Gestern Abend hat ein Sprecher des (nord-)koreanischen Komitees für Raumfahrttechnologie angekündigt, dass Nordkorea zwischen dem 10. und dem 22. Dezember einen weiteren Versuch unternehmen werde, einen Satelliten in der Erdumlaufbahn zu platzieren. Der Satellit, ein verbessertes Modell des Kwangmyongsong-3, der bei dem gescheiterten Satellitenstart im April in einer polaren Umlaufbahn platziert werden sollte, wird wieder auf einer Unha-3 Rakete (wie im April) von der Basis Sohae-ri (für die sich auch die Bezeichnung Tongchang-ri eingebürgert hat) im Nordwesten des Landes starten. Laut der Aussage des Sprechers soll die Rakete auf einer „sicheren Route“ Richtung Süden starten. Damit dürfte vermutlich wieder eine recht ähnliche Flugbahn wie im April geplant sein (über südkoreanisches, japanisches, philippinisches, indonesisches und evtl. australisches und neuseeländisches Gebiet). Weiterhin verwies der Sprecher darauf, dass man bei dem Start im April sehr transparent gewesen sei und damit Vertrauen bei der internationalen Gemeinschaft aufgebaut habe. Auch jetzt würde man hinsichtlich des Starts wieder allen relevanten internationalen Regulierungen entsprechen. Hier der komplette Text der Ankündigung:
DPRK to Launch Working Satellite
Pyongyang, December 1 (KCNA) — A spokesman for the Korean Committee for Space Technology issued the following statement Saturday:
The DPRK plans to launch another working satellite, second version of Kwangmyongsong-3, manufactured by its own efforts and with its own technology, true to the behests of leader Kim Jong Il.
Scientists and technicians of the DPRK analyzed the mistakes that were made during the previous April launch and deepened the work of improving the reliability and precision of the satellite and carrier rocket, thereby rounding off the preparations for launch.
The polar-orbiting earth observation satellite will blast off southward from the Sohae Space Center in Cholsan County, North Phyongan Province by carrier rocket Unha-3 in the period between December 10 and 22.
A safe flight path has been chosen so that parts of the carrier rocket that might fall during the launch process would not affect neighboring countries.
At the time of the April launch, the DPRK ensured utmost transparency of the peaceful scientific and technological satellite launch and promoted international trust in the fields of space science researches and satellite launch. The DPRK will fully comply with relevant international regulations and usage as regards the upcoming launch, too.
The launch will greatly encourage the Korean people stepping up the building of a thriving nation and offer an important occasion of putting the country’s technology for the use of space for peaceful purposes on a new, higher stage.
Die Ankündigung keine große Überraschung
Der Ankündigung waren in den letzten Tagen Spekulationen vorausgegangen, dass es bald zu einem Raketentest/Satellitenstart kommen könnte. Diese waren von Satellitenbildern ausgelöst worden, die verstärkte Aktivitäten auf der Raketenbasis zeigten. Eine detaillierte Auswertung der Bilder lieferten wie immer Nick Hansen für 38 North, der bei der Analyse von Satellitenbildern immer tolle Arbeit leistet. Im Artikel findet sich auch ein kleiner Ablaufplan der Schritte, die in den kommenden Tagen bis zum Start durchlaufen werden müssen. Hansen hatte den Start aufgrund seiner Analyse ab dem 6/7 Dezember für möglich gehalten.
…aber das Timing lässt aufmerken
Die Pläne für einen Test werden von Beobachtern und Experten für außergewöhnlich gehalten, weil bisher zwischen den vier Starts/Tests Nordkoreas von Interkontinental-/Weltraumraketen immer wesentlich größere Zeitabstände lagen. Das mag auch daran gelgen haben, dass die Fehleranalyse bei gescheiterten Tests eine lange Zeit in Anspruch nimmt und es bezweifelt wird, dass das gute halbe Jahr, das die nordkoreanischen Raketenbauer hatten, dafür ausreichen kann.
Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft
Wie das bei nordkoreanischen Raketentests/Satellitenstarts so üblich ist, ist die internationale Gemeinschaft besorgt, weil man auch Satellitenstarts Nordkoreas immer als verdeckte Tests von Interkontinentalraketen sieht, da sich beide Raketenarten in sehr vielen Aspekten ähneln. Bisher hat aber nur Südkorea auf die Ankündigung reagiert. Das Außenministerium ließ verlauten, dass ein Raketenstart eine ernsthafte Provokation und ein Verstoß gegen das UN-Verbot sei und damit die Besorgnis der Weltgemeinschaft missachtet werde. Schon im Vorfeld hatte Südkorea bereits seine Position bekräftigt, dass der Start eines Satelliten gegen die Resolution 1874 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verstoßen würde, die die Nutzung von Raketentechnologie für Nordkorea sehr enge Grenzen setzt. Auch aus dem Sicherheitsrat waren in der vergangenen Woche bereits Warnungen an Nordkorea ergangen. Es sei alles andere als zu empfehlen, mit dem Test fortzufahren, sagte der UN-Botschafter Portugals am vergangenen Donnerstag.
Das übliche Drehbuch
Dergleichen werden wir in den kommenden Tagen und vielleicht Wochen noch mehr hören. Es wird wieder Besorgnis allenthalben geäußert und es wird auf ernsthafte Konsequenzen hingewiesen werden. Vielleicht wird auch wieder über die Resolution des Sicherheitsrates, die es Nordkorea verbietet, Raketentechnologie zu nutzen sowie ihre Rechtmäßigkeit und Tragweite gesprochen werden. Natürlich werden die USA ihre Freunde in der Region daran erinnern, ihrer Empörung und Besorgnis ob des geplanten Überflugs Ausdruck zu verleihen. Außerdem wird natürlich viel über einen möglichen Bluff oder die Möglichkeit Pjöngjangs gesprochen werden, den Start abzusagen. Am Ende wird aber, egal was noch gesagt und gedroht wird, der mehr oder weniger erfolgreiche Test einer Rakete stehen. Wenn der angekündigt ist, will und kann Pjöngjang nicht mehr umkehren. Wenn jemand zu all dem, das ich gerade angesprochen habe, was lesen will, dann kann er einfach in den Artikeln nachschauen, wo ich mich mit dem Start im April beschäftigt habe.
Mögliche politische Hintergründe
Aber natürlich hat sich seit April trotzdem in den politischen Rahmenbedingungen einiges geändert und daher ist eine Betrachtung möglicher politischer Hintergründe und Absichten interessant, auch wenn eine abschließende Bewertung und Klärung wie so oft erst retrospektiv möglich sein wird. Vor allem weil Experten bezweifeln, dass der Test von der technischen Seite her sinnvoll ist, sollte man mal über andere mögliche Hintergründe nachdenken, denn es gibt durchaus einige nicht-technische Aspekte, die man mit dem Test in Verbindung bringen kann:
- In Südkorea wird in diesem Monat ein neuer Präsident gewählt: In geteilten Staaten, in denen der eine Teil eher mehr demokratisch ist, der andere eher weniger, hat es eine gewisse Tradition, dass der weniger demokratische Teil die Wahlen im demokratischen Teil mit allen Mitteln zu beeinflussen sucht (China hat früher gegenüber Taiwan auch immer dick aufgefahren, das aber bei den letzten Wahlen deutlich reduziert). Nordkorea hat bereits in den vergangenen Wochen und Monaten propagandistisch ordentlich Stimmung gegen die Kandidatin der Konservativen gemacht und erhofft sich vielleicht, mit dem aktuellen Gebaren den Bedarf an einem südkoreanischen Präsidenten zu verdeutlichen, der eher auf Ausgleich und Kooperation aus ist. Das sind in Südkorea traditionell die progressiven Kandidaten. Wie unangenehm konservative Vertreter für Pjöngjang sein können, hatte Südkoreas aktueller Präsident Lee Myung-bak in den letzten Jahren bewiesen.
- Südkorea will ebenfalls einen Satelliten mit einer eigenen Rakete ins All schießen: Erst am Donnerstag hat Südkorea den Start einer selbst entwickelten Rakete abgesagt, die erstmals einen Satelliten ins All bringen sollte. Würde Nordkorea mit dem eigenen Versuch erfolgreich sein, dann wäre das ein psychologischer und propagandistischer Sieg, den man nicht unterschätzen sollte. Nordkorea könnte damit zumindest in einem Bereich (der dafür aber sehr anspruchsvoll ist) beweisen, dass es mit dem verfeindeten Bruder mithalten kann.
- Kim Jong Un arbeitet noch immer an der Konsolidierung seiner Macht: Erst in der vergangenen Wochen ersetzte Kim Jong Un seinen Verteidigungsminister, der erst nach dem Tod seines Vaters Kim Jong Il eingesetzt worden war. Das zeigt, dass er intern mit seiner Machtfestigung noch nicht fertig zu sein scheint. Er glaubt vermutlich dem Militär und auch dem Volk beweisen zu müssen, dass er mehr kann als Kinder knuddeln und sich volksnah geben. Dazu wäre ein Erfolg im Raketenprogramm, mit dem man gleichzeitig Südkorea überflügeln würde natürlich nicht schlecht. Gerade dem Militär gegenüber, dessen Eliten durch die permanente Ämterrotation an der Spitze verunsichert sein dürften, dürfte der Test auch ein Zugeständnis darstellen.
- Begrüßungsfeuerwerk für den neuen alten US-Präsidenten: Als Barack Obama im Jahr 2009 erst ein paar Monate im Amt war, teste Nordkorea zuerst eine Rakete und dann eine Atombombe. Das Kalkül dahinter ist immer ein bisschen schwer zu verstehen, geht aber wohl in dieselbe Richtung, wie oben im Fall der Präsidentschaftswahlen in Südkorea beschrieben. Es soll die Notwendigkeit vermittelt werden, sich mit Nordkorea zu befassen. Allerdings hatte der Test von 2009 eine eher gegensätzliche Wirkung, denn im Endeffekt bestand die Strategie Obamas gegenüber Nordkorea seitdem eher in Eindämmung denn in ernsthafte Beschäftigung. Daher ist es auch vorstellbar, dass sich Pjöngjang durch den Test sowas wie eine gespannte Ruhe verschaffen will. Wenn die Beziehungen mit der Außenwelt kritisch ist, dann kommen Elemente im Inneren Nordkoreas nicht so schnell auf die Idee, unzufrieden mit der Führung zu sein, da sie sich um den äußeren Feind kümmern müssen. Weiterhin kann man so vielleicht auch schärfere Maßnahmen im Inneren rechtfertigen (Hexenjagd auf feindliche Spione und so).
- Es gibt keine einheitliche Strategie des Regimes: Die oben beschriebenen möglichen Hintergründe postulieren immer, dass das Regime ein einheitlicher Akteur ist, der einem großen Plan folgt. Da sich die Führung nach dem Tod Kim Jong Ils aber in einer Phase des Wandels befindet, ist es durchaus denkbar, dass die Ziele unterschiedlicher Akteure innerhalb des Regimes zumindest graduell unterschiedlich sind. Wenn das so ist, dann verfolgen unterschiedliche Akteure unterschiedliche Strategien und die Führung versucht das ganze so weit unter einen Hut zu bringen, dass der ganze Laden nicht auseinanderfliegt. Dann wäre der jetzige Test ein Zugeständnis an Akteure, die daran warum auch immer interessiert sind. Dass die Strategie der Führung Kim Jong Un nicht immer aus einem Guß ist ließ auch der vorherige Test vermuten, der unmittelbar nach einer Annäherung zwischen den USA und Nordkorea kam und der dieser damit ein abruptes Ende setzte.
Im Auge behalten: Japan
Interessant wird zu sehen sein, wie Japan auf die Ankündigung reagiert. Auch dort wird bald gewählt, vor allen Dingen gab es aber vor zwei Wochen Gespräche um die Überreste japanischer Kriegstoter in Nordkorea und — was für die japanische Gesellschaft noch wichtiger sein dürfte — über die entführten Japaner in Nordkorea und es ist eine Fortsetzung Anfang Dezember geplant. Eine Lösung in dieser Frage wäre für eine japanische Regierung im Wahlkampf gute Munition und es dürfte eine schwierige Abwägungsentscheidung sein, ob man diese Möglichkeit einfach in die Tonne tritt, oder ob man aus der Dreierallianz mit Südkorea und den USA ausschert und dieses Mal zurückhaltender Kritik an Nordkorea übt. Sowas wäre ein Erfolg für Pjöngjang, das immer mal gerne versucht, das Bündnis mit Hilfe ihrer unterschiedlichen Interessenlagen auseinanderzudividieren. Allerdings zeigt der Test, dass eine Annäherung mit Japan für Pjöngjang scheinbar „nice to have“ aber kein Muss ist.
To be continued…
Ich werde die Entwicklungen rund um den Test weiterhin genau im Auge behalten, allerdings werde ich nicht zu allem und jedem was schreiben, das ohnehin vorhersehbar ist (wie gesagt, dafür könnt ihr die Texte aus dem März/April konsultieren, ich erwarte im Vorfeld ein ähnliches diplomatisches Geklappere wie damals). Wenn etwas Ungewöhnliches passiert, dann werdet ihr es hier lesen können.
Weiß auch nicht, was mit meinem Kopf los ist, aber irgendwie hatte ich eben beim schreiben Assoziationen zu einem Lied. Naja, Lied ist vielleicht falsch gesagt. Aber teilen will ich es trotzdem mit euch. Daher mein Bonusdreck für hartgesottene (es kommt aus grauer Vorzeit, als die „Bravo-Hits“ fast noch einstellig waren…
Filed under: Aktuelles, Die Welt und Nordkorea, Nuklearprogramm | Tagged: Japan, Kwangmyongsong-3, Kwangmyŏngsŏng, Nordkorea, Satellitenstart, Südkorea, sohae-ri, Tongchang-dong, Unha, Unha-3, USA | 3 Comments »