesprochen wird und eine „wir“ und „die“ Mentalität noch immer zu überwinden wäre, aber wie gesagt, wir hatten ja auch viel bessere Vorraussetzungen!)

Symbolik…mehr nicht!

Ja was lässt sich also schlussendlich zu den Familienzusammenführungen sagen? Vorweg vielleicht mal, dass es sicherlich auf individueller Ebene wichtige Maßnahmen sind, die den Menschen auf beiden Seiten der DMZ helfen, mit einem besseren Gefühl durchs Leben zu gehen. Daher sind die Maßnahmen an sich nicht zu kritisieren. Was jedoch durchaus kritikwürdig ist, dass ist die Tatsache, dass mancher scheinbar noch nicht gemerkt hat, dass die Familienzusammenführungen genau so eine Karte im Spiel Kim Jong Ils sind, wie Atomtest oder Drohungen gegen die Umwelt. Aber naja, seis drum, meiner Meinung nach sind die Familienzusammenführungen eine symbolische Gesten Nordkoreas, die es eigentlich nicht das geringste Kosten und damit für das Regime in Pjöngjang ein tolles Mittel der Politik darstellen, im aber Westen als großer Erfolg auf dem Weg, ja wohin eigentlich (aber ist ja egal, vielleicht zur Besserung der Lage im Allgemeinen oder so), dargestellt wird, nicht (viel) mehr, aber auch nicht weniger. So hat irgendwie  jeder was davon: Staatsschefs aller möglichen Länder, Leute die ihre verwandten treffen können und nicht zuletzt die Leute die in der Medienbranche damit befasst sind. Die können dann mal was Positives über den Konflikt auf der koreanischen Halbinsel berichten und das auch noch mit tollen emotionalen Bildern unterlegen. Also super für Alle! Was will man mehr!

Ach ja, apropos „Mauer in den Köpfen“…

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