Nordkoreas Wechselwut in der Führung des Sicherheitsapparates: Mögliche Hintergründe und Interpretationen


In der letzten Zeit, macht es keinen Spaß bzw. Sinn mehr, sich die Namen nordkoreanischer Verteidigungsminister oder — etwas allgemeiner gesagt — Spitzenmilitärs zu merken. Kaum ist einer im Amt installiert und man hat sich an seinen Namen und seine Nase gewöhnt, wird er auch schon wieder ausgetauscht und verschwindet entweder ganz von der Bildfläche, oder — was häufiger ist — tritt ins zweite Glied zurück.

Neuer Verteidigungsminister – schon wieder!

Das jüngste Beispiel hierfür ist  der (jetzt) Ex-Verteidigungsminister Kim Kyok-sik, der in den letzten Tagen durch Jang Jong-nam ersetzt wurde. Der General, dem unter anderem die Verantwortung für die Versenkung der südkoreanische Fregatte Cheonan zugeschrieben wird und der wohl den Beschuss der südkoreanischen Insel Yonpyong geleitet hat, war erst vor einem halben Jahr zum Verteidigungsminister ernannt worden. Auch sein Vorgänger Kim Jong-gak, der zuvor als aufsteigender Stern unter den nordkoreanischen Militärs gehandelt worden war, hatte nicht viel länger im Amt des Verteidigungsministers verbracht, nachdem er Kim Yong-chun abgelöst hatte. Dem war zwar eine etwas längere Zeit im Amt vergönnt, aber auch seine Ernennung im Jahr 2009 kann schon im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Regimes auf die Nachfolge Kim Jong Uns auf Kim Jong Il gesehen werden.

Jang Jong-nam: Ein unbeschriebenes Blatt

Ich will mich jetzt gar nicht in Spekulationen über die politische Ausrichtung oder Meinung Jang Jong-nams ergehen, denn einerseits weiß man ja nicht, wie lange der relativ junge Mann im Amt sein wird, andererseits ist Jang, der vorher Kommandant des 1. Armeekorps war,  ein wirklich unbeschriebenes Blatt. Er hat für seine neue Position ziemlich wenige Sterne auf der Schulterklappe und ist auch für den Altersdurchschnitt der nordkoreanischen Führung relativ jung. Mehr weiß man nicht und daher ist es wirklich schwer, vielmehr über die Person Jangs zu sagen. Jedoch wirft die Personalie ein interessantes Licht auf die Personalpolitik des jungen Kim.

Militärische Spitzenämter sind Schleudersitze…

Verteidigungsminister sind nämlich, wie bereits angedeutet, nicht die einzigen Leute, die momentan keinen besonders sicheren Job haben. Die bestehende Unsicherheit betrifft vielmehr auch andere militärischen Führungspositionen. Viel Beachtung bekam ja die überraschende Entlassung von Generalstabschef Ri Yong-ho Mitte vergangenen Jahres, als er wegen Krankheit von allen Ämtern enthoben und durch das unbeschriebene Blatt Hyon Yong-chol ersetzt wurde. Ri Selbst war 2009 ebenfalls relativ überraschend in die Spitzenposition vorgerückt und zu diesem Zeitpunkt selbst wenig bekannt. Daher wurde auch diese Personalie im Zusammenhang mit der Nachfolge Kim Jong Uns gesehen.

…genau wir Spitzenämter im generellen Sicherheitsapparat

Schaut man sich den Sicherheitsapparat jenseits des Militärs an, zeigen sich auch hier ganz ähnliche personalpolitische Muster. In den Ministerien für Staatssicherheit und Volkssicherheit wurden in den vergangenen Jahren ähnlich wie die genuin militärischen Schlüsselpositionen die Spitzen jeweils mindestens einmal ausgetauscht, nachdem sie jeweils vor nicht allzu langer Zeit ins Amt gekommen waren, so dass auch ihre Berufung bereits im Zusammenhang mit der Nachfolgevorbereitung für Kim Jong Un gesehen werden kann.

Gezielte Strategie

Man kann also durchaus davon ausgehen, dass der Ämterwechsel an Schlüsselstellen der Sicherheitsarchitektur des Landes eine gezielte Strategie ist, die im Zusammenhang mit der Nachfolge Kim Jong Uns steht. Man könnte annehmen, dass das Kern-Team der nordkoreanischen Führung (wer auch immer außer Kim Jong Un und Jang Song-thaek, sowie Jangs Frau Kim Kyong-hui dazugehören mag) generell alte Zöpfe abschneidet und neues Personal an die Spitze bringt, um das Regime zur Loyalität gegenüber Kim Jong Un zu verpflichten.
Bei näherer Betrachtung lässt sich diese Überlegung jedoch nicht halten, denn außer an den sicherheitsrelevanten Positionen lässt sich eine ähnliche Rotation, die gleichzeitig mit einer Degradierung, bzw. einem Verschwinden der betroffenen Personen einhergeht, lassen sich ähnliche Entwicklungen nicht erkennen. Zwar wurde kürzlich der Premierminister Choe Yong-rim ausgetauscht, jedoch erhielt er eine Position, die vom Status her eher höher angesiedelt ist. In der Partei dagegen blieb die Spitze weitgehend unbeschadet, auch wenn seit der Parteikonferenz 2010 insofern eine Erneuerung anlief, dass vakante Position neu besetzt wurden, jedoch wurden hier, wie auch im Parlament kaum Verlierer produziert (wenn man eine vakante Position bekommt, dann tut es zumindest insofern keinem weh, dass niemand dafür gefeuert oder degradiert werden muss). Jedenfalls kann ich mich an kaum eine Position erinnern, in der ein erst kürzlich berufener Amtsinhaber gleich wieder ersetzt wurde. Das passiert eigentlich nur im Bereich des Sicherheitsapparates.

Mögliche Interpretationen der Wechselwut im Sicherheitsapparat

Diesen Sachverhalt kann man in verschiedene Richtung deuten:

  • Natürlich sind die Sicherheitsapparate insofern die relevantesten, als sie (bzw. ihre Spitzen) die Mittel in den Händen halten, mit denen sie die aktuelle Führung stürzen können. Daher ist es denkbar, dass man durch ein permanentes Durchwechseln des Führungspersonals verhindern will, dass sich zu enge Vertrauensverhältnisse zwischen Führung und Personal ergeben und damit Freiräume für potentielle Widerstandsgruppe innerhalb des Regimes entstehen. Diese Idee scheint schon bei Kim Jong Il eine Rolle gespielt zu haben, als er auf seinen Vater Kim Il Sung nachfolgte. Dadurch, dass man bestimmte Leute besser und andere schlechter stellt, hintertreibt man natürlich noch zusätzlich persönliche Beziehungen und etabliert damit den Führer als den zentralen Knotenpunkt der Kommunikation und Loyalität im Regime.
  • Man könnte aber auch, ebenfalls mit der Überlegung im Hintergrund, dass Sicherheitsorgane grundsätzlich gefährlich sind, davon ausgehen, dass hier ein Prozess im Gange ist, der dann später bei Partei und Parlament fortgesetzt wird. Die Führung versichert sich sozusagen zuerst der Waffen, um danach den Massenapparat der Partei umzukrempeln. Nach dieser Logik würden wir dann in den kommenden Jahren und Monaten weitere Personalwechsel im Politbüro und der Führung der Obersten Volksversammlung beobachten können.
  • Weiterhin könnte man die relative Ruhe im Parteiapparat gegenüber dem hektischen Kommen und Gehen bei den Sicherheitsorganen als so etwas wie ein Kräftemessen zwischen Partei und Militär sehen, bei dem die Partei die Oberhand behält. Es wird allerdings immer wieder angemerkt, dass man das Militär nicht als von der Partei losgelöste Organisation sehen könne, sondern dass das Militär sich selbst immer als das Militär der Partei sehe. Nichtsdestotrotz könnte sich die Partei sorgen darum machen, ob das auch weiterhin so wäre. Dann wären die Personalmaßnahmen ähnlich der ersten Lesart zur Herrschaftssicherung vorgenommen worden, jedoch nicht der Herrschaftssicherung eine kleinen Gruppe, sondern des gesamten Parteiapparates, der ein Umkippen zur Militärdiktatur verhindern will.

Anhaltspunkte durch kommende Entwicklungen

Was genau die Motive für das wilde Stühletauschen in den Führungsapparaten der Sicherheitsorgane sind, das werden wir nicht so schnell erfahren, allerdings können wir darauf achten, ob es zu weiteren personalpolitischen Entscheidungen kommt und wo die stattfinden, also innerhalb des Militärs oder außerhalb und an welchen Positionen. Daraus lassen sich dann glaube ich recht gute Schlüsse über das Kalkül der Personalpolitik der nordkoreanischen Führung ziehen.

Auswirkung von Neubesetzungen auf Operationsfähigkeit?

Einen Punkt möchte ich abschließend noch anmerken: In den vergangenen Monaten wurde ja viel Panik vonwegen einer bestehenden Kriegsgefahr geschoben. Dabei fand ich es kurios, dass niemand dieser Düsterseher sich dafür interessiert hat, dass Nordkoreas militärische Führung im letzten Jahr permanent ausgetauscht wurde. Ich meine, wenn ein Land tatsächlich vor hätte, einen Krieg vom Zaum zu brechen, dann wäre es vermutlich die absolut schlechteste Idee, davor die militärische Führung so handlungsunfähig wie möglich zu machen. Denn genau das dürfte so eine permanente Wechselei bewirken. Bestehende Kommunikationsstrukturen gehen zu Bruch, alte Vertrauensverhältnisse lösen sich auf und Befehlsketten müssen neu geschmiert werden. Bis man sich in so einem Amt eingearbeitet hat dürfte auch seine Zeit dauern und im Endeffekt reicht ein halbes Jahr vermutlich gerade so aus, dass man den ganzen Apparat im Blick und unter Kontrolle hat. Aber das hat wie gesagt scheinbar keinen der beobachtenden Strategen interessiert. Jetzt frage ich mich: Überschätze ich die disruptiven Auswirkungen von solchen Personalgeschichten oder wurde das nur ignoriert, weil es nicht zur allgemeinen Panikstimmung gepasst hat?

Die Oberste Volksversammlung tritt zusammen: Morgen werden in Nordkorea wichtige Weichen gestellt — Personell oder Ordnungspolitisch: Das ist hier die Frage…


Seit Kim Jong Il seinen letzten Weg angetreten hat und sein Sohn zum Erstaunen einiger (bis vieler) relativ reibungslos die Macht übernommen hat, aber gleichzeitig immer mal wieder Signale des Wandels in die Welt funkte, werden alle Vorgänge in Pjöngjang von den internationalen Medien, aber auch den Analysten, die sich mit dem Land befassen, mit besonderer Aufmerksamkeit , bedacht. Dadurch kommt es auch immer mal wieder dazu, dass die Spekulationen ins Kraut schießen. Das klingt jetzt schimmer als es ist, denn Spekulationen müssen ja nicht zwangsweise falsch oder haltlos sein. Ebenso ist es doch möglich, dass der eine oder andere Analyst mit seinen Einschätzungen richtig liegt (was eine Spekulation im Nachhinein trotzdem nicht zur Prophetie macht, auch wenn sich das der eine oder andere wünscht).

Zweites Zusammentreten der Obersten Volksversammlung fördert Spekulationen

Eine solche Spekulation könnte sich auch morgen als treffsicher erweisen, wenn die Oberste Volksversammlung (oder Supreme People’s Assembly, SPA) zum zweiten Mal in diesem Jahr zusammentritt, was grundsätzlich eher ungewöhnlich ist. Das letzte Mal, dass sowas geschah, war 2010. Damals wurde Choe Yong-rim zum Premier und Jang Song-thaek zum Stellvertreter der Nationalen Verteidigungskommission, das mächtige Lenkungsorgan, berufen. Man kann also erwarten, dass morgen auf der Versammlung der SPA wieder wichtige Richtungsentscheidungen getroffen werden.

An Wirtschaftsreformen zu denken ist nicht abwegig

Und da Kim Jong Un sich eben als Mann des Wandels gibt und bereits mehrfach angedeutet hat, dass das wirtschaftliche Wohlergehen der Bevölkerung eine größere Präferenz erhalten soll, ist es nicht abwegig zu vermuten, dass es morgen um wirtschaftliche Fragen und vermutlich Reformen gehen wird. Daher ist es auch nicht weiter überraschend, dass Reuters einen Informanten aufgetan hat, der genau das wissen will und die zu erwartenden Reformen gegenüber der Nachrichtenagentur erläutert hat. Ob er es weiß oder nur vermutet, kann ich auch nicht sagen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass morgen tatsächlich Reformschritte diskutiert und vorbereitet werden, ich kann mir aber ebenso gut vorstellen, dass der Informant einfach mal sein Glück versucht hat. Wir werden morgen mehr wissen. (Von Mediendynamik brauch ich euch jetzt wohl nicht viel zu erzählen. Morgen ist vielleicht ein wichtiges Ereignis und vielleicht könnte da was Wichtiges passieren. Also muss jedes Medium das was auf sich hält irgendwas dazu schreiben, ganz unabhängig davon, wie aussagekräftig die Ausgangsinformation sind. Aber das nur am Rande…)

Reformspekulatius

Die wirtschaftlichen Reformen, die angeblich morgen der Öffentlichkeit vorgestellt werden, solle in erster Linie den landwirtschaftlichen Sektor betreffen, was irgendwie auch logisch klingt, denn das Wohl der Bevölkerung kann man erstmal am besten befördern, indem man den Leuten genug Nahrungsmittel verschafft. Dazu wiederum wäre eine effizientere landwirtschaftliche Produktion wünschenswert. Hierfür soll die Reform Anreize setzen, indem sie der planwirtschaftlichen Verteilung nun deutliche Marktelemente hinzufügt. Hierzu sollen die Landwirte die Möglichkeit erhalten, bis zu 50 % (je nach Region) ihrer Produzierten Güter selbst zu behalten bzw. zu vermarkten.

Erinnerung an die Julireformen des Jahres 2002

Dieser Aspekt erinnert an den kurzen Reformflirt, den Nordkorea unter Kim Jong Il mit den Julireformen des Jahres 2002 erlebt hatte. Auch damals hatte man mit der Einführung von Markt- und Anreizmechanismen experimentiert, diese Versuche aber nach relativ kurzer Zeit wieder abgebrochen (und ich glaube es wurde bisher nicht wirklich geklärt, was zu dieser Kehrtwende geführt hatte). Mit den damaligen Reformversuchen wurde auch Jang Song-thaek in Verbindung gebracht, der nach dem Ende des Reformflirts erstmal für einige Jahre von der Bildfläche verschwand. Allerdings beinhalteten die Julireformen ein wesentlich breiteres Spektrum, als nur die Landwirtschaft. Zum Beispiel war es damals auch um das Management von Staatsbetrieben gegangen. Jedoch bedeutet die Aussage des Reuters-Informanten ja auch nicht, dass eine mögliche Reform nicht über den Landwirtschaftssektor hinausgehen könnte. Wir werden sehen, ob die SPA morgen tatsächlich dieses Thema aufgreifen wird, oder ob andere Aspekte eine Rolle spielen.

Personalentscheidungen wären auch ein Thema: Blick auf die NDC

Im Jahr 2010, als die SPA zuletzt ein zweites Mal zusammentrat, wurden eigentlich nur Personalfragen geklärt. Ein gewichtiger Teil der Regierung wurde ausgewechselt, vielleicht schon mit der Überlegung, wirtschaftliche Reformen einzuleiten (denn in diesem Ruf stand Choe Yong-rim und naja, er hat jedenfalls ein aktiveres Profil bekommen, als die Regierungschefs vor ihm). Außerdem wurde eine Kernpersonalie in der Nationalen Verteidigungskommission bestimmt. Nachdem Ri Yong-ho, der ehemalige Generalstabschef Nordkoreas im Juli überraschend abserviert wurde, ist es durchaus möglich, dass infolgedessen noch weitere personelle Umbesetzungen notwendig werden. Zwar war Ri selbst nicht Teil der Verteidigungskommission, aber nicht undenkbar, dass es da das eine oder andere Mitglied gab, das ihm zugerechnet wurde. Da die vorherige SPA ja vor dem Ende der Karriere Ri Yong-hos zusammengetreten war, ist es durchaus vorstellbar, dass man da noch Handlungsbedarf gesehen hat.

Morgen werden wir mehr über den aktuellen Status der Machtkonsolidierung wissen

Ich bin also gespannt, ob neben ordnungspolitischen Überlegungen auch Personalpolitik eine Rolle spielen wird, oder ob Personalien gar im Vordergrund stehen. Davon könnte man eventuell dann auch ablesen, wie weit das aktuelle Regime auf dem Weg der Machtkonsolidierung schon gekommen ist. Denn wenn man sich schon der Ordnungspolitik zuwendet, dann dürfte man wohl davon ausgehen, dass Gegner und Gefahrenherde im Zentrum des Regimes weitgehend kaltgestellt sind. Es wird also spannend morgen.

Nordkoreanisches Sommertheater: Die aktuelle Personalrochade unter dramentheoretischen Gesichtspunkten


Momentan gibt es ja jeden Tag was Neues aus Nordkorea, heute ist es die Ernennung Kim Jong Uns zum Marschall der Koreanischen Volksarmee. Damit positioniert er sich noch deutlicher als oberster Führer des Militärs und folgt außerdem einer guten alten Familientradition (Marschalle die nicht zur Kim Il Sung Blutlinie gehören sind sehr selten im Norden). Wenn man den ganzen Vorgängen in Pjöngjang aber so richtig zu folgen versucht, dann wird es einem fast schwindelig, denn mal ganz ehrlich. Erstens weiß man nicht, was wirklich passiert und zweitens sind die Informationen so vielfältig, dass man fast in jede Richtung argumentieren könnte.

Wider das Spekulationsobjekt Nordkorea

Daher fand ich es auch eigentlich ganz gut, eben diesen hervorragenden Kommentar in der NZZ zu lesen. Seine Kernaussage gibt dieses Zitat ganz gut wieder:

Was ist falsch daran, über Ereignisse zu berichten, ohne sie einzuordnen, wenn sie sich nicht oder noch nicht einordnen lassen? Spekulationen stören die Wahrnehmung und verstellen den Blick auf die Realität. Sie fördern die Projektion eigenen Wunschdenkens auf eine dafür ungeeignete Wirklichkeit. Die Politik sollte nicht die Gewohnheiten des Finanzmarktes übernehmen, wo Spekulation sozusagen zum Geschäftsmodell gehört.

Da hat der Autor so sehr recht (da hab ich mir eine Schwachsinnsphrase überlegt, oder? Entweder man hat recht oder nicht. Mehr oder weniger Rechthaben gibt es glaub ich nicht, oder?), dass ich dem eigentlich nichts mehr hinzufügen möchte.

Ein bisschen Spekulation beugt der Langeweile vor

Allerdings wäre das hier eine sehr dröge Veranstaltung, wenn ich nur die KCNA-Meldungen replizieren würde. Und irgendwie zwingt mich mein Ego auch dazu, meinen Senf in die Welt zu schießen. Daher werde ich hier auch in Zukunft nicht ganz ohne Spekulationen auskommen, allerdings werde ich sie auch in Zukunft als solche kennzeichnen und einzuordnen versuchen. Heute Morgen gab es nämlich noch etwas sehr interessantes aus der spekulativen Kategorie.

Die People’s Daily, das Organ des ZK der Kommunistischen Partei Chinas, hat heute eine Artikel gebracht, in dem über die Vorgänge in Pjöngjang spekuliert wird. Darin wird das Argument stark gemacht, dass die Politik Nordkoreas in den letzten Monaten in sich gegensätzlich gewesen sei und dafür werden zwei Faktionen verantwortlich gemacht. Einmal die Öffnungs- und Reformwilligen und einmal die Isolationisten, die mit Raketentests und der Vorbereitung  des Nukleartests, mit Drohungen und Provokationen gegen den Süden versuchen, die Pläne der Reformer, prominent ist hier die Annäherung gegenüber den USA im Vorfeld des Raketentests zu nennen, zu hintertrebien. Auf der Reformerseite steht Kim Jong Un und auf der Isolationistenseite hatte Ri Yong-ho eine prominente Stellung inne. Dass der jetzt weg ist, scheint nach Meinung des Autors ganz im Interesse Chinas zu liegen, dem ein eher reformerischer Kurs förderlicher zu sein scheint. Interessant finde ich das, weil man in China wohl etwas besser über die internen Vorgänge und auch Konflikte in Pjöngjang informiert sein dürfte, vor allem aber, weil in dem Artikel deutlicher auf eine wirtschaftliche Liberalisierung gedrängt wird, als das für gewöhnlich der Fall ist. So viel, zu soliden Spekulationen, jetzt zu abwegigen Spekulationen.

Ein großartig inszeniertes Stück…

Wie ich oben geschrieben habe, ist in Pjöngjang ja im Moment jeden Tag was neues und wenn man sich die Reihe der Ereignisse so anschaut, dann könnte man auf die Idee kommen, dass die Führung in Pjöngjang auch die aktuellen Vorgänge dramaturgisch durchchoreographiert hat. Denkbar, dass wir auch hier, ähnlich wie im Fall Ro Su-huis eine, Art politische Inszenierung auf höchstem politischen Parkett erlebt haben. Wie ich auf diese Idee komme? Das werde ich in der Folge kurz zu erklären versuchen.

Akt I (Exposition): Die Abberufung Ri Yong-hos

Die Abberufung Ris kam zwar, was die Prominenz und das Vorgehen des Opfers angeht unerwartet, stellte aber in ihrem eigentlichen Sachverhalt, nämlich das die Nachfolge Kim Jong Uns mit Personalveränderungen/Säuberungen einher gehen würde, einen erwartbaren Vorgang dar. Auf institutioneller Ebene war mit dem Politbüro des ZK der Partei (und dem Präsidium) die Parteiführung, aber nicht das Militär beteiligt. Die Abberufung warf mehr Fragen auf, als sie antworten gab und klärte vor allen Dingen nicht, wer der Nachfolger sein würde. Also quasi ein Cliffhanger, ein Aufrechterhalten der Spannung für den zweiten Akt.

Akt II (Katastase): Die Ernennung Hyong Yong-chols zum Vize-Marschall

Zwar waren für die Zeit nach Ri Yong-hos Entlassung weitere personelle Maßnahmen des Regimes erwartet worden, aber mit der Beförderung Hyong Yong-chols hätte wohl keiner gerechnet, weil ihn niemand auf dem Zettel hatte. Es wurde sozusagen ein völlig neuer Akteur aus dem Hut gezaubert und alle hatten nochmehr darüber nachzudenken, was da jetzt eigentlich passiert sei. Auf institutioneller Ebene kam jetzt auch das Militär ins Spiel. Die Entscheidung wurde gemeinsam von der Nationalen Verteidigungskommission und dem Zentralen Militärkomitee der Partei getroffen. Auch dieses Mal wurde ein Cliffhanger produziert, der aber noch mehr Spannung erzeugte, als der Vorgänger, denn weder waren die offenen Fragen zu Ri Yong-hos Abberufung bisher geklärt, noch wurden welche zu Hyong Yong-chols Berufung beantwortet. Es war also noch unübersichtlicher und noch spannender geworden.

Akt III (Klimax): Kim Jong Un wird zum Marschall ernannt

Auch hier wurde der geneigte Beobachter wieder überrascht. Man dachte, es geht hier um eine Volte in der Reihe 1b und jetzt kommt auch noch die 1a Persönlichkeit ins Spiel. Kim Jong Un, die prominenteste lebende Person (ein Grund dafür, dass man das als Höhepunkt bezeichnen kann) der nordkoreanischen Politik stellt sich als Marschall an die Spitze der militärischen Rangfolge (dafür war zu Kim Jong Ils Geburtstag im Februar Raum geschaffen worden, als Kim Jong Il posthum die Position des Generalissimus erhielt (so stellt sich der Sohn nicht anmaßend neben den Vater, sondern bleibt als Marschall hinter ihm zurück)). Allerdings ist damit nach wie vor nicht die Neubesetzung des Postens des Generalstabschefs verbunden, sondern nur eine formale Einordnung Kim Jong Uns an der Spitze (höher geht es nicht, also auch hier der „Höhepunkt“) der militärischen Hierarchie. Gleichzeitig zeigte sich aber auch im institutionellen Setting die Tatsache, dass wir hier die Handlungsspitze erreicht haben. Dieses Mal waren das Zentralkomitee der Partei, die Zentrale Militärkommission der Partei, die Nationale Verteidigungskommission und die Oberste Volksversammlung beteiligt. Kim Jong Un wurde also sozusagen aus der „single-minded-unity“ aus Partei, Militär und Volk zum obersten Verteidiger des Landes ernannt. Institutionell geht es eigentlich nicht mehr spektakulärer. Allerdings ist das Stück noch nicht ganz zuende gespielt, denn die Fragen, die in den vorherigen Akten aufgeworfen wurden, sind noch immer nicht vollbefriedigend beantwortet, es bleibt also Luft für weitere Akte.

…für Nordkorea und die Welt

Und weshalb sollte die nordkoreanische Führung eine solch theatrale Veranstaltung durchziehen? Vielleicht geht es um Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit von der eigenen Bevölkerung, der nochmal deutlich gemacht wird, wer an der Spitze steht und wer der wichtigste Mann im Staat ist, denn alles lief auf Kim Jong Uns Beförderung zu. Aber vielleicht auch Aufmerksamkeit der Welt: „Seht her, ich bin der neue Boss. Ich habe die Kontrolle und ich bin anders als mein Vater, denn ich lasse mir von keinem Militär was sagen.“ In diesem Zusammenhang könnte man die vielbesprochene westliche Symbolik und die interessante Frau als Prätext zu dem Stück lesen: „Ich bin auch offen für Neues und reformerisch drauf. Also beachtet mich und sprecht mit mir.“ Diese Botschaft hätte nicht so gut vermittelt werden können, wenn er sich ohne jedes Vorspiel als Marschall installiert hätte. Das wäre kaum mit Aufmerksamkeit bedacht worden. Es brauchte eine Inszenierung und jeder Menge Anlässe zum Spekulieren, sowie deren geschickte Verknüpfung, um das Augenmerk aller Welt auf die Person Kim Jong Un und auf die mögliche Neuheit in seinem Land zu lenken.

Fehlen noch zwei Akte

Handelt es sich also tatsächlich um eine großangelegte Inszenierung des Regimes? Keine Ahnung! Ist ja eh alles Spekulatius. Aber auf die Möglichkeit dieser Lesart wollte ich dann doch mal hingewiesen haben. Denn, wie gesagt, sonst wäre das ja alles ein bisschen dröge hier. Ihr könnt ja für euch selbst entscheiden ob ihr das für möglich sinnvoll haltet, oder ob es doch eher Quatsch ist. Achja, da fällt mir ein. Wer ein fünfaktiges Drama anfängt und schon beim dritten Akt ist, der muss sich auch damit beschäftigen, wie die Geschichte nach Aristoteles ausgehen wird. Für den fünften Akt ist nämlich für gewöhnlich die Katastrophe vorgesehen.

Aber vielleicht hat die Führung in Pjöngjang ja auch ganz richtig erkannt: Irgendwie ist das ganze Leben ja Theater. Und solange das Licht nicht ausgeht, spielt man am Besten einfach weiter…

Keine halben Sachen: Pjöngjang bringt Nachfolger für Ri Yong-ho in Stellung


Nachdem gestern das militärische und politische Schwergewicht Ri Yong-ho äußerst überraschend aus allen seinen politischen Ämtern entfernt wurde, während  bisher nicht bekannt gemacht wurde, dass er auch den Posten des Generalstabschefs verloren hat, scheint man sich in Pjöngjang daran gemacht zu haben, adäquaten Ersatz für ihn zu suchen. Noch gestern Abend wurde bekanntgegeben, dass das relativ unbeschriebene Blatt Hyon Yong-chol zum Vize-Marschall der Koreanischen Volksarmee ernannt (nicht zum neuen Armeechef, wie manche schreiben). Die Entscheidung sei gemeinsam von der Zentralen Militärkommission der Partei und dem Nationalen Verteidigungskomitee getroffen worden.

Hyon Yong-chol: Unbeschriebenes Blatt mit guten Perspektiven

Hyon, der im Rahmen der Parteikonferenz 2010, als Kim Jong Un der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, gemeinsam mit Kim in den Rang eines Vier-Sterne Generals befördert wurde, ist ansonsten bisher kaum in Erscheinung getreten. Er wurde 2010 Mitglied des Zentralkomitees der Partei und stand in der Liste des Begräbniskomitees für Kim Jong Il (diese Listen sind immer eine beliebte Methode, die Macht einer Person zu bemessen, je weiter vorn, desto mächtiger) an 77. Stelle (danke fürs Zählen C.R.!). Erstmals wurde Hyon 2009 als Delegierter der 12. Obersten Volksversammlung erwähnt. Jedoch kann man ansonsten in den nordkoreanischen Medien nichts weiter zu ihm finden. Er gehörte also auch nicht zu den Begleitern Kim Jong Uns bei seinen Truppenbesuchen und Vor-Ort-Anleitungen, was sonst oft als Gradmesser für die Karriereaussichten von Mitgliedern des Regimes gesehen wird. Das könnte aber damit zu tun haben, dass er laut North Korea Leadership Watch vermutlich das VIII. Armeekorps (keine Ahnung, ob das die richtige deutsche Bezeichnung ist) kommandiert hat. Das steht im Nordwesten des Landes u.a. an der chinesischen Grenze, ist also ein bisschen weg von Pjöngjang.

Neubesetzung formal noch nicht vollzogen

Zu bemerken bleibt allerdings, dass Ri Yong-ho bisher nicht offiziell aus seinen Armeeposten entfernt wurde und dass Hyon bisher offiziell nur einen Rang, nicht aber eine Position bekommen hat. North Korea Leadership Watch weist zurecht darauf hin, dass Personalwechsel innerhalb des Militärs mitunter erst Wochen nachdem sie stattgefunden haben auch publik werden, so war das zum Beispiel als Ri Yong-ho Generalstabschef wurde, also wäre es denkbar, dass wir erst in einige Zeit definitiv von dem Personalwechsel erfahren. Allerdings sind frühere Wechsel eigentlich immer mit wesentlich weniger Getöse abgelaufen und ich frage mich, ob es gegenüber der nordkoreanischen Öffentlichkeit (Militär und Bevölkerung) vertretbar ist, ein Vakuum, dass für alles sichtbar ist, unausgefüllt zu lassen (es ist eben etwas anderes, ob ein Soldat weiß oder nicht weiß, dass er gerade keinen obersten kommandierenden Offizier hat. Im Moment weiß er es.). Daher halte ich es nach wie vor nicht für unwahrscheinlich, dass Ri bald auch offiziell seines militärischen Amtes enthoben wird und Hyon ihm nachfolgt. Allerdings hätte ich gedacht, dass für diesen Akt die beiden Organe zuständig sind, die Hyon zum Vize-Marschall ernannt haben. Und warum hätten die das gestern nicht alles in einem Aufwasch erledigen sollen? Naja, mal abwarten.

Ähnlichkeiten zwischen Ri und Hyon: Keine Politiker

Generell habe ich gestern darauf hingewiesen, dass Ri Yong-ho seit 2009 (also als man sich für Kim Jong Un als Nachfolger entschieden hatte) relativ plötzlich in die erste Reihe des Regimes gespült worden war und dass es daher vielleicht etwas leichter gewesen sein dürfte, ihn auch wieder aus der ersten Reihe rauszunehmen, weil er nicht soviel Zeit hatte, sich Netzwerke aus Freunden und Abhängigen aufzubauen. Jetzt kommt Hyon Yong-chol ebenfalls aus dem relativen Nichts in die Spitzengruppe. Wie es scheint ist er zwar ein verdienter Militär (als Kommandant des VIII Korps) aber eben kein Politiker. Damit kommt wieder jemand nach Pjöngjang, der sich erstmal selbst etablieren und eine Basis aufbauen muss. Der daher wohl nicht so viel Zeit hat, in irgendwelchen Ränkespielen mitzumischen und der daher an der Spitze des Militärs für seine Umgebung keine große Gefahr darstellt. Gleichzeitig hat er wie Ri wohl den Vorteil, dass man ihn im Zweifel ohne allzugroße Gegenwehr loswerden könnte.

Kein Konflikt zwischen Institutionen sondern zwischen Familien?

Die große Frage hinter alldem ist natürlich nach wie vor, was wir da gestern gesehen haben. Ziemlich sicher ist, dass irgendwer über irgendwen triumphiert hat und dass es Konflikte in der Führung gibt, denen Ri zum Opfer gefallen ist. Alles Andere bleibt Spekulation. Allerdings habe ich gestern noch eine weitere interessante Richtung der Analyse von Rüdiger Frank gelesen. Er widerspricht der Überlegung, dass es einen Konflikt zwischen Militär und  Partei geben könne, da die Verbindungen so eng seien, dass eine Trennung schlicht nicht möglich sei (naja und er kennt sich gut aus). Er brachte vielmehr die Überlegung ins Spiel, dass es sich um einen Konflikt zwischen einigen der etwa 50 Familien handeln könnte, die den Machtkern des Regimes in Pjöngjang bilden.

Amtswechsel und Verteidigungsbereitschaft der Armee: Risiko oder Strategie?

Ganz abseits aller Spekulationen um Gründe, Hintergründe, Sieger und Verlierer, habe ich mir gestern noch eine eher militärstrategische Sache überlegt. Irgendwie kann es doch nicht wirklich gut für das Funktionieren einer Armee sein, wenn die Besetzung der höchsten Kommandoposten politisch getroffen wird. Wenn sich die Leute auf diesem Posten die Klinke in die Hand geben, dann ist es vermutlich schwieriger, reibungslose Abläufe in der Armee zu garantieren. Ich frage mich, was ein Soldat denkt, der ständig verteidigungsbereit gegen die Imperialisten sein soll, die im Süden stehen, wenn diese Verteidigungsbereitschaft von der Führung untergraben wird. Aber das scheint auch schon unter Kim Jong Il System gehabt zu haben. Der hat scheinbar gezielt immer wieder funktionierende Einheiten durcheinandergewürfelt und Kommandanten in andere Ecken des Landes versetzt um zu verhindern, dass Loyalitäten entstehen, die in Konkurrenz zur absoluten Loyalität gegenüber der Führung treten könnten. Vielleicht ist auch das der Gedanke hinter den aktuellen Entwicklungen.

Und Kim Jong Un?

Und was hat Kim Jong Un eigentlich während dieses doch sehr ungewöhnlichen Vorgangs gemacht? Keine Ahnung, aber am Tag davor hat er den Schmusebär gegeben, ein gutes Kontrastprogramm also. Er hat einen Kindergarten besucht und dort nach Herzenslust die Kinder geherzt und die Angestellten gelobt, dass es eine Freude war. Mit dabei war auch die mysteriöse Frau, über die alle spekuliert haben, bis es mit Ri Yong-ho ein noch besseres Spekulationsobjekt gab. Nachdem ich das Video überflogen habe, sieht es zumindest so aus, als sei sie Kim Jong Un sehr vertraut. Interessant zu beobachten ist auch, dass das nordkoreanische Protokoll bisher scheinbar keine wirklichen Vorkehrungen getroffen hat für die Begleitung des Führers durch eine Person, die nichts zu notieren hat, weil sie in einem andern Verhältnis zu ihm steht, als alle Anderen. Irgendwie war sie nämlich einen Großteil der Zeit damit beschäftigt, nicht am falschen Platz zu stehen. Sieht so aus, als würde sich der junge Kim zu einem richtigen Staatsmann entwickeln, butterweich und volksnah wenn möglich knallhart und gnadenlos wenn nötig (das würde ich jetzt mal als imagemäßigen Subtext destillieren).

Generalstabschef Ri Yong-ho entlassen — Läuft Kim Jong Uns Nachfolge doch nicht so glatt wie gedacht?


Bisher sah es ja so aus, als würde die Nachfolge Kim Jong Uns unglaublich glatt ablaufen und die gesamte Führung seines Landes voll und ganz hinter ihm stehen. Zwar gab es hin und wieder Gerüchte und Vermutungen über radikale Maßnahmen und „Säuberungen“, die hinter den Kulissen abgelaufen seien und weiter ablaufen würden, aber bestätigen ließ sich nichts davon und nach außen drang auch nichts.

Überraschende Entlassung

Heute Morgen nordkoreanischer Ortszeit gab die staatliche Nachrichtenagentur KCNA aber nun bekannt, dass Generalstabschef Ri Yong-ho aufgrund einer Krankheit von einem Treffen des Politbüros des Zentralkomitees der Arbeiterpartei all seiner (Partei-)Ämter enthoben worden sei:

Ri Yong Ho Relieved of All His Posts in DPRK

Pyongyang, July 16 (KCNA) — A meeting of the Political Bureau of the Central Committee of the Workers‘ Party of Korea was held on July 15.

Present there were members of the Presidium of the Political Bureau and members and alternate members of the Political Bureau of the WPK Central Committee.

The meeting dealt with the organizational issue.

It decided to relieve Ri Yong Ho of all his posts including member of the Presidium of the Political Bureau, member of the Political Bureau of the C.C., WPK and vice-chairman of the Central Military Commission of the WPK for his illness.

[Ri Yong-ho aus allen seinen Posten in der DVRK entlassen

Pjöngjang, 16. Juli (KCNA) — Am 15. Juli fand eine Versammlung des Politbüros des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Koreas statt.

Daran nahmen Mitglieder des Präsidiums des Politbüros und Mitglieder und Kandidaten des Politbüros des ZK der PdAK teil.

Die Versammlung betraf eine organisatorische Frage.

Es entschied Ri Yong-ho aufgrund seiner Krankheit aus all seinen Posten einschließlich der Mitgliedschaft im Präsidium des Politbüros, der Mitgliedschaft im Politbüro des ZK der PdAK und des stellvertretenden Vorsitzenden der zentralen Militärkommission der Partei zu entlassen.]

Solche plötzlichen Krankheiten sind bei Offiziellen in Nordkorea ja immer verdächtige Ereignisse, denn in der Vergangenheit wurden sie häufig vorgeschoben, wenn hochrangige Offizielle plötzlich aus ihren Ämtern entfernt wurden und von der Bildfläche verschwanden. Bei Ri Yong-ho ist der Verweis auf eine Krankheit allerdings besonders verdächtig. Sein letzter öffentlicher Auftritt ist erst eine gute Woche her und das letzte Foto von ihm, das ich gefunden habe datiert vom 6. Juli.

Ri Yong-ho am 6. Juli 2012 bei einem repräsentativen Termin. Zwar scheint er sich dabei nicht ganz wohl in seiner Haut zu fühlen, aber krank sieht er nicht aus.

In den letzten Wochen und Monaten sehr aktiv

Krank sieht er da jedenfalls nicht aus und insgesamt hat er in den letzten Monaten ein recht strammes Programm absolviert. Erst vor etwa zwei Monaten war er Teil der nordkoreanischen Charmeoffensive gegenüber den Staaten Südostasiens, als er eine Militärdelegation bei ihrem Besuch in Laos anführte, wo er die oberste Staatsführung traf und Ende April hatte er zu einem Militärjubiläum mit markigen Worten gegenüber den USA mit von sich reden gemacht. Ansonsten war er bei fast allen Besuchen Kim Jong Uns bei militärischen Einheiten an seiner Seite zu sehen und stand auch bei offiziellen Anlässen oft unmittelbar neben ihm, wobei ein gutes Verhältnis zwischen beiden bestanden zu haben schien. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Ri Yong-ho einer der acht Männer war, die Kim Jong Il auf dessen Beerdigungsumzug als „Sargträger“ das letzte Geleit gaben.

Der rapide Aufstieg Ri Yong-hos

Der Aufstieg Ris verlief in den letzten Jahren rapide. 2009 relativ überraschend zum Generalstabschef berufen erlangte er danach einige weitere wichtige Posten im Staat, wobei seine Mitgliedschaft im Sekretariat des Politbüros des ZK der PdAK sicherlich das wichtigste war. Dieses Gremium ist mit den fünf mächtigsten Männern im Staat besetzt (neben Kim Jong Un sind das Kim Yong-nam, Choe Yong-rim, Choe Ryong-hae). Es ist nicht abwegig, seinen Aufstieg mit den Vorbereitungen für die Nachfolge Kim Jong Uns in Verbindung zu bringen, denn sein Stern begann erst so richtig hell zu strahlen, als das Regime offensichtlich auch die Entscheidung gefällt hatte, Kim  Jong Un als Nachfolger Kim Jong Ils aufzubauen.

Bisher war ich davon ausgegangen, dass Ri Yong-ho einen sehr wichtigen „Flankenschutz“ bei Kim Jong Uns Aufstieg darstellen würde und dass er als ein absoluter Vertrauensmann für den jungen Diktator die ersten Jahre seiner Nachfolge absichern sollte. Seine mit 69 Jahren noch  relative Jugend hätte auch für solche Pläne gesprochen, denn wähend bei vielen anderen Spitzen des Regimes ein Ausscheiden aus Altersgründen (wie auch immer) absehbar ist, hätte er es locker noch zehn Jahre machen können.

Mögliche Hintergründe der Entlassung

Dass Ri gestern seiner Parteiämter enthoben wurde deutet ganz klar auf eine Planänderung hin. Und eine solche Planänderung deutet darauf, dass bei Kim Jong Uns Machtkonsolidierung eben doch nicht alles so läuft, wie das vorgesehen war. Allerdings ist noch anzumerken, dass Ri soweit ich das überblicke bisher nur seine Parteiämter verloren hat (auch wenn die Schlagzeile von KCNA anders klingt). Von seinem militärischen Amt als Generalstabschef war bisher nicht die Rede. Allerdings wäre es eine ganz schöne Überraschung, wenn es nicht in Kürze eine Mitteilung der Nationalen Verteidigungskommission gäbe, die Ris Demission auch aus diesem Amt verkündet (dann müsste man nochmal anfangen von vorne zu denken). Wenn er aber aus allen Ämtern entlassen werden solte, bzw. schon ist, sind hierfür verschiedene Erkläungen vorstellbar:

  • Selbst wenn es wirklich eine plötzliche schwere Erkrankung war, die Ris politisches bewirkte, war das sicherlich nicht so geplant und die Führung müsste sich schnell überlegen, wie sie den militärischen Flankenschutz des jungen Kim ersetzen würde. Allerdings halte ich dieses Szenario nicht für besonders erklärungsmächtig. Wahrscheinlicher ist es da schon, dass sein Ausscheiden politische Hintergründe hat. Hier sind wiederum mehrere Erklärungen denkbar.
  • Ri gilt als Hardliner (obwohl ich mich oft gefragt habe, woher man das so genau wissen will, aber seine Drohungen gegenüber den USA schließen solche Schlüsse jedenfalls nicht aus) und es ist nicht unmöglich, dass tatsächlich hinter den Kulissen ein Kampf zwischen Reformern und Betonköpfen ausgefochten wird, dessen prominentestes Opfer Ri nun war. Dazu passen könnten auch die sehr liberalen (Mickymaus und Rocky Anwandlungen, die man bei Kim Jong Un in den letzten Tagen beobachtet hat).
  • Eine ähnliche Stoßrichtung könnten Überlegungen über das angeblich weit ausgebreitete Beziehungs- und Abhängigkeitsnetzwerk von Kim Jong Uns Onkel Jang Song-thaek haben. Soweit ich das gelesen habe, wurde Ri Yong-ho nie wirklich zu den Leuten Jangs gezählt. Möglich also, dass Ri auf Betreiben der Familie entfernt wurde, weil er ihrem Einfluss als Machtpol entgegen stand.
  • Auch nicht undenkbar ist es, dass das aktuell Ablaufende Programm schon vorab so geplant wurde. Ri Yong-ho kam wie gesagt relativ überraschend in die absolute Führungsspitze des Landes. Er hatte sich dort also vorher kein großartiges Patronagenetzwerk aufgebaut und hatte jetzt erst knapp drei Jahre Zeit, dass nachzuholen (was ihn natürlich so und so für alle Widersacher angreifbarer machte). Vielleicht war gerade deshalb eine relativ schwache Figur in die Führung geholt worden, um ihn nachdem er die ersten Monate des Übergangs abgesichert hat, wieder loswerden zu können, ohne dass er sich auf eine allzu große Machtbasis verlassen könnte. Diese Überlegung würde nahelegen, dass Kim Jong Un eine ähnliche Machtsicherungsstrategie wie sein Vater verfolgt, die es auszuschließen versucht, dass alternative Machtpole  entstehen, die autonom von ihm agieren können. Wenn Kim Jong Un dem Militär nun einen neuen Vertrauensmann voranstellt, dann braucht der erstmal Zeit, um seinen Einfluss zu etablieren. Und so lange wird das Militär keine große Gefahr für die Führung darstellen und der junge Kim hat Zeit, seine eigene Basis weiter zu stärken.
  • Damit Verbunden ist die Überlegung, die bei jeder Säuberung eine Rolle spielt. Der Hinweis an alle, dass niemand sich zu scher fühlen sollte und dass bei Aktivitäten, die nicht im Sinne der Führung sind, jeder angreifbar ist.
  • Eine weitere Erklärung für die Entlassung könnte aber auch schlichte Unzufriedenheit mit seiner Arbeit sein. Immerhin war der Satellitenstart im April gescheitert, was bei Kim Jong Un sicherlich nicht für Zufriedenheit gesorgt hat, vor allen Dingen, weil dafür eine gute Aussicht auf eine Annäherung mit den USA aufegegben wurde. Dieser Vorgang hatte ja schon zuvor Überlegungen geweckt, dass innerhalb der Führung ein Richtungsstreit über die außenpolitische Linie existieren könnte. Dabei könnten die Isolationisten mit dem Satellitenstart zwar einen Erfolg davongetragen haben, der aufgrund des Scheiterns des Starts aber die Führung nicht überzeugen konnte. Die Entlassung Ris könnte somit auch eine Folge dieser Vorgänge sein.

Im Endeffekt können wir vorerst einfach nicht wissen, was die Hintergründe der Entlassung des Generalstabschefs sind. Ich kann fürs Erste nur raten, nicht jedem Gerücht hinterherzulaufen, dass südkoreanische und japanische Medien aus Geheimdienst- und irgendwelchen anderen ominösen Quellen zurechtspinnen, sondern einfach zu beobachten, was aus Nordkorea für Signale kommen.

 Watchlist

In der nächsten Zeit gilt es hinsichtlich dieses Sachverhalts daher einige Dinge im Auge zu behalten:

  • Wird Ri Yong-ho bald (heute oder morgen) auch offiziell seines Postens als Generalstabschef enthoben?
  • Werden schnell Maßnahmen für die Neubesetzung der vakant gewordenen Posten getroffen (das militärische Amt ist dabei wahrscheinlich drängender, als die Parteiposten, die ruhig ein paar Wochen oder Monate unbesetzt bleiben können?
  • Wer folgt ihm nach? Eine etablierte Kraft (Kim Jong-gak vielleicht?) oder wird wieder ein eher „schwacher“ Vertreter aus dem Hut gezaubert?
  • Folgen in den nächsten Tagen und Wochen weitere Personalveränderungen (vor allem Demissionen oder plötzliche Todesfälle)? Südkoreanische Medien werden mit Sicherheit über sowas berichten, aber ist das wahr?
  • Verschwindet Ri ganz von der Bildfläche, oder sieht man ihn nochmal?
  • Wie entwickelt sich die große politische Linie des Landes? Sind weitere Zeichen erkennbar, die auf eine Art Liberalisierung und Öffnung hindeuten oder gibt es ein Weiter so?
  • Was besichtigt Kim Jong Un? Nachdem er sich zum Anfang seiner Diktatorenkarriere fast ausschließlich auf militärische Einrichtungen beschränkt hat, standen in den letzten Wochen fast nur soziale und öffentliche Einrichtungen auf dem Programm. Zu erwarten wäre jetzt wieder eine stärkere Konzentration auf das Militär.

Insgesamt ist wie immer vor allem das interessant, das irgendwie ungewöhnlich und „nicht passend“ scheint. Man kann im Voraus nicht wirklich wissen, was das alles sein kann, aber wenn man es sieht, dann merkt man es schon. Also Augen auf in der nächsten Zeit, es könnten man wieder interessante Zeit bevorstehen.

Zum Weiterlesen

North Korea Leadership Watch

Yonhap

KBS (Deutsch)

Ria Novosti

AP

Xinhua

Eine schwierige diplomatische Dreiecksbeziehung: Werden die Karten zwischen den USA, Südkorea und Nordkorea neu gemischt?


Ende dieser Woche fanden in New York Track-II-Gespräche (informelle Veranstaltungen, bei denen hinter verschlossenen Türen Meinungen und Standpunkte ausgetauscht werden und die so zur Vertrauensbildung und Konfliktlösung beitragen sollen) statt, bei denen teils hochrangige Vertreter aller an den Sechs-Parteien-Gespräche um die Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel beteiligten Staaten zusammenkamen. Die beiden Koreas hatten mit Ri Yong-ho (Nord) und Lim Sung-nam (Süd) ihre Chefunterhändler bei den Sechs-Parteien-Gesprächen entsandt. Aufgrund der jüngsten Annäherung zwischen den USA und Nordkorea wurde vielfältig erwartet oder gehofft, dass sich auch die innerkoreanische Atmosphäre verbessern würde, obwohl Nordkorea jüngst durch sehr aggressive Rhetorik gegen den Süden auffiel.

 Nordkoreas Vertreter provozierten ihre Kollegen aus dem Süden…

Und diese aggressive Rhetorik passt gut mit dem zusammen, das dann bei der Veranstaltung geschah (die neben der Syracuse University auch von der deutschen Friedrich Ebert Stiftung organisiert worden war). Ri Yong-ho, der Vertreter Nordkorea wehrte nämlich berichten zufolge alle Annäherungsversuchen seines südkoreanischen Kollegen ab und ließ sich noch nicht einmal dazu bewegen, mit Lim an einem Tisch Platz zu machen, was von der Korea Times als gezielter Affront Ris gesehen wurde, da die Ablehnung vor den Augen einiger Teilnehmer der Veranstaltung geschah. Also gab sich Nordkoreas Vertreter auch hier Mühe, Südkorea auf Distanz zu halten und gleichzeitig noch ein bisschen zu provozieren. Scheinbar war aber auch die südkoreanische Seite nicht gerade lammfromm, denn es wird berichtet, dass Seoul im Vorfeld versuchte Ri Yong-hos Teilnahme zu verhindern, indem man gegenüber Washington dafür eintrat, ihm kein Visum zu erteilen.

…und gingen auf Kuschelkurs mit den USA

Nun war es aber nicht so, dass Pjöngjang komplett die beleidigte Leberwurst spielte. Vielmehr zeigte man sich durchaus Gesprächsbereit. Nur eben nicht gegenüber Südkorea. Mit Senator John Kerry, dem Vorsitzenden des Komitees für Außenbeziehungen des US-Senats (vielleicht erinnert ihr euch auch noch an ihn als Präsidentschaftskandidat der Demokraten im Jahr 2004) hatte Ri Yong-ho eine Unterhaltung, bei der er erklärte, Nordkorea wolle eine andere (bessere) Beziehung zu den USA und würde zu den gemachten Zusagen stehen.

Klare Hinweise: Nordkorea fährt zweigleisig…

Und damit sind wir wieder bei dem, über das ich schonmal kürzlich geschrieben habe. Bei Nordkorea sehr unterschiedlicher Politik gegenüber Südkorea und den USA. Während man sich gegenüber Washington kompromissbereit zeigt und auf „Schmusekurs“ geht, wird Südkorea links liegen gelassen und durch allerlei Nadelpieksereien gereizt. Das sieht mir doch sehr nach dem Versuch aus, die Allianz der beiden ein Stück weit auseinander zu dividieren. Zwar macht US-Außenministerin Clinton deutlich, dass es niemandem gelingen würde, einen Keil zwischen die Partner zu treiben:

I want to be very clear: Any effort by anyone to drive a wedge between the United States and the Republic of Korea will fail.

…Erfolgreich?

Jedoch macht man sich beispielsweise in einem Kommentar der Korea Times bereits Sorgen, dass genau dies passieren wird. Die Kritik richtet sich dabei (wie ich finde bemerkenswerterweise) nicht gegen die USA, sondern in recht deutlichen Worten an Südkoreas Präsidenten Lee Myung-bak, dessen Nordkorea-Politik als gescheitert beschrieben wird. Die USA betrieben eine Politik, die ihren Interessen entspräche und Präsident Lee sei nicht gut damit beraten sich darauf zu verlassen, dass die USA die Allianz mit Südkorea über die eigenen Interessen stellten. Als Beleg für die langsame Distanzierung der USA von Südkorea wird die Tatsache beschrieben, dass in den Vereinbarungen zwischen Pjöngjang und den USA keine Forderung nach verbesserten Beziehungen Nordkoreas zum Süden enthalten sei.

Risse im Bündnis und die Frage nach der Verantwortung

Alles in Allem wird es immer deutlicher, dass Pjöngjang momentan versucht, die Allianz zwischen Seoul und Washington zu manipulieren und beide Seiten auseinanderzudividieren. Und scheinbar bleibt das Ganze nicht ohne Wirkung. Aus den USA kommen nur Solidaritätsbekundungen, aber keine handfesten Maßnahmen wie es beispielsweise ein entsprechender Passus über eine Beziehungsverbesserung zwischen Süd- und Nordkorea in der Vereinbarung zwischen Pjöngjang und Washington dargestellt hätte. Gleichzeitig wird die Südkoreanische Öffentlichkeit langsam nervös, denn es steht zu befürchten, dass die USA künftig nicht mehr den hundertprozent verlässlichen Bündnispartner darstellen werden, der sie Seoul in den letzten drei Jahren waren. Tatsächlich liegt man wohl nicht falsch, wenn man Lee Myung-bak dafür ein großes Maß an Verantwortung zuschreibt. Denn durch seine absolut kompromisslose Position im Umgang mit Nordkorea, der sich die USA aus Bündnisdisziplin anschloss, kam es seit seinem Amtsantritt zu einem fast vollständigen diplomatischen Stillstand. Dass Washington nicht bereit sein würde, dem unbegrenzt zu folgen, ist nun keine große Überraschung.

Eine diplomatische Dreiecksbeziehung

Daher verdient diese zentrale diplomatische Dreiecksbeziehung in der nächste Zeit noch größere Aufmerksamkeit, als ihr ohnehin schon entgegen gebracht werden sollte:

  • Zeigen sich weitere Absetzbewegungen der USA von Südkorea, bspw. indem die USA den Bedürfnissen Seouls im Umgang mit Pjöngjang nur noch eine niedrige Priorität einräumen?
  • Wird die Regierung Lee ihre Haltung gegenüber Pjöngjang zum Ende ihrer Amtszeit noch kompromissbereiter gestalten und sich so wieder der Position der USA nähern?
  • Wird Pjöngjang weiterhin versuchen, die Allianz zu sprengen, oder versucht man Seoul nur ein bisschen weichzukochen, um vielleicht Konzessionen Seouls zu erreichen?

Wie gesagt. Die Zeiten sind interessant und in diesem Jahr könnten einige wichtige Weichen gestellt zu werden. Wir werden abwarten was passiert.

„Kim Jong Il wäre zufrieden gewesen“ — Kim Jong Uns erste Vor-Ort-Anleitung


Das nenne ich mal nahtlos! Kaum ist Kim Jong Il feierlich unter die Erde (bzw. ins Mausoleum) gebracht, macht Kim Jong Un genau da weiter, wo sein Vater aufgehört hat. Heute hat er seine erste (öffentlich gemachte) Solo-Vor-Ort-Anleitung gegeben. Was auffällt: Es bleibt alles anders.

Bleibt alles…

Am Skript hat sich nichts geändert und die Fotos sind eigentlich auch die Gleichen geblieben:

Kim Jong Un leitet an

Kennt ihr die Geste? Scheinbar hat der Rhetorik-Trainer seinen Job behalten...

Kennt ihr die Gruppenfotos? Die Ästhetik bleibt gleich...

Kennt ihr die Notizbücher? Scheinbar hat Kim Jong Un gewichtiges zu sagen, wie sein Vater.

Eine Entourage hat er auch dabei gehabt. Unter anderem waren Ri Yong-ho, Jang Song-thaek und Kim Jong-gak, die ihm schon beim Sargtragen geholfen haben, mit von der Partie. Es wird interessant zu beobachten sein, wer ihn in der nächsten Zeit begleiten wird. Aus diesem einen Anlass kann man noch wenig folgern. Trotzdem interessant.

Wer den Text der Meldung liest, dem wird auffallen, dass sie von Struktur und Inhalt ziemlich genau dem Folgt, das sonst auch in solchen Berichten stand.

…anders

Wer die Fotos genau betrachtet, dem wird nicht entgehen, dass sie nur fast gleich sind, denn es ist eben nicht Kim Jong Il, der da steht, sondern ein junger Mann, der den alten Militärs mit belehrenden Gesten Dinge erklärt. Dass das nicht dasselbe ist, das weiß natürlich jeder. Daher hat man zu einem pfiffigen Kniff gegriffen und lässt Kim Jong Un als den Ausführer des Willens und der Ideen Kim Jong Ils agieren. Bei dem was er laut dem Bericht gesagt hat, beruft er sich eigentlich immer auf Kim Jong Il. Am schönsten kommt das wohl beim folgenden Satz zum Ausdruck:

Asking in detail about the use of computers in the e-library, he said how Kim Jong Il would have been pleased, if he had looked at them.

[Sich detailliert über die Nutzung von Computern in der e-Bibliothek informierend, sagte er, dass Kim Jong Il zufrieden gewesen wäre, wenn er das gesehen hätte.]

Damit wird wohl auch ein bisschen die „Legitimierungsroute“ für den jungen Kim für die nächste Zeit klar. Er wird die Dinge, die er in seiner Zeit mit seinem Vater von ihm gelernt hat erstmal quasi stellvertretend umsetzen. Er agiert also irgendwie nicht selbst, sondern sein Vater handelt durch ihn. Damit muss er sich dann vorerst auch nicht rechtfertigen, denn er führt ja nur den Willen Kim Jong Ils aus.

Beobachtungsliste

Wie gesagt. Es wird sehr interessant zu beobachten sein, was der junge Kim in nächster Zeit zu solchen Anlässen sagt, wen er dabei hat und wo er hingeht. Mal sehen, ob er vielleicht irgendwann doch vom Drehbuch für die perfekte Vor-Ort-Anleitung abweichen wird…

Irgendwie dachte ich kürzlich an das Lied. Passt irgendwie:

Die nächsten Tage und Wochen in Nordkorea: Bleibt das Regime stabil oder kollabiert es — Die wichtigsten Aspekte


Der relativ plötzliche, wenn auch nicht vollkommen unerwartete Tod Kim Jong Ils sorgt in aller Welt für Besorgnis und Unsicherheit und das nicht vollkommen zu Unrecht, denn so viel Unklarheit über die Zukunft des Landes, das schon unter der Führung Kims oft für Außenstehende unberechenbar agierte, gab es schon sehr lange nicht mehr (zumindest seit dem Tod Kim Il Sungs 1994, des Vaters Kim Jong Ils). Da sich Nordkorea in der Vergangenheit auch nach außen immer wieder aggressiv gezeigt hatte, erst im vergangenen Jahr durch den Beschuss der südkoreanischen Insel Yonpyong und (vermutlich auch) die Versenkung der (ebenfalls südkoreanischen) Fregatte Cheonan für Kriegsangst gesorgt und gerade in jüngster Zeit wieder massive Drohungen gegen Südkorea ausgestoßen hatte, besteht mit Kims Tod nicht nur ein Risiko für die Stabilität des kommunistischen Staates, sondern für die ganze Region. Daher ist es sinnvoll, einmal zu überlegen, welche Faktoren sich in der näheren Zukunft auf die Stabilität des Regimes in Pjöngjang, dem nun zumindest nominell Kim Jong Un vorsteht, auswirken können.

Innere Stabilität: Kim Jong Uns Nachfolge

Kim Jong Un wurde zwar offenbar als Nachfolger Kim Jong Uns benannt, doch das allein reicht natürlich nicht, um das Regime stabil zu halten. Entscheidend ist vor allem, ob ihm die Eliten auf oberer und mittlerer Ebene auf diesem Weg folgen und ob das Volk ebenfalls stillhält. Daher will ich mir diese drei Gruppen mal kurz anschauen.

Hält das Regime von oben zusammen?

Viele Beobachter befürchteten in der Vergangenheit, dass die Staatspitze Nordkoreas nach dem Tod Kim Jong Ils auseinanderbrechen könnte. Während er das Land seit Jahren mit eiserner Faust regierte und auch Mitglieder der obersten Führung bei illoyalem Verhalten (oder wenn sie im Weg waren) nicht vor Verfolgung sicher waren, ist unklar, ob Kim Jong Un bereits einen Status im Regime erreicht hat, der es ihm erlaubt, ähnlich wie sein Vater früher zu agieren. Kim Jong Il wurde von seinem Vater Kim Il Sung über Jahrzehnte hin systematisch für seine Nachfolge vorbereitet und konnte sich die Strukturen seinen Bedürfnissen entsprechend nach und nach formen. Kim Jong Uns Vorbereitungszeit begann dagegen vermutlich erst 2008 intensiv, nachdem Kim Jong Il vermutlich einen schweren Schlaganfall erlitten hatte und für Monate außer Gefecht war. In den vergangenen Jahren wurden zwar viele personelle und strukturelle Veränderungen an der Struktur des Regimes vorgenommen, um den Boden für Kim Jong Un zu ebnen, jedoch war die Zeit dazu recht kurz und es lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ob alle Mächtigen des Regimes loyal zu Kims Sohn stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte es zu inneren Konflikten in der Führung kommen, die einen langsamen oder schnelleren Zusammenbruch des Regimes bewirken könnten. Jedoch sind an absoluten Schlüsselstellen Männer wie Ri Yong-ho, der Generalstabschef des Militärs, Jang Song-thaek, der Mann von Kim Jong Ils Schwester Kim Kyong-hui, der stellvertretender Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission (das mächtigste militärische und außenpolitische Steuerungsorgan) war und Kim Jong Il als Vorsitzender nachfolgen dürfte und Kims Schwester Kim Kyong-hui installiert (es gibt noch mehr wichtige Stellen, die in den letzten Jahren neu besetzt wurden, was wohl heißt, dass loyal zu Kim Jong Un stehende Menschen dort sitzen), so das mit einem auseinanderbrechen an der Spitze nicht zu rechnen ist. Auch die Tatsache (nicht ganz sicher aber fast), dass Jang Song-thaek die Amtsgeschäfte während Kim Jong Ils Krankheit 2008 führte deuten auf eine Stabilität des Regimes von oben.

Unsicherheit mittlere Führungs- und Verwaltungsebene

Etwas unsicherer und noch schwieriger zu überschauen stellt sich die Situation auf mittlerer Führungs- und Verwaltungsebene dar. Um das Regime weiterhin stabil zu halten genügt es nicht nur, dass der exekutive Apparat in Pjöngjang einheitlich agiert und zusammenhält. Es ist auch notwendig, dass die Militärs, Beamten und Parteikader in der Fläche, das heißt in den Provinzen die Befehle aus Pjöngjang umsetzen und das Regime nicht zu einem Tiger, der zwar einen Kopf aber keinen Körper hat, machen (mir fällt da die Assoziation „Papiertiger“ ein). Sollte eine solche Situation eintreten, dann kann das Regime nicht mehr auf Schwierigkeiten in den Provinzen reagieren und es sind sogar bürgerkriegsähnliche Szenarien denkbar (wenn bspw. einzelne Militäreinheiten den Gehorsam einstellen oder sich sogar gegen Pjöngjang richten). Die Gefahr, dass die Kontrolle der Provinzen nicht mehr vollständig funktionieren könnte schätze ich höher ein, als die Möglichkeit einer Erosion von oben. Die Zeit der Vorbereitung für die Nachfolge war recht kurz und es ist möglich, dass zwar an der Spitze, nicht aber in der Breite loyale Kader installiert werden konnten. Auch sind durch den vermehrten Schwarzmarkthandel mit China nahe der Grenze durch Korruption möglicherweise parallele Loyalitäten und Strukturen entstanden, die nun auf eigene Kappe agieren möchten. Alles in allem ist dieses Feld aber wie gesagt kaum zu überschauen.

Die Bevölkerung: Weiter im Griff von Hunger und Angst?

Gerade die Ereignisse des Arabischen Frühlings lassen vermutlich viele darüber nachdenken, ob nicht ähnliche Entwicklungen auch in Nordkorea möglich wären. Vorerst ist wohl mit einem breiten Volksaufstand nicht zu rechnen. Die Kontrolle des Regimes über die Bevölkerung ist noch immer sehr weitreichend. Es gibt keine Bewegungsfreiheit und kaum unabhängige Informations- und Kommunikationskanäle. Außerdem ist die Bevölkerung aufgrund der angespannten Nahrungsmittelsituation einerseits mit dem alltäglichen Überleben beschäftigt, andererseits dürfte auch die Angst vor Verfolgung allgegenwärtig sein. Unruhen in der Bevölkerung wären mit dem zuvor genannten Aspekt, der Erosion aus der mittleren Führungsebene denkbar. Vor allem an der chinesischen Grenze, wo Kommunikation und Information etwas unabhängiger möglich sind, könnte die Bevölkerung aufbegehren. Allerdings dürfte sich auch Pjöngjang dessen bewusst sein und gerade hier den Griff festigen.

Zerfall des Regimes vorerst unwahrscheinlich

Vorerst dürften aber die vorbereiteten Pläne überall im Land greifen und dafür sorgen, dass das Regime seine Stabilität wahrt. Allerdings ist dies nicht mit Sicherheit zu sagen. Vor allen Dingen gibt es auch noch einige andere Faktoren, die sich nachhaltig auf das Regime auswirken könnten. Und die sind kurzfristig vor allem im Agieren der befreundeten, wie der verfeindeten Staaten in der Umgebung zu sehen.

Gefahren von Außen: Nordkoreas Gegner

Viele Regierungen in aller Welt, aber vor allem die in Washington, Seoul und Tokio dürften diesen Moment einerseits erhofft, andererseits aber auch gefürchtet haben, denn die aktuelle Situation zeichnet sich aus durch ein extrem hohes Maß von Unsicherheit und Unberechenbarkeit. Einen gewissen Einfluss können sie dabei auf jeden Fall auf die Stabilität des Regimes haben und auf die Stabilität Pjöngjangs sowohl förderlich als auch schädlich einwirken. Letzteres ist kurzfristig mit einem hohen Risiko verbunden, während ersteres die große Gefahr des „weiter so“ mit sich bringt. Ich werde daher einen kurzen Blick auf die Optionen der drei Hauptgegner Pjöngjangs werfen.

Südkorea

Vor allem Südkoreas Präsident Lee Myung-bak steckt wohl jetzt in einem „Gewissensdilemma“. Er hat in den letzten Jahren eine sehr harte Politik gegenüber Pjöngjang verfolgt und vieles getan, um das Regime in Pjöngjang unter Druck zu setzen. Jedoch ist ihm ein echter „Wirkungstreffer“ nicht gelungen. In den letzten Monaten waren auch aus seiner Partei, der GNP Stimmen zu hören, die für eine veränderte Linie gegenüber Pjöngjang plädierten und wieder eine kooperativere Linie forderten. Zum aktuellen Zeitpunkt könnte es Lee Myung-bak jedoch tatsächlich gelingen, einen schweren Schlag gegen Pjöngjang zu führen, beispielsweise indem er eine Propagandaoffensive starten würde (vermutlich sind diverse Gruppen schon ihre Luftballons mit „Infomaterial“ am bestücken und hoffen auf ein Ok) oder diplomatisch in die Offensive ginge (das Regime ist in Unordnung und man weiß nicht, ob in einem solchen Fall Befehls- und Informationswege zusammenbrechen würden) und beispielsweise Gespräche etc. anböte. Das alles könnte für das Regime zusätzlichen Stress bedeuten und innere Risse noch vertiefen. Die Frage ist nur, ob das auch im Interesse Seouls wäre, denn es müsste auch mit den Folgen eines Regimekollapses klarkommen, was kurzfristig die Gefahr eines inneren oder nach außen gerichteten militärischen Konflikts mit sich brächte. Außerdem bestünde die Gefahr ungesteuerter Proliferation und vor allen Dingen würde ein Regimezusammenbruch wohl unkontrollierbare Flüchtlingsströme bewirken, die Südkorea und andere umliegende Länder unmittelbar betreffen und destabilisieren könnten. Mittelfristig wäre eine Wiedervereinigung vermutlich eine unglaubliche Belastung für Seoul und würde die Wirtschaft des Landes wegen kaum absehbarer Kosten in der risikobehafteten Weltwirtschaftslage weiter schwächen. Daher muss Seoul wohl oder übel die Füße still halten und versuchen, Stress von Pjöngjang fernzuhalten.

Die USA

Grundsätzlich ist die Situation der USA ähnlich der Seouls, jedoch wäre Washington von den möglichen direkten humanitären wie militärischen Auswirkungen eines Regimekollapses in Pjöngjang wesentlich weniger betroffen. Allerdings ist Seoul einer der wichtigsten Verbündeten in der Region und dürfte in der aktuellen Lage das strategische Vorgehen bestimmen. Ein sehr interessanter Aspekt hinsichtlich der USA ist, dass man am vergangenen Freitag einen  Deal mit Nordkorea ausgehandelt hatte, der das Einfrieren des nordkoreanischen Uranprogrammes versprach, wofür die USA im Gegenzug umfangreiche Nahrungsmittelhilfen versprochen haben und weitere Verhandlungen in Aussicht stellten. In diesem Prozess können die USA nun einhaken und versuchen, in dieser frühen Phase Einfluss zu nehmen (die Ähnlichkeit zum Tod Kim Il Sungs, als währende bis kurz nach seinem Scheiden das Genfer Rahmenabkommen (ein Abkommen, dass damals (mit wenig nachhaltigem Erfolg) das Ende des nordkoreanischen Nuklearprogramms besiegeln sollte) vereinbart wurde, ist erstaunlich) während auch Pjöngjang versuchen könnte, aus der veränderten Lage Profit zu schlagen. Es wird spannend zu beobachten sein, was hier passiert.

Japan

Japan wäre zwar von Flüchtlingsströmen aus Nordkorea nur marginal betroffen, sieht sich aber von nordkoreanischen Raketen bedroht. Generell hat das Land, das immernoch mit den Folgen des verheerenden Tsunamis und der Nuklearkatastrophe kämpft und dessen politisches System mit alljährlichen Regierungswechseln alles andere als Stabil wirkt, aktuell vermutlich ein starkes Interesse an Stabilität in der Region. Darauf deutet auch das unmittelbare Kondolieren gegenüber Pjöngjang hin. Auch könnte sich Japan mittelfristig von einem vereinigten und stärkeren Korea bedroht sehen und könnte daher am Erhalt eines stabilen Status quo interessiert sein. Vermutlich verhält man sich in Tokio sehr still und agiert höchstens in enger Absprache mit Seoul und Washington. Solche Absprachen werden ohnehin in den nächsten Tagen zwischen den dreien die Regel sein.

Eine Chance für die Feinde, aber eine zu riskante

Vermutlich werden die drei verbündeten aus den wirklich unglaublich schlechten Optionen die ihnen momentan zur Verfügung stehen die Beste wählen und sich sehr stark zurückhalten. Man will Pjöngjang nicht provozieren, was man durch Propagandaaktivitäten oder ähnliches definitiv bewirken könnte. Einzig der Versuch, sich dem neuen Regime schon in der Anfangsphase zu nähern könnte eine Möglichkeit sein. So wäre vielleicht ein teilweise-Neustart der Beziehungen möglich und man wäre besser über Vorgänge im Land informiert.

Gefahr oder Chance von Außen? Die Freunde

Sowohl zu China als auch zu Russland haben sich die Beziehungen Nordkoreas in den vergangenen Monaten bis Jahren sehr vertieft. Kim Jong Il besuchte China mehrmals und Russland erst vor einigen Monaten. Beide Staaten können nun extrem dazu beitragen, das Regime in Pjöngjang zu stützen, zumindest China hielte aber vermutlich auch einen Dolch in der Hand, mit dem er Pjöngjang den Todesstoß versetzen könnte.

Russland

Russland hat das Regime in Pjöngjang vor allem im letzten Jahr stark unterstützt. Es lieferte umfangreiche Nahrungsmittelhilfen und vereinbarte mit Kim Jong Il einige Deals, die die Wirtschaft des Landes zukünftig stärken und besser in den internationalen Handel einbinden könnten. In den vergangenen Jahren hielt Russland darüber hinaus zusammen mit China in der UN oft eine schützende Hand über Pjöngjang und wurde im diplomatischen Feld zunehmend aktiv. Der politische Einfluss ist zwar bisher begrenzt, aber gerade in dieser Situation könnte Moskau versuchen die Chance zu ergreifen und sich Zugang zu wertvollen Rohstoffreserven und Durchgangsrouten nach Seoul, sowie weitere Vorteile hinsichtlich der SWZ in Rason zu verschaffen. In diesem Zusammenhang wäre ein vertiefter politischer Einfluss denkbar. Russland hat wohl kaum Möglichkeiten schädigend auf die Regimestabilität einzuwirken, es könnte dem Regime jedoch eine bedeutende Stütze sein, wenn Moskau so entschiede.

China

China ist einer der — wenn nicht der — Schlüsselakteure. Würde China nun die Grenzen für Flüchtlinge und Helfer öffnen, seine wirtschaftlichen Unterstützungen für Pjöngjang stoppen und möglicherweise südkoreanische Agenten sowie Hilfsorganisationen uneingeschränkt im Grenzgebiet agieren lassen, dann würde dies zumindest in den Grenzregionen für starken Unfrieden sorgen. Würde es dann noch signalisieren, dass Kim Jong Un nicht die Gunst Pekings habe, könnte auch die Spitze in Unruhe geraten. Das Alles könnte zuviel für das Regime sein. Allerdings hätte China einen Bedeutenden Teil der Folgen zu tragen. Unmittelbare Folge wären massive Flüchtlingsströme, die die Stabilität im Land, um die es, wie das Beispiel Wukan zeigt ohnehin nicht bestens bestellt ist, weiter beschädigen könnten, was Peking nicht recht wäre. Außerdem fände auch China es nicht gut, wenn die Nuklearen Anlagen und Waffen Pjöngjangs außer Kontrolle einer Regierung gerieten. Vor allen Dingen wäre China ein wiedervereinigtes Korea, in dem US-Truppen möglicherweise bis an die Grenze zu China vorrücken würden (die Beziehungen beider Länder haben sich in den letzten Jahren eher verschlechtert), wohl ein Dorn im Auge. Kurz, China kann nicht an einer unkontrollierbaren Lage interessiert sein. Allerdings könnte auch China unter den aktuellen Bedingungen versuchen, mehr Zugriff auf die Führungsspitze und ihre Entscheidungen zu bekommen und den unangenehmen Verbündeten, der China immer wieder bei wichtigen Entscheidungen (wie Atomtests) nicht informiert hatte und damit für Verstimmung gesorgt hatte, besser zu kontrollieren. Das könnte bis zu direkter Einflussnahme auf die Führung reichen, allerdings sind viele Führungspersönlichkeiten in Pjöngjang alte Hasen und haben sich zusammen mit der Kim Familie schon seit Jahrzehnten einem allzu direkten Zugriff der großen Nachbarn entzogen. Interessant wird auch zu beobachten sein, ob China seine Truppen in der Grenzregion massiv verstärkt. Dies könnte darauf hindeuten, dass man mit einer Krise rechnet und sich eventuell sogar für einen Einsatz im Nachbarland (aber wohl nur als absolutes Notfallszenario) vorbereitet. Ansonsten wird China vermutlich versuchen, die Lage ruhig zu halten und den Übergang zur neuen Spitze positiv zu begleiten und vielleicht sogar zu beeinflussen.

Die Freunde bleiben Freunde — Nur, bleiben sie Kim Jong Uns Freunde?

Es ist zu erwarten, dass die beiden Hauptverbündeten Pjöngjangs versuchen werden, Nordkorea weiterhin stabil zu halten und dass sie daher versuchen werden, dem Land eher unter die Arme zu greifen. Ein Fragezeichen bleibt nur hinter ihrer Unterstützung von Kim Jong Un. Beide könnten verführt sein zu versuchen, ihren Einfluss in der aktuellen Phase, in der vieles in Bewegung gerät, zu vermehren und dazu auf anderes Personal als Kim Jong Un zurückzugreifen, oder den Jungen zum Statthalter zu machen. Allerdings unterlägen auch solche Manöver einem innewohnenden Risiko für die Stabilität des Landes. Daher wird man sich vermutlich vorerst zurückhalten bzw. aufs „Helfen“ beschränken und versuchen in der Konsolidierungsphase verstärkt Einfluss zu nehmen.

Fazit: Vorerst stabil

Vermutlich reichen die inneren Vorbereitungen des Regimes aus, um in den nächsten Tagen und Wochen Stabilität zu garantieren. Die Zeit danach liegt jedoch bisher im Schatten. Entscheidend wird die tatsächliche Rolle sein, die Kim Jong Un zu spielen  in der Lage ist und die Fähigkeit des Regimes, den Griff über die Provinzen und Sicherheitsbehörden eher noch zu stärken, bis Kim Jong Un eine breite Akzeptanz erreicht hat und zumindest nach Außen und Unten als Führer akzeptiert wird. Wie sich die absolute Spitze ordnet bleibt abzuwarten, jedoch wird der junge Kim sich mehr als sein Vater auf einige Personen in der Spitze verlassen müssen.

Von außen droht vermutlich kein großes Risiko, denn es ist kein Akteur erkennbar, bei dem die Kosten nicht den Nutzen einer Destabilisierung übertreffen würden. Von den Feinden Pjöngjangs ist daher vorerst Stillhalten zu erwarten, von den Freunden zumindest „wohlwollendes Stillhalten“ vermutlich aber sogar deutliche Unterstützung.

Leider habe ich gleich anderes zu tun, aber in den nächsten Tagen wird es hier mehr zu lesen geben. Interessanterweise hat die Stiftung Wissenschaft und Politik gerade vor ein paar Tagen ein Paper herausgegeben, das sich u.a. mit Szenarien für die Zeit nach dem Tod oder abtreten Kim Jong Ils befasst. Wenn ihr also über die Perspektive für das (ungefähr) nächsten Jahr weiterlesen wollt, dann klickt hier, da habe ich das Paper verlinkt. Ansonsten findet ihr auf dem Blog Infos zu so ziemlich allem was ich oben geschrieben habe. Wer suchet der findet und wenn ihr weiterführende Inhalte sucht, schaut doch mal auf meinen Seiten mit weiterführenden Links (ziemlich weit oben auf dieser Seite habe ich weitere Seiten mit Medienquellen Think Tanks etc. verlinkt. Da gibts für jeden etwas. Momentan sitzen wahrscheinlich viele weitaus kompetentere Leute als ich an ihren Rechnern und verfassen ihre Bewertungen..

KCNA Meldungen verstehen für Einsteiger…


Wenn man die Meldungen von KCNA über dieses und jenes Treffen nordkoreanischer Offizieller mit ausländischen Gästen so liest, dann könnte man glatt den Eindruck gewinnen, dass Nordkorea nur deshalb mit vielen Ländern keine diplomatischen Beziehungen hat, weil es so langweilig da ist. Immer müssen/dürfen sich die Gäste allerlei historisch überragend bedeutende Orte wie Kim Il Sungs Geburtsstätte anschauen und wenn es dann zu dem kommt, weshalb sie überhaupt da waren, dann klingt das irgendwie immer nur so:

Ri Yong Ho, chief of the General Staff of the Korean People’s Army, Friday met and had a talk with the delegation of the General Staff of the Laotian People’s Army led by Chief Sanyahak Phomvihane.

oder maximal so:

At the talks both sides exchanged views on the issue of boosting the friendly relations between the armies of the two countries and on matters of mutual concern.

Das hört sich tatsächlich so an, als gäbe es ein kurzes Shakehands und ein bisschen Gerede über das Wetter und das war‘s dann.

Ich habe mich immer schon gefragt, was hinter diesen leeren Phrasen steckt und als ich mir eben dieses (auch ansonsten) hochinteressante Video angeschaut/überflogen habe

(ich habe schon ein paar Bemerkungen dazu auf der „Freien Beitragsseite“ hinterlassen), gab es bei ca. 1 h 14 min einen interessanten Hinweis, was hinter einem solchen Chiffre stehen kann.

Ein kleiner Schwank mit interessantem Inhalt

Georgy Toloraya (übrigens ein Mann mit Mission wie ich meine, soviel wie der in letzter Zeit für einen anderen Standpunk gegenüber Nordkorea wirbt…) berichtet da vom Heimflug seines letzten Pjöngjang-Besuchs, dass eine Gruppe sehr betrunkener Männer an Bord war und dass sich nach kurzem Gespräch herausstellte, dass es sich dabei um eine laotische Militärdelegation um den Generalstabschef Sanyahak Phomvihane handelte, die auf dem Heimflug aus Pjöngjang war (vielleicht wurde die Delegation auch deshalb am Flughafen von niemandem verabschiedet, weil die nordkoreanischen Gegenstücke zu betrunken waren…).

Noch einmal stramm stehen und dann gleich steil gehen...

Sie kamen wohl gerade von der Verabschiedung bei Ri Yong-ho und schwärmten Toloraya vor, wie gut der Empfang und wie schön ihre Zeit in Nordkorea doch war.

„met and had a talk“ = „gefeiert und getrunken“?

Also ist eine mögliche Übersetzung von „met and had a talk“ in verständliche Sprach wohl sowas wie „wild gefeiert und viel getrunken.“ Da frag ich mich doch glatt, was habe die erst gemacht, als die KCNA Meldung lautete „exchanged views on the issue of boosting the friendly relations“? Eine Orgie alter griechischer Art?

Ich liebe Gossip! Und eine Aussage hat er auch noch ( manchmal)…

Naja, manchmal finde ich solchen Klatsch einfach toll (besonders wenn er nicht aus Zeitungen mit anonymen Quellen stammt, sondern von einem Menschen mit Gesicht und Namen berichtet wird) und irgendwie sagt er ja auch etwas aus: Die Beziehungen der nordkoreanischen und laotischen Militärs sind wohl hervorragend, worum man sich in Pjöngjang auch bemüht und außerdem kann Ri Yong-ho gute Partys schmeißen (was mich nicht besonders überrascht, so aalglatt wie der Mann ist). Und außerdem kann man sich jetzt besser vorstellen, dass der Aufenthalt von Gästen doch nicht so dröge sein muss, wie die Berichte darüber oft klingen. Also ist pure Langeweile erstaunlicherweise wohl doch nicht der Grund für Nordkoreas wahrgenommene Isolation (denn darüber was „Isolation“ jetzt genau ist, lässt sich ja auch trefflich streiten…).

Genf: Gespräche zwischen den USA und Nordkorea — Gute Rahmenbedingungen


Heute beginnt in Genf eine neue Runde der Gespräche zwischen den USA und Nordkorea über eine mögliche Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche um die Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel. Stephen Bosworth wird dabei zum letzten Mal als Sondergesandter der USA für Nordkorea die US-Delegation anführen. Teil seiner Delegation sind außerdem sein Nachfolger Glyn Davies und Cliffort Hart, der neue Chefunterhändler der USA bei den Sechs-Parteien-Gesprächen. Die nordkoreanische Delegation wird geführt von Vizeaußenminister Kim Kye-gwan, dem Chefstrategen in Verhandlungen zur Nuklearfrage (bis zu seinem Aufstieg im nordkoreanischen Außenministerium fungierte er als Nordkoreas Chefunterhändler bei den Sechsergesprächen). Vermutlich auch mit dabei ist sein Nachfolger am Sechsertisch, Ri Yong-ho (zu Unterscheiden vom gleichnamigen Generalstabschef), der sein potentielles Gegenüber aus den USA bestimmt gerne kennenlernen möchte.

Kim Jong Il: „Wollen Sechsergespräche“

Im Vorfeld des Treffens, das heute und morgen hinter verschlossenen Türen stattfinden wird, gab es einige Zeichen, dass Nordkorea diesem große Bedeutung beimisst und sich eine Wiederaufnahme der Sechsergespräche wünscht. So war am vergangenen Donnerstag bei KCNA eine Verlautbarung Kim Jong Ils zu lesen (es ist relativ selten, dass sich Kim in den Medien zu außenpolitischen Themen äußert) in dem er unter anderem den Willen Nordkoreas zur Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche ohne Vorbedingungen (wobei diese entscheidende „Klausel“ nicht als Angebot, sondern als Forderung an die USA und Südkorea zu verstehen ist, nichts von Nordkorea zu verlangen, bevor die Gespräche anfangen können) unterstrich:

To bring the process for the denuclearization of the peninsula back to its track, it is necessary to pay primary attention to building trust between the DPRK and the U.S., parties directly responsible for the nuclear issue, and resume the six-party talks without preconditions at an early date.

Consistent is the stand of the DPRK to attain the goal of denuclearizing the peninsula through the six-party talks.

[Um den Prozess der Denuklearisierung er Halbinsel voranzubringen ist es notwendig, der Vertrauensbildung zwischen den USA und Nordkorea eine vorrangige Bedeutung beizumessen, da diese Parteien direkt für die Nuklearfrage verantwortlich sind. Außerdem ist es wichtig, die Sechs-Parteien-Gespräche so früh wie möglich ohne Vorbedingungen fortzusetzen.

Weiterhin ist es die Position Nordkoreas, das Ziel der Denuklearisierung der Halbinsel durch die Sechs-Parteien-Gespräche zu erreichen.]

Diese Aussage Kims belegt zwei Dinge. Einerseits scheint man der Wiederaufnahme der Gespräche einige Bedeutung beizumessen, sonst hätte es die Aussage nicht durch ihn persönlich gegeben. Andererseits schein Pjöngjang mit einer unveränderten Verhandlungsposition in die Genfer Verhandlungen zu gehen. Man will die Forderung der USA und Südkoreas, erstmal Taten sprechen zu lassen und dadurch Ernsthaftigkeit zu beweisen, nicht erfüllen. Natürlich kann es sein, dass Kim Kye-gwan Handlungsspielraum bekommt, aber anfangen wird er den Handel mit genau dieser Position.

Nordkoreanische Gesten bei „weichen“ Themen

Vielleicht um — trotz der unveränderten Haltung im Kern der Sache — guten Willen zu beweisen, lassen sich in anderen Feldern jüngst Gesten der Annäherung durch Nordkorea erkennen. So einigte man sich in der letzten Woche mit den USA auf eine Fortsetzung der Suche nach gefallenen US-Soldaten des Koreakriegs auf nordkoreanischem Territorium. Die Arbeiten waren 2005 ausgesetzt worden. Von 1996 bis 2005 waren die Überreste von 225 Vermissten geborgen worden. Es wird vermutet, dass noch die Gebeine von 5.500 US-Soldaten in Nordkorea liegen. Die Einigung kann man für Barack Obama als nicht unbedeutenden symbolischen Erfolg werten. Auch wenn man auf den ersten Blick denken sollte, dass es für Pjöngjang keinen großen Schritt bedeute, mit Amerikanern zusammen nach den Überresten gefallener zu suchen, so muss man doch bedenken, dass in diesem Land hinter den meisten Ecken ein Staatsgeheimnis lauert (oder etwas das so behandelt wird). Daher ist es von nordkoreanischer Seite durchaus eine Geste.

Auch gegenüber Südkorea zeigte man eine gewisse Bereitschaft zur Annäherung in „weichen“ Bereichen. So werden auf Anfrage Nordkoreas in dieser Woche Gespräche über die Fortsetzung der gemeinsamen Ausgrabung eines historischen Königspalastes in Kaesong stattfinden. Die Suche nach dem gemeinsamen kulturellen Erbe ist von ihrer Symbolik her natürlich nicht zu unterschätzen. Allerdings ist hier zu vermerken, dass es nicht nur einen Schritt Nordkoreas bedeutete (die Anfrage zu stellen), sondern auch von Seiten Südkoreas eine Änderung der Haltung darstellt. Denn Seoul musste der Anfrage erstmal zustimmen und zeigt damit erste Anzeichen der angekündigten Flexibilität. Sollten die Gespräche in Genf gut laufen, könnte ich mir vorstellen, dass bald auch wieder über Familienzusammenführungen diskutiert wird (die verkauft Pjöngjang ja immer als besondere Geste (und sie werden in Südkoreas Bevölkerung auch als wichtig empfunden).

China macht (sanft) Druck

Gleichzeitig macht die chinesische Regierung deutlich, was sie gerne von beiden Seiten sehen würde. Auf seinem Besuch in Pjöngjang ließ Chinas Vizepremier (der als designierter Premier nach Wen Jiabao gehandelt wird) Li Keqiang verlauten:

that it is in the interests of various parties concerned to improve the DPRK’s ties with South Korea and the United States, enhance dialogues and contacts, and safeguard peace and stability on the Korean Peninsula.

China supports the DPRK in its efforts to take the right direction for engagement and dialogues, resume the six-party talks at an early date, promote denuclearization on the peninsular, further ease tension there, and safeguard regional peace, stability and development, he said.

[dass es im Interesse verschiedener beteiligter Parteien ist, die Beziehungen Nordkoreas mit Südkorea und den USA zu verbessern, Dialog und Kontakte auszuweiten und Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel zu sichern.

China unterstützt Nordkorea in seinen Bemühungen, den Richtigen Weg zu Kontakten und Dialog zu nehmen, die Sechs-Parteien-Gespräche so bald wie möglich fortzusetzen, Denuklearisierung auf der Halbinsel zu fördern, die Situation zu entspannen und regionalen Frieden, Stabilität und Entwicklung zu sichern, sagt er.]

Hier wird eine klare Erwartungshaltung deutlich und das „unterstützt“ aus dem Zitat kann man wohl durch ein „drängt“ ersetzen. Da hat China während der Gespräche in Genf ja einen hochrangigen Mann in Pjöngjang, der vermutlich auch im Auftrag Pekings Druck machen wird. Aber sein erster (hier zitierter) Satz enthält auch eine klare Aufforderung an die USA und Südkorea, sich Mühe zu geben.

Fortschritte wären wichtig

Aber im Endeffekt ist alles drumherum nur Beiwerk worauf es mal wieder ankommt, dass sind einige Leute, die vermutlich in diesem Moment in Genf am sprechen sind, und die Aufträge, die ihnen ihre Vorgesetzten mit auf den Weg gegeben haben. Ich bleibe dabei, dass die Rahmenbedingungen so gut sind wie lange nicht und dass von allen beteiligten Seiten ein gewisser Wille und eine positivere Haltung gegenüber einer möglichen Einigung zu erkennen sind. Daher könnten wir noch in diesem Jahr eine bedeutende Bewegung in eine positive Richtung sehen, was natürlich nur soweit geht, dass sich Sechs-Parteien an einen Tisch setzen. Was Nordkoreas Denuklearisierung (also das Ziel der Sechsergespräche) angeht, bin ich nach wie vor eher pessimistisch. Wenn die Positionen beider Seiten aber weiter unvereinbar bleiben und man in der aktuellen Phase stecken bleibt, dann muss man sich wohl oder übel auf einen neuen Zyklus der Spannungen und Provokationen aus Pjöngjang gefasst machen.

%d Bloggern gefällt das: