Nordkorea kündigt Satellitenstart an – Bewertung und politische Hintergründe


Gestern Abend hat ein Sprecher des (nord-)koreanischen Komitees für Raumfahrttechnologie angekündigt, dass Nordkorea zwischen dem 10. und dem 22. Dezember einen weiteren Versuch unternehmen werde, einen Satelliten in der Erdumlaufbahn zu platzieren. Der Satellit, ein verbessertes Modell des Kwangmyongsong-3, der bei dem gescheiterten Satellitenstart im April in einer polaren Umlaufbahn platziert werden sollte, wird wieder auf einer Unha-3 Rakete (wie im April) von der Basis Sohae-ri (für die sich auch die Bezeichnung Tongchang-ri eingebürgert hat) im Nordwesten des Landes starten. Laut der Aussage des Sprechers soll die Rakete auf einer „sicheren Route“ Richtung Süden starten. Damit dürfte vermutlich wieder eine recht ähnliche Flugbahn wie im April geplant sein (über südkoreanisches, japanisches, philippinisches, indonesisches und evtl. australisches und neuseeländisches Gebiet). Weiterhin verwies der Sprecher darauf, dass man bei dem Start im April sehr transparent gewesen sei und damit Vertrauen bei der internationalen Gemeinschaft aufgebaut habe. Auch jetzt würde man hinsichtlich des Starts wieder allen relevanten internationalen Regulierungen entsprechen. Hier der komplette Text der Ankündigung:

DPRK to Launch Working Satellite

Pyongyang, December 1 (KCNA) — A spokesman for the Korean Committee for Space Technology issued the following statement Saturday:

The DPRK plans to launch another working satellite, second version of Kwangmyongsong-3, manufactured by its own efforts and with its own technology, true to the behests of leader Kim Jong Il.

Scientists and technicians of the DPRK analyzed the mistakes that were made during the previous April launch and deepened the work of improving the reliability and precision of the satellite and carrier rocket, thereby rounding off the preparations for launch.

The polar-orbiting earth observation satellite will blast off southward from the Sohae Space Center in Cholsan County, North Phyongan Province by carrier rocket Unha-3 in the period between December 10 and 22.

A safe flight path has been chosen so that parts of the carrier rocket that might fall during the launch process would not affect neighboring countries.

At the time of the April launch, the DPRK ensured utmost transparency of the peaceful scientific and technological satellite launch and promoted international trust in the fields of space science researches and satellite launch. The DPRK will fully comply with relevant international regulations and usage as regards the upcoming launch, too.

The launch will greatly encourage the Korean people stepping up the building of a thriving nation and offer an important occasion of putting the country’s technology for the use of space for peaceful purposes on a new, higher stage.

Die Ankündigung keine große Überraschung

Der Ankündigung waren in den letzten Tagen Spekulationen vorausgegangen, dass es bald zu einem Raketentest/Satellitenstart kommen könnte. Diese waren von Satellitenbildern ausgelöst worden, die verstärkte Aktivitäten auf der Raketenbasis zeigten. Eine detaillierte Auswertung der Bilder lieferten wie immer Nick Hansen für 38 North, der bei der Analyse von Satellitenbildern immer tolle Arbeit leistet. Im Artikel findet sich auch ein kleiner Ablaufplan der Schritte, die in den kommenden Tagen bis zum Start durchlaufen werden müssen. Hansen hatte den Start aufgrund seiner Analyse ab dem 6/7 Dezember für möglich gehalten.

…aber das Timing lässt aufmerken

Die Pläne für einen Test werden von Beobachtern und Experten für außergewöhnlich gehalten, weil bisher zwischen den vier Starts/Tests Nordkoreas von Interkontinental-/Weltraumraketen immer wesentlich größere Zeitabstände lagen. Das mag auch daran gelgen haben, dass die Fehleranalyse bei gescheiterten Tests eine  lange Zeit in Anspruch nimmt und es bezweifelt wird, dass das gute halbe Jahr, das die nordkoreanischen Raketenbauer hatten, dafür ausreichen kann.

Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft

Wie das bei nordkoreanischen Raketentests/Satellitenstarts so üblich ist, ist die internationale Gemeinschaft besorgt, weil man auch Satellitenstarts Nordkoreas immer als verdeckte Tests von Interkontinentalraketen sieht, da sich beide Raketenarten in sehr vielen Aspekten ähneln. Bisher hat aber nur Südkorea auf die Ankündigung reagiert. Das Außenministerium ließ verlauten, dass ein Raketenstart eine ernsthafte Provokation und ein Verstoß gegen das UN-Verbot sei und damit die Besorgnis der Weltgemeinschaft missachtet werde. Schon im Vorfeld hatte Südkorea bereits seine Position bekräftigt, dass der Start eines Satelliten gegen die Resolution 1874 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verstoßen würde, die die Nutzung von Raketentechnologie für Nordkorea sehr enge Grenzen setzt. Auch aus dem Sicherheitsrat waren in der vergangenen Woche bereits Warnungen an Nordkorea ergangen. Es sei alles andere als zu empfehlen, mit dem Test fortzufahren, sagte der UN-Botschafter Portugals am vergangenen Donnerstag.

Das übliche Drehbuch

Dergleichen werden wir in den kommenden Tagen und vielleicht Wochen noch mehr hören. Es wird wieder Besorgnis allenthalben geäußert und es wird auf ernsthafte Konsequenzen hingewiesen werden. Vielleicht wird auch wieder über die Resolution des Sicherheitsrates, die es Nordkorea verbietet, Raketentechnologie zu nutzen sowie ihre Rechtmäßigkeit und Tragweite gesprochen werden. Natürlich werden die USA ihre Freunde in der Region daran erinnern, ihrer Empörung und Besorgnis ob des geplanten Überflugs Ausdruck zu verleihen. Außerdem wird natürlich viel über einen möglichen Bluff oder die Möglichkeit Pjöngjangs gesprochen werden, den Start abzusagen. Am Ende wird aber, egal was noch gesagt und gedroht wird, der mehr oder weniger erfolgreiche Test einer Rakete stehen. Wenn der angekündigt ist, will und kann Pjöngjang nicht mehr umkehren. Wenn jemand zu all dem, das ich gerade angesprochen habe, was lesen will, dann kann er einfach in den Artikeln nachschauen, wo ich mich mit dem Start im April beschäftigt habe.

Mögliche politische Hintergründe

Aber natürlich hat sich seit April trotzdem in den politischen Rahmenbedingungen einiges geändert und daher ist eine Betrachtung möglicher politischer Hintergründe und Absichten interessant, auch wenn eine abschließende Bewertung und Klärung wie so oft erst retrospektiv möglich sein wird. Vor allem weil Experten bezweifeln, dass der Test von der technischen Seite her sinnvoll ist, sollte man mal über andere mögliche Hintergründe nachdenken, denn es gibt durchaus einige nicht-technische Aspekte, die man mit dem Test in Verbindung bringen kann:

  • In Südkorea wird in diesem Monat ein neuer Präsident gewählt: In geteilten Staaten, in denen der eine Teil eher mehr demokratisch ist, der andere eher weniger, hat es eine gewisse Tradition, dass der weniger demokratische Teil die Wahlen im demokratischen Teil mit allen Mitteln zu beeinflussen sucht (China hat früher gegenüber Taiwan auch immer dick aufgefahren, das aber bei den letzten Wahlen deutlich reduziert). Nordkorea hat bereits in den vergangenen Wochen und Monaten propagandistisch ordentlich Stimmung gegen die Kandidatin der Konservativen gemacht und erhofft sich vielleicht, mit dem aktuellen Gebaren den Bedarf an einem südkoreanischen Präsidenten zu verdeutlichen, der eher auf Ausgleich und Kooperation aus ist. Das sind in Südkorea traditionell die progressiven Kandidaten. Wie unangenehm konservative Vertreter für Pjöngjang sein können, hatte Südkoreas aktueller Präsident Lee Myung-bak in den letzten Jahren bewiesen.
  • Südkorea will ebenfalls einen Satelliten mit einer eigenen Rakete ins All schießen: Erst am Donnerstag hat Südkorea den Start einer selbst entwickelten Rakete abgesagt, die erstmals einen Satelliten ins All bringen sollte. Würde Nordkorea mit dem eigenen Versuch erfolgreich sein, dann wäre das ein psychologischer und propagandistischer Sieg, den man nicht unterschätzen sollte. Nordkorea könnte damit zumindest in einem Bereich (der dafür aber sehr anspruchsvoll ist) beweisen, dass es mit dem verfeindeten Bruder mithalten kann.
  • Kim Jong Un arbeitet noch immer an der Konsolidierung seiner Macht: Erst in der vergangenen Wochen ersetzte Kim Jong Un seinen Verteidigungsminister, der erst nach dem Tod seines Vaters Kim Jong Il eingesetzt worden war. Das zeigt, dass er intern mit seiner Machtfestigung noch nicht fertig zu sein scheint. Er glaubt vermutlich dem Militär und auch dem Volk beweisen zu müssen, dass er mehr kann als Kinder knuddeln und sich volksnah geben. Dazu wäre ein Erfolg im Raketenprogramm, mit dem man gleichzeitig Südkorea überflügeln würde natürlich nicht schlecht. Gerade dem Militär gegenüber, dessen Eliten durch die permanente Ämterrotation an der Spitze verunsichert sein dürften, dürfte der Test auch ein Zugeständnis darstellen.
  • Begrüßungsfeuerwerk für den neuen alten US-Präsidenten: Als Barack Obama im Jahr 2009 erst ein paar Monate im Amt war, teste Nordkorea zuerst eine Rakete und dann eine Atombombe. Das Kalkül dahinter ist immer ein bisschen schwer zu verstehen, geht aber wohl in dieselbe Richtung, wie oben im Fall der Präsidentschaftswahlen in Südkorea beschrieben. Es soll die Notwendigkeit vermittelt werden, sich mit Nordkorea zu befassen. Allerdings hatte der Test von 2009 eine eher gegensätzliche Wirkung, denn im Endeffekt bestand die Strategie Obamas gegenüber Nordkorea seitdem eher in Eindämmung denn in ernsthafte Beschäftigung. Daher ist es auch vorstellbar, dass sich Pjöngjang durch den Test sowas wie eine gespannte Ruhe verschaffen will. Wenn die Beziehungen mit der Außenwelt kritisch ist, dann kommen Elemente im Inneren Nordkoreas nicht so schnell auf die Idee, unzufrieden mit der Führung zu sein, da sie sich um den äußeren Feind kümmern müssen. Weiterhin kann man so vielleicht auch schärfere Maßnahmen im Inneren rechtfertigen (Hexenjagd auf feindliche Spione und so).
  • Es gibt keine einheitliche Strategie des Regimes: Die oben beschriebenen möglichen Hintergründe postulieren immer, dass das Regime ein einheitlicher Akteur ist, der einem großen Plan folgt. Da sich die Führung nach dem Tod Kim Jong Ils aber in einer Phase des Wandels befindet, ist es durchaus denkbar, dass die Ziele unterschiedlicher Akteure innerhalb des Regimes zumindest graduell unterschiedlich sind. Wenn das so ist, dann verfolgen unterschiedliche Akteure unterschiedliche Strategien und die Führung versucht das ganze so weit unter einen Hut zu bringen, dass der ganze Laden nicht auseinanderfliegt. Dann wäre der jetzige Test ein Zugeständnis an Akteure, die daran warum auch immer interessiert sind. Dass die Strategie der Führung Kim Jong Un nicht immer aus einem Guß ist ließ auch der vorherige Test vermuten, der unmittelbar nach einer Annäherung zwischen den USA und Nordkorea kam und der dieser damit ein abruptes Ende setzte.

Im Auge behalten: Japan

Interessant wird zu sehen sein, wie Japan auf die Ankündigung reagiert. Auch dort wird bald gewählt, vor allen Dingen gab es aber vor zwei Wochen Gespräche um die Überreste japanischer Kriegstoter in Nordkorea und — was für die japanische Gesellschaft noch wichtiger sein dürfte — über die entführten Japaner in Nordkorea und es ist eine Fortsetzung Anfang Dezember geplant. Eine Lösung in dieser Frage wäre für eine japanische Regierung im Wahlkampf gute Munition und es dürfte eine schwierige Abwägungsentscheidung sein, ob man diese Möglichkeit einfach in die Tonne tritt, oder ob man aus der Dreierallianz mit Südkorea und den USA ausschert und dieses Mal zurückhaltender Kritik an Nordkorea übt. Sowas wäre ein Erfolg für Pjöngjang, das immer mal gerne versucht, das Bündnis mit Hilfe ihrer unterschiedlichen Interessenlagen auseinanderzudividieren. Allerdings zeigt der Test, dass eine Annäherung mit Japan für Pjöngjang scheinbar „nice to have“ aber kein Muss ist.

