Deutsche Parlamentarier besuchten Nordkorea: Was sie gemacht und besprochen haben


Update (09.06.2010): Eben habe ich ein Interview mit Herrn Kelber auf dem interview blog gesehen. Dort beschreibt er kurz seine Eindrücke von der Reise und dem Besuch bei Nosotek und gibt eine Einschätztung der wirtschaftlichen Chancen Nordkoreas ab.

Update (04.06.2010): Wie ich gerade gelesen habe, wird Dr. Werner Kamppeter von der Friedrich-Ebert-Stiftung, der in seiner Funktion als Leiter des Büros der Stiftung in Seoul an der SPD-Delegationsreise nach Nordkorea teilnahm am 08.06.2010 im Rahmen des wöchentlichen Forschungskolloquiums des Instituts für Koreastudien an der FU Berlin einen Vortrag mit dem Titel „Insight North Korea“ halten. Dürfte interessant werden…

Ursprünglicher Beitrag (03.06.2010): Lange-lange habe ich nichts mehr über Kontakte zwischen der BRD und Nordkorea berichtet (zuletzt anlässlich der Reise Wolfgang Hubers nach Nordkorea und der Wahlen in der Bundesrepublik. Das ist also echt schon ganzschön lange her (da wird man ja fast sentimental, wenn man an die Anfangszeiten des Blogs zurückdenkt…)), was aber weniger mit Desinteresse meinerseits, sondern vielmehr mit den nur sporadisch vorhandenen Kontakten deutscher Amtsträger mit Nordkorea zu tun hat. Daher bin ich froh, mal wieder was zu diesem Thema schreiben zu können. Gleich zweimal besuchten deutsche Parlamentarier in den vergangenen Wochen und Monaten Kims Reich und sprachen mit nordkoreanischen Offiziellen über Themen, die von einer Wiedereröffnung des Lesesaals des Goethe Instituts in Pjöngjang über eine mögliche Ausstellung koreanischer Kulturgüter in Deutschland bis zum Untergang der Cheonan und den Folgen dieses Zwischenfalls reichten.

Gauweiler und Leibrecht: Kulturelles und humanitäres

Mitte April waren der streitbare CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler und sein FDP Kollege Harald Leibrecht auf Einladung der Partei der Arbeit Koreas für drei Tage in Pjöngjang um eine mögliche Verbesserung der Beziehungen der Länder durch Kultur- und Wissensaustausch zu diskutieren, aber auch über die Zukunft des Lesesaals des Goethe Instituts in Pjöngjang zu sprechen (Liest man hier zwischen den Zeilen der Aussagen Gauweilers, scheinen einige Bundestagsabgeordnete nicht glücklich mit der Entscheidung des Außenministeriums gewesen zu sein, den Lesesaal zu schließen). Weiterhin wurde die Möglichkeit diskutiert in Deutschland eine Ausstellung koreanischer Kulturgüter durchzuführen, die sich im Besitz Nordkoreas befinden (Ohje, wenn man sich erinnert, was die Bilderausstellung „Blumen für Kim Il Sung“ in Österreich für Wellen geschlagen hat, kann ich mir schon jetzt die schrecklich dummen Überschriften der Deutschen liebsten Blatts vorstellen, sollte das konkreter werden). Auf kultureller Ebene wurde außerdem die Möglichkeit deutscher Mithilfe beim Wiederaufbau der alten Kaiserstadt Kaesong erörtert. Daneben thematisierte man das Schicksal von Kindern nordkoreanischer Väter und deutscher Mütter, die seit der deutschen Wiedervereinigung keinen Kontakt mehr zu ihren Vätern hatten und es wurde eine Liste mit den Namen betroffener übergeben. Darüber hinaus informierten sich Gauweiler und Leibrecht über Möglichkeiten von Entwicklungszusammenarbeit mit Nordkorea. (Ein wirklich hörenswertes Interview mit der Deutschen Welle zu seiner Reise gibts hier.)

Allgemein verweist er auf die Bedeutung und den Wert von Kontakten und Zusammenarbeit im Kontrast zu einer Politik der Blockade und Sanktionen:

Es ist viel naiver zu glauben, dass man einen missliebigen Staat durch Aktionen wie Aushungern und Boykotte zur Einsicht bewegen kann. Wir müssen schon aufpassen, dass wir nicht nur Opfer unserer eigenen Propaganda werden. Einmal hier herfahren und sehen ist besser als tausend mal etwas hören.

Dementsprechend ist Gauweilers Bild von Nordkorea auch recht differenziert. Während er natürlich jede Menge kritikwürdige Punkte findet, ist in seiner Darstellung nicht alles Schatten. Er habe in Pjöngjang „nicht die Elendsgestalten gesehen, die man in anderen asiatischen Metropolen immer antreffe.“ Außerdem hat sich über den Staus der Christen in Nordkorea informiert und ein Gotteshaus in Pjöngjang besucht. Zwar verweist er darauf, dass die offiziellen religiösen Organisationen regimetreu seien, gleichzeitig müsse aber auch bedacht werden, dass Kirchen von der Größe derer in Pjöngjang beispielsweise im verbündeten Saudi Arabien nicht vorstellbar seien. Zwar habe die nordkoreanische Gesellschaft einen ganz anderen Violinschlüssel als beispielsweise die Deutsche, nichtsdestotrotz seien Kooperationen und Besuche wie seiner wichtig, um auch Wandel in der großen Politik zu ermöglichen. Ob man ihm in Pjöngjang allerdings wirklich seine direkte Art verziehen hat, weil er aus Bayern kommt, finde ich dann doch fraglich (ich glaube mit direkter Art kommen die in Pjöngjang generell eher schlecht klar. Selbst wenn man aus Bayern kommt)…

SPD Delegation: Spannende Reise in spannender Zeit

Die zweite offizielle Besuchergruppe aus Deutschland die jüngst Nordkorea besuchte wurde angeführt von dem SPD Bundestagsabgeordneten Johannes Pflug (der, wenn ich mich richtig erinnere, Nordkorea nicht zum ersten Mal besucht). Außerdem mit von der Partie waren sein Kollege Ulrich Kelber und die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, sowie zwei Journalisten, zwei Vertreter der Friedrich Ebert Stiftung und ein Professor der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr. Das Programm dieser Delegationsreise war ungleich umfangreicher aber schließlich waren die Parlamentarier auch fast eine Woche in Nordkorea (Vom 25. – 29. Mai). Also auch noch in einer recht spannenden Zeit, weshalb die Gruppe auch entgegen der Warnungen/Wünsche des Auswärtigen Amtes nach Nordkorea reiste. Auf der Homepage Kelbers gibt es einen recht umfassenden Reisebericht, der das Spektrum der Aktivitäten, das von Gesprächen über den Cheonan Unterang, über die Besichtigung von Fabriken bis zur Thematisierung des Schicksals von Kindern nordkoreanischer Väter und deutscher Mütter, die seit der deutschen Wiedervereinigung keinen Kontakt mehr zu ihren Vätern hatten. Hier wurde eine Liste mit den Namen betroffener übergeben (Hab ich gerade ein déjà-vu? Kommt mir ganz so vor, aber doppelt gemoppelt hält besser) reicht, beschreibt. Leider steht in dem Bericht hauptsächlich was man gemacht hat und wen man getroffen hat, nicht aber, wie man das gesehen selbst bewertet, oder worüber man konkret gesprochen hat, schade. Trotzdem ein interessantes und Lesenswertes Dokument. Teilweise scheinen die besichtigten Industrieanlagen recht modern gewesen zu sein und auch im landwirtschaftlichen Bereich scheinen die Bemühungen die Situation zu verbessern offensichtlich zu sein. Scheinbar hat auch der Straßenverkehr in Pjöngjang etwas zugenommen. In einem Interview verweist Johannes Pflug ähnlich wie Gauweiler darauf, wie wichtig es sei, bestehende Kontakte aufrechtzuerhalten. Journalistisch aufbereitet gibt es das Ganze in diesem schönen Artikel von Jutta Lietsch nachzulesen. Sie hatte unter anderem (by chance) die Gelegenheit an der Pressekonferenz teilzunehmen, in der die NDC am vergangenen Freitag ihre Position zum Untergang der Cheonan verkündete (was für einen Journalisten eigentlich ein ziemlicher Glücksfall ist, denke ich, von ihr aber wenig ausgeschlachtet wurde).

Aber warum erzählen sie nicht mehr?

Naja, wenigstens gibt es nochmal was zu berichten über die deutsch-nordkoreanischen Beziehungen, allerdings finde ich es immer schade, dass so weniges von den Informationen, die die Leute auf ihrer Reise gesammelt hat an die deutsche Öffentlichkeit kommt. Aber wahrscheinlich wollen Viele auch gar keinen differenzierten Berichte über die Situation in Nordkorea hören, sondern werden lieber von stupiden BILD-Schlagzeilen in ihrem schön festgefügten Weltbild vom irren Diktator bestärkt.

%d Bloggern gefällt das: