UPDATE: Humanitär-nuklearer Deal zwischen Nordkorea und den USA vereinbart? — Na sowas! Die USA und Nordkorea sprechen über humanitäre Hilfen


Update (17.12.2011): Meldungen zufolge, die sich jedoch auf ungenannte diplomatische Quellen in Seoul berufen, haben die USA und Nordkorea einen Deal vereinbart, der, wenn das so stimmt, recht überraschend kommt. Danach sollen die USA 240.000 Tonnen Nahrungsmittelhilfen liefern und im Gegenzug soll Nordkorea die Anreicherung von Uran stoppen.

Sollte das tatsächlich so zutreffen, dann wäre es einerseits ein sehr bedeutender Schritt zur Entschärfung der Nahrungsmittelknappheit in Nordkorea. Andererseits fände ich das alles aus politischer Sicht allerdings sehr verwunderlich und vor allen Dingen sähe ich das dann als eine Schwache Leistung der USA an. Alles was das Außenamt in den letzten Monat zu diesem Thema geäußert hat, wäre damit über den Haufen geworfen:

  • „Politisches und Humanitäres trennen“: Ein Witz!
  • „Sind noch nicht fertig mit der Prüfung des Bedarfes“: Das ging aber schnell…
  • „Glauben nicht, dass Hilfen am richtigen Ort ankommen“: Auch diese Sorgen wurden schnell ausgeräumt, allerdings kann es hier wirklich sein, dass Nordkorea auf die USA zukam und die Sorgen ausgeräumt hat.
  • „Vitamine und Nahrungsergänzer die nicht missbraucht werden können“: 240.000 Tonnen? Damit wäre Nordkorea wahrscheinlich für das nächste Jahrzehnt versorgt.

Es ist natürlich schwierig, etwas über die weitergehenden Implikationen eines solchen Abkommens zu sagen, aber auf den ersten Blick sieht das für mich nach einem Verhandlungserfolg für Nordkorea aus. Die USA weichen ihre harte Haltung auf und liefern das, was Nordkorea schon seit langem nachdrücklich fordert. Als Gegenleistung werden die nordkoreanischen Zentrifugen zur Urananreicherung angehalten, aber die können ja schnell wieder in Betrieb gesetzt werden, wenn sich die Lage ändert (mal ganz abgesehen davon, dass man nicht weiß, wo überall solche Zentrifugen stehen). Aber abschließend ließe sich das erst bewerten, wenn die Einzelheiten des Deals publik würden (was aufgrund der Gerüchte in diesem sensiblen Thema bald passieren dürfte). Interessant wird auch zu beobachten sein, wie Seoul reagiert. Ist man sich mit den USA über das Vorgehen einig oder handelt es sich mehr oder weniger um einen Alleingang? Letzteres wäre ein Desaster für die Alliierten…

Grundsätzlich wäre das Abkommen aber natürlich sehr positiv zu bewerten, denn das Ende der Zurückhaltung/Blockade von Seiten der USA könnte auch anderen potentiellen Gebern als Signal dienen, was aus humanitären Gesichtspunkten sehr wichtig wäre, mal ganz abgesehen davon, dass 240.000 Tonnen weit mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein wären, sondern einen beträchtlichen Teil der Not lindern würden.

Vielleicht gibt es später mehr dazu.

Ursprünglicher Beitrag (15.12.2011): Manchmal ist eben nicht nur Nordkorea für eine Überraschung gut, sondern auch die USA bewegen sich schonmal ohne große Vorwarnung. Und wenn es um Nahrungsmittelhilfen für Nordkorea geht, haben sich die USA in den letzten Monaten ja eigentlich nicht mehr bewegt, als eine durchschnittliche Erdplatte. Von daher hat es mich schon ein bisschen überrascht, als heute gemeldet wurde, dass es in Peking ein Treffen zwischen Vertretern der USA und Nordkoreas gegeben hat, bei dem es um Hilfen für hungernde Menschen in Nordkorea ging (es hatte sich zwar schon seit ein paar Tagen angekündigt, aber ich hatte nicht so viel Zeit das intensiv zu beobachten). Von US-Seite waren mit Glyn Davies (Vertreter bei den Sechs-Parteien-Gesprächen), Robert King (Sondergesandter für Menschenrecht in Nordkorea) und Jon Brause (für humanitäre Hilfen zuständig) wohl die wichtigsten Leute auf Arbeitsebene mit von der Partie. Aus Nordkorea kam Ri Gun, der soweit ich weiß, keine besondere Expertise in Bezug auf humanitäre Hilfen hat, dafür aber bezüglich Nordamerika (dieser Abteilung steht er im Außenministerium vor).

Raus aus dem Däumchendrehmodus

Wie es in den USA zu dem Sinneswandel kam, vom Däumchendrehmodus äh ich meine Bewerten der Ergebnisse der Erkundungsmission vom Juni auf einen Aktionsmodus umzuschalten weiß ich nicht, aber vielleicht hat der permanente Druck von Seiten der UN und durch verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen doch eine Wirkung gezeigt. Schließlich ziehen die USA jetzt zumindest das in Erwägung, was  sie eigentlich genausogut schon vor Monaten bedenken hätten können. Nämlich die Lieferung von Nahrungsmitteln bzw. Ersatzstoffen, die eben nicht so gut zu missbrauchen sind. Da wurde z.B. von Vitaminen gesprochen, aber auch von spezieller Babynahrung.

Plattitüden aus Mangel an Argumenten?

Das finde ich grundsätzlich schon eine ganz gute Verbesserung, auch wenn dieser Reporter gestern die Sprecherin des US-Außenamtes auf einen Kommentar von ihr hin, ganz provokant fragte:

And you mentioned it’s not going to end up on the dinner table. But I don’t see Kim Jong – Kim Jong Il isn’t going to be having a banquet with a sack of USAID flour in the middle of the table. I mean, what are you sending them, steaks, lobster? What – I mean, that’s the kind of food that dictators eat. Scotch? Is that the kind of stuff that you were sending? [Und Sie erwähnten es [die Hilfen] wird nicht auf dem Mittagstisch landen. Aber ich sehe Kim Jong Il nicht — Kim Jong Il wird kein Bankett mit einem Sack USAID [die staatliche humanitäre Organisation der USA] Mehl in der Mitte des Tisches haben. Ich meine, was haben sie denen denn geschickt? Steaks? Hummer? Was — ich meine, sowas essen Diktatoren. Scotch? Haben sie sowas geschickt?]

Nun gut, die Frage des Missbrauchs der Hilfen geht ja etwas weiter, aber wenn man so eine plakative platte Bemerkung wie Frau Nuland macht, muss man sich nicht wundern wenn man die um die Ohren gehauen bekommt. Aber dass Frau Nuland solche Bemerkungen machen muss (ich nenne das einfach mal populistisch) hat vielleicht auch damit zu tun, dass es einfach nicht viele Argumente gab.

Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Eigentlich ist ja vollkommen klar: Es geht nicht darum, ob das Essen jetzt ankommt oder nicht. Es ging einfach nur darum, dass dies einer der wenigen Wege war, um das Regime in Pjöngjang merkbar für das Missverhalten in den vergangen Jahren zu bestrafen. Vermutlich geht es auch jetzt nicht um die hungernden Menschen, sondern einfach nur darum, dass die eigenen Ansprüche (humanitäres von politischem trennen und so) und die reale Politik so weit auseinanderklaffen, dass man das auch mit nochsoviel Kitt nicht unter einen Hut bringen kann. Jetzt versucht man möglicherweise einen Kompromiss zwischen „Bestrafen“ und „den eigenen Ansprüchen gerecht werden“ zu finden.

Oder wie es Morton Abramowitz vorgestern in einem sehr lesenswerten Kommentar im National Interest geschrieben hat:

Yet the U.S. government sticks to a public stance that it is still considering food aid for North Korea, holding this out rather than stating (understandably) the real reasons for not providing such aid, namely that North Korea is genuinely an abhorrent country, that there is no domestic political benefit in providing aid, and that both Congress and our ally South Korea have been vehemently opposed. The United States is seeking political benefit from the North, but can we continue to insist on our commitment to humanitarianism while letting politics dominate in this case? The gap between principle and practice has grown ever wider.

Begrenzte politische Bedeutung, aber wichtiges Signal im humanitären Bereich

Ob es tatsächlich unmöglich ist, Getreidelieferungen und ähnliches adäquat zu überwachen weiß ich nicht, aber es ist schonmal ein guter erster Schritt, sich überhaupt in Bewegung gesetzt zu haben. Inwiefern das möglicherweise auch einen Einfluss auf die Vorverhandlungen zu Sechs-Parteien-Gesprächen haben wird, kann man kaum vorhersagen, aber ich bin da eher pessimistisch. Erstens könnte ich mir vorstellen, dass sich Pjöngjang bei entsprechenden Hinweisen der USA auf den Grundsatz „humanitäres und politisches trennen“ zurückziehen würde, wenn die USA etwas forderten. Und zweitens ist hinsichtlich der Sechs-Parteien-Gespräche die Situation ja nach wie vor unglaublich festgefahren und hat sich eigentlich nicht im Geringsten verändert. Da müsste ja schon eine von beiden Seiten entscheidende nachgeben und das ist nicht abzusehen. Interessant fand ich allerdings, dass Nordkorea Ri Gun geschickt hat, denn der kam in der Vergangenheit eher zum Einsatz um ein bisschen gut Wetter zu machen und er hat wie gesagt keine humanitäre Expertise. Vielleicht bringt der auch eine Botschaft mit, die über humanitäres hinausgeht.

Aber im Endeffekt ist das alles nur rumspekuliererei. Handfest ist, jedenfalls, dass die USA sich scheinbar wenigstens mal entschieden haben etwas für die notleidenden Menschen in Nordkorea zu tun. Was das dann am Ende genau sein wird, muss sich noch zeigen. Aber es wird etwas passieren und das ist auch gut so…

UPDATE: EU bewertet Lage in Nordkorea — und tut heimlich


Update (10.06.2011): Irgendwie finde ich das Ganze schon Kurios. Von der EU gibt es keinerlei Verlautbarung und kein einziges europäisches Medium berichtet darüber, (obwohl der Stern beispielsweise gerade eine Fotoserie über die armen hungernden Kinder hat (würde ja thematisch schon irgendwie passen)) und die einzigen die Fragen sind amerikanische Journalisten und Antwort gibt US-Außenamtssprecher Marc Toner, obwohl er nichts bestätigt und für mehr Details an die EU weiterverweist:

QUESTION: Is it – can you confirm that, apparently, the EU has also gone in to North Korea to take a look at the food situation there and that they —

MR. TONER: I’m aware that they were planning to. I can’t confirm that they’re in there. I refer you to the EU for more details.

QUESTION: Would there be any appetite in doing some sort of joint relief between the U.S. and the EU?

MR. TONER: Interesting choice of words. I’m not going to rule that out. We collaborate closely with the EU, but our decisions will be based on our criteria.

Da frag ich mich doch glatt: Hat die EU keine Pressestelle oder ist sie aus irgendeinem Grund nur extrem verschwiegen.

Ursprünglicher Beitrag (07.06.2011): Ich war mir ehrlich gesagt nicht mehr ganz sicher, ob das nicht eine Ente war, was ich vor einer guten Woche über ein Team der EU, das die Nahrungsmittelsituation in Nordkorea bewerten sollte, geschrieben habe. In europäischen Medien war nämlich eigentlich gar nichts darüber zu lesen, während sehr viele (ost-)asiatische und einige US-Amerikanische Medien es aufgegriffen haben. Es scheint allerings keine Ente gewesen zu sein, denn heute berichten mehrere Zeitungen und Nachrichtenagenturen unabhängig voneinander, dass ein fünfköpfiges Team der Abteilung für humanitäre Hilfen der Europäischen Komission (ECHO) nach Nordkorea gereist sei. Dort habe sich die Gruppe aufgeteilt und wolle bis zum 17. Juni mit Mitarbeitern von NGOs, nordkoreanischen Offiziellen und Normalsterblichen sprechen und verschiedene Orte besuchen, um die tatsächliche Lage besser beurteilen zu können. Die Berichte wurden durch einen anonymen Offiziellen des südkoreanischen Außenministeriums gegenüber AFP bestätigt. Auch die Repräsentanz der EU in Seoul gab an, von der Reise zu wissen, wollte aber keine weiteren Kommentare abgeben. Es wird erwartet, dass die USA mit ihrer abschließenden Bewertung der Lage auf die Rückkehr der EU Mitarbeiter warten werden. Zwar können beide Seiten so ihre Daten zusammenwerfen und eine bessere Lageabschätzung treffen, aber es geht wieder Zeit verloren, die kritisch sein könnte, wenn die Lage wirklich so angespannt ist, wie beispielsweise FAO und WFP berichteten.

Es wird wohl noch einige Tage bis Wochen dauern, bis wir etwas über die Bewertung und davon abhängig wohl auch Entscheidung von EU und den USA hören werden. Wie schon früher gesagt: Ich finde es gut, dass die beiden überhaupt über ihre Schatte gesprungen sind und eine Bewertung treffen wollen. Aber etwas schneller hätte es auch gerne gehen können. Im Hintergrund erkennt man ganz klar, dass intensive Diskussionen mit den Entscheidungsträgern in Seoul notwendig waren und dass die wohl auch für den Zeitverlust gesorgt haben.

Was mich aber etwas misstrauisch stimmt ist die Heimlichtuerei mit der die EU vorgeht. Nicht die kleinste Pressemitteilung oder sowas. Man schickt ein paar Leute nach Pjöngjang, hofft, dass keiner es merkt, damit man es im Zweifel wieder unter den Teppich kehren kann, oder wie soll man das interpretieren. Überrascht bin ich auch, dass die europäischen Medien, die sich sonst nicht scheuen, über jeden Mist jede (nicht unbedingt belegte) Kleinigkeit zu berichten, der mit Nordkorea zu tun hat, totale Funkstille halten. Vermutlich passt das nicht in die zeitgeistige Mehrheitsmeinung oder so. Ich verstehe das nicht so ganz.

Ich glaub‘s nicht, solange ich‘s nicht selbst gesehen habe: EU will Team nach Nordkorea schicken


Nachdem das US-Team zur Bewertung der Nahrungsmittelsituation in Nordkorea langsam abschließt, scheint auch die Europäische Union einige Beamte nach Nordkorea schicken zu wollen. Nach Berichten von Yonhap und Xinhua sollen unmittelbar im Anschluss an die US-Mission (Robert King ist zwar schon wieder in den USA, aber ein Teil seiner Truppe scheint noch in Nordkorea zu sein) Mitarbeiter der Abteilung für Humanitäre Hilfen der EU Kommission (ECHO) mit demselben Ziel wie King nach Nordkorea reisen. Von der EU habe ich bisher kein Statement dazu gefunden, die Aussagen berufen sich auf anonyme Aussagen aus Kreise der südkoreanischen Regierung. Die USA wollen danach mit ihrer abschließenden Entscheidung über Hilfen abwarten, bis die EU-Mission abgeschlossen ist.

Vielleicht schicken nach Abschluss der ECHO-Mission ja dann nochmal alle EU-Mitgliedsstaaten nacheinander Teams nach Nordkorea und die USA und die EU, sowie die Mitgliedsstaaten warten dann erstmal ab, was die jeweiligen Missionen ergeben. Vielleicht entscheidet man sich ja dann irgendwann doch mal, dass die Leute die unter Hunger leiden nicht unbedingt die richtigen Adressaten für derartige Methoden sind, den Unmut mit der Politik des nordkoreanischen Regimes zum Ausdruck zu bringen. Aber vielleicht ist zumindest der Teil der Geschichte, dass die USA die Ergebnisse der EU Mission für ihren Beschluss abwarten wollen, ein Gerücht, denn das würde die USA meiner Meinung nach endgültig lächerlich machen. Dass die EU gleichzeitig nicht  in der Lage zu sein scheint zu handeln, ohne das es grünes Licht von den USA gibt, wirft ebenfalls ein bezeichnendes Licht auf die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union.

Nichtsdestotrotz sieht es so aus, als würde die Staatengemeinschaft langsam in Bewegung kommen. Ob das am Ende dann zu Hilfen führen wird und wann das passiert, das wird sich wohl in absehbarer Zeit rausstellen. Hoffentlich lassen sich die Entscheidungsträger dabei nicht von „Analysen“ beeindrucken wie sie hier nachzulesen sind. Das Ganze liest sich wie ein Argumentationsleitfaden für Freunde des gepflegten Aushungerns.

Gefangener US-Bürger wird Freigelassen. Teil eines Paketdeals?


Update (28.05.2011): Nach offizieller Lesart der US Regierung klingt das Ganze dann so: Nein, die Freilassung wird keinen Einfluss auf die Nahrungsmittelhilfen haben und sich auch ansonsten in keiner Weise auf die politischen Entwicklungen zwischen beiden Ländern auswirken. Ob das die Nordkoreaner im Zweifel genauso sehen werden?

QUESTION: Does this influence your perception of how cooperative Pyongyang is being on a range of issues? Do you think this is an important step, and is it likely to have any bearing on any decision on food aid?

MR. TONER: No. And I’m glad you raised that point, actually, Andy, because it’s important to note and to clearly state that our food aid – any decisions about food aid are not related in any way to any – I don’t know – policy-related decisions, if you will. They’re just – it’s a separate process altogether, and we’ve talked a little bit about that over the last several weeks. You know we have the food assessment team there. They’re conducting their mission. When they come back, we’re going to look at their assessment, study it, compare it to some of the other assessments that have been done by various NGOs and the World Food Program, and then make a decision based on that.

Look, to answer your first question, we welcome their decision. It’s certainly a positive step in that we have an American citizen who was being held there who is now going to be released, and we welcome it. But in terms of broader issues, there are a number of things we would like to see North Korea do in improving relations with South Korea, first and foremost, before we see other steps on other issues.

Ursprünglicher Beitrag (27.05.2011): Die nordkoreanischen Behörden haben heute bekanntgegeben, dass sie den US-Bürger Jun Young-su, der im November letzten Jahres wegen eines Verbrechens gegen die Demokratische Volksrepublik Korea festgenommen worden war, freigelassen hätten. Die Untersuchung der befassten Behörde hätten eine ernste Schuld des Beschuldigten ergeben, die dieser auch eingestanden habe, so ein KCNA Bericht. Robert King, der Sondergesandte der US-Regierung für Menschenrechtsfragen, der zurzeit in Nordkorea ist, um die Nahrungsmittelsituation dort zu bewerten, habe sich im Namen der US-Regierung für Juns Verhalten entschuldigt und zugesichert, dass die USA in Zukunft alles unternehmen würden, um ähnliche Zwischenfälle zu verhindern. Da sich auch Jimmy Carter und der US-Prediger Franklin Graham für Juns Freilassung eingesetzt hätten, haben die beteiligten Behörden entschieden, Jun aus humanitären Gründen freizulassen.

Damit dürfte die Reise Robert Kings schonmal ein wichtiges Ziel erreicht haben (und es könnte eine Erklärung dafür sein, weshalb er überhaupt mitgefahren ist: Nordkorea wollte Jun nicht einer gesichtslosen Delegation von Experten mitgeben, sondern wollte eine bekannte Figur, King war dann wohl der Kompromiss). Vermutlich gehörte Jun auch von Anfang an zur Verhandlungsmasse bezüglich möglicher Nahrungsmittelhilfen für Nordkorea. Das Regime gibt ihn King jetzt als goodwill Geschenk mit in die USA, aber dürfte auch etwas im Gegenzug erwarten. Daher dürfte es spannend zu beobachten sein, welche Entscheidung die USA bezüglich möglicher Hilfe treffen. Erkennen die USA einen Bedarf Nordkoreas an, dann wirft das wohl ein ungutes Licht auf die ganze Aktion, denn Vorwürfe der Erpressbarkeit wird man nie ganz ausräumen können. Sieht man keine Not in Nordkorea, wird sich das Regime in Pjöngjang vermutlich betrogen fühlen und die Situation wird noch vertrakter werden. Ein positiver Bescheid der USA ist für Pjöngjang wohl auch deshalb von besonderer Bedeutung, da eine solche Maßnahme auch Signalwirkung auf andere Staaten haben könnte, da sich die Staatengemeinschaft bisher sehr zurückhaltend gezeigt hat.

Was aus der gesamten Berichterstattung über die Verhaftung Juns bisher noch nicht klar hervorging ist, was er eigentlich genau getan hat. Es wird zwar gemutmaßt, dass es Missionierungsaktivitäten waren, die den Hintergrund der Festnahme bildeten, allerdings ist das bisher nicht offiziell bestätigt. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Tagen etwas mehr dazu erfahren werden.