To be continued…

Ich werde die Entwicklungen rund um den Test weiterhin genau im Auge behalten, allerdings werde ich nicht zu allem und jedem was schreiben, das ohnehin vorhersehbar ist (wie gesagt, dafür könnt ihr die Texte aus dem März/April konsultieren, ich erwarte im Vorfeld ein ähnliches diplomatisches Geklappere wie damals). Wenn etwas Ungewöhnliches passiert, dann werdet ihr es hier lesen können.

 

Weiß auch nicht, was mit meinem Kopf los ist, aber irgendwie hatte ich eben beim schreiben Assoziationen zu einem Lied. Naja, Lied ist vielleicht falsch gesagt. Aber teilen will ich es trotzdem mit euch. Daher mein Bonusdreck  für hartgesottene (es kommt aus grauer Vorzeit, als die „Bravo-Hits“ fast noch einstellig waren…

Nordkorea kündigt Raketenstart an: Hintergründe und Implikationen


Eigentlich hatte ich ja ein paar andere Punkte auf der Agenda, aber eine Meldung, die uns heute Morgen aus Nordkorea erreichte ist so überraschend und interessant, dass ich mich erstmal diesem Thema widmen will. Heute Morgen veröffentlichte nämlich Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA eine Stellungnahme eines Sprechers des Korean Committee for/of Space Technology mit folgender Überschrift (die eigentlich schon alles sagt):

DPRK to Launch Application Satellite

[…] Kwangmyongsong-3, a polar-orbiting earth observation satellite, will be blasted off southward from the Sohae Satellite Launching Station in Cholsan County, North Phyongan Province between April 12 and 16, lifted by carrier rocket Unha-3. […]

Nordkoreas Taepodong-Programm

Wenn man sich ein bisschen mit der Geschichte von Nordkoreas Raketenprogramm auseinandergesetzt hat, dann weiß man, die vorherigen Tests 2006 und 2009 mit der Langstreckenrakete Taepodong-2 durchgeführt wurden. Der Test 2009 wurde, genau wie derjenige von 1998 (damals noch mit der Vorgängerversion Taepodong-1) Seitens Nordkorea als Satellitenstarts bezeichnet. In der nordkoreanischen Propaganda wurden diese Starts als erfolgreich dargestellt (wonach jetzt die beiden Versuchssatteliten Kwangmyongsong-1 und -2 um die Erde kreisen und patriotische Lieder funken müssten (so ungefähr, wie in der Folge dargestellt)),

während der Test von 2006 als Erprobung eines Waffensystems benannt wurde. In der wirklich Welt war bisher jedoch noch keiner der Test ein Erfolg, allerdings waren deutliche Fortschritte festzustellen (von 1998 nach 2006 setzte man eine Stufe auf die Rakete drauf und machte sie so zuerst zu einer Interkontinentalrakete. 2009 blieb das Geschoss dann deutlich länger in der Luft als 2006 und die ersten beiden Stufen funktionierten wie geplant. Was die Bezeichnung der Raketen angeht, so werden solche Vehikel, die friedlichen Zwecken dienen von der nordkoreanischen Seite „Unha“ genannt (1998 Unha-1, 2009 Unha-2); technisch sind sie jedoch mit der Version die für kriegerische Zwecke genutzt wird (die wird in Nordkorea „Paektusan“ (wie der Berg) genannt) identisch. Daher ist es auch relativ egal, ob man als Anlass einen Satellitenstart oder einen Waffentest nimmt, die Daten die man daraus gewinnt, können so oder so der Weiterentwicklung des Waffenprogramms dienen.

Und das Moratorium?

Dass dies gegen die Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verstößt ist nicht neu und dass das die nordkoreanische Seite nicht wirklich kümmert auch nicht. Was aber neu ist, ist das Moratorium auf Raketentests, dass man erst vor einigen Wochen mit den USA ausgehandelt hat und das ein Bestandteil des Paketdeals ist, nach dem die USA Nordkorea Lebensmittel im Umfang von 240.000 Tonnen liefern sollen. Nur zur Erinnerung. Damals veröffentlichte Nordkorea ein Statement, in dem u.a. zu lesen war:

The DPRK, upon request by the U.S. and with a view to maintaining positive atmosphere for the DPRK-U.S. high-level talks, agreed to a moratorium on nuclear tests, long-range missile launches […]

Da gibt es wohl nicht viel zu diskutieren. Da steht, dass man keine Langstreckenraketen starten wird. Und da ist es m.E. auch völlig egal,  ob ein Satellit an Bord ist oder nicht. Diese beiden Ankündigungen passen einfach nicht zusammen. Sollte Nordkorea sein Vorhaben vorantreiben, dann wäre der Deal wohl nichtig und alles, was man in den vergangenen Wochen von Annäherung und ähnlichem lesen konnte hinfällig. Der Raketenstart würde die diplomatische Situation auf der Koreanischen Halbinsel wieder dahin zurückbefördern, wo sie bis vor dem Deal standen.

Was die Sache für mich überraschend macht

Und da kommt das ins Spiel, das ich an der Sache interessant finde. Denn warum bitte schließt man einen Deal, um den dann umgehend wieder zu brechen. Und zwar bevor man irgendwelche Güter erhalten hat. Denn je mehr Profit man geschlagen hat, desto höher wird der Anreiz die Vereinbarung aufzukündigen. Das hat man ja schon öfter im Falle Nordkoreas erlebt. So gesehen wäre dann der ganze Deal, auf den man ja schon länger hingearbeitet hat, vollkommen nutzlos, denn man hat diplomatische Ressourcen verbraucht und vielleicht sogar (wenn es sowas noch gibt) den letzten Funken Vertrauen, den es in den USA noch gab, ausgetreten (die erste Reaktion des US-State Department klang jedenfalls ziemlich angefressen). Wenn man den Raketentest eh schon geplant hat, dann hätte man die Verhandlungen mit den USA ja auch einfach auf Eis liegen lassen können bis nach dem Test (und wenn man auch noch ein bisschen Plutonium rumliegen hat vielleicht auch noch einem Atomtest (zu einem wichtigen Jahrestag wie 2012 gehört ja auch ordentlich Feuerwerk)).

Mögliche Erklärungen

Da ich eigentlich immer davon ausgehe, dass das Regime in Pjöngjang rational agiert, sollte es auch irgendeine Art von Erklärung für dies Entscheidung geben, die Vereinbarung mit den USA mir nichts dir nichts fallen zu lassen, ohne die Profite einzustreichen. Die Frage die sich mir also stellt: Passt das überhaupt irgendwie zusammen und wenn ja: wie?

Nachverhandeln und Preis in die Höhe treiben

Eine Möglichkeit ist, dass man nachverhandeln will um den Preis in die Höhe zu treiben. Darin sind die Nordkoreaner Meister und man könnte sich denken, dass noch etwas mehr rauszuschlagen wäre, wenn man jetzt mit einem Test droht und den dann gegen weitere Konzessionen der USA wieder abbläst. Allerdings hat man soweit ich mich erinnere noch nie einen angekündigten Raketen- oder Nukleartest abgeblasen. Wenn das erstmal gesagt war, dann konnte nichts und niemand Pjöngjang davon abhalten die Sache durchzuziehen und ich denke, dass man nach dieser Ankündigung davon ausgehen muss, dass Mitte April eine Rakete fliegen wird.

Naive Hoffnung in die Beständigkeit des Deals

Vielleicht glaubt man auch, dass man nach dem Test wieder zu der Vereinbarung zurückkehren kann und dass die USA das, was ja immerhin schon festgezurrt war, nicht so einfach fallen lassen wollen. Allerdings wäre diese Annahme recht naiv, denn den Unterhändlern Pjöngjangs dürfte aufgefallen sein, wie langwierig und schwierig es war, überhaupt zu diesem Punkt zu gelangen. Bei dem bestehenden Misstrauen der USA gegenüber den Machthabern in Pjöngjang, wäre das pure Traumtänzerei und die traue ich dem Regime nicht zu.

Unzufriedenheit mit den Fortschritten

Möglicherweise ist Pjöngjang auch einfach zutiefst unzufrieden, was den weiteren Verlauf der Annäherung mit den USA betrifft. Vielleicht hatte man ein schnelleres Vorgehen erwartet oder sogar gefordert und ist jetzt mit der Geduld am Ende. Das wäre dann allerdings ziemlich schnell gegangen mit der endenden Geduld, denn seit der Annäherung sind ja erst gut zwei Wochen vergangen.

Man wolle sich nie mit den USA einigen. Man wollte sie nur ärgern

Weiterhin kann ich mir vorstellen, dass man von Anfang an nicht daran interessiert war, irgendeine nachhaltige Vereinbarung mit den USA zu erreichen. Man wollte die Regierung in Washington nur ein bisschen bloßstellen und provozieren. Denn spätestens wenn die USA ihr Angebot hinsichtlich der Lebensmittelhilfen für Pjöngjang zurückziehen wird sich wohl jeder der Tatsache bewusst sein, dass das Gerede, humanitäre Hilfen seien nicht an politische Forderungen gekettet nur hohle Worte waren (obwohl das ja auch jetzt schon kaum mehr zu leugnen ist). Eine Spielart davon wäre es, mit der IAEO weiter über Inspektionen in Yongbyon zu sprechen und die Inspektoren vielleicht sogar ins Land zu lassen. Damit würde man weiterhin goodwill demonstrieren und die USA dann irgendwie unter Zugzwang setzen. Denn man macht ja „nur“ einen friedlichen Satellitenstart. Aber vielleicht war das auch eine reine Provokation, um die Situation noch ungemütlicher zu gestalten und damit der eigenen Kriegsrhetorik, die wohl vor allem nach innen wirken soll, eine glaubwürdige äußere Situation zu verschaffen.

Das neue Regime agiert (noch) nicht rational. Unterschiedliche Interessen machen unterschiedliche Politiken

Einen letzten Punkt sollte man jedoch auch nicht ausklammern. Ich finde es unter den gegebenen Umständen der Nachfolge Kim Jong Uns und allem was damit verbunden ist (zum Beispiel müssen Macht und Einflussphären innerhalb des Regimes neu ausgelotet werden) nicht undenkbar, dass das Regime momentan als Einheit vielleicht doch nicht einer vollkommen rationalen Handlungslogik folgt, sondern dass die Politik die momentan gemacht wird das Ergebnis verschiedener Partikularinteressen ist. Dementsprechend wäre es denkbar, dass eine Interessengruppe innerhalb des Regimes eine höhere Priorität auf die Ernährung der Bevölkerung und außenpolitische Ruhe legt, während eine andere Fraktion eher eine konfrontative Situation nach außen hin und ein Vorantreiben des Nuklearprogramms bevorzugt. Demnach würden in Pjöngjang zurzeit unterschiedliche Süppchen gebraut. Allerdings wäre das eine reine Spekulation, denn selbst wenn sich die Situation so darstellte, dann würden offensichtlich die gemeinsamen Interessen noch soweit reichen, dass diese Konflikte nicht an die Öffentlichkeit gelangen würden.

Internen Konflikt vortäuschen

Damit verbunden könnte ich mir (jetzt aber der allerletzte Punkt) auch noch vorstellen, dass eben diese Unsicherheit über die Vorgänge im Regime nach außen getragen werden soll. Möglicherweise kommen andere Beobachter zu dem gleichen Schluss wie ich oben (es gibt unterschiedliche Fraktionen die miteinander um die politische Linie ringen) und sehen ein großes Risiko von Instabilität im Regime. Da man aber ein in sich zusammenbrechendes Regime in Pjöngjang nun garnicht brauchen kann, springt man nachsichtig mit der nordkoreanischen Führung um, was dieser bei möglichen Verhandlungen oder auch im Nachgang des Raketentests natürlich eine komfortablere Position einbrächte.

Schlauer wird man (frühestens) hinterher

Mal wieder bleibe ich ratlos zurück, denn jetzt und hier lässt sich herzlich wenig über die Hintergründe des Ganzen sagen. Das wird wie so oft die Zeit bringen. Daher wird es interessant sein zu beobachten, wie es nun zwischen den USA und Nordkorea weitergeht (vor allem von Seiten Nordkoreas) und ob es weitere Handlungen des Regimes gibt, die auf eine gewisse Gespaltenheit hindeuten. Wenn Ihr noch Ideen habt, was dahinter stecken könnte, dann seid Ihr herzlich eingeladen diese zu teilen.

Was noch auffiel

Neben diesen Überlegungen beinhaltet jedoch auch die Ankündigung des Raketentests aus Pjöngjang noch einige interessante Einzelheiten, auf die ich kurz eingehen möchte.

Neues Raketengelände wird eingeweiht

So soll der Start der Rakete nicht mehr auf dem bisher benutzten, technisch wenig elaborierten Startgelände, das meist Musudan-ri genannt wird, stattfinden, sondern auf einer neuen Basis. Diese ist nicht wie das alte Gelände an der Ostküste, sondern an der nördlichen Westküste des Landes gelegen. Außerdem ist sie von der Ausstattung her weit ausgereifter, als das andere Gelände. Im vergangenen Jahr hatten auf Satellitenbilder gestützte Meldungen für Aufmerksamkeit gesorgt, nachdem die Basis bei der Stadt Tongchang-dong fertig geworden zu sein schien. Der Bau dieser neuen Anlage hatte Jahre gedauert, scheint aber pünktlich zum Jahr 2012 beendet zu sein. Man könnte bei der Suche nach den Gründen für den angekündigten Raketenstart auch argumentieren, dass dies der ultimative Beweis für die Priorität des (Nuklear- und) Raketenprogramms sei. Man startet die Rakete nicht genau jetzt, weil es irgendeinen außenpolitischen Grund oder so dafür gibt, sondern weil genau jetzt die neue Basis fertig ist und  man sich davon mehr Fortschritte und Erkenntnisgewinn erhofft. Wäre die Basis letztes Jahr fertig geworden, hätte man eben letztes Jahr getestet. Aber naja, vielleicht war die Basis ja auch schon letztes Jahr komplett fertig und man hat nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.

An der Ostküste liegt die bisher genutzte Basis Musudan-ri, an der Westküste die neue bei Tongchang-dong (Karte: GlobalSecurity.org)

Unha-3. Warum Unha-3?

Das nächste interessante Element in der nordkoreanischen Ankündigung sehe ich im Namen der Rakete. Die heißt Unha-3. Wie gesagt: Unha, weil friedlichem Zweck dienend. Die erste Unha hieß sinnigerweise Unha-1, entsprach jedoch auch einer Taepodong-1. Die zweite hieß Unha-2 und entsprach einer Taepodong-2. Naja, jetzt haben wir Unha-3. Kann sein, dass jede Rakete einen eigenen Namen hat und die nächste zwangsläufig eine Unha-4 wäre. Aber das ist eigentlich eher ungewöhnlich (wobei ich mich mit Raketen nicht super auskenne). Eigentlich haben die Typbezeichnungen. Und dann stellt sich natürlich die Frage, ob uns im April vielleicht ein weiterentwickelter Raketentyp vorgestellt wird. Fände ich zwar ein bisschen seltsam, weil die Taepodong-2 ja noch nicht erfolgreich getestet wurde, aber die Taepodong-1 wurde ja auch nie ausgetestet. Und vielleicht ist ja auch was dran, an den Gerüchten, dass die iranisch-nordkoreanische Raketenkooperation soweit geht, dass Nordkorea Raketen im Iran testet, denn dann könnte es sein, dass Nordkorea vielleicht mehr Daten hat, als man so im Allgemeinen weiß.

So, dass war es erstmal von meiner Seite. Aber ich denke wir werden mit der Sache in nächster Zeit noch öfter mal kollidieren. Jetzt müssen sich erstmal die damit befassten Diplomaten sortieren und eine Meinung bilden und dann wird sicherlich noch viel davon gesprochen werden.

Solange könnt ihr ja Peter Schilling lauschen. Passt ja irgendwie, auch wenn Major Tom wohl eher keine Rolle spielen wird…

%d Bloggern gefällt das: