Die Suche nach Harmonien: Musik als Mittel zum (politikfreien) Austausch mit Nordkorea?


Wenn man über Nordkorea schreibt und liest, dann kann man sich öfter mal schnell in der (meiner Meinung nach) irrigen Annahme verheddern, die Menschen dort seien sowas wie Interessenumsetzungsmaschinen. Jedenfalls was den Umgang mit der Außenwelt betrifft. Also so eine Art kollektive Nutzenmaximierer im Dienste Pjöngjangs. Aber das ist natürlich totaler Quatsch, denn in erster Linie sind es mal Menschen und unabhängig davon, was sie beigebracht bekamen auch Individuen. Trotzdem wird eigentlich fast alles Handeln immer vor den politisch-ideologischen Hintergründen Nordkoreas gesehen, wenn es um Kontakte nordkoreanischer Organisationen und Gruppierungen mit der Außenwelt geht. Auch wenn diese Elemente bei der Betrachtung nicht vollkommen ausgeblendet und weggelassen werden können, sollte man den Menschen trotzdem auch den Wunsch nach Erfüllung individueller und kollektiver Bedürfnisse jenseits von Politik und Ideologie zugestehen. Zum Beispiel dem nach Kontakt und Austausch mit Außenstehenden. Natürlich ist es oft schwierig politisch-ideologische von individuellen Bedürfnissen zu unterscheiden, denn es gibt ja kaum einen Bereich in dem man sagen kann: „Das hat eigentlich wirklich garnichts mit Politik und Ideologie zu tun und bringt dem nordkoreanischen Staat auch keine messbaren Vorteile“ (wenn sich Techniker, Wirtschafts- oder Naturwissenschaftler oder was weiß ich mit ihren Kollegen austauschen kann immer unterstellt werden, dass sie Know-How sammeln, um den Staat zu stützen. Austausch im wirtschaftlichen Bereich wird ja noch kritischer gesehen, denn das bringt dem Staat Geld).

Musikalische Zusammenarbeit als Möglichkeit zu unpolitischen Austausch. Beispiele

Jedoch sind mir in letzter Zeit einige Beispiele aus dem kulturellen Bereich aufgefallen, bei denen es doch ziemlich schwerfällt, den politisch-ideologischen Hintergrund zu konstruieren. Zwar gibt es in diesem Bereich auch anders gelagerte Fälle (ich habe mich ja kürzlich ein bisschen mit der Instrumentalisierung von Malerei als Geldesel befasst), aber gerade im musikalischen Bereich scheint mir doch irgendwie das Bedürfnis nach Kontakt und professionellem Austausch im Vordergrund zu stehen (wobei ich mich natürlich gerne eines Besseren belehren lasse). Daher will ich in der Folge kurz einige Beispiele für musikalische Kontakte zwischen Europa und Nordkorea aufführen.

Nicht ganz unpolitisch: Das Unhasu-Orchester in Paris

Vor einigen Tagen sorgte ein Auftritt für Aufsehen, den man allerdings nicht vollkommen von der Politik trennen kann (auch wenn er vor den aktuellen politischen Hintergründen ja eher den „trends of times“, wie KCNA ja immer so schön schreibt, eher entgegenlaufen).

Am 14. März spielte das nordkoreanische Unhasu Orchester in Paris gemeinsam mit dem Symphonie Orchester von Radio France ein Konzert unter Führung des südkoreanischen Dirigenten Chung Myung-whun. Das Konzert kam auf Initiative des sehr angesehenen Dirigenten hin zustanden gekommen. Ursprünglich war ein gemeinsames Konzert nordkoreanischer und südkoreanischer Musiker geplant, doch hier spielte die nordkoreanische Führung nicht mit.

Das Konzert markierte Angaben des Veranstalters zufolge den ersten Auftritt eines nordkoreanischen Orchesters in Europa. Dass diese Kollaboration auch in Pjöngjang begrüßt wird, zeigt diese Würdigung des Konzerts bei KCNA (insgesamt gab es vorgestern fünf Artikel zum Besuch des Orchesters in Paris. Das ist echt viel.). Das Konzert war zweigeteilt. Zuerst spielten die Nordkoreaner alleine einige Stücke, zum Teil auch mit traditionellen koreanischen Instrumenten,

dann folgte der gemeinsame Auftritt mit den Franzosen. Das erste Lied hier war übrigens „Arirang“. Ein Lied das irgendwie noch ein einigendes Element zwischen den Koreas darstellt, weil es beiderseits der DMZ ein sehr bedeutendes Kulturgut darstellt.

Nordkoreanische Instrumentalisten auf Konzertreise in Deutschland

Auch zwischen Deutschland und Nordkorea gab es in der jüngeren Vergangenheit Kontakte auf dem musikalischen Feld. Ende 2011 besuchten drei nordkoreanische Musiker, die klassische Instrumente spielten Deutschland für eine kleine Konzertreise nach Freiburg, Hamburg und Berlin. Angestoßen wurde dieses Projekt von Prof. Dr. Bernhard Wulff, von der Freiburger Musikhochschule. Zwar war dies kein so medienwirksames Projekt, wie das vorherige,  jedoch finde ich es gut und wichtig, dass hier die traditionellen koreanischen Instrumente im Fokus standen und damit Wertschätzung erfahren haben.

Mundharmonikaspieler in Österreich

Ein weiteres Beispiel für musikalische Zusammenarbeit, die ebenfalls nicht ins ganz große Schlaglicht der Medien gelangte kommt aus Österreich. Dort hält sich zurzeit eine 15 köpfige Gruppe nordkoreanischer Musikstudenten auf, die sich in Graz Wien (mein Fehler, danke für die Richtigstellung Frau Krapf) ein halbes Jahr lang in der Kunst des Mundharmonikaspielens ausbilden lassen. Im Gegensatz zum vorherigen Beispiel kann man die Mundharmonika nicht unbedingt als klassisches koreanisches Instrument bezeichnen und den Berichten zufolge, haben die Schüler das Mundharmonikaspielen auch erst kurzfristig aufgenommen, nachdem das Instrument durch eine österreichische Initiative 2011 in Nordkorea „eingeführt“ worden war. So ist der Verdacht nicht ganz unberechtigt, dass auch hier Politik eine gewisse Rolle spielte. Kontakt ist politisch gewollt und wenn eben Mundharmonikaschüler nachgefragt werden, dann liefert man die, wenn dadurch nur ein Kontakt aufgebaut werden kann (Ich möchte klarstellen, dass es mir hier nicht um die individuelle Motivation und Begeisterung der nordkoreanischen Mundharmonikaschüler geht, sondern um institutionelle Aspekte, wie die Förderung des Studiums dieses Instruments durch den Staat, wenn darin eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme gesehen wird. (Meine nachträgliche Anmerkung)). Nichtsdestotrotz dürften für die nordkoreanischen Musiker der Aufenthalt und die Ausbildung in Österreich eine prägende Rolle spielen und daher ist diese Geschichte, wenn auch kritisch zu hinterfragen doch interessant.

Akkordeonisten in Norwegen

Auch nicht wirklich „traditionell koreanisch“ ist das Akkordeon. Allerdings scheint das schon seit längerem in Nordkorea etabliert zu sein (vielleicht ist das ja schon aus der Sowjetunion zugewandert? Keine Ahnung). Jedenfalls erhielten vier nordkoreanische Akkordeonspieler vor einigen Wochen große Aufmerksamkeit, als ein Filmchen von ihnen im Netz hochgeladen wurde, in dem sie ein Pop-Lied aus den 80ern performten.

Die Meisten von euch werden das vermutlich gesehen haben, wie auch die grob geschätzten hundert Milliarden anderer Leute (nicht ganz…), die das Video angeklickt haben, aber es ist ja auch ganz nett. Die Veröffentlichung des Videos war aber wohl hauptsächlich als Werbeträger für ein norwegisches Kunst/Kulturfestival gedacht (das Barents Spektakel), bei dem die nordkoreanischen Akkordeonisten aus dem Video als Stargäste auftraten. Der Organisator der Veranstaltung Morten Traavik hatte den Film bei einem seiner (scheinbar häufiger stattfindenden Besuche in Nordkorea aufgenommen) und die Künstler daraufhin auf das Spektakel eingeladen. Neben diesen brachte er aber auch noch eine nahezu genuin nordkoreanische Kulturform nach Norwegen. Die Sache mit den Flipcards, die man vor allem vom Arirang-Massenspektakel kennt. Zwei nordkoreanische Ausbilder leiteten 250 Norweger an, die mit den Karten verschiedene Motive darstellten. Auch ganz nett.

Musikalische Kontakte fast ohne Politik, aber politische gewollt

Die oben dargestellten Beispiele zeigen, dass kulturelle Kontakte zwischen Nordkorea und europäischen Staaten im musikalischen Bereich vorhanden sind, gewollt werden und in Nordkorea scheinbar auch positiv wahrgenommen werden. Eine politische Komponente kann man höchstens darin sehen, dass dieser Austausch nicht zuletzt auf dem Wunsch der nordkoreanischen Regierung beruht, im Ausland als Kulturnation (und nicht nur als Schurke) wahrgenommen zu werden. Allerdings läuft ohne politischen Willen ja garnichts im Bezug auf Kooperation mit Nordkorea und daher gibt es natürlich nichts, was hinsichtlich dieses  Landes vollkommen „politikfrei“ ist. Jedoch kommen diese Kontakte ja immer zwischen Künstlern zustande, die ihre Kunstform in Austausch weiter einüben, verfeinern und nach außen tragen wollen. Darin sehe ich eher ein individuelles Moment.

Nordkoreanische (wohlwollende) Passivität beim Kulturaustausch: Institutionell bedingt?

Mir sind jedoch zwei Dinge an diesen Beispielen aufgefallen: Erstens wirkt die nordkoreanische Kulturpolitik was den Austausch angeht sehr passiv. In allen aufgeführten Fällen kamen die Impulse von außen. Sie wurden zwar dann gerne angenommen, aber aus dem Land selbst scheint dahingehend nichts zu kommen. Das könnte aber daran liegen, dass die nordkoreanischen Künstler einfach nicht die Möglichkeit haben, selbstständig Kontakte aufzubauen und Dinge anzufragen. Das dürfte in der Hand der Behörden liegen, die sich in den einzelnen  Bereichen wohl nicht so gut auskennen und daher nur schwer Initiativen anstoßen können. Das System hemmt vermutlich den Austausch (vielleicht noch nicht einmal mit Absicht, sondern einfach strukturell bedingt). Daher ist es wohl umso wichtiger, dass Anstöße von außen kommen, um solche Kontakte zu fördern.

Pragmatisches Vorgehen als Gefahr für traditionelle Kultur?

Zweitens scheint man auch in diesem Bereich sehr pragmatisch zu sein. Man besteht nicht drauf koreanisches Kulturgut zu vertreten, sondern wenn der Austausch für Mundharmonika- oder Akkordeonspieler angefragt wird, dann ist das recht und billig (und wenn die, wie es bei der Mundharmonika wohl der Fall ist, erst noch geschult werden müssen). Auch hier liegt eine gewisse Verantwortung westlicher Kulturschaffender, nicht den Eindruck zu erwecken, dass mit traditionellen koreanischen Instrumenten kein Austausch möglich ist, denn dann dürfte die Ausbildung an solchen Instrumenten bei der Führung an Wert verlieren.

Kultur ist ein möglicher Türöffner, jedoch mur mit Impulsen von außen

Naja,  alles in allem bleibt für mich festzuhalten, dass Kultur durchaus einen Türöffner für gegenseitige positive Kontakte darstellen kann und dass auf  diesem Weg auch eine gewisse Öffnung, zumindest auf zwischenmenschlicher Ebene gefördert werden kann. Denn wenn man einen gemeinsamen Nenner hat, der nichts mit Politik zu tun hat, dann kann man sich unbefangen austauschen und von Seiten der nordkoreanischen Künstler muss nicht das politisch-ideologische Kollektiv im Vordergrund stehen, sondern das künstlerische Individuum kann zu seinem Recht kommen.

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