Robert King in Nordkorea


Robert King ist gestern in Pjöngjang gelandet und beginnt dort seine Mission zur Bewertung der Lebensmittelsituation. Vermutlich wird er am Samstag aus Nordkorea zurückkehren und einen Teil des Teams noch eine Weile in Nordkorea lassen, um die Bewertungsarbeit abzuschließen. Generell hat das natürlich keinen großen Neuigkeitswert, allerdings finde ich es höchstinteressant, dass KCNA unmittelbar nach Kings Ankunft in Pjöngjang darüber informierte:

A delegation of the U.S. Department of State led by Robert King, special envoy for Human Rights and Humanitarian Issues, arrived here on Tuesday by air to consult humanitarian issues between the DPRK and the U.S.

Natürlich ist es irgendwie auch ein Erfolg für das Regime, nach über anderthalb Jahren nochmal einen offiziellen Vertreter der USA im Land zu begrüßen (der letzte offizielle Besuch war die Reise von Stephen Bosworth im Dezember 2009). Aber dass man sich nicht schwerer tut mit der Bezeichnung „Sondergesandter für Menschenrechte“ hat mich doch etwas überrascht.

Auch interessant fand ich zwei Frauen, die zu Kings Delegation gehören (Sieht man im Video, das KCNA zur Verfügung stellt). Es ist zwar irgendwie diskriminierend vom Äußeren auf mögliche Sprachkenntnisse zu schließen, aber es ist eben auch nicht völlig abwegig zu folgern, dass zur  Delegation Menschen gehören, die Koreanisch sprechen. Dies war in der Vergangenheit immer wieder ein Streitpunkt zwischen Nordkorea und Hilfegebern, denn das Regime fürchtete wohl den Kontrollverlust über die Kommunikation, wenn die Hilfsorganisation direkt mit den Menschen in Kontakt treten konnten. Sollten tatsächlich koreanischsprachige Teilnehmer zur Delegation gehören, kann man das als Erfolg der USA werten und gleichzeitig deutet es an, dass Washington im Vorfeld hart verhandelt hat.

Von einer guten Idee und argumentativem Geeiere: Der behäbige Weg der USA zu Hilfen für Nordkorea


Heute hat die oberste Repräsentantin des Welternährungsprogrammes (WFP) in Pjöngjang, Claudia von Roehl, zu umgehenden Hilfen für Nordkorea aufgerufen. Vor einer Gruppe südkoreanischer Parlamentarier verwies sie darauf, dass die Ende April angelaufene Nothilfeoperation des WFP, die 3,5 Millionen der anfälligsten Personen versorgen soll, über sehr weitgehende Kompetenzen bei der Überwachung der Verteilung von Lebensmitteln verfüge. Bisher ist die auf ein Jahr angelegte Operation allerdings nur sehr spärlich finanziert. Von den benötigten 224 Millionen US-Dollar sind bisher etwa 31 aufgebracht worden, wobei Länder wie Brasilien, Russland und Indien (Südafrika hat auch eine kleine Summe gespendet) sowie multilaterale Organisationen den Löwenanteil tragen. Von den Industrialisierten Ländern haben sich bisher die Schweiz, Kannada, Norwegen und unsere kleinen Nachbarn Luxemburg und Liechtenstein in die Geberliste eingetragen. Das wars dann. Meiner Meinung nach, ein recht beschämendes Bild.

USA bringen King ins Spiel

Allerdings fangen die USA sehr behäbig an sich zu bewegen und sollten die Amerikaner irgendwann dann doch vorausgehen, kann ich mir gut vorstellen, dass ihnen weitere Staaten folgen. Es ist aber noch ein weiter Weg, bis tatsächlich von den USA bezahlte Nahrungsmittel in Nordkorea verteilt werden. Um im Bild des Weges zu bleibe, haben sie die letzten Monate darüber debattiert, ob es wirklich Sinn macht sich Gedanken darüber zu machen, loszugehen. Oder um es etwas zu verständlicher zu sagen. Man dachte im Stillen darüber nach, ob man ein Team nach Nordkorea schicken soll, dass den tatsächlichen Bedarf feststellen soll (scheinbar sind die Regularien der USA so, dass das selbst festgestellt werden muss, ehe man aktiv wird). Nun wird das Nachdenken etwas konkreter und man hat — das muss ich neidlos anerkennen — eine recht gute Idee gehabt. Statt irgendein Team zu schicken, überlegt man nämlich, an dessen Spitze den US-Sondergesandten für Menschenrechte in Nordkorea, Robert King, zu stellen. King stand bisher immer etwas auf verlorenem Posten, weil er von Nordkorea schlicht nicht anerkannt und daher auch nicht einreisen gelassen wurde. Mit diesem Kniff könnte es den USA nun gelingen, King nach Nordkorea zu bekommen, was für sich genommen schon ein Erfolg wäre. Würde sich Pjöngjang dem verweigern, würde das nach außen hin ein sehr seltsames Bild abgeben, denn implizit sagte man ja damit, dass man Hilfe doch nicht so dringend brauche. Die USA können damit eigentlich nur gewinnen. Entweder haben sie ein perfektes Argument der Linie Lee Myung-baks zu folgen und nichts zu tun, oder sie haben endlich Robert King ins Spiel eingeführt.

Argumentatives Geeiere

Allerdings bleibt das Vorgehen der USA weiter mit zwei Fragen verbunden, die nur schwer aufrichtig zu beantworten sind. Einerseits finde ich es recht fragwürdig einerseits darauf zu beharren, dass die Entscheidung über Lebensmittelhilfen auf Basis einer Entscheidung getroffen wird, die von der restlichen politischen Situation völlig abgekoppelt ist, und andererseits Robert King nach Nordkorea schicken zu wollen, dessen Arbeitsfeld humanitäre Hilfen ja nur am Rande berührt, während er ansonsten stark mit anderen politischen Themen befasst ist.

Noch interessanter finde ich allerdings die Frage, die ein Reporter Mark Toner, dem Sprecher des State Department gestern stellte:

Why is that taking so long […] to assess the needs – because the UN did its report about two months ago. Before that there were NGOs who went before the UN mission, said the people were eating grass and things like this, and they – apparently they’re saying that the need is now, because they’re between two harvests.

Die erste Antwort war dann ein Lamentieren und Geeiere ohne Inhalt und vor allem ohne Antwort auf die Frage:

Right. Right. Well look, Matt, we – we’re obviously aware of the situation. As I said, we’ve been looking at all those various reports. We’re considering sending Ambassador King to the region, or to the – or to North Korea to do our own assessment, which is a part of any food assistance program that we would implement. And it’s important to recognize that North Korea is largely responsible for the situation it’s in; it’s caused by bad policies and the misallocation and mismanagement of resources. And also just to remind folks that in 2008 we did have our food assistance program kicked out of there. So, again, we’re looking at it, we’re taking it very seriously. Our food assistance program is, as I talked about yesterday, is done in a very objective fashion divorced from any other policy concerns, and it’s consistent with our desire to aid humanitarian – or provide humanitarian assistance where it’s needed.

Die zweite war eigentlich auch nicht besser, denn sie erklärt nur, warum das noch lange dauern wird, nicht aber warum es schon lange gedauert hat.

We do need to conduct a thorough needs-assessment. We need to provide for it with adequate program management, monitoring, access provisions in place. And, again, this is about a process that we have to undertake that involves looking at both the international community’s assessment, but then conducting our own needs-assessment. We’re looking at that right now, but I don’t want to get out ahead of the process. But obviously we’re aware of the situation and are taking steps to address it.

Naja, wenn die Mitarbeiter des State Department so lange brauchen um einen kleinen Bericht durchzulesen und sich dann zu einer Reaktion durchzuringen, dann wundert es mich nicht, dass die Supermacht USA sich auf ihr Ende als globale Führungsmacht zubewegt.

Auch herrlich fand ich die Antwort Toners auf die Frage, inwiefern zwischen den USA und Südkorea Einigkeit hinsichtlich der Notwendigkeit von Hilfen herrsche:

Well, I think the common view is a common view that there’s agreement that there’s a situation that needs to be addressed in some fashion. This has been made clear in some of the reports and studies done by World Food Program – or World Food Program, sorry, and other NGOs. We’re assessing those reports and we’re considering our own trip there.

Die Antwort war also: „Der gemeinsame Standpunkt ist ein gemeinsamer Standpunkt, dass Übereinstimmung darüber herrscht, dass es eine Situation gibt, auf die irgendwie reagiert werden muss.“ Wow! Kann man mit so vielen Worten noch weniger sagen? Dürfte nicht leicht sein, zeigt aber auch, dass die gemeinsame Wahrnehmung kein besonders breites Fundament hat und dass die USA nicht ewig Lees erfolgloser Linie folgen werden.

Einiges zu beobachten

Ich für meinen Teil bin jedenfalls gespannt, ob die USA sich irgendwann bald dazu durchringen können, ein Team nach Nordkorea zu schicken, wer dieses Team führt und wie die Nordkoreaner darauf reagieren. Mittelfristig wird u beobachten bleiben, ob die  USA ihre Lahmarschigkeit dann ablegen, oder ob sie hoffen den Prozess so lange zu verzögern, bis die nächste Ernte in Nordkorea stattgefunden hat (sollte das in dem Tempo weitergehen ist das die Perspektive). Ebenfalls spannend ist, welche Staaten dem WFP wann spenden und welche nicht (China scheint seine Freundschaftsplichten beispielsweise lieber bilateral abzuwickeln. Mich überrascht auch, dass von den südostasiatischen Staaten wie Indonesien oder Malaysia nichts kommt.).

Annäherung zwischen Süd- und Nordkorea: Vorbei eh sie begonnen hat?


Update (10.02.2011): Die nordkoreanische Delegation bei den zusammengebrochenen Vorbereitungsgesprächen um hochrangige Militärgespräche zwischen beiden Süd- und Nordkorea, hat recht ausführlich ihre Sicht der Dinge veröffentlicht. Der Tenor: Die südkoreanischen Gesprächspartner wollten die Verhandlungen platzen lassen und haben mit allen Mitteln versucht, sie zu sabotieren. Der Norden habe sich dagegen kompromissbereit und entgegenkommend gezeigt (was auch sonst), sei aber immer wieder abgeblitzt.

Damit zeichnet die nordkoreanische Delegation einen Ausschnitt des Bildes, der sicherlich nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Denn klar ist, der Süden wollte keine Gespräche zu den Bedingungen des Nordens. Allerdings fehlt der Ausschnitt der zeigt: Auch der Norden wollte keine Verhandlungen zu den Bedingungen des Südens. Die Positionen waren schlicht unvereinbar.

Dies dürfte beiden Seiten schon grundsätzlich klar gewesen sein. Nur kann es natürlich sein, dass die Strategen in Nordkorea hofften, dass alles läuft wie immer. Am Ende gibt der Süden nach und man bekommt was man will. Nur hat man diesmal eben einen Verhandlungspartner, der ebenso harte Bandagen angelegt hatte wie man selbst. Eine neue Erfahrung für Kim Jong Ils Regime. Der Ärger des Nordens dürfte sich daher wohl vor allem daraus speisen, dass die Dinge jetzt nicht mehr so funktionieren wie früher. Interessant wird zu beobachten sein, ob man versucht die eigenen Strategien darauf anzupassen, oder ob man nach den erprobten Mustern nun beginnt, weiter an der Eskalationsschraube zu drehen.

Ursprünglicher Beitrag (09.02.2011): Nordkorea ist ein schwieriger Verhandlungspartner. Das ist selbst dann der Fall, wenn das Regime sich eigentlich viel Mühe gegeben hat, wieder in eine Phase von Gesprächen einzutreten. Das zeigte sich nun wieder im Rahmen der Vorbereitungsgespräche für höherrangige Verhandlungen. Offensichtlich haben die nordkoreanischen Militärs, die Gespräche auf Ministerebene vorbereiten sollten, das Treffen in Panmunjom heute einseitig abgebrochen. Auch ein Termin über eine weitere Gesprächsrunde sei nicht vereinbart worden. Grund für das abrupte Ende seien Unstimmigkeiten über die Agenda und andere Kernthemen höherrangiger Gespräche gewesen. Die nordkoreanische Seite habe zwei der Vorbedingungen Südkoreas nicht erfüllt. Weder sei es zu einer Entschuldigung für den Angriff auf Yonpyong und die Versenkung der Cheonan gekommen, noch hätten die Vertreter glaubwürdig machen können, dass es nicht zu weiteren Provokationen des Nordens kommen würde. Vielmehr habe man verlangt, diese Themen auf höherrangiger Ebene zu besprechen. Damit ist dann wohl auch die Zustimmung des Südens, auf Rotkreuz-Ebene über weitere Familienzusammenführungen zu sprechen, hinfällig. Das vorsichtige Eingehen auf die Anfrage des Nordens kam erst heute Morgen, wurde aber nach dem plötzlichen Ende der Militärgespräche wieder zurückgezogen. Ohne ein Zustandekommen höherrangiger Militärgespräche, habe man auch keine Pläne über die Familienzusammenführungen zu sprechen, ließ die südkoreanische Seite verlauten.

Lees Linientreue: Keine Zugeständnisse ohne Gegenleistung

Südkoreas Regierung bleibt damit ihrer Linie treu. Ohne Gegenleistung gibt es keine Zugeständnisse an den Norden. Diese konsequente Haltung scheint die Vertreter Nordkoreas überrascht zu haben, die wohl gehofft hatten, erst mal am Verhandlungstisch, schon zu irgendeinem Kompromiss zu kommen. Vermutlich war auch genau das ihr Auftrag. Als klar war, dass da nichts zu holen ist, hat man ohne viel Umschweife die Gespräche verlassen. Die nächsten Tage werden zeigen müssen, ob die vorsichtige Annäherung wieder zu Ende ist, bevor sie begonnen hat.

Alles beim Alten

Objektiv betrachtet wäre das kein Wunder. Eigentlich scheinen sich beide Seiten ja nur ins Gesicht gesagt zu haben, was schon seit Wochen klar ist. Momentan sind beide Positionen unvereinbar. Südkorea will ohne Entschuldigung nicht mit dem Norden sprechen und der Norden will sich nicht entschuldigen ohne zu sprechen (vermutlich will er sich überhauptnicht entschuldigen, aber das hätte meinen schönen Satz zerlegt). Betrachtet man den Vorlauf der Gespräche mal näher, so könnte das Zustandekommen auch ein Manöver des Südens gewesen sein. Man wollte China und den USA beweisen, dass man sprechen will, wusste aber gleichzeitig, dass man das nicht wird tun müssen, wenn man sich hinsichtlich der eigenen Vorbedingungen unflexibel zeigt. Man hat also etwas Druck von den eigenen Schultern genommen, ohne Zugeständnisse machen zu müssen.

Werden die USA weich?

Dass die USA momentan dabei sind, ihre Position zu überdenken zeigt auch ein Interview mit Robert King, dem US-Sondergesandten für Menschenrechte in Nordkorea. King sagte, dass über eine Anfrage Nordkoreas an die USA nach Hilfen noch nicht entschieden sei, aber dass

The United States policy is that when we provide assistance, humanitarian assistance, it is based on need and no political consideration should be involved.

Allerdings seien noch zwei weitere Bedingungen zu Erfüllen, damit der Anfrage entsprochen werden könne. Einerseits müsste der wahre Bedarf und der angefragte abgeglichen werden, da den USA nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung ständen, andererseits müsste vor allen Dingen aber sichergestellt werden, dass die Hilfen dort ankämen, wo sie gebraucht werden.

Südkorea und USA mit unterschiedlichen Ansichten

Hinsichtlich möglicher Hilfen liegen die USA und Südkorea damit ganz und gar nicht auf einer Linie, denn der Süden vertritt zurzeit die Position, dass jegliche Hilfen den Druck vom Regime nehmen würden und den Norden so in seiner bisherigen Linie bestärken könnte.

Die USA sind am Zug. Weiter folgen oder führen?

Den USA scheint eine Politik der totalen Eindämmung des Nordens nicht mehr geheuer zu sein und daher spielt man wohl mit dem Gedanken, über unverdächtige Kanäle wie Hilfslieferungen, wieder Kontakte zu knüpfen. Ob man dazu bereit sein wird die Interessen des Südens zu ignorieren wird sich erst noch zeigen. Allerdings wird auch den Vertretern der USA bewusst sein, dass man mit einer totalen Blockade des Südens keine Besserung auf der Koreanischen Halbinsel bekommen wird. Tja und was den Süden angeht, so kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die Aussage eines der Wikileaks Dokumente, dass Präsident Lee ganz zufrieden damit sei, die Beziehungen mit dem Norden im Zweifel über seine gesamte Amtszeit eingefroren zu lassen, wohl eine sehr treffende Einschätzung war. Ob man im Süden tatsächlich daran glaubt, dem Regime in Pjöngjang durch diese harte Haltung den Todesstoß versetzen zu können, oder ob man es einfach für die beste langfristige Politik hält ist nicht klar. Klar ist aber, dass der Süden dann auch mit den Folgen dieser Politik leben muss. Sowohl was weitere Bösartigkeiten des Nordens betrifft, als auch was eine mögliche humanitäre Katastrophe in der Bevölkerung angeht, die man aber für den erhofften Todesstoß in Kauf zu nehmen scheint.

„Geleakte Wahrheiten“ zu Nordkorea: Zerbrochenes Porzellan und (viel) mehr


Wikileaks ist ja ne tolle Sache, jedenfalls wenn man kein Mitarbeiter amerikanischer Behörden ist, kein sunnitischer Monarch im mittleren Osten, dem Nachbarn und eigene Bevölkerung nun ein hohes Maß an Doppelzüngigkeit unterstellen könnten und kein von sich selbst sehr überzeugter Außenminister, für den es bei solch großen Unterschieden in Selbst- und Fremdwahrnehmung (wobei ich auf die Selbstwahrnehmung nur aus seinem Auftreten schließe) schwieriger werden könnte, sein Selbstbild weiter in hellen Farben leuchten zu lassen. Da ich mich keiner der oben genannten Gruppen zugehörig fühle, freue ich mich jedoch sehr, dass es mal wieder neues Datenfutter gibt. Allerdings erwarte ich nicht, dass die Erkenntnisse der US Diplomaten hinsichtlich Nordkorea großartige Neuigkeiten erbringen werden. Es würde mich jedenfalls sehr wundern, wenn die US Botschaften in der Region Vertrauensleute unter den nordkoreanischen Eliten hätten (anders als das in deutschen Pünktchenparteien der Fall zu sein scheint), da ja offensichtlich noch nicht mal die US Geheimdienste gemerkt haben, dass man unter ihrer Nase ne Urananreicherungsanlage gebaut hat. Und wo will man als Botschafter in Seoul oder als Generalkonsul in Shenyang schon vernünftige Informationen herbekommen außer aus der üblichen Gerüchteküche und – wie der Spiegel schreibt – durch „Einschätzungen von als vertrauenswürdig geltenden Nordkorea-Reisenden“. Von daher sollte man sich über den Gehalt der Depeschen keine großen Illusionen machen. Aber das Denken prägt ja auch die Weltsicht. Und daher kann man, glaube ich, aus der Sicht der US Diplomaten auf Nordkorea viel darüber lernen, was und wie man über dieses Land und seine Führung denkt, aus dem es kaum direkte Informationen gibt. Was auch noch sehr spannend sein dürfte, sind chinesische Sichten auf Nordkorea. Da China ja grundsätzlich kein Hort von Transparenz ist, ist es schwer sonstwo ehrliche Sichtweisen Chinas zu finden. Das dürfte sich ändern, da die US Diplomaten ja ihre Gespräche immer schön protokolliert haben.

Naja und genau deshalb habe ich beschlossen, mir die geleakten Dokumente genauer anzuschauen. Schön mal zu lesen wie Diplomaten sprechen und schreiben, wenn keine Kamera und kein Journalist in der Gegend sind…

Nachdem ich ein paar Dokumente angelesen habe, hab ich beschlossen das nicht auf Einmal zu machen. Ist nämlich zu viel lesenswerter Stoff. Also nach und nach:

Die USA ganz „unamerikanisch“: „virtually no chance…“

Erstmal ist es sinnvoll, um die amerikanische Lageeinschätzung und Bewertung der Wichtigkeit des Themas Nordkorea etwas besser zu verstehen, ein Briefing der US Botschaft in Seoul für einen hochrangigen amerikanischen Offiziellen anzuschauen. Das datiert am 06.08.2009 und eigentlich würde ich vermuten, dass es für Obama war. Warum? Die Person spricht über Außen-, Handels-, Globale und Wirtschaftspolitik mit Lee Myung-bak und einer Reihe von Ministern und ich wüsste keinen, der da sonst noch in Frage käme, aber vielleicht ist es auch nur ein wichtiger Berater. So ganz verstehe ich es nicht, weil es vom Termin her wenig Sinn macht. Habs jetzt verstanden. Es war eine Delegation des Senats glaub ich, die in Südkorea zu besuch war. Daher das breite Themenspekrum etc.

Aber zurück zum Thema. Schaut man sich das Dokument an, fällt recht schnell auf, wie weit unten Nordkorea auf der Agenda steht. Vorher kommen die Allianz, das Freihandelsabkommen und die globale Partnerschaft der Beiden. Dann erst Nordkorea. Nach einer kurzen Erläuterung über die Haltung beider Staaten zu Nordkorea:

Presidents Obama and Lee agreed to send a clear message to North Korea that its provocations come at a price. They also agreed on principles to deal with North Korea’s nuclear and missile threats, including commitments to achieving the „complete and verifiable elimination“ of North Korea’s nuclear weapons and existing nuclear programs as well as the ballistic missile program.

Kann man lesen, wie wichtig es den Südkoreanern ist, dass sie über jeden einzelnen Schritt der US Regierung zu Nordkorea genau informiert sind und dass es über jede wichtige Entscheidung zu Konsultationen kommt:

Korean officials see Washington and Seoul as partners in forming and implementing policies toward the North and consistently seek affirmation that Washington will not allow Pyongyang to drive a wedge between us.

Danach kommt der eigentlich interessante Teil, der die Perspektiven und Pläne der USA zu Nordkorea zusammenfasst:

There is virtually no chance of early improvement in South-North relations; President Lee is determined to stick to principle and to insist on a more reciprocal relationship with the North, and Kim Jong-il will not give in for his own domestic reasons. […] The ROKG (die Regierung der ROK, anm. ich) will welcome the opportunity to present with you a united front of calm and determination toward the North, combined with a call to return to the Six- Party Talks.

Nahezu keine Chancen auf eine baldige Besserung und daher eine geeinigte Front der Gelassenheit und Bestimmtheit gegenüber Nordkorea. Das klingt ja fast wie eine Kurzsusammenfassung Langzusammenfassung von „strategic patience“. Und damit kann man auch ganz gut sehen auf welchem Fundament die Strategie fußt: „Es wird sich eh nicht bessern, also tun wir nichts.“ Meine Meinung zu strategic patience kennt ihr ja

Menschenrechte, ja, bei Bedarf

Aber man erfährt natürlich auch noch was, über die Positionen anderer Länder zu Nordkorea. Zum Beispiel gibt es ein paar sehr interessante Anhaltspunkte aus Gesprächen von Robert King, dem US Sondergesandten für Menschenrechte in Nordkorea mit dem südkoreanischen Außenminister Yu Myung-hwan und Wi Sung-lac, dem südkoreanischen Chefunterhändler bei den Sechs-Parteien-Gesprächen, am 11.01.2010. Wenn man sich da beispielsweise an den Wunsch Südkoreas erinnert, von den USA immer über alles informiert zu werden, wundert man sich doch, dass Südkorea sich dadurch selbst scheinbar nicht in der Pflicht sieht. So unterließ man es wohl, die USA umgehend zu informieren, dass mehrere hochrangige Botschaftsangestellte Nordkoreas übergelaufen sind. Schon seltsam…

Auch interessant finde ich es, die Aussagen Wi Sung-lacs, dass man von Nordkorea Aufklärung über etwa 1.000 Kriegsgefangene forderte, in Zusammenhang mit den kürzlich abgehaltenen Familienzusammenführungen zu stellen. Da tauchte schließlich, für die Meisten überraschend, vier solche Kriegsgefangene auf (damit erübrigt sich auch meine Frage, wozu die Vorführung gut sein sollte. Das war eine Botschaft an Seoul, dass es die tatsächlich noch gibt und das man darüber reden könnte.). Nordkorea reagiert also schon auf die Forderungen Seouls, nur eben auf ihre eigene Art.

Den Hammer finde ich allerdings eine Passage die sich mit der Nahrungsmittelsituation in Nordkorea beschäftigt. Da kann man nämlich lesen, dass die Kornernte Nordkoreas auf vier Millionen Tonnen geschätzt werde, was besser sei als erwartet, aber den Bedarf von 4,5 Millionen Tonnen nicht decke. Die offiziellen Schätzungen der südkoreanischen Regierung beliefen sich aber auf 5 Millionen Tonnen (also über dem Bedarf). Da frag ich mich ja glatt: Wie kommt es denn zu dieser Differenz zwischen offiziellen und inoffiziellen Schätzungen? Wohl nur um eine Rechtfertigung zu haben, Menschen in Nordkorea nicht zu helfen. Das offen auszusprechen scheint für den Außenminister auch kein Problem gewesen zu sein:

Given the North’s chronic transportation and storage problems, there would be starvation „here and there“ during the spring, Yu lamented.

Hm, gut das die USA einen Sondergesandten haben, der sich  um die Menschenrechte der Nordkoreaner sorgt und gut, dass das Recht auf Nahrung nicht dazu gehört…Oder wie war das? Aber was keiner weiß macht keinen heiß…

Da gibt’s zerschlagenes Porzellan: „Der inkompetenteste chinesische Offizielle“

Und weil ich gerade bei Hämmern bin, möchte ich noch ein kleines Spotlight auf Südkoreas Ansichten zu einem Partnern bei den Sechs-Parteien-Gesprächen werfen und zwar über ein Gespräch zwischen Kathleen Stephens, der US Botschafterin in Seoul und dem südkoreanischen Vizeaußenminister Chun Young-woo:

Turning to the Six Party Talks, Chun said it was „a very bad thing“ that Wu Dawei had retained his position as chief of the PRC’s delegation. It had been the ROK’s expectation that Vice Foreign Minister Cui Tiankai, who was hastily transferred from Tokyo back to Beijing, would be taking over from Wu. Chun said it appeared that the DPRK „must have lobbied extremely hard“ for the now-retired Wu to stay on as China’s 6PT chief. The VFM complained that Wu is the PRC’s „most incompetent official,“ an arrogant, Marx-spouting former Red Guard who „knows nothing about North Korea, nothing about nonproliferation and is hard to communicate with because he doesn’t speak English.“ Wu was also a hardline nationalist, loudly proclaiming — to anyone willing to listen — that the PRC’s economic rise represented a „return to normalcy“ with China as a great world power.

Ob Wu Dawei den Südkoreanern diesen Gesichtsverlust verzeihen will und wird und ob sich sowas nicht auf kommende Gespräche auswirken wird? Die Fragen muss man wohl stellen und auch die, wie Südkoreas Vizeaußenminister Chun Young-Woo in seinem Posten weiter agieren will. Ich weiß ein Land, in das man ihn wohl besser nicht mehr schickt. Ganz ab vom Inhalt fand ich es hier sehr interessant, dass Wikileaks einige Namen geschwärzt hat (wenn auch recht willkürlich), die man bei der NY Times frei nachlesen kann.

Und nochmal Klirr: Dai Bingguo über Kim Jong Il

Naja und damit sind wir auch schon in China angekommen. Dai Bingguo wird sich wohl auch in der Rückschau wünschen, er hätte am 26.10.2009 Brechdurchfall gehabt, anstatt zusammen Vizeaußenminister He Yafei und weiteren Hochrangigen Regierungsmitgliedern offen mit einer ebenso hochrangigen US-Delegation zu sprechen. Ich kann mir nämlich nur schwer vorstellen, dass seine „relatively familiar terms“ mit Kim Jong Ils es unbeschadet überstehen, wenn er:

joked that he „did not dare“ to be that candid with the DPRK leader

um sich in der Folge scheinbar noch ausführlich über dessen Trinkgewohnheiten auszulassen. Ob aus dieser Einladung Kims noch was werden wird?

Kim told Dai that he had hoped to invite the Chinese official to share some liquor and wine, but that because of scheduling problems, he would have to defer the offer to Dai’s next visit to North Korea.

Ich glaube da reißen ihn selbst die positiven Äußerungen über Kims Gesundheit und seinen scharfen Verstand nicht mehr raus.

In der Folge berichtet Dai über seine Gespräche mit dem damaligen Vizeaußenminister Kang Sok-ju, dessen kürzlicher Aufstieg zum Vizepremier scheinbar nur eine Anpassung an die Realität wiederspiegelt. Denn allem Anschein nach war Kang schon seit Längerem ein sehr wichtiger Ansprechpartner, wenn es um die Sechs-Parteien-Gespräche und Denuklearisierung ging.

Als die wichtigsten Ziele Nordkoreas in der nächsten Zeit identifizierte Dai eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation sowie eine Verbesserung der Beziehungen mit den USA.

The North Koreans told Dai that they wanted to have dialogue with the United States first and that they would consider next steps, including possible multilateral talks, depending on their conversation with the United States. North Korea held „great expectations for the United States,“ said Dai. DPRK officials had told Dai that North Korea viewed former President Clinton’s visit to Pyongyang positively.

Also im Grundsatz das Gleiche, das ein paar Monate später auch über KCNA verbreitet wurde.

Was wir daraus lernen…

Wenn man all diese Dokumente zusammennimmt, ergibt sich ein etwas klareres Bild von dem, was in den letzten anderthalb Jahren rund um Nordkorea diplomatisches passiert ist, obwohl sich viele Vermutungen auch nur bestätigen und obwohl es natürlich nur kleine Ausschnitte der Realität sind:

  • Die USA verfolgten eine passive und uninspirierte Strategie, die von Südkorea vorgegeben wurde. Man glaubte nicht, dass sich die Situation auf der Koreanischen Halbinsel bessern würde und verwendete daher auch kaum Ressourcen darauf.
  • Südkorea führte und bestimmte die harte Haltung des Dreiecks Japan – USA – Südkorea gegenüber dem Norden. Es verlangte alle Informationen von den USA und bekam sie scheinbar auch und hielt sich selbst etwas mehr zurück.
  • China folgt weitestgehend der nordkoreanischen Argumentation und scheint (zumindest gegenüber den USA) der Ansicht zu sein, dass Nordkorea die bisher gemachten Angebote tatsächlich ernst meinte.
  • Die Möglichkeit für eine Verbesserung der Situation, die Ende 2009 bis Anfang 2010 bestand, wurde durch die harte Haltung Südkoreas und die Passivität der USA zunichte gemacht.
  • Man scheint Wu Dawei, dem chinesischen Unterhändler bei den Sechs-Parteien-Gesprächen mehr als kritisch gegenüber zu stehen. Die Aussagen des südkoreanischen Vize-Außenministers klingen fast so, als sehe man mit Wu als Vermittler keine Perspektiven für einen Erfolg der Gespräche (oder für ein Ergebnis ganz nach den eigenen Vorstellungen?).

…und wer sich darüber ärgert

Und damit möchte ich kurz noch zu dem kommen, dass in den deutschen Medien in den letzten Tagen oft mit „Flurschäden“ betitelt wurden. Während in Deutschland höchstens der eine oder andere Politiker heimlich im Bett weint, dürften in Ostasien nämlich einige Leute recht sauer auf andere Leute sein.

  • Wu Dawei habe ich schon genannt. Ich habe bisher, glaube ich, noch nie Kritik an ihm gehört. Daher dürfte die Deklarierung als inkompetentester Offizieller nicht nur ihn, sondern auch China als Gastgeber der Sechs-Parteien-Gespräche ganzschön getroffen haben. Denn wer lässt sich schon gerne sagen, man habe seinen schlechtesten Mann an eine verantwortungsvolle Position gesetzt.
  • Südkoreas Vizeaußenminister Chun Young-woo sollte wohl anfangen, sich nach nem neuen Job umzusehen, oder zumindest nicht mehr nach China fahren. Schließlich waren es seine Aussagen, die Wu Dawei und seine Regierung so bloßgestellt haben.
  • Ob man Südkoreas Außenminister nachtragen wird, dass er flapsige Sachen wie „hier und da werden Leute verhungern“ übelnimmt weiß ich nicht. Aber ich persönlich finde einen Sondergesandten für Menschenrechte ganzschön unglaubwürdig, der sich anhört, dass Südkoreas Regierung die Öffentlichkeit über die Nahrungssituation in Nordkorea belügt, um nicht unter Druck zu kommen Hilfen zu liefern und niemandem davon erzählt.
  • Kim Jong Il dürfte auch nicht eben amused gewesen sein. Es ist nie schön zu hören, dass diejenigen, die man für Freunde hält, denjenigen die Feinde sind, brühwarm über private Angewohnheiten erzählen. Da wird sich Kim künftig wohl zweimal überlegen, mit wem er den guten Cognac leermacht. Und wenn Dai Bingguo bisher ein ganzgutes Verhältnis zu Kim hatte, so dürfte dies seit Kurzem der Vergangenheit angehören.
  • Alle oben genannten (außer Kim) dürften ziemlich sauer auf ihre amerikanischen Gesprächspartner sein. Vielleicht ist man es in China auch gewohnt, alle Gespräche zu protokollieren. Aber dass die Sachen dann für jeden Hanswurst lesbar im Internet stehen. Das kennt man nicht. Alle genannten haben jetzt ein schwereres Leben und die Diplomatie und der Informationsfluss zumindest von Seiten Chinas dürfte noch stärker kontrolliert und reflektiert werden.
  • Damit werden die USA es in Zukunft noch schwerer haben, Informationen über Nordkorea zu bekommen. Denn bei China muss man wohl nicht mehr fragen (und sonst weiß niemand so gut bescheid)…
  • Achja, ich nannte Kim ja schon oben. Der wird sich freuen, denn was gibt es besseres als zu wissen, wie die Freunde und Feinde hinter dem Rücken über jemanden Sprechen. Nur weniges! Und da das Auskundschaften von Schwächen beim Gegner ja ohnehin ein Spezialgebiet der Politstrategen in Pjöngjang ist, wird da die Verwertungsmaschine schon auf Hochtouren laufen.

Dementsprechend kann ich abschließend sagen: Einerseits freue ich mich, dass ich die Dokumente lesen kann, denn damit wird meine Grundneugier ein bisschen befriedigt, aber andererseits wäre es mir wohl lieber gewesen, dass Ganze wäre unter Verschluss geblieben, denn der (fast) einzige Gewinner bei der ganzen Geschichte sitzt in Pjöngjang.

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