Buchbesprechung und Verlosung — Rüdiger Frank: „Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates“


Als ich vor einer guten Woche aus dem Urlaub zurückkam lag ein Paket in meinem Briefkasten, über das ich mich echt gefreut hatte. Drin war nämlich das neue Buch von Rüdiger Frank, das ab dem 22. September im Handel sein wird und den Titel „Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates“ trägt. Ich hatte also die Gelegenheit, mir vorab einen Eindruck zu machen und das Buch genau anzuschauen und das habe ich auch unverzüglich getan. Zum Schreiben komme ich zwar erst heute, aber das ist ja irgendwie immer noch früh genug. 

Warum ich mich über das Buch gefreut habe

Gefreut habe ich mich nicht nur, weil das Streicheleinheiten für meine Eitelkeit darstellt, wenn ich ein Buch vorab geschickt bekomme, sondern auch, weil das Buch erstens von Rüdiger Frank geschrieben wurde und zweitens auf Deutsch erscheint. Um dies ein bisschen näher zu erklären, möchte ich vorab ein paar Worte zum Autor schreiben:
Rüdiger Frank ist Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Asiens an der Universität Wiens und meiner Meinung nach einer der ganz wenigen herausragenden deutschsprachigen Nordkoreaexperten (was ihm 2013 immerhin eine Platzierung unter den — laut FAZ — 50 einflussreichsten Ökonomen Deutschlands einbrachte), der sich auch vor seinen internationalen Kollegen nicht verstecken muss. Frank ist in Leipzig geboren und studierte kurz nach dem Mauerfall in Ostberlin Koreanistik bei Helga Picht, eine weitere ausgewiesene Kennerin der Materie, die Nordkorea häufiger besucht und als Übersetzerin bei höchstrangigen Treffen (z.B. Erich Honecker und Kim Il Sung) fungiert hatte. Dieser gute Kontakt seiner Mentorin brachte ihm 1991/92 auch einen Auslandsaufenthalt bei der Kim Il Sung Uni in Pjöngjang ein, weil getroffene Vereinbarungen zum Studierendenaustausch zwischen der DDR und Nordkorea bestand hatten, obwohl sich mit der DDR eigentlich ein Vertragspartner von der Weltbühne verabschiedet hatte. Der Aufenthalt (und die, die noch folgen sollten) sowie seine DDR-Biographie erlauben es ihm heute, Prozesse und Strukturen Nordkoreas zu analysieren ohne einerseits in die Falle des „ideologischen Moralisierens“ (hab ich gerade erfunden, aber ich denke ihr wisst, was ich meine) zu tappen oder sich andererseits dem Regime und seiner Weltsicht zu sehr zu nähern. Wenn es Menschen gibt, die im Fall Nordkoreas dem unerfüllbaren Anspruch von „Objektivität“ nahekommen, dann gehört Rüdiger Frank dazu. Kurz, ich schätze ihn und seine Arbeit sehr und freue mich daher, wenn aus seiner Feder ein Buch über Nordkorea erscheint.
Besonders freue ich mich, wenn ein Buch von Frank auf Deutsch erscheint. Das Allermeiste von ihm erscheint in englischer Sprache und irgendwie kann ich es auch nachvollziehen. Wissenschaftsökonomisch macht es wenig Sinn, für eine extrem kleine Community in Deutschland Sachen zu schreiben, die die anglophonen Kollegen, von denen eigentlich fast keiner Deutsch kann, dann nicht lesen können (während gleichzeitig die deutschen Kollegen vermutlich durchweg englisch können). Das heißt, wenn wir hier was in deutscher Sprache bekommen, dann sind es meistens Interviews oder so, ganz selten mal ein Artikel.
Aber ein Sachbuch in deutscher Sprache, das macht schon mehr Sinn, denn wenn es auch kein Millionenpublikum ist, so gibt es doch durchaus eine Gruppe von Menschen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen für Nordkorea interessieren. Und für diese Gruppe ist ein Sachbuch, in das das sehr weitgehenden Wissen und die vielfältigen Erfahrungen von Rüdiger Frank einfließen von wirklich großem Wert, aber auch jeder Student, der sich etwas näher mit der Materie auseinandersetzen möchte und eine gute Annäherung sucht, kann von Franks Kenntnissen nur profitieren. 

Besprechung von „Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates“

Jetzt habe ich Euch aber lange genug auf die Folter gespannt und will mich dem Buch an sich widmen. Die 431 Seiten, zu denen nochmal sechzehn farbige Bilderseiten dazukommen, die in die Mitte gebunden sind, gliedern sich in neun Kapitel, ein Vorwort, 30 Seiten Anmerkungen (die Ihr Euch anschauen solltet, weil da u.a. oft auf qualitative weiterführende Literatur verwiesen wird), ein Register und eine Karte Koreas. Die einzelnen Kapitel sind außerdem in Unterkapitel untergliedert, die sich allerdings nicht im Inhaltsverzeichnis wiederfinden. Inhaltlich teilen sich die Kapitel auf in zwei Kapitel zu Traditionen und Ursprüngen, sowie der Ideologie, die gefolgt sind von einem Kapitel zur Struktur des Systems. In der Folge wird es, wohl auch der Profession Franks geschuldet, ökonomisch. Dem Kapitel zur Wirtschaft folgt eines zu Reformen und darauf eines zu Sonderwirtschaftszonen. Dasjenige zu Kim Jong Un stellt eher eine aktuelle Zustandsbeschreibung des Landes dar, jedoch auch mit Fokus auf der Wirtschaft. Das achte Kapitel zu Arirang ist eine Art Ablaufbeschreibung des Massenspektakels und zum Abschluss gibt Frank seine Ansichten zu Chancen, Optionen und Herausforderungen einer Wiedervereinigung an. 

Alles in Allem, um das schonmal vorweg zu sagen, kann ich das Buch jedem empfehlen, der sich dem Thema Nordkorea annähern möchte, aber auch jedem, der schon etwas oder viel darüber weiß und noch mehr lernen möchte. Für beide Gruppen lohnt sich die Investition, zumal das Buch mit 19,99 € für das Hardcover auch noch zu einem wirklich fairen Preis zu haben ist. Aber ein paar Kritikpunkte gibt es trotzdem, wie Ihr später sehen werdet. Anfangen will ich trotzdem mit einigen Dingen, die mir sehr gut gefallen haben:

Eine Sache, die ich bisher nie wirklich verstanden habe, die ich aber sehr ärgerlich fand, ist der Umstand, dass deutsche Autoren bzw. Verlage bisher nur sehr sporadisch den Wert eines gut geführten Registers erkannt haben. Ich kann das nicht so recht nachvollziehen, weil es eigentlich reicht, einmal in einem Buch nach einem bestimmten Sachverhalt zu suchen, um zu wissen, dass dabei nichts hilfreicher ist als ein ordentlich sortiertes Register. Und genau das findet sich in diesem Buch und macht es deshalb nicht nur gut nutzbar zum Durchlesen und danach wissen, was drinsteht und im besten Fall auch noch wo, sondern auch zum schnell mal Nachgucken und Recherchieren. 

Dass die Ausführungen zu Ideologie, Ikonographie und Struktur des Staates sehr kenntnisreich sein würden hatte ich erwartet, aber dass ich so viele Details und Aspekte finden würde, derer ich mir vorher nicht bewusst war, damit hatte ich so nicht gerechnet. Sehr wertvoll und spannend fand ich den Überblick über die aktuellste Verfassung des Landes, die gegeben wird, denn die aktuelle Version liegt eben nur in koreanischer Sprache vor und das Buch gibt einen schönen Überblick über enthaltene Aspekte über Änderungen und Entwicklungen. Besonders gewinnbringend habe ich die Kapitel zur Ideologie gelesen, denn viele der Aspekte in der Genese, Geschichte und Anwendung der Ideologie sind zumindest mir sehr fern, weil ich einerseits Probleme mit dem Konzept Ideologie habe, andererseits, weil mir in vielen Bereichen die Kenntnisse fehlen.
Angenehm finde ich auch, dass der Autor mit seinem Buch nicht versucht mehr darzustellen, als er weiß. Er markiert klar, wenn etwas ein Mysterium ist bzw. sich dem Blick der Außenwelt enthält, wenn etwas ein Gerücht ist oder wenn er seine Meinung oder Einschätzung äußert, ohne etwas mit Sicherheit zu wissen.

Das Buch wirkt, obwohl von einem Akademiker geschrieben, selten akademisch, was mich wirklich gefreut hat (ich muss zugeben, dass es mich wahnsinnig macht, wenn jemand nur deshalb perverse grammatische Konstrukte mit einem überfordernden Wortschatz und unverschämten Satzlängen kombiniert, damit auch der blödeste Leser merkt, dass hier ein echter Akademiker am Werk war). Komplizierte oder komplexe Sachverhalte werden häufig anhand von Anekdoten illustriert, die der Autor im Laufe seiner über zwanzigjährigen Nordkorea-Erfahrung angesammelt hat. Das macht das Buch lesbar und verständlich, ohne dass mit sinnlosen Geschichtchen um sich geworfen würde. Gleichzeitig erkennt man jedoch, wenn man sich mit politik-, gesellschafts- oder wirtschaftswissenschaftlichen Theorien auseinandergesetzt hat, dass der Autor ein umfangreiches theoretisches Instrumentarium nutzt und nicht nur eine lapidare Sachbeschreibung abliefert. Aber auch die Nutzung dieses theoretischen Überbaus macht das Buch nicht akademisch, denn Frank versteht es sehr gut, Theorien an die Praxis zurückzubinden und so zu nutzen, dass jemandem, der die Theorie nicht kennt, der Inhalt durchaus verständlich wird, ihm aber eher nicht auffällt, dass hier überhaupt ein theoretischer Rahmen genutzt wurde.
Nett fand ich es auch, dass der Autor uns an seinen zahlreichen Reisen ins Land teilhaben lässt, indem er einige aussagekräftige Bilder, die er dort gemacht hat, abdruckt und erläutert. Die Tatsache, dass sie zusammengebunden in der Mitte zu finden sind hat sicherlich ökonomische Ursachen und dafür ist das Buch eben auch günstig.
Seine Einschätzungen zu einer Vereinigung des Landes finde ich mutig und interessant. Während er sich zurecht ziert, konkrete Zeiten und Szenarien zu benennen (damit haben sich schon viele gute Wissenschaftler in die Nesseln gesetzt), steht für ihn das „ob“ außer Frage. Es werde eines Tages eine Vereinigung geben, nur wie und wann sei offen. Wertvoll sind auch seine Analysen zu Variablen verschiedenster Art, die auf eine solche Vereinigung einwirken und ihre Chancen befördern oder hemmen können. Wer sich für diese Fragen interessiert, sollte sich das letzte Kapitel sehr genau anschauen.

Nach dem ersten Kapitel liefert Frank ein sehr schönes Bild, mit dessen Hilfe er die Essenz dieses Kapitels wiedergibt. Ich persönlich finde so etwas immer sehr hilfreich und deshalb fand ich es auch schade, dass es in den folgenden Kapiteln solche kurzen Rekapitulationen nicht mehr gab. 

Bei meinem ersten Blick ins Inhaltsverzeichnis war ich ein bisschen irritiert, weil ich das Arirang-Kapitel irgendwie fehl am Platz fand. Auf den ersten Blick passte es nicht so recht in die Binnenstruktur des Buchs. Und ganz ehrlich, auch nachdem ich das Kapitel gelesen habe, verstehe ich nicht so ganz, warum es Teil dieses Buchs ist (auch wenn ich eine Vermutung habe). Auch wenn Arirang die „offizielle Form dessen, wie Nordkoreas Führung ihr Land sieht und zeigen möchte“ ist und damit hilft das Land aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, so ist es trotzdem kein konstitutives Element des heutigen Nordkoreas, wie sie in den anderen Kapiteln behandelt werden. Versteht mich bitte nicht falsch: Das Kapitel für sich habe ich mit großem Interesse gelesen und es macht sowohl für Leute, die Arirang gesehen haben, als auch für solche, die es nicht kennen, Sinn das Kapitel zu lesen. Frank gibt sehr detailliert den Verlauf des Spektakels mit einer Beschreibung der einzelnen Szenen, sowie häufig mit Analysen der Bedeutung und des Sinns der jeweiligen Szene. Auch der „Über-die-Schulter-Blick“, in dem das alles präsentiert wird, ist interessant. 
Nur…es passt eben nicht und deshalb hätte man es vielleicht besser anderswo untergebracht. Außerdem hätten gerade hier Bilder wirklich sehr viel Sinn gemacht. Entweder in der Mitte des Buchs oder gegen Aufpreis eben an Ort und Stelle der Beschreibung. Zwar werden die Szenen sehr gut beschrieben, aber eine Stütze für die Vorstellung, gerade derjenigen (die bis auf das Bild auf dem Einband) vielleicht noch nie bewusst Bilder von Arirang gesehen haben, dürften Probleme haben sich das vorzustellen. Ich weiß es nicht genau, aber ich kann mir vorstellen, dass dieses Kapitel ein Zugeständnis an die ökonomischen Bedürfnisse des Verlags sind, denn wie gesagt: Wenn jemand nach Nordkorea fährt um sich Arirang anzuschauen, dann würde ich ihm empfehlen, dieses Kapitel vorher zu lesen.

Ein bisschen grundsätzlichere Kritik möchte ich an der inhaltlichen Fokussierung des Buches üben. Während Geschichte, Ideologie und Struktur des Staates in etwa gleichgewichtig mit dem Thema Wirtschaft behandelt werden, fehlt mir fast vollständig die Annäherung daran, wie die nordkoreanische Gesellschaft konstituiert ist, wie das Leben der Menschen im Land aussieht. Natürlich kennt der Autor all das und natürlich wird das hier und da auch mal eingeflochten, aber das wirkt mitunter dann ein bisschen unmotiviert und auch kurz. So war ich beispielsweise überrascht, über die imniban, die administrativen Nachbarschaftsgruppen, über die sehr vieles organisiert wird unter dem Unterkapitel „Exekutive“ zu lesen. Die zugehörigen Anekdoten sind schön und vielsagend, aber irgendwie hatte ich hier, wie an mancher anderen Stelle auch das Gefühl, dass da irgendwie die Zuordnung ein bisschen seltsam ist.
Meines Erachtens hat das mit dem fehlenden Kapitel „Gesellschaft“ zu tun. Diese Leerstelle erkennt man, wenn man nach relativ zentralen Aspekten von Gesellschaften sucht, beispielsweise dem Bildungssystem, da wird man nicht viel zu finden. Andere Dinge, wie beispielsweise der Wehrdienst, werden quasi über Eck abgeleitet, aber naja, die Entscheidung auf ein solches Kapitel zu verzichten überzeugt mich nicht und scheint dem Autoren auch mitunter das Leben schwer gemacht zu haben, weil er viele seiner Erfahrungen oder wichtige Aspekte irgendwo noch unterbringen musste.
Aber natürlich könnte dies damit zusammenhängen, dass der Autor aus der wirtschaftswissenschaftlichen Ecke kommt und daher seinen Fokus auch entsprechend setzt. Nichtsdestotrotz empfinde ich das Wirtschaftsthema mit dreieinhalb Kapiteln übergewichtet. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Sonderwirtschaftszonen ihren Platz in den anderen beiden Kapiteln gefunden hätten und stattdessen die Gesellschaft stärker zum Zuge gekommen wäre. Das generell die Außenpolitik bzw. die internationalen Beziehungen relativ kurz kommen, kann man als Mangel sehen, muss man aber nicht. Diese an den entsprechenden Stellen einzuflechten, ist in einem Buch, dass die „Innenansichten“ des Systems liefern will, wie der Untertitel ja sagt, eher statthaft und gelingt dem Autor auch besser, als das bei der Beschreibung der gesellschaftlichen Verhältnisse der Fall ist. Allerdings habe ich bei den im Einzelnen immer interessanten Exkursen (die Sonnenscheinpolitik wird beispielsweise im Kapitel Kumgangsan abgehandelt) häufiger das Gefühl gehabt, dass hier eine Einordnung als Exkurs oder eine layouttechnisch hervorgehobene Infobox vielleicht sinnig gewesen wäre.

Die unsichtbare Hand siegt über kurz oder lang

Die zentrale These, die Frank in seinem Buch verfolgt ist, dass sich das nordkoreanische System über kurz oder lang verändern wird. Dies führt er auf den Umstand zurück, dass das System den Menschen in Nordkorea eine Ideologie, eine Art Regelbuch zur guten Lebensführung überstülpt, das nicht der Natur der Menschen entspricht. Die Natur des Menschen sieht er verwirklicht in den westlichen Gesellschaften, wo sich aus dem „als natürlich angesehenen Eigennutz der Individuen“ in ihrer Masse die von Adam Smith formulierte „Unsichtbare Hand“ formiert, die unsere Wirtschaftsordnung lenkt. So gesehen braucht der Mensch in der westlichen Gesellschaft nichts zu tun, als seinem Eigennutz — also seiner Natur — zu folgen, um das System in dem er lebt zu tragen, während der Mensch im System Nordkoreas Regeln folgen muss, die dem Eigennutz widersprechen, also quasi widernatürlich sind.
Franks These auf einen Satz gebracht ist, dass die Natur des Menschen auch in Nordkorea systemverändernd wirken wird. Wie das geschehen wird, sagt er schlauerweise nicht vorher, aber dass es geschehen werde, sieht er auch schon anhand gesellschaftlicher Prozesse, die in den letzten Jahrzehnten in Gang kamen, als sicher. 

Ende der Besprechung: Besorgt Euch das Buch

Warum ich so auf diesem Aspekt herumgeritten bin? Nun, das geht ein Stück weit über meine Buchbewertung hinaus und betrifft eher einen Nachdenkprozess, der bei mir durch die Gegenüberstellung des quasi naturgesetzlichen menschlichen Eigennutzes gegen die widernatürlichen Regeln der Ideologie, angestoßen wurde. Ich werde dem gleich noch ein bisschen folgen, aber meine Buchbesprechung hiermit abschließen mit der Empfehlung, sich das Buch zu besorgen, zumindest für diejenigen, die sich für Ideologie, politische Struktur, Wirtschaft und die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung interessieren. Diejenigen, die mehr über gesellschaftliche Verhältnisse und das Alltagsleben in Nordkorea erfahren möchten, können auch von dem Buch profitieren, dürfen aber nicht enttäuscht sein, wenn darüber nicht so viel drinsteht, wie der Untertitel vermuten lassen könnte. 

Ein paar Gedanken zur Ideologie der unsichtbaren Hand

Jetzt aber zurück zu meinen Gedanken, dessen Ausgangspunkt man unter „Ideologie vs unsichtbare Hand“ zusammenfassen könnte. Die Basis von Ideologien war m.E. immer, dass ihre Schöpfer glaubten oder behaupteten, Gesetzmäßigkeiten in unserer sozialen Umwelt gefunden zu haben, denen der Lauf der Welt ihrer Ansicht nach folgen würde. Das war bei allen großen „*ismen“ unserer Zeit so und wir fühlen uns heute gut, weil wir erkannt haben, dass es all die Gesetzmäßigkeiten nicht gab, die wir da vermutet haben. 
Wir lehnen uns zurück und folgen dem einzigen Gesetz, das es noch gibt. Unserer menschlichen Natur. 
Wir sind eben nun mal eigennützig, das ist ja quasi ein Naturgesetz und daraus folgt unweigerlich, dass wir alle eine unsichtbare Hand konstituieren, die unsere Welt immer weiter auf den Abgrund zusteuern lässt, denn die Addition all dieser kleinen EigenNutzen führt, anders als Adam Smith sich das gedacht hat, nicht zu einem größeren Nutzen (das „eigen“ ist ja dann weg, wenn man alle zusammennimmt) für alle, sondern leider zur Irrationalität, wenn man die lange Frist betrachtet. Jeder von uns weiß, auch wenn er darüber nicht so gerne nachdenkt, dass er jeden Tag mehr Natur, Luft, Atmosphäre, Nahrung etc. aufbraucht, als 1. ihm zusteht und 2. unsere Erde auf die lange Sicht verkraften kann. Ich sehe darin eigentlich nur großen UnNutzen, (wobei Eigennutz im Sinne von: „Ich bin jetzt 40 Jahre alt, in 45 Jahren bin ich tot, was dann kommt ist mir egal“ nicht in Abrede gestellt werden darf), denn Smiths unsichtbare Hand scheint zum Ziel zu haben, die Erde und alles was darauf ist zu zerquetschen.
Nun kamen mir dazu ein Gedanke: Ist der menschliche Eigennutz denn jetzt ein Naturgesetz? Ich weiß es nicht, aber erstmal sehe ich nur einen marginalen Unterschied zwischen dem Glauben an eine Ideologie, die eine naturgesetzlich festgelegte zielgerichtete gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer anderen Staats- und Gesellschaftsform und dem Glauben an eine unsichtbare Hand, die eine naturgesetzlich (durch den natürlichen menschlichen Eigennutz) festgelegte zielgerichtete gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer für alle besseren Zukunft (weil es da mehr von allem gibt). Naja, vielleicht folgen wir blind einer Ideologie, merken das nur nicht, weil die anderen Ideologien ein bisschen früher offenbart haben, dass sie nicht funktionieren. Vielleicht sollte man mal versuchen, sich von dieser Ideologie des „der Mensch ist eben so, deswegen müssen wir alle mitmachen“ zu entfremden. Aber vielleicht haben wir auch einfach das einzig geltende gesellschaftliche Naturgesetz gefunden, der Mensch ist eben eigennützig, er kann deshalb nichts für das, das er anrichtet und wir sollten uns gefälligst nicht der Natur widersetzen. Aber wäre ja ärgerlich, wenn dass das Ergebnis von ein paar Tausend Jahren Menschheitsgeschichte ist, dass das Beste, was wir auf Basis unserer naturgesetzlichen Eigennützlichkeit rausholen konnten, die Zerstörung unserer Welt war…

Eigennutz ausgenutzt: Buchverlosung mit…

Und weil wir gerade schon so schön beim Thema sind und ich so ein perfekter Gläubiger unserer unangefochtenen Eigennutzideologie bin, möchte ich auch gleich ein Appell an Euren Eigennutz starten. Ich hab das Buch ja jetzt schon durch und wenn ich es nochmal bräuchte, könnte ich es in einer Bibliothek meines Vertrauens entleihen. Das wirft die Frage auf: Was mach ich damit? Ich weiß nicht, ob es meinem Eigennutz entspräche, es in meinem Regal einstauben zu lassen (vermutlich nicht, weil ich es dann ja hin und wieder abstauben müsste). Vielleicht wäre es ja besser, es loszuwerden (obwohl ich es ja wirklich gut finde!)? Ich denke schon. Ihr habt es ja bisher noch nicht lesen können und deshalb wird der Eine oder Andere Lust bekommen haben. Vielleicht würde aber auch mancheiner gerne die 20 Euro Einkaufspreis sparen und das Buch ganz eigennützig zeitnah zum Erscheinungsdatum (ich werde es vermutlich nicht genau pünktlich schaffen, weil ich die Tage davor kaum Zeit haben werde) am 22. September im Briefkasten haben?

…Haken

Naja, lange Rede kurzer Sinn: Ich verlose das Buch. Aber weil ich ja ganz naturgesetzgemäß ein eigennütziger Typ bin, versuche ich mal wieder was rauszuschlagen: Und zwar dachte ich mir, dass vermutlich sehr viele von Euch auch einige Bücher zu Nordkorea gelesen haben. Und vielleicht fandet ihr die auch gut oder schlecht oder bemerkenswert, habt jedenfalls was dazu zu sagen. Jedenfalls werde ich das Buch unter denjenigen verlosen, die mir bis zum kommenden Freitag eine Buchbesprechung zu einem Buch ihrer Wahl mit Bezug zu Nordkorea eingereicht haben. Die muss nicht so ellenlang sein wie das hier (ein paar Zeilen sind auch vollkommen ok) und sie muss auch ansonsten keinerlei formalen Kriterien entsprechen. Es wäre nur schön zu wissen, um welches Buch es geht, ob ihr es empfehlt und was Ihr gut und schlecht fandet (natürlich sollte es nicht den Autor oder so beleidigen). Ich werde die Besprechungen (gern anonym, gern aber auch unter Namensnennung) zusammengefasst irgendwann in der nächsten Zeit veröffentlichen.
Für die unter Euch, deren Eigennutz nicht so weit reicht, dass sie 20 Euro sparen wollen, bzw. deren Eigennutz so groß ist, dass sie keine Lust haben der Allgemeinheit für unsichere Gewinnchancen eine Buchbesprechung zur Verfügung zu stellen: Hier entlang geht es zur Seite des Verlags, wo Ihr schonmal bestellen könnt. Da könnt Ihr unter „Termine“ dann auch sehen, dass es am 10.10. in Dresden und am 04.12. in Duisburg Autorenlesungen geben wird. Das wird sich lohnen. Wenn Ihr ein bisschen uneigennützig sein wollt, ohne dass das was kostet, bestellt das Buch doch einfach in der Buchhandlung bei Euch im Ort (wenn es die gibt), geht genauso schnell wie bei der elektronischen Konkurrenz und es hilft eine Infrastruktur zu erhalten, die wir andernfalls irgendwann bitter vermissen werden.

Alle die gewinnen wollen schicken mir ihre Besprechungen per Mail bis zum 19.09. an tobid001(at)yahoo(punkt)de.

Bin gespannt, freue mich und hoffe auf zahlreiche Teilnahme…

Interessante Veranstaltungen zu Nordkorea im Februar in Berlin, Hamburg, Kiel und Stuttgart


Auch auf die Gefahr hin ein bisschen redundant zu sein, möchte ich heute Aufgrund der Vielzahl wirklich spannender Veranstaltungen in den nächsten Wochen doch nochmal einen kleinen Ankündigungsblock einschieben, damit keiner der Zeit und Lust hat einen der durchweg besuchenswerten Termine verpasst.
Wenn das alles für mich nicht so superweit weg wäre (Hamburg und Berlin), würde ich ganz sicher auf ein oder zwei der Veranstaltungen auftauchen, aber für einen Abend zehn Stunden oder so mit dem Zug unterwegs sein, da habe ich keinen Bock drauf. Naja was ich nur sagen will: Jede der Veranstaltungen lohnt sich und um nicht noch redundanter zu wirken werde ich das jetzt nicht mehr extra jedes Mal sagen.

12.02. Hamburg

Ich gehe einfach mal chronologisch vor: Schon übermorgen dem 12.02. um 19h wird es in  Hamburg (Neuer Jungfernstieg 21, 20354 Hamburg) ein GIGA-Forum geben, das von Patrick Köllner (der sich prima in der Region auskennt) moderiert wird. Auf dem Podium sitzen zwei echte Hochkaräter. Zum einen Rüdiger Frank, den die FAZ nicht zu Unrecht vor allem auf Grund seiner relativ einmaligen Nordkorea-Expertise zu einem der 50 einflussreichsten deutschen Ökonomen gekürt hat und dessen Arbeit auch ich einfach prima finde. Zum anderen der ehemalige britische Botschafter in Pjöngjang James Hoare.  Organisiert wird das Ganze vom GIGA in Kooperation mit der Deutsch-Koreanische Gesellschaft Hamburg (DKGH) und dem Ostasiatischer Verein (OAV).

Hier könnt ihr euch schonmal einen kleinen Eindruck von ihm machen.

17.02. Hamburg

Nächste Woche, am 17.02. um 19h gibt es schon wieder in Hamburg (KörberForum – Kehrwieder 12, 20457 Hamburg, Hamburg) was feines. Da gibt es von der Körber-Stiftung eine Diskussionsveranstaltung mit Jang Jin-sung. Für diejenigen, denen es nach Hamburg zu weit ist (also z.B. mich) gibt es coolerweise einen Livestream, den ihr auf der oben verlinkten Seite findet. Wie ich gerade gesehen habe, steht auf der Seite, dass alle Plätze belegt sind, aber ich glaube wenn ich in Hamburg wäre würde ich da einfach mal anrufen. Jang ist einer der führenden Köpfe hinter News Focus International. Er war vor seiner Flucht aus Nordkorea im Jahr 2004 Teil des Regimes und arbeitete für das United Front Department. Ich denke, dass er über einen ganz anderen Blick auf Nordkorea verfügt als wir und einige Aspekte des Systems, die uns unverständlich erscheinen, gut und einfach erklären kann.

19.02. Berlin

Und weil es sich für Jang wohl nicht lohnt, für einen Termin nach Deutschland zu kommen, tritt er am 19.02. um 19h nochmal in Berlin in der Gedenkstätte Hohenschönhausen (Genslerstraße 66, 13055 Berlin) auf. Organisiert hat das Ganze die Europäische Allianz für Menschenrechte in Nordkorea, eine ganz interessante Organisation, die sich vor allem dafür einsetzt, die Aufmerksamkeit für die Menschenrechtssituation in Nordkorea zu steigern, die Informationsbasis zu verbessern und seriöse Forschung zu dem Thema zu fördern.

17.-22.02. Berlin und 20.-25.02. Kiel

Ebenfalls in Berlin gibt es vom 17. bis 22.02. die 2. DVR Korea-Filmwoche im Babylon Kino (Rosa-Luxemburg-Str. 30, 10178  Berlin) zu erleben. Vielleicht erinnert sich der Eine oder Andere von euch: Vor gut zwei Jahren gab es schonmal sowas Ähnliches, damals war es nur ne Art Tournee, bei der nordkoreanische Filme in verschiedenen Städten Deutschlands gespielt wurden. Scheinbar hat man in diesem Jahr (ich bin auch gerade überrascht, das war mir nämlich bisher entgangen) wieder die gleichen Kinos im Programm wie 2011.
Das heißt für die Nordlichter gibt es vom 20. bis 25.02. in der Pumpe in Kiel (Haßstraße 22, 24103 Kiel) ebenfalls die DVRK Nordkorea Filmwoche. Ob es auch in Köln wie 2011 Veranstaltungen gibt, konnte ich bis jetzt nicht rausfinden, aber das war auch schon damals ein bisschen undurchsichtig. Ich werde mal die Augen offen halten.
Das Programm ist ziemlich umfangreich, deshalb werde ich das hier nicht im Detail auswalzen (könnt ihr ja selber nachlesen), aber wenn ihr euch für nordkoreanisches Kino interessiert oder, was ich sehr spannend fände, für Dokus aus Nordkorea, dann solltet ihr euch das mal angucken. Außerdem dürfte es an beiden Standorten zumindest einen Termin mit nordkoreanischen Filmschaffenden und vermutlich auch Botschaftsleuten geben. Den könnt ihr euch ja mal gesondert vormerken.

17.02. Stuttgart

Zuletzt noch eine Veranstaltung, die vielleicht nicht ganz so hoch hängt, wie die vorgenannten, die ich mir aber auch anschauen würde, wenn ich da wäre. Am 17.02. 19h wird die Friedrich-Naumann-Stiftung in Stuttgart (Hotel Sautter, Johannesstr. 28, 70176 Stuttgart) eine Vortragsveranstaltung mit Lars-André Richter durchführen. Der ist Chef des Regionalbüros der Stiftung in Seoul (damit Nachfolger von Walter Klitz, an den ihr euch vielleicht durch das Interview auf diesem Blog erinnert) und damit auch für die vielfältigen und interessanten Aktivitäten in und zu Nordkorea zuständig. Er dürfte interessantes aus der Praxis zu erzählen haben, auch wenn ich mit ihm in seinen Bewertungen nicht immer auf einer Linie liege.

Viel Spaß

Naja, ihr seht, es gibt einiges interessantes in den nächsten Tagen und Wochen und für fast alle Regionen in Deutschland ist was dabei, außer wenn man eher im Westen wohnt ist blöd. Aber das wird bestimmt auch bald besser und bis dahin wünsche ich euch interessante Veranstaltungen und so.

Ein Strauß voll Buntes (XI): Chinesische Sanktionsliste, Kubanisches Waffenschiff, Pjöngjanger Metro etc. pp.


Lange keinen bunten Strauß für euch mehr gebunden. Das mag damit zu tun haben, dass ich in den letzten Monaten nicht ganz so gut im Auge hatte, was neues zu Nordkorea geschrieben wurde. Ein Glück, dass ich heute mal wieder schlecht geschlafen habe und euch deshalb nächtens ein schönes Sträußchen binden konnte. Und tatsächlich gibt es ein paar Dinge, auf die ich euch mit Freuden aufmerksam mache.

Bitte auf das Bild klicken, um zu den anderen bunten Sträußen zu kommen...

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Rüdiger Frank: Deutsche und englische Aufsätze

Anfangen möchte ich mit Rüdiger Frank. Der hat löblicherweise mal zur Abwechslung was auf Deutsch geschrieben, das ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte. Für den Asia Policy Brief der Bertelsmann Stiftung hat er in „Zwischen atomarer
Aufrüstung und Wirtschaftspragmatismus: Nordkorea im Wandel?“
die Entwicklung Nordkoreas unter Kim Jong Un zusammengefasst und analysiert. Wie meistens bei Frank bilden wirtschaftliche Aspekte einen großen Teil des Aufsatzes aber auch die Nachfolgemethoden Kim Jong Uns und ideologische Veränderungen werden betrachtet. Abschließend plädiert er, wie immer (und wie immer mit meiner vollen Zustimmung), für einen kooperativeren Umgang mit Nordkorea, der die Kräfte der wirtschaftlichen Freiheit im Land fördert und so Wandel induziert.
Daneben hat er auch mal wieder (leider nur in Englisch) seine neuesten Eindrücke von Besuchen in Nordkorea geschildert und zeichnet weiterhin das  Bild eines Wirtschaftssystems im Wandel. So sieht er beispielsweile mittlerweile neben der anhaltenden Entstehung von Verkaufsständen in Pjöngjang auch Veränderungen in anderen großen Städten des Landes. Unternehmen werben mit Marken für sich, Kreditkarten werden häufiger und neue Produkte werden eingeführt. Laut Frank sieht man eine entstehende Mittelschicht. Wie immer sind die beiden Berichte interessant zu lesen, weil sie mit unmittelbaren Beobachtungen angereichert sind und trotzdem zu theoretisch fundierten Aussagen führen.

Den deutschsprachigen Aufsatz werde ich wie immer zu der Seite Deutschsprachige Quellen und jüngere akademische Literatur hinzufügen.

Chinas Sanktionsliste

Vor einigen Tagen wurde in den Medien viel über die Liste Chinas geschrieben, die die Güter beinhaltet, die wegen der Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Nordkorea nichtmehr dorthin exportiert werden dürfen. Den Sachverhalt fand ich durchaus spannend (eindeutiges Signal an Nordkorea! Politikänderung?) aber erstens hatte ich keine Zeit und zweitens zu wenig Ahnung das zu bewerten. Deshalb finde ich es Prima, dass es vom Nautilus Institute jetzt eine Analyse dazu gibt, die sowohl den Inhalt der Liste, als auch die Tatsache, dass diese Liste erstellt wurde (und wie, denn das muss auf oberster politischer Ebene passiert sein) bewertet. Das ist prima, denn die Leute von Nautilus haben Ahnung. Also lest hier nach, wenn euch der Sachverhalt interessiert oder ihr euch die komplette Liste mal anschauen wollt.

Das Waffenschiff aus Kuba. Ein paar neue Infos

Ein weiteres Thema, das wirklich spannend ist, ist die Geschichte um das nordkoreanische Schiff, das mit kubanischen Waffen an Bord im Panamakanal aufgebracht worden ist. Dazu gab es vor ein paar Tagen ein Hearing vor einem Ausschuss des US-Kongresses. Es waren drei Sprecher geladen. Davon hat einer ein sehr spannendes Statement abgegeben und zwei, naja, solala. Solala war einerseits Mary Beth Nikitin, die sich zwar mit der Materie Nordkorea und Proliferation prima auskennt, die aber irgendwie nicht viel zu sagen hatte. Andererseits fand ich auch Maria C. Werlaus Stellungnahme eher so mittelmäßig. Das mag mit ihrem Hintergrund zusammenhängen, denn die Dame arbeitet für so einen Free-Cuba-Verein und dementsprechend geht es ihr hauptsächlich darum, zu beweisen wie bösartig und was für ein fieser Wolf im Schafspelz Kuba doch ist, um Nordkorea geht es ihr nicht so wirklich.
Wirklich spannend dagegen fand ich die Aussage Hugh Griffiths vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). Er analysiert er nochmal eingehend die auf dem Schiff gefundenen Güter und kommt zu dem Schluss, dass die Behauptung Kubas, der Kram sei zur Reparatur nach Nordkorea geschickt worden, totaler Nonsens sei. Weiterhin mutmaßt er u.a. auf Basis der Frachtdokumente, dass die Waren unter Anwesenheit einer hochrangigen nordkoreanischen Militärdelegation verschifft worden seien. Ein weiterer Anhaltspukt dafür sei die Anwesenheit des nordkoreanischen Luftwaffenchefs, Ri Pyong-chol, des Hauptaufgabe im Einkaufen von Ersatzteilen zu bestehen scheint. Am spannendsten finde ich aber die Schlussfolgerungen über die nordkoreanisch-kubanische Proliferationsbeziehung. Denn der Modus des Schmuggels lege die Vermutung nahe, dass es sich hier um ein lange eingeübtes System handle, so Griffith.

Rodmans Nordkorea-trip. Doch nicht nur Boulevard

Eigentlich garnicht spannend fand ich die Reise von Dennis Rodman nach Nordkorea. Dass sich das ein kleines Stück weit geändert hat, dafür hat Daniel Pinkston von der International Crisis Group gesorgt. In seinem Blogbeitrag geht er nämlich darauf ein, dass Rodmans reisen durchaus den Startpunkt für zivilgesellschaftliche Kontakte in Nordkorea bilden könnten und damit langfristig zu einer mentalen Öffnung der Bevölkerung beitragen könnten. Stimmt schon, aber ob man dafür unbedingt so ein TamTam machen muss?

Internetseite zur Metro von Pjöngjang

Nicht eben neu, aber trotzdem spannend finde ich eine Internetseite, die ich irgendwie bisher immer übersehen habe. Kann sein, dass einige von euch sie schon kennen, aber ein paar vielleicht nicht und die finden das möglicherweise spannend. Worum sich die Seite „The Pyongyang Metro“ dreht, das könnt ihr euch wohl selbst denken. Aber die Infos, die der Autor da zusammengetragen hat sind so vielfältig und interessant, dass ich dachte, ich weise mal darauf hin. Immerhin gibt es beispielsweise auch jede Menge schöne Fotos von der Verladung der Berliner U-Bahn-Züge und so.

Den Link zu dieser Seite werde ich wie immer der Seite Links zur Selbstrecherche hinzufügen.

Seminar am 11./12.10

Und zum guten Schluss nochmal der Hinweis auf die Veranstaltung „Die deutsche Wiedervereinigung – ein Modell für Korea?“ in der Point Alpha Stiftung Geisa (nähe Fulda). Das relativ günstige zweitägige Seminar bietet ein paar durchaus interessante Referenten und das Thema finde ich auch höchst spannend. Der Preis ist mit 80 Euro (wenn man übernachtet, sonst 60) im Rahmen. Ich hab mein Anmeldeformular auf jeden Fall am Freitag eingeworfen, vielleicht hat ja auch einer von euch Lust zu kommen.

Kim Jong Uns Schweizer Zeit revisited: Wo das Konstruieren von Realitäten noch witzig ist und wo es ernst wird


Fast genau vor einem Jahr beschäftigte ich mich mit der Geschichte um Kim Jong Uns Vergangenheit in der Schweiz und der Tatsache, dass es für diese angebliche Vergangenheit eigentlich keine belastbaren Belege gab. Ich stellte die These auf, dass gerade im Falle Nordkorea Medien, Experten und auch die Öffentlichkeit so etwas wie einen Konsens gefunden haben, dass Glauben fast so gut ist wie Wissen, weil man so wenig weiß und sonst so wenig sagen könnte. Seitdem ich mich damals mit dieser Schweizgeschichte beschäftigt habe, sind keine neuen Informationen zu diesem Thema bekannt geworden. Es gibt also weder neue Argumente für noch gegen eine Schweizer Zeit Kim Jong Uns.
Nur ist eben ein Jahr vergangen und man weiß noch immer sehr wenig. Also hat man die angesprochene Realität noch mehr für sich akzeptiert. Kim Jong Un war in der Schweiz und gut ist. So gab es bei n-tv eine ausführliche Geschichte über seine Schweizer Jugend, die BILD hat sogar neue Fotos von den Boulevardkollegen aus Korea und der von mir sonst geschätzte Sender Euronews hatte einen ausgiebigen Bericht, wo die Geschichte immerhin noch als nicht endgültig belegt dargestellt wurde. Auch die ZEIT hat sich umfangreich mit der Schweizer Jugend Kims befasst und nach eingehender Untersuchung für wahr befunden.
Nungut, dass Kim Jong Un in seiner Schweizer Zeit offensichtlich ziemlich gut englisch sprechen konnte, bei dem jüngsten Besuch von Dennis Rodman in Pjöngjang aber kaum noch, das ficht niemanden an, kann es ja schließlich verlernt haben oder auch einfach keine Lust gehabt haben, mit Rodman direkt zu sprechen. Denn wie gesagt. Es ist ja so eine schöne Geschichte, wenn er in der Schweiz war. Da hat dann jeder was zu zu sagen und man kann daraus so schöne Folgerungen ziehen.

Befürchtung bestätigt: Niebel glaubt an Kim Jong Uns schweizer Zeit

Vorgestern zum Beispiel. In der Sendung von Beckmann (die ich aber voll und ganz empfehlen kann, was nicht unbedingt an meiner Verehrung fü Beckmann liegt). Da hat unsere Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt, was ich letztes Jahr als Befürchtung geäußert habe. Er gab eine Einschätzung über die Persönlichkeit Kim Jong Uns ab mit dem Hinweis darauf, der sei ja schließlich auch lange in der Schweiz gewesen (Min. 19:00). Na super; Wenn Herr Niebel das so genau weiß. Vielleicht hat es ihm ja der Ressortchef Politik der SZ geflüstert, der von ziemlich belastbaren Fotos wusste (ab Min 22:50). Nur Rüdiger Frank wollte nicht so ganz mit und meinte, dass man auf den Bildern bestimmt einen Nordkoreaner sehen könne, ob das aber Kim Jong Un sei oder nicht, das wisse man schlicht nicht. Vielleicht ja, vielleicht nein. Das machte Stefan Kornelius von der SZ zwar kurz nachdenklich, aber nur kurz. Dann hatte er wohl beschlossen, dass es nicht sinnvoll sei weiter darüber nachzudenken.
Zwar dürfte die Tragweite der ministeriellen (vielleicht, oder auch nicht, Fehl-) Einschätzung auf Basis nicht vorhandener Informationen nicht besonders groß, aber meine Sorge ist, dass die Vergangenheit Kim Jong Uns nicht das Einzige ist, das auf Basis von unzureichenden Informationen bewertet und eingeschätzt wird und dass Herr Niebel (bei allem Respekt für die Bedeutung seines Amtes) nicht die einflussreichste Person ist, die solche Einschätzungen trifft.

Wo es relevant wird: Realitäten konstruieren im Fall von Raketen

Eine andere Beobachtung, die man seit einigen Tagen machen kann, deutet stark in diese Richtung. Am vergangenen Montag kamen erstmals später bestätigte Gerüchte auf,  dass die nordkoreanische Mittelstreckenrakete Musudan an die Ostküste verlegt würde. Dieser Schritt deutete dem Augenschein nach darauf hin, dass Pjöngjang als nächsten Schritt einen Raketentest plane. Eine Überlegung, die mit Blick auf vergangenes Verhalten Nordkoreas nicht ganz abwegig ist und die auch ganz gut zu der These vom Bedarf nach greifbaren Taten nach der überdrehten Rhetorik Pjöngjangs in den vergangenen Tagen gepasst hätte. Allein wollte und wollte Nordkorea seitdem keine Rakete testen. Vielmehr bewegte es die Raketen, als sie an ihrem Bestimmungsort angekommen war, mehrmals hin und her, ohne letztendliche Vorbereitungen zu unternehmen. Dementsprechend kommen heute erste Meldungen aus Südkorea, dass ein Test nicht unmittelbar bevorstehen würde. Haben also die Warnungen des Westens Nordkorea von diesem Schritt abgehalten?
Auch hier ist die Ungewissheit wieder treibendes Moment einer für uns zuerst konstruierten und dann akzeptierten plausiblen Realität. Wir haben mit Hilfe von Satellitenbildern festgestellt, dass die Raketen an der Ostküste aufgestellt wurden. Wir haben die Entwicklungen der letzten Tage im Kopf. Daher ist es plausibel, dass Nordkorea eine oder mehrere Raketen testen wird. Wir wissen nichts, sondern wir glauben, aber mangels besserer Erklärung, um die wir uns allerdings auch nicht sonderlich bemüht haben, akzeptieren wir.

Alternative Realitäten

Auch das könnte ein Fehler sein, der von seinem Inhalt her schon etwas mehr Tragweite hat, als Kim Jong Uns sprachliche und gesellschaftliche Sozialisation in der Jugend. Es könnte, es muss aber nicht. Kann auch sein, dass in den nächsten Tagen eine Rakete fliegt. Aber zurück zu der kaum verfolgten Überlegung, dass wir hier einem Schnellschluss aufgesessen sind. Dazu habe ich drei Anmerkungen zu machen, die die These stärken könnten:

  1. Bisher gibt es keinen Beweis dafür, dass es sich bei Raketen des Bautyps Musudan, wie sie jetzt an die Ostküste verlegt wurden, um funktionsfähige Waffensysteme handelt. Bisher wurden sie nie getestet und bei ihrem ersten (und bisher einzigen) öffentlichen Auftritt auf einer Parade 2010 hatte es sich der Meinung eines ausgewiesenen Experten zufolge (in diesem Bericht aus 2012 nachzulesen) um eine Attrappe gehandelt. Gut möglich, dass es eine kleine Baureihe gab, aber nicht belegt, also nicht gewusst. Um diese Überlegungen wurden sich in den westlichen Medien aber wenig Gedanken gemacht. Die Raketen wurden an die Küste gebracht, also sollen sie getestet werden. Eine positive Ausnahme stellt hier Spiegel Online dar, wo sich ein Journalist mal ein bisschen näher mit der Rakete beschäftigt hat, die da angeblich getestet werden soll.
    Natürlich ist das alles kein Beweis dafür, dass man in Pjöngjang diese Rakete nicht testen will, aber irgendwie gehört diese Information der Vollständigkeit halber dazu und zweitens zieht sie die Konsistenz der Testgeschichte etwas in Zweifel: Wirklich eine Rakete, die noch nie getestet wurde, in so einer extrem gespannten Lage über Japan hinweg schießen. Ist das nicht ziemlich riskant, wenn man keinen Wert auf Krieg legt?
  2. Daniel Pinkston, Nordkorea-Experte der International Crisis Group, hat eine interessante andere Lesart der jüngsten Raketenbewegungen geliefert, die von ihrer Konsistenz her genausogut funktioniert, wie die Idee, Nordkorea wolle die Raketen testen, zuvor aber noch ein bisschen damit durch die Gegend fahren. Nachzulesen ist das ganze in diesem Tweet:

    Remember KPA & Strategic Rocket Forces have been training. So moving the missiles & TELs around is part of the training.

    Eine Übungen finde ich eigentlich garnicht so schlecht als  Erklärung für die Hin-und-Herfahrei der Raketen. Aber irgendwie scheint sich sonst keiner für die Idee erwärmen zu können. Vielleich auch deshalb, weil die allgemein akzeptierte Realität ja bereits ist, dass Nordkorea eine oder mehrere Raketen Testen will und weil es dann irgendwie blöd zu erklären wäre, dass man sich da eben geirrt hat. Da lassen sich im Nachhinein sicherlich bessere alternative Erklärungen finden.
    Auch dies ist wieder kein Beweis dafür, dass Nordkorea keine Rakete Testen will und das Eine schließt das Andere ja noch nichtmal aus: Man kann ja ein bisschen üben und wenn man meint, dass man damit durchkommt, ohne einen Krieg auszulösen, dann testet man das Ding eben noch. Aber es bietet eben auch eine Lesart, nach der der Zweck der Übung nicht unbedingt ein Raketenstart gewesen sein muss.

  3. Die Führung in Pjöngjang hat eine gewisse Meisterschaft im ‚Tarnen und Täuschen inne.
    1. Die Raketenattrappen, mit denen man schonmal gerne auf Paraden rumfährt und die gephotoshopten Bilder von Manövern sind dabei zwar viel belächelte, aber trotzdem zugehörige Elemente dieser Tarnen und Täuschen Strategie. Denn egal wie stümperhaft gemacht, führen diese Dinge zu zusätzlicher Unklarheit und Ungewissheit über die tatsächlichen Kapazitäten Nordkoreas. Und Ungewissheit ist eine der stärksten Abschreckungsmethoden, die Pjöngjang zur Verfügung hat.
    2. Vor allem weiß das nordkoreanische Militär aber sehr gut um die Begrenzungen der südkoreanischen und US-amerikanischen Aufklärung in Nordkorea. Die kann eigentlich fast nur von oben (was Sichtaufklärung) und von außen, was Abhören von Kommunikation angeht, erfolgen. In beiden Fällen hat Pjöngjang in der Vergangenheit bewiesen, dass es in der Lage ist, die toten Winkel der Überwachung auszunutzen (Ein absolut lesenswertes GIGA-Paper zu Grenzen und Risiken der Darstellung Nordkoreas mit Satellitenbildern habe ich hier verlinkt). So stellte das nordkoreanische Militär vor dem Beschuss der Insel Yonpyong alle Einheiten dort von Funkkommunikation auf klassische Telefonverbindungen um (S. 3, rechte Spalte), die eigens für den Einsatz gelegt wurden. Im Vorfeld des Raketenstarts vom Dezember warf man zuerst durch eine Meldung der Nachrichtenagentur KCNA Nebelkerzen, was den Termin anging, um anschließend nurnoch an der Rakete zu arbeiten, wenn gerade kein Satellit das Land überflog. Beide Male standen die Dienste der USA bzw. Südkoreas düppiert da. Vielleicht wollten die Nordkoreaner ja auch einfach mal testen, welche Methoden zur Aufklärung die USA und Südkorea hinzuziehen, wenn die Lage gespannt ist und wo dabei tote Winkel der Aufklärung zu finden sind.

Auch die Tarnen und Täuschen Überlegung schließt sich mit den zuvor angestellten Ideen nicht aus, aber könnte genausogut ein zentrales Ziel der ganzen Übung gewesen sein: Wie schnell merken die anderen, dass wir Raketen transportieren? Wieviel von dem das sie wissen wird bekannt? Wie lange dauert es, bis sie merken, dass sie vielleicht an der falschen Stelle Aufklärung betreiben? Alles das sind Fragen, auf die die nordkoreanischen Militärs durch ihre Manövrierei Antworten bekommen haben dürfte. Wertvolle Informationen, die man in der Zukunft für weitere Überraschungsmanöver einsetzen kann.

Was ist wahr, was nicht? Man weiß es nicht!

Mit diesen ganzen Ausführungen wollte ich euch nicht beweisen, dass Nordkorea in den nächsten Tagen keine Rakete testen will. Ich wollte nur zeigen, dass wir uns recht schnell auf eine Annahme festgelegt haben und alle Informationen, die wir zu dem ganzen Sachverhalt bekommen, unter der Maxime einordnen, dass diese Annahme zutrifft. Wir haben uns mal wieder eine Realität konstruiert, von der wir keine Ahnung haben ob sie zutrifft oder nicht, an die wir aber glauben, weil es am bequemsten ist.
Nur finde ich es, wenn es nicht mehr um Jugendfreundschaft, Basketball und Filmvorlieben, sondern um Raketen geht, sehr, sehr bedenklich, wenn das Risiko besteht, dass Leute die die Kompetenz zum Entscheiden haben, nicht auf Basis von Informationen, sondern von Glauben handeln. Hoffen wir also, dass die meisten Minister und Präsidenten nicht so leichtsinnig sind, das zu glauben, was sie in der Zeitung lesen (auch wenn es zehnmal drinsteht), sondern einen guten Stab um sich haben, der ihnen den Unterschied zwischen Wissen, Glauben und Nichtwissen klarmacht und ihnen das, was so in der Zeitung steht entsprechend einordnet. Das würde ungemein zu meiner Beruhigung beitragen.

P.S.:

Ich habe während ich das geschrieben habe jede viertel Stunde die Nachrichtenlage gecheckt, weil ich Sorge hatte, dass man in Pjöngjang doch beschließt, heute eine Rakete abzuschießen und alles, was ich hier geschrieben habe damit hinfällig wird…

Wie deutschsprachige Experten die Lage auf der Koreanischen Halbinsel bewerten: Eine Netzschau


Wenn es eine verstärkte Medienberichterstattung egal wozu gibt, dann ist die Nachfrage nach Experten auch immer besonders hoch und dann haben wir die Möglichkeit, Meinung von Leuten zu hören, die sich noch besser mit dem Thema auskennen, als die Journalisten das schon tun. Und dann lohnt auch immer mal ein Blick auf diese Meinungen, der bei mir ja mittlerweile eine Tradition geworden ist (zu früheren Überblicken geht es hier: 08.03. nach Beginn der Drohungen 17.02. nach dem Nukleartest 03.01. nach Kim Jong Uns Neujahrsansprache). Die sind auch dieses Mal wieder sehr unterschiedlich und gehen in verschiedenen Aspekten nahezu in gegensätzliche Richtungen. Ich habe mir ganz ehrlich gesagt nicht alles durchgelesen/angehört, sondern nur nach dem gesucht, das Leute gesagt haben, die man als Experten bezeichnen kann. Ihr könnt ja dann selbst reinlesen/hören/gucken…

Rüdiger Frank (Uni Wien):

Fernsehinterview mit dem ZDF (01.04.2013): ZDF heute journal „Rüdiger Frank über Nordkorea“

Radioniterview mit WDR 2 (02.04.2013): Wirtschaftswende als Ziel?

Printinterview mit Spiegel Online (02.04.2013): „Kim verfolgt ein klares Ziel“
Printinterview mit dem Standard (02.04.2013): „Nordkorea will einfach in Ruhe gelassen werden“
Printinterview mit dem Kölner Stadtanzeiger (03.04.2013): Warum Kim so aggressiv auftritt
Printinterview mit dem BR (04.04.2013): Wie gefährlich ist der junge Diktator?

Hanns W. Maull (Uni Trier):

Radiointerview mit dem Deutschlandfunk (30.03.2013): Politologe: Kriegsrhetorik aus Pjöngjang richtet sich vor allem an China und die USA

Printinterview mit dem Trierischen Volksfreund (04.04.2013): „Wir erleben den Anfang vom Ende“

Werner Pfennig (FU Berlin):

Fernsehinterview mit der ARD (02.04.2013): Prof. Werner Pfennig (Politikwissenschaftler FU Berlin) zum Korea-Konflikt

Radiointerview mit BR 2 (02.04.2013): Was folgt den Drohungen zwischen Nordkorea und Südkorea?
Radiointerview mit radioeins (03.04.2013): Konflikt zwischen Nord- und Südkorea verhärtet sich

Printinterview mit der Mittelbayrischen (02.04.2013): „Zu allem Unglück ist der UN-Chef Südkoreaner“
Printinterview mit der Westdeutschen Zeitung (02.04.2013): Experte: „Ich sehe keine direkte Kriegsgefahr“

Hanns Günther Hilpert (SWP):

Radiointerview mit MDR Jump (04.04.2013): Nordkorea verschärft Drohungen gegen USA

Lars-André Richter (Friedrich-Naumann-Stiftung, Seoul):

Radiointerview mit dem Deutschlandfunk (30.03.2013): Friedrich-Naumann-Stiftung: Kim Jong-Un will seine Position festigen

Bernhard Seliger (Hanns-Seidel-Stiftung, Seoul):

Printinterview mit RTL (02.04.2013): Kim Jong Un hat große Angst davor, einen Krieg auszulösen
Printinterview mit RTL (04.04.2013): Experteninterview: Wie gefährlich ist die Lage auf der Koreanischen Halbinsel wirklich?

Christoph Pohlmann (Friedrich-Ebert-Stiftung, Seoul):

Printinterview mit dem Tagesanzeiger (31.03,2013): „Die Nordkoreaner wollen sich das nicht länger bieten lassen
Printinterview mit der DW (03.04.2013): Pohlmann: „Spirale der Provokation in Korea“

Norbert Eschborn (Konrad-Adenauer-Stiftung, Seoul):

Printinterview mit n tv (04.04.2013): „Ich rechne mit einem Angriff“

Die Situation auf der Koreanischen Halbinsel nach UN-Resolution und nordkoreanischen Drohungen: Medienschau zu den Einschätzungen deutschsprachiger Experten


Wie immer in der letzten Zeit, wenn sich auf der Koreanischen Halbinsel etwas ergibt, das hier eine breite Medienaufmerksamkeit auf sich zieht, mache ich auch heute nochmal eine kleine Presse-/Medienschau, bei der der Fokus wie immer auf der Berichterstattung liegt, die durch Expertenmeinungen fundiert ist.

Presseschauen

Vorab aber ein paar Presseschauen anderer, die eher auf Kommentare der deutschen und internationalen Presse ausgerichtet sind, was auch eine interessante Meinungsschau ermöglicht. Dazu kann ich einmal die Frankfurter Rundschau empfehlen (gottseidank gibt es sie noch, auch wenn ich gespannt bin, was die Rumpfcrew da zukünftig noch fabrizieren wird), aber natürlich auch den zeitlosen Klassiker, die Presseschau des Deutschlandfunks. Heute Morgen international und heute Mittag national, beide Male mit Nordkorea als erstem Thema.

Radio

Rüdiger Frank (Universität Wien) im Interview mit WDR 5 (Wie häufig richtet sich der Blick Franks stärker auf die internen Vorgänge in Nordkorea, als das bei anderen Analysten der Fall ist. Da man Kim Jong Un nicht einschätzen könne, sieht Frank durchaus eine bedrohliche Situation. Gute Analyse mit gutem Blick fürs Ganze.)

Rüdiger Frank (Universität Wien) im Interview mit Ö1 (Siehe oben.)

Werner Pfennig (FU Berlin) im Interview mit radioeins (Er sieht es als zentral an, den Blickwinkel der nordkoreanischen Seite zu verstehen, also so etwas wie Empathie für das Regime zu zeigen. Das sehe ich genauso. Allerdings geht mir seine „Empathie“ etwas zu weit, einfach weil es mir mitunter vorkommt, als würde er der nordkoreanischen Propaganda auf den Leim gehen. Die Militärmanöver der USA und Südkoreas gibt es jedes Jahr. Nordkorea geht nur manchmal laut, manchmal sehr laut und manchmal extrem laut damit um, ohne dass die Bedrohungslage jetzt extrem unterschiedlich wäre. Kontrovers, aber nicht schlecht.)

Werner Pfennig (FU Berlin) im Tagesgespräch mit BR alpha (Das Ganze dauert fast eine Stunde und es handelt sich dabei um eine Call-in-Sendung. Ich hab‘s mir nicht ganz angehört, aber es dürfte sich wohl  lohnen, wenn man gerade eine Stunde über hat…)

August Pradetto (Bundeswehr-Uni Hamburg) im Interview mit DRadio Kultur (Eigentlich ist mir Herr Pradetto noch nicht als dezidierter Nordkorea-Experte aufgefallen, aber er verfügt über gesunden Menschenverstand und scheint dem Thema in der Vergangenheit bereits aufmerksam gefolgt zu sein. Angenehm nüchterne und sachliche Analyse.)

Hans-Joachim Schmidt (HSFK) im Interview mit dem rbb Inforadio (Stand gestern. Wie immer solide Analyse. Ob allerdings das nordkoreanische Vorgehen primär außenpolitisch motiviert ist, darauf würde ich nicht wetten. Solide.)

„Print“

Hartmut Koschyk (MdB CSU und in den deutsch-koreanischen Beziehungen engagiert) im Interview mit dem Straubinger Tagblatt (Gute Analyse der Situation.)

Hanns Günther Hilpert (SWP) im Interview mit der WELT (Solide Analyse mit meiner Meinung nach zu starker außenpolitischen Erklärung des Verhaltens Nordkoreas. Das Ziel mit den USA zu sprechen mag ein zentrales außenpolitisches Motiv sein, aber es ist bei weitem nicht handlungsleitend für das Regime.)

Christoph Pohlmann (FES) im Interview mit dem Tagesanzeiger (Pohlmann sieht die aktuellen Drohungen Nordkoreas als neue Eskalationsstufe. Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Gute, aber nicht tiefschürfende Analyse.)

Christoph Pohlmann (FES) im Interview mit der deutschen Welle (Was die Eskalationsstufe angeht, siehe oben. Ansonsten sieht man im Vergleich zum vorigen Interview, das bei einem guten Fragesteller und einer vernünftigen Vorbereitung auch der Befragte viel besser rüberkommt. Gute Sache.)

Sondererwähnung

Kürzlich habe ich mich sehr über einen ziemlich schwachen (und wenig -sinnigen) Artikel von Michael Stürmer geärgert. Aber nur weil jemand einmal etwas sehr dummes schreibt/sagt/tut, heißt das ja nicht, dass das immer so sein muss (Dieser Satz bezieht sich auf alle Menschen gleichermaßen und nicht auf einen im Speziellen). In seiner heutigen Analyse zieht Stürmer den durchaus bedenkenswerten Schluss, dass das aktuelle Gebaren Pjöngjangs vor allem an China gerichtet sei. Wie gesagt, das ist einen Gedanken wert und wurde von den vorgenannten Analysten wenig beachtet. An diesem lobenswerten Aspekt ändert sich auch dadurch nichts, dass Herr Stürmer ein paar Fakten durcheinanderwirft (Cheonan und Yonpyong in die Amtszeit Kim Jong Uns zu verlegen, zeugt von verbessernswerter Redaktion).

Was lernen wir daraus

Einige Aspekte ziehen sich durch fast alle Bewertungen:

  • Die Drohungen aus Pjöngjang sind nicht wörtlich zu nehmen.
  • Durch die neue Führung ist Nordkorea wieder unberechenbarer geworden.
  • Die Militärmanöver auf beiden Seiten bergen in dieser verbal angespannten Zeit das wahre Eskalationsrisiko.
  • Eine weitere Lehre will ich nur kurz anreißen: Dass Nordkorea mehr auf Worte als auf Taten setzt, mag auch damit zu tun haben, dass Worte ein Echo hervorrufen, dass mitunter stärker ist als das von Taten. Das mediale Echo nach den Drohungen aus Pjöngjang war nämlich (mal wieder) besser zu vernehmen, als nach dem Nukleartest. Vielleicht gibt uns die nordkoreanische Führung auch nur das, was wir wollen. Spektakel!

Kim Jong Uns Neujahrsansprache: Wie deutschsprachige Experten sie bewerten


Wie gestern bereits angekündigt, habe ich mir heute mal angeschaut, was deutsche Experten zu Kim Jong Uns Neujahrsansprache zu sagen hatten und wie die Ansprache von ihnen bewertet wurden. Alles in allem ist die Bewertung eher durchwachsen. Kein Wunder, die Leute befassen sich schon länger mit Nordkorea und haben schon viele Ankündigungen und Versprechen gehört, die dann später vergessen oder umgedeutet wurden. Allerdings sind sich eigentlich auch alle hier aufgeführten ernstzunehmenden Kenner darin einig, dass Kim Jong Un vor allem im wirtschaftlichen Bereich einen gewissen Handlungsbedarf sieht. Allerdings stimmen die Experten nicht überein, wenn es um die Frage geht, inwiefern das in seine Rede eingegangen ist. Auch seine Aussagen hinsichtlich Südkorea werden unterschiedlich bewertet. Aber am besten ihr lest und hört selbst.

Radio

Rüdiger Frank (Uni Wien) im Interview mit Ö1 (Wie immer nimmt Frank da wo er Bescheid weiß klar Stellung und gibt da wo er nichts weiß ebendas zu. Sehr schön.)

Bernhard Seliger (HSS, Seoul) im Interview mit radioeins (Der Interviewer macht das nicht unbedingt seriös, aber das ändert nichts an der Expertise Seligers. Ok.)

Christoph Pohlmann (FES, Seoul) im Interview mit dem DLF (Schöne unaufgeregte Bewertung mit treffenden Analysen. Hörenswert.)

Lars-André Richter (FNS, Seoul) im Interview mit dem RBB (Gute Bewertungen gutes Interview. Hörenswert.)

Print/Online

Rüdiger Frank (Uni Wien) im Interview mit der Deutschen Welle (Super Sache. O-Ton: „Das ist ein Armutszeugnis für die westliche Berichterstattung. Ich denke, die westliche Presse hat wirklich schon bessere Tage gesehen als den, an dem diese Meldung als großer Durchbruch propagiert wurde.“ Da wird einige Euphorie in westlichen Medien ordentlich zurechtgerückt. Ansonsten ähnlich wie das Radiointerview. Sehr schön.)

Norbert Eschborn (KAS, Seoul) im Interview mit der FR (Vorsichtige und unspektakuläre Analyse. Ok.)

Bernhard Seliger (HSS, Seoul) Artikel mit O-Tönen (Guter Artikel ohne spektakuläre Inhalte. Ok.)

Werner Pfennig (FU Berlin) und Hanns Günther Hilpert (SWP) mit O-Tönen (Naja, BILD eben, das macht die Einschätzungen der Experten aber nicht schlechter. Ok.)

Die WELT hat keinen Experten zu Rate gezogen. Brauch sie auch nicht. Hat ja selbst einen…: Torsten Krauel (Die WELT) mit einem Artikel (Naja, wenn man weiß wie Krauel schreibt und was er mag, der weiß, ob er das lesen will. Unterhaltsam ist es mitunter. Wenn man sonst nichts zu tun hat Ok.)

Mehr Experteninfos habe ich nicht gefunden, aber das ist ja schonmal ein bisschen was und hilf mit Sicherheit, sich ein Bild zu machen. Viel Spaß dabei…

Aufbruchsstimmung in Nordkorea? — Interessante Momentaufnahme von Rüdiger Frank


Seit Kim Jong Un in Nordkorea die Zügel in die Hand genommen hat und abzusehen war, dass dieses Vorhaben nicht ganz schiefläuft, fragt sich alle Welt, was der junge Kim wohl plant. Daher ist es auch nicht überraschend, dass jeder Schritt den er tut gedeutet, jedes Wort durchanalysiert und jede Maßnahme seziert wird. Zu wirklich Erkenntnissen hat das bisher noch nicht geführt, aber zu allerlei Spekulationen. Jedoch bringt das alles nicht wirklich etwas, denn im Endeffekt — und da unterscheidet sich Nordkorea nicht großartig von Deutschland — kann die Arbeit von Politikern nur an ihren Ergebnissen gemessen werden. Erste Wasserstandsanzeigen zu den Ergebnissen von Kim Jong Uns Politik kommen jetzt langsam auf den Markt und eine besonders bemerkenswerte möchte ich euch in der Folge kurz vorstellen.

Statusbericht von Rüdiger Frank

Rüdiger Frank, auf dessen fachliches Urteil ich eigentlich schon immer große Stücke halte, hat gestern auf 38 North einen kleinen Statusbericht von seinem jüngste Nordkoreabesuch im September veröffentlicht, den zu lesen es sich definitiv lohnt (und nicht nur, weil er ein bisschen in seinem Fotoalbum gekramt hat). Er erkennt nämlich eine Aufbruchsstimmung in Nordkorea und naja, das dürfte für die Nordkoreaner ein Gefühl sein, von dem sie in den vergangenen Jahren so ziemlich vergessen hatten, dass es das gibt.

Aufbruchsstimmung in der Bevölkerung

Frank macht diese Stimmung nicht nur an den ersichtlichen Unterschieden im Führungsstil Kim Jong Uns gegenüber dem seines Vaters fest (man ist geneigt von „frischem Wind“ zu sprechen), sondern auch an konkreten Änderungen im Stadtbild vor allem Pjöngjangs. Die Beispiele die er aufzählt sind vielfältig. Die Frauen tragen kürzere Haare, an den Straßen schießen die Läden wie Pilze aus dem Boden und nicht nur Stände, sondern auch in Häusern untergebrachte Einrichtungen. Die Verkehrspolizistinnen werden durch Ampeln ersetzt, die mit einer zunehmenden  Zahl von Autos unterschiedlichster Fabrikate zu kämpfen haben. Die Veteranen des öffentlichen Nahverkehrs (der Bus im Foto steht kurz davor, seine 2 Millionen km voll zu machen und darf deshalb vielleicht noch ein bisschen), die Oberleitungsbusse, werden durch moderne Modelle ersetzt und naja, das Handys mehr und mehr von der Ausnahme zur Regel werden, darauf habe ich ja kürzlich schon hingewiesen. Auch dass das Arirang Massenspektakel in seiner bisherigen Form dieses Jahr vermutlich zuletzt aufgeführt wurde, sieht er als Hinweis auf die Veränderung (und schon dieses Jahr, wurde auf martialische Drohungen etc. verzichtet). Gleichzeitig vermutet Frank, dass man beispielsweise bei der Fertigstellung der Mansudae Appartements, dem Prestigebauprojekt der letzten Zeit, mehr auf Qualität als auf Tempo geachtet und daher darauf verzichtet habe, die Wohnungen auf Teufelkommraus zu Kim Il Sungs Geburtstagsfete im April fertigzustellen (allerdings schien man bei der Fertigstellung der Kim Jong Il und Kim Il Sung Statuen am Mansudae Hügel die fristgerechte Fertigstellung über die Qualität gesetzt zu haben, die werden nämlich schon wieder renoviert).

Sehnsuchtsziel Pjöngjang?

Interessant finde ich die Einordnung des Sachverhaltes, dass sich Pjöngjang offensichtlich wesentlich rasanter wandelt und entwickelt, als der Rest des Landes. Auch Noland und Haggard befassten sich ja häufiger damit, aber im Gegensatz zu ihnen, sieht Frank in dieser Tatsache ein mögliche Entwicklungsstrategie, der er Erfolgschancen beimisst. Sein Ratio: Wenn innerhalb Nordkoreas ein boomendes „Sehnsuchtsziel“ existiert, dann schauen die Leute nicht mehr ins Ausland, z.B. nach Seoul oder Shanghai, um ihr Glück zu suchen, sondern in die eigene Hauptstadt. Gleichzeitig kann sowas auch sehr motivierend wirken, denn für diejenigen, die es nach Pjöngjang geschafft haben, ist der Anreiz sich anzustrengen um dazubleiben größer, während die, die noch in der Provinz leben sich umsomehr mühen, um sich der Hauptstadt als würdig zu erweisen. Auch diskutiert er die Möglichkeit eines „Übergreifens“ der Entwicklung aus Pjöngjang in die Provinz.

Mehr und weniger sinnvolle Reformen

Als einen letzten Punkt macht sich Frank Gedanken zu möglichen ordnungspolitischen Maßnahmen, allem voran natürlich die Wirtschaftsreformen, die Gerüchten zufolge ja erstmal auf den Agrarsektor zielen sollen. Ähnlich wie ich vor ein paar Tagen (nur fundierter), argumentiert er, dass es im Falle Nordkoreas nicht sinnvoll sei, nur den landwirtschaftlichen Sektor zu reformieren. Ohne flankierende Reformen im industriellen Bereich würde das zu Inflation führen und während der relativ geringe Anteil der Bevölkerung, der im Landwirtschaftssektor tätig ist davon deutlich profitieren könnte, würde der relativ große Teil der Menschen, der das nicht ist, darunter leiden (hier sieht er einen Unterschied zu Chinas Reformaufbruch in den 1980ern, wo die Bevölkerungsanteile anders aussahen und verhältnismäßig  viele Menschen im Agrarsektor profitieren konnten). Die angekündigte Bildungsreform fügt sich laut Frank gut ins Bild. Einerseits wird das Bedürfnis der Bevölkerung nach bestmöglicher (Aus-)Bildung für die Jugend befriedigt (das zusätzliche Schuljahr soll nicht der ideologischen, sondern der fachlichen Bildung dienen), andererseits werden so besser qualifizierte Arbeitskräfte für die neuen Herausforderungen eines Landes im wirtschaftlichen Aufbruch bereitgestellt.

Die große Herausforderung

Abschließend sieht Frank die Führung des Landes nun vor der wahren Herausforderung: Nachdem Hoffnungen und Erwartungen geweckt wurden, muss es dem Regime gelingen, im wirtschaftlichen Bereich Ergebnisse zu liefern, ohne im politischen Bereich die Stabilität aufs Spiel zu setzen. Das wird ein Tanz auf der Rasierklinge.

Ein heißes Tänzchen

Interessanterweise habe ich mich gestern Abend mit einem Freund genau über diesen Sachverhalt unterhalten: Ob es wohl möglich ist, die notwendigen Rahmenbedingungen für eine echte und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen, ohne dabei einen entscheidenden Schritt zu weit zu gehen und dadurch die Kontrolle über das Land zu verlieren. Ich erinnere mich jetzt auch wieder gerne an die letzten Absätze meiner Abschlussarbeit. Damals habe ich nämlich das Bild von einem Seiltänzer bemüht. Kim Jong Il ist zeit seines Lebens nicht ohne Sicherung und Netz aufs Seil gegangen. So konnte er zwar nicht abstürzen, aber ein erfolgreicher Seiltänzer konnte er auch nicht werden. Ich habe  das Gefühl als hätte sich sein Sohn gerade vollkommen ungesichert auf den Weg gemacht. Wenn das so ist, kann er entweder gewinnen, oder verlieren. Dazwischen gibt es nicht viel…

Einschränkung

Der Bericht Rüdiger Franks ist sehr eine spannende Momentaufnahme und er bestätigt einige diffuse Wahrnehmungen, die man in den vergangenen Monaten machen konnte. Aber auch wenn Herr Frank ein ausgewiesener Experte ist, zeigt der Bericht natürlich nur einen kleinen und subjektiven Ausschnitt der Realität. Einerseits ist das, was man in ein paar Tagen/Wochen in Nordkorea sehen kann (selbst als geschulter Beobachter) natürlich begrenzt. Andererseits bemerkt man auch, dass in seine Analyse einige ebenfalls wichtigen Aspekte, wie z.B. die Sonderwirtschaftszonen oder auch die wirtschaftliche Abhängigkeit von China, nicht mit einfließen. Daher sollte man seinen Artikel als das behandeln, was er ist: Eine fundierte Momentaufnahme. Ein abschließender Beweis über Wandel oder nicht-Wandel ist das natürlich nicht. Dazu müssen wir noch weitere Wasserstandsmessungen abwarten.

Ein Strauß voll Buntes VI: Ernten wenn es reif ist — Papers zu Nordkorea aus sehr verschiedenen Perspektiven


Wie das im Sommer nun eben mal so ist, blüht und gedeiht momentan alles herrlich bunt und prächtig, dass es eine wahre Freude ist. Das ist nicht nur auf meinem Balkon der Fall, sondern auch bei dem, das ich hier im Blog immer gerne zu einem Strauß voll Buntem zusammenpacke.

So ist das eben im Sommer. Blumen allenthalben…

Eigentlich hatte ich garnicht vorgehabt schon wieder einen solchen Strauß zu binden, aber so ist das eben im Sommer: Man muss ernten, bevor die Feldfrüchte verblüht oder verdorben sind. Naja und mit dem, das ich hier verlinke, ist es eben ganz ähnlich: Wenn das Zeug erstmal über ein halbes Jahr alt ist (und das ist es jetzt zum Teil schon fast), dann ist es nurnoch halb so spannend. Also macht euch bereit, für einen farbenfrohen Sommerblumenstrauß…

Visuelle Repräsentation Nordkoreas: Satellitenbilder

Einsteigen möchte ich mit einem Paper aus Deutschland (mir fällt gerade auf, dass der heutige Strauß ohnehin recht „kontinental“ ist). Das GIGA in Hamburg setzt seine wirklich spannende Forschung zur visuellen Repräsentation Nordkoreas fort. Der Kopf hinter diesem Vorhaben, David Shim, hat vor ein paar Tagen ein gut 17 Textseiten langes (und mal wieder leider nicht in deutscher Sprache vorliegendes) Working Paper mit dem Titel „Seeing from Above: The Geopolitics of Satellite Vision and North Korea“ veröffentlicht.

Das Paper setzt sich aus kritisch politikwissenschaftlicher Perspektive mit der Rolle auseinander, die die visuelle Repräsentation Nordkoreas durch Satellitenbilder in der heutigen Geopolitik spielt und dekonstruiert dabei ein gutes Stück weit das Bild vom objektiven und nicht manipulierbaren Abbild der Realität durch Satellitenbilder. Dazu wirft der Autor zuerst einen kurzen Blick auf Nordkorea, als das schwarze Informationsloch, dass es für ausländische Regierungen häufig darstellt, um dann zum eigentlichen Thema des Aufsatzes, dem Satellitenbild als einer möglichen Lösung für dieses Problem zu kommen.

In der Folge beschreibt er die hohe Autorität, die Satellitenbilder als Erweiterungen des menschlichen Sichtfeldes und als Möglichkeiten des Zugangs zu Gebieten, die eigentlich versperrt sind, bieten. Satellitenbilder sind mehr als nur die bildliche Untermalung von Wissen und Informationen, sie sind selbst Wissen und Informationen und können so zu politischen Schlussfolgerungen führen, aus denen politisches Handeln folgt. Shim beschreibt dann zwei sehr interessante Fälle, in denen sich jedoch zeigt, dass Satellitenbilder keinesfalls rein objektiv sind, sondern erst einen Sinn zugeschrieben bekommen. Und im Laufe dieses Prozesses können die Bilder bestimmten Interessen dienstbar gemacht werden. Erstens zeigen die Bilder nur das, was sie eben zeigen. Hört sich erstmal blöd an, ist aber wichtig, denn diejenigen, die über die Bilder verfügen entscheiden eben auch, welches Bild und welcher Ausschnitt gezeigt wird. Als Beispiel führt er hier das sehr interessante Beispiel der Satellitenbilder von Arbeitslagern in Nordkorea an: Während südkoreanische und US Regierungen schon seit den 1990er Jahren über solche Bilder verfügen, wurden sie von Regierungsseite bisher nie veröffentlicht, sonder nur durch NGOs (z.B. hier). Das wurde damit erklärt, dass man die Fähigkeiten der Aufklärungssatelliten nicht preisgeben wolle. Gleichzeitig wurden jedoch immer wieder Satellitenbilder von Nuklear- und Raketenanlagen veröffentlicht. Das Argument für die Nichtveröffentlichung der Satellitenbilder war also nur vorgeschoben. Shim vermutet, dass sich dies damit erklären ließe, dass Satellitenbilder nur dann wichtig würden, wenn sie Relevanz in aktuellen internationalen Fragestellungen hätten. Da mit Bezug auf Nordkorea aber eine Fixierung auf die Nuklearfrage vorläge, sei es wenig verwunderlich, dass auch nur hier Satellitenbilder veröffentlicht würden. Zweitens ist es für Laien kaum möglich, den Bildern einen Sinn zuzuschreiben, dazu bedarf es erfahrener Experten. Und die können, wie das Beispiel des Auftritts Collin Powells im Vorfeld des Irakkriegs zeigt, im Endeffekt erzählen was sie wollen, Laien können das nicht wiederlegen (ich erinnere mich da auch an irgendeinen Schlaumeier einer großen deutschen Tageszeitung, der einen direkten Zusammenhang zwischen „blauen oder roten Dächern“ und Minen für Seltene Erden herstellte (weiß ich ob das so ist? Nein! Weiß er es? Nein! Ist er Fernaufklärungsexperte? Nein!)).

Darauf hin führt der Autor einen sehr interessanten Exkurs zur wohl berühmtesten Satellitenaufnahmen Nordkoreas, der Koreanischen Halbinsel bei Nacht (jetzt dürfte so ziemlich jeder wissen was gemeint ist). Er beschreibt, wie viel diese Aufnahme interpretiert hat, obwohl ihre eigentlich Aussage ziemlich dürftig ist (viel Licht gegen wenig) und zeigt so, dass gerade das berühmteste Satellitenbild nicht eine objektive Darstellung der Realität ist, sondern eine symbolische Repräsentation. Im abschließenden Kapitel versucht Shim anhand von mehreren Beispielen die These zu untermauern, dass im Fall von Satellitenbildern nicht das Glauben aus dem Sehen folgt, sondern man sieht was man glaubt. Das wohl spektakulärste Beispiel hierfür ist die Kumchangri Geschichte. Damals hatten US-Satelliten umfangreiche Baumaßnahmen in Nordkorea gesichtet und die US-Regierung vermutete in der Folge, dass Nordkorea eine unterirdische Nuklearanlage bauen wolle. Gegen die Lieferung von 600.000 Tonnen (!) Lebensmitteln, ließ die nordkoreanische Führung das Loch inspizieren und es stellte sich in der Folge heraus, dass es sich tatsächlich um ein Loch handelte (nicht mehr, nicht weniger). Später wurde bekannt, dass die nordkoreanische Führung, nachdem ihr bekannt wurde, dass das Loch beobachtet wurde, umfangreiche Baumaßnahmen angeordnet hatte, um daraus Kapital zu schlagen.

Im abschließenden Fazit mahnt der Autor, dass es wichtig sei, Satellitenfotos als Informationsquellen mit entsprechender Vorsicht gegenüberzustehen. Dem habe ich nur wenig hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass die Lektüre des Artikels eine sehr lohnende Beschäftigung ist und dass ich sie nur wärmsten empfehlen kann.

Outsourcing nach Nordkorea?

Einen interessanten kleinen Artikel habe ich von Paul Tjia gefunden. Er befasst sich auf vier Seiten mit den Möglichkeiten des Outsourcings nach Nordkorea. Das macht er nicht ganz selbstlos, immerhin betreibt der Niederländer eine Consultingagentur, die sich mit dem Outsourcing von IT-Dienstleistungen beschäftigt. Uninteressant ist das Ganze trotzdem nicht, auch wenn der Autor natürlich etwas zu verkaufen hat und daher den Vorteilen einen etwas breiteren Raum gibt als den Risiken. So lernt man die nordkoreanische IT-Landschaft und ihr Portfolio etwas besser kennen und erfährt, dass in diesem Sektor mehr als 10.000 gut ausgebildete Arbeitskräfte teils für weniger als 10 US Dollar die Stunde bereitstehen und das die Gefahr des Job-hoppings wegen der Regulierungen der Regierung nicht so groß ist wie in anderen Ländern. Für alle die das Thema im engeren oder weiteren Sinne interessiert ist der Artikel lesenswert.

Anthropologische Perspektive auf die Nordkoreapolitik der EU

Eduardo Zachary Albrecht hat für das European Institute for Asian Studies den interessanten Artikel „North Korea in the East Asian Puzzle: Anthropological Perspectives for EU Policy Developments“ geschrieben. Ich muss sagen, dass ich den Artikel an sich nicht unbedingt gut finde, dass er aber einige Aspekte beinhaltet, die ich wirklich interessant finde so dass ich das Ganze trotz einiger Aspekte die ich schwierig finde verlinke. Albrecht beschreibt in seinem Artikel kurz und recht gelungen die Migrationsströme Ostasien, auch mit einem kleinen historischen Rückblick, wobei mir gerade der Bevölkerungsaustausch zwischen China und Nordkorea bisher so nicht bewusst war (ich dachte die chinesischen Kämpfer wären nach dem Koreakrieg alle wieder zurückgegangen). Darauf folgen zwei kurze Interviews mit nordkoreanischen Flüchtlinge, die zwar nicht uninteressant sind, die zum Inhalt des Papers aber nichts beitragen. Die hätte er sich sparen können, aber vermutlich wollte er sie irgendwie einarbeiten, wenn er sie schon durchgeführt hatte…

Im eigentlich zentralen Teil des Papers (so wirklich kann ich nicht nachvollziehen, wieso dafür das nötig war, das zuvor kam) folgt der Autor weitgehend der These die durch das Buch „The cleansest Race“ von Brian Myers in den letzten Jahren recht populär geworden ist: Nordkoreas Führung hat Rassismus und Xenophobie kultiviert und zu einem tragenden Bestandteil ihrer Legitimation gemacht. Albrecht folgert daraus, dass ein Ausgleich mit Nordkorea unmöglich sei, da das Regime die Gefahren für die rassische Reinheit, zu denen nicht nur die Amerikaner und Japan, sondern auch Russen und Europäer zählen, brauche um sich zu legitimieren und sich daher nicht nähern könne. Eine Lösung sieht der Autor in China, der einzigen Ausnahme in der nordkoreanischen Xenophobie. Die EU müsse, wenn sie Einfluss auf die nordkoreanische Politik nehmen wolle, den Umweg über China nehmen, indem sie Gemeinsamkeiten mit diesem auskundschaftet und dann die Politik koordiniert.

Interessante Nebenaspekte in diesem Teil betreffen die Analyse des Autors zur aktuellen Nordkoreapolitik der EU. Er sieht hier einen Wandel, weg von einer Agenda der ökonomischen Öffnung hin zu humanitären Fragen. Wahrscheinlich hat er recht. Eine andere interessante Anmerkung betrifft, ist die „schlechte Angewohnheit“ der EU (wie er schön schreibt) hinter den Kulissen andere Ziele zu verfolgen, als sie nach außen verfolgt. Im Fall Nordkorea habe dies dazu geführt (das schreibt er nicht, aber schlechte Angewohnheiten muss man ja erstmal praktizieren, damit sie als solche identifiziert werden können), dass die EU den Status quo aufrecht erhalten habe, indem sie unmöglich zu erfüllende Forderungen an Pjöngjang gerichtet habe. So sei die Öffentlichkeit zuhause zufrieden gewesen (man hat sich ja eingesetzt…) während man selbst sein Ziel erreicht hat (es war alles beim Alten geblieben). Der Autor geht davon aus, dass die EU dieser Angewohnheit nicht mehr folgt, aber irgendwie klingt das eher wie Zweckoptimismus (denn ansonsten wäre es ja eigentlich Quatsch gewesen, das Paper zu schreiben).

Nordkoreanische Perspektive: Vertrauensbildung zwischen den USA und Nordkorea und ein die Möglichkeit einer Wiedervereinigung Koreas als Föderation im Vergleich zur europäischen Integration

Vielleicht werdet ihr euch fragen, wo denn bitte ein nordkoreanischer Standpunkt herkommen soll, wenn nicht von den üblichen Propagandaorganen. Die Antwort ist ganz einfach: Aus Schweden. Das dort ansässige Institute for Security and Development Policy (ISDP) beherbergt nämlich seit einiger Zeit mindestens einmal pro Jahr jeweils zwei nordkoreanische Gastwissenschaftler, die dann jedesmal jeweils ein Paper schreiben. Ich wollte euch schon länger mal darauf aufmerksam machen, hatte es aber zwischenzeitlich vergessen. Ri Hyon-song, der Autor des ersten Papers forscht am Institute for Disarmament and Peace in Pjöngjang. Sein Aufsatz „Confidence Building Between the DPRK and the U.S.: The Foundation for Settling the Korean Issues“ sollte sich dem Namen nach mit Vertrauensbildung zwischen Nordkorea und den USA befassen. Aber eigentlich geht es in weiten Teilen darum, den USA die Schuld für die angespannte Situation auf der Koreanischen Halbinsel und der Nicht-Lösung des Konfliktes dort zuzuschreiben. Eigentlich nur das Kapitel zu den Prinzipien der Vertrauensbildung orientiert sich etwas anders. Dort werden als Prinzipien „Gegenseitiges Vertrauen und Respekt“ (mutual respect and equality) und „gleichzeitges Vorangehen“ (simultaneous action) genannt, auf deren Basis ein Friedensvertrag den Ausgangspunkt für Vertrauen zwischen beiden Staaten legen soll. So weit so wenig neu. Aber eben mal anders präsentiert.

Der zweite Aufsatz von Jong Chol-nam mit dem Titel „Federation: A Comparative Study of European Integration and Korean Reunification“ spielt da schon in einer anderen Liga. Der Autor stellt auf zwanzig Seiten die Geschichte der Europäischen Einigung und das nordkoreanische Modell einer Demokratischen Föderalen Republik Koryo vor, um dann einen Vergleich zwischen beiden zu ziehen. Dabei arbeitet er Parallelen und Unterschiede zwischen den Modellen heraus um im Endeffekt eine Föderation als ideales Modell für Korea darzustellen. Abschließend gibt er einen kleinen Ausblick auf die Effekte, die eine Föderation der Koreanischen Staaten auf die EU hätte. Auch wenn häufiger mal Standpunkte durchscheinen, die von einem Weltbild herrühren, dem der Autor folgen muss (was die Arbeit ein Stückweit normativ macht, nämlich immer da, wo es politisch kritisch wird, also die Interessen Nordkoreas einfließen), wird bei der Lektüre des Aufsatzes doch einiges sehr schnell deutlich: Der Autor kennt sich gut mit der europäischen Geschichte und auch Geistesgeschichte aus und hat sich auch mit politikwissenschaftlichen Theorien beschäftigt. Sein Ansatz ist kreativ und handwerklich gut durchgeführt. Wo er keine nordkoreanischen Propagandalinien vertreten muss, merkt man nicht unbedingt, dass der Autor Nordkoreaner ist, man merkt, dass er Wissenschaftler ist.

Damit hebt sich die zweite erfreulich von der ersten Arbeit ab (ganz ehrlich, den Kram hätte ich nach ein bisschen KCNA Lektüre auch zusammenkloppen können), die nur altbekannt nordkoreanische Positionen wiedergab und eigentlich kaum einen wissenschaftlichen Anspruch hatte. Wenn man sich das so anguckt und dazu weiß, dass nordkoreanische Gastforscher eigentlich nur im Zweierpack zu haben sind (damit sie gegenseitig aufeinander aufpassen können), stellt sich hier fast die Frage, ob das ISDP in diesem Fall nicht einen Gastforscher und einen Aufpasser zu Besuch hatte. Wenn ich mal ein bisschen mehr Zeit hab, lese ich mir auch die älteren Publikationen nordkoreanischer Gastwissenschaftler beim ISDP mal an und gucke, ob die qualitativen Unterschiede da ähnlich eklatant sind. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr das natürlich auch machen. Hier gibt es die Asienpublikationen des Instituts und solche, deren Autoren koreanische Namen haben sind meistens von den Gastwissenschaftlern verfasst (was euch aber nicht davon abhalten soll, auch mal andere anzugucken, da gibt es nämlich viele interessante).

Hm, mir geht langsam die Puste aus, aber ich habe noch ein bisschen was. Werde mal was schneller machen:

Gute Daten, schlechte Daten: Rüdiger Frank zu den nordkoreanischen Budgetzahlen und was man daraus lernen kann

Rüdiger Frank folgt mal wieder seiner wirtschaftswissenschaftlichen Profession und mischt diese mit seinen Nordkoreaerfahrungen um eine kleine Lehrstunde zur Auswertung der offiziellen Erklärung der nordkoreanischen Regierung zum Staatsbudget zu geben. Dabei zeigt er zuerst die Schwächen auf, die die Zahlen externer Quellen so haben (z.B. die Bank of Korea, die ja jedes Jahr mit einer Zahl wie + 0,8 % die Wirtschaftsentwicklung beschreibt) um dann zu zeigen, was man aus dem, was der Premier alljährlich an konkreten Zahlen so rausrückt, rauslesen kann. Dazu benötigt man laut Frank vor allem die folgenden zwei Kunstfertigkeiten: Das Vergleichen und die kreative Interpretation. Er beschreibt recht einleuchtend, dass die Budgetzahlen vermutlich gute Kennzahlen für die Einschätzungen der Führung über die zivile Wirtschaft des Landes sind. Weiterhin macht er auf zwei bemerkenswerte Aspekte Aufmerksam, die das diesjährige Budget enthielten: Eine Transaktionssteuer und Zahlen für einen gross industrial output. Für Details lest ihr am besten selbst, ist alles was kompliziert zu erklären.

Ein deutscher Blickwinkel: Einschätzungen von Johannes Pflug

Ein kleiner Hinweis noch auf ein Redemanuskript des SPD Politikers Johannes Pflug, der in Bochum vor ein paar Monaten einen Vortrag über Nordkorea hielt (habs zwar schon auf der Freien Beitragsseite verlinkt, aber passt zu meinem bunten Strüssche). Innerhalb Nordkoreas existieren verschiedene Strömungen die um die politische Ausrichtung des Landes streiten (Diesen Punkt macht er sehr stark). Pflug gibt darin seine Einschätzung zur aktuellen Situation in Nordkorea ab und analysiert dabei teilweise recht scharf. Interessant auch, dass er immer mal wieder aus dem Nähkästchen plaudert und Aussagen verschiedener Gesprächspartner zitiert.

Besonders interessant fand ich dabei folgende Einschätzung: Nordkorea wird (oder vielmehr wurde) von einem Quartett geführt: Kim Jong Un, Jang Song-thaek, Kim Kyong-hui und Ri Yong-ho. Was mit Ri ist, wissen wir ja (zumindest, dass er nicht mehr zu einem Führungsquartett gehört) das für unterschiedliche Richtungen steht und nicht für eine kooperative Führung sozialisiert ist. Man könnte die Ereignisse um Ris Entlassung damit erklären, man könnte sie aber auch anders erklären.

Ein paar (zwei sind mir aufgefallen) schwer erklärbare inhaltliche Schnitzer gab es im Manuskript, ich glaube einmal war es eine Jahreszahl und einmal hat er Uran und Plutonium verwechselt (ich glaube 1994 war von Urananreicherung noch keine Rede. Aber sowas kommt vielleicht vor, wenn man viel zu tun hat und das Redenschreiben anderen überlässt, die vielleicht nicht so fit in Nuklearfragen sind. Außerdem finde ich es immer ein bisschen schwierig, wenn jemand nicht mal auf die Idee zu kommen scheint (sie jedenfalls nicht äußert), dass seine Gesprächspartner ihm vielleicht genau das erzählen, was er hören will. Das muss nicht so sein, aber mitunter scheinen das nordkoreanische Offizielle ja zu tun.
Und wenn man deren Aussagen dann kritiklos für seine eigene Argumentation übernimmt, dann handelt man ja auch irgendwie fahrlässig. Nichtsdestotrotz ist das durchaus lesenswert.

Die USA und Nordkorea: So einfach ist die Geschichte nicht

Leon V. Sigal beschäftigt sich in „In Deep Denial on North Korea and Prospects for US-North Korea Negotiations“ mit der Nordkoreapolitik der USA in den letzten zehn Jahren und lässt daran fast kein gutes Haar. Dabei nimmt er die Geschichtsinterpretation zweier ehemaliger US-Präsidentenberater für Ostasienfragen (Jeffrey Bader (Obama) und Victor Cha (Bush)) nach fast allen Regeln der Kunst auseinander und zeigt eine andere Lesart der Historie zwischen beiden Staaten auf.

Schade ist dabei nur, dass er überzieht und manche Sacherhalte eindeutig zugunsten Pjöngjangs auslegt (die Hinweise auf die Versenkung der Cheonan gehen garnicht, auch wenn er schreibt, dass Schiffeversenken natürlich kein Weg sei)…
Aber ansonsten, äußerst lesenswert, weil hier einige Zeitgeistthesen hervorragend zerpflückt werden und darauf hingewiesen wird, dass auch die USA einiges dazu beigetragen haben, dass vor allem in den letzten zehn Jahren getroffene Vereinbarungen immer wieder kollidiert sind.

Wer mag kann dann auch noch direkt den Artikel „Kim Jong Un Is No Reformer“ von Victor Cha in der Foreign Policy lesen und sich die Thesen angucken, die Cha (den Sigal ja hart angeht) so vertritt. Allerdings ist dazu zu sagen, dass sich Cha (der sonst besser schreibt) dieses Mal nicht mit Ruhm bekleckert hat (So verstehe ich nicht, warum an einer Stelle der Augenschein total wertlos sein soll (Kim Jong Un ist kein Reformer, weil er eine junge Frau hat, in der Schweiz war (wer weiß es?) und Mickey mag während er an anderer Stelle vollkommen legitim ist (Kim Jong Un sieht aus wie Kim Il Sung, deshalb ist er ein Fan einer Hardcore-Juche-Version). Die einzige Erklärung: Weil es dem Autor in den Kram passte.).

Ein Blick ins Innenleben des nordkoreanischen Sicherheitsapparates

Ken Gause, der sich einen Namen als Analyst der inneren Strukturen des nordkoreanischen Regimes gemacht hat, wirft in „Coercion, Control, Surveillance, and Punishment: An Examination of the North Korean Police State“ einen Blick in die Funktionsweise des nordkoreanischen Sicherheitsapparates. Das immerhin gut 180 Seiten fassende Buch beschreibt dabei umfassend die verschiedenen Sicherheitsapparate und ihren Aufbau, um dann zu beleuchten, welchen Tätigkeiten die Organisationen nachgehen. Daraufhin beleuchtet er die Entwicklung des ganzen Sicherheitsapparates als Beziehungsnetz zwischen diesen verschiedenen Organen und der Führung des Staates. Ich hab das noch nicht gelesen, aber Ken Gause als Autor und ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis und die Einleitung sagen mir, dass ich in Zukunft öfter dort reinschauen werde.

Nordkorea und die digitale Welt. Ein Blick von innen.

Vor einiger Zeit wurden unsere Medien ja mal kurz mit Berichten über eine Organisation nordkoreanischer Untergrundreporter geflutet, aber irgendwie gab es aus dieser Quelle nicht wirklich viel Interessantes, außer ein paar Fotos. Jetzt hat Rimjin-gang aber was wirklich Spannendes veröffentlicht, das ich euch nicht vorenthalten möchte. Die Leute der Gruppe haben nämlich einen dreiteiligen Bericht zur Nutzung digitaler Medien in Nordkorea produziert.
Im ersten Teil geht es um Handys. Dabei wird beschrieben, wie der Prozess verläuft, in dessen Rahmen man in den Besitz eines Handys kommt (es ist etwas komplizierter als hier), welche Regeln es im Zusammenhang mit Handys gibt, welche Dienste und Modelle verfügbar sind und wie die Geräte genutzt werden. Der zweite Teil befasst sich mit Computern und ist ähnlich wie der erste strukturiert und abschließend werden mögliche Auswirkungen dieser neuen Entwicklungen auf die nordkoreanische Gesellschaft diskutiert. Hier gibt es wirklich einiges Neues zu erfahren, also schauts euch an.

So, dass war viel heute, aber wie gesagt, man muss die Ernte dann einfahren wenn sie reif ist. Also viel Spaß mit dem Strauß…

Handarbeit für die Vereinigung — Yu Woo-ik töpfert einen Vereinigungsfonds


Ich habe ja in der Vergangenheit schonmal auf die Vorhaben der südkoreanischen Regierung hingewiesen, sich finanziell auf eine eventuelle Wiedervereinigung der Koreas vorzubereiten. Dabei stand anfänglich eine Wiedervereinigungssteuer im Raum, die aber aufgrund von internen politischen Wiederständen bald wieder fallengelassen wurde. Als Ersatzinstrument entwickelten Vereinigungsminister Yu Woo-ik und sein Ministerium einen freiwilligen Vereinigungstopf, der mit Hilfe von privaten Spenden bis zu einer Höhe von etwa 50 Milliarden US-Dollar gefüllt werden soll. Diese Summe wäre zwar nicht annähernd ausreichend, den Preis einer Vereinigung zu zahlen, würde aber zumindest helfen, die ersten unmittelbaren Kosten dieses Ereignisses zu decken, das wenn es kommt, vermutlich recht plötzlich eintritt.

Topf getöpfert; Erste Inhalte bereitgestellt

Am vergangenen Wochenende hat Yu nun scheinbar die Sammelkampagne offiziell gestartet, indem er einen symbolischen Vereinigungstopf töpferte. Erste Spender haben sich auch schon gemeldet: Yu Woo-ik und Präsident Lee Myung-bak wollen jeweils einen Monatslohn in den Pott werfen. Allerdings scheint noch nicht ganz klar zu sein, wie in Zukunft weiter mit dem Topf und dem darin steckenden Geld verfahren wird. Es liegt zwar ein Gesetz im Parlament, das jedoch wohl nicht bis zum Ende der Legislaturperiode des aktuellen Parlaments beschlossen werden wird und danach seine Gültigkeit verliert.

Wichtige Fragen sind noch offen

Damit sieht es wohl so aus, dass momentan Geld gesammelt wird, das aber nicht klar ist, welchen Status der Topf erhält und für welche Ausgaben das Vermögen des Fonds im Endeffekt genutzt werden soll. Dementsprechend mahnte Rüdiger Frank an, dass die spätere Nutzung des Geldes so früh und transparent wie möglich festgeschrieben werden müsse. Bernhard Seliger von der Hanns-Seidel Stiftung  wies auf das Risiko hin, die Kosten einer Vereinigung zu niedrig zu schätzen und bemerke, dass die Deutsch-Deutschen Erfahrungen, wenn auch nicht eins zu eins übertragbar doch wichtige Hinweise für die Regierung in Seoul geben könnten. Seliger ist ja sehr aktiv hinsichtlich Nordkoreas und leistet immer wieder gute Arbeit im Bereich „Capacity Building“, vor allem in den Feldern Ökologie und Ökonomie. (Erst kürzlich hat er eine Große Bücherspende an das nordkoreanische Korea Economy and Trade Information Center (KETIC) übergeben, die aus aktueller Wirtschaftswissenschaftlicher Literatur bestand und vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle bereitgestellt wurde. (Ich wüsste mal gerne, ob auf einer der CD-Roms mit aktuellen Publikationen des IWH auch die Studie zu den Kosten einer Koreanischen Wiedervereinigung drauf war, das das IWH vor einiger Zeit veröffentlicht hat. Wenn ja dürfte das die Leser sicherlich interessieren bis schockieren.))

Nicht nur finanzielle sondern auch mentale Vorbereitung

Der Vereinigungstopf soll aber nicht nur der rein finanziellen Vorbereitung auf eine Vereinigung dienen, sondern auch dabei helfen, das Interesse und die Aufmerksamkeit in der Bevölkerung zu steigern und so das Ziel der Vereinigung in den Köpfen der Menschen zu verankern. Der Hinweis darauf, dass es notwendig sei, die Einheit als positive Zielsetzung zu etablieren kam scheinbar aus den Reihen der deutschen Expertengruppe, die seit einiger Zeit die südkoreanische Seite hinsichtlich der Vorbereitung  auf eine Wiedervereinigung berät. Ein wichtiger Hinweis, der vor dem Hintergrund von noch immer bestehenden „Mauern im Kopf“ nicht ernst genug genommen werden kann, vor allem, da sich die Gesellschaften in den Koreas wohl noch wesentlich weiter auseinander entwickelt haben, als das in Deutschland je der Fall war.

Pjöngjangs Ablehnung und die Gründe

Gleichzeitig schlug Seliger auch vor, den Fonds mit einem „neutraleren“ Namen zu versehen und einen Teil des Geldes für Kooperationsprojekte zu nutzen, um die Ablehnung des Nordens etwas abzuschwächen. Dies sind sicherlich sehr sinnvolle Vorschläge, denn die nordkoreanische Seite fühlt sich durch die klare Ausrichtung des Fonds provoziert, der dort als einseitiges Werkzeug zur Übernahme des Landes gesehen wird. Ein Vereinigungsmodell mit dem sich die Führung in Pjöngjang verständlicher Weise nicht anfreunden kann. Das „Deutsch-Modell“ einer Vereinigung ist für Pjöngjang ein rotes Tuch.

Ich vermute zwar, dass solche Schritte nicht ausreichen werden, die Ablehnung des Nordens gänzlich zu entschärfen, aber es wären zumindest symbolische Gesten, die zeigen würden, dass tatsächlich nicht nur ein konfrontativer Ansatz hinter dem Fonds steckt wie im Norden vermutet wird und was vor dem Hintergrund der Politik Lee Myung-baks auch nicht vollkommen zu entkräften ist.

Lees Vermächtnis an die Nachfolger?

Ich finde es aus mehrfacher Hinsicht interessant, dass die Lee Regierung sich kurz vor ihrem Ende noch darum bemüht, das Instrument mit Leben zu füllen. Vermutlich steht dahinter die Idee, dass man einen Topf, der schon bis zu einem gewissen Maß gefüllt ist, nicht mehr so einfach aus der Welt schaffen kann. Würde man den Aufbau des Instruments dem nächsten Präsidenten überlassen, bestünde immer das Risiko, dass der sich gegen den Fonds entschiede und das Projekt damit wieder tot sei. Wenn man aber einige Milliarden Dollar in einem gesetzlich fixierten Instrument übergibt, müssen die Nachfolger (unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung) damit umgehen. Es ist nicht unwahrscheinlich (wenn auch alles andere als sicher), dass nach den Präsidentenwahlen in diesem Jahr ein Vertreter der progressiven Parteien im Blauen Haus sitzt und deren Ansatz gegenüber dem Norden ist ja eher ein kooperativer. Und in eine solche Politik würde ein Instrument, das vom Niedergang des nordkoreanischen Systems und nicht einer schrittweisen Annäherung der Systeme ausgeht, nur schlecht hineinpassen.

Ich stehe der Politik Lees ja häufig recht kritisch gegenüber, aber wenn es ihm und Yu gelänge, den Topf bis zum Ende seiner Amtszeit fest zu etablieren, dann würde er seinen Nachfolgern sicherlich ein Werkzeug übergeben, für das sie in Zukunft nochmal sehr dankbar sein dürften und auf das man auch vielleicht nochmal in Form einer Steuer oder ähnlichem aufbauen könnte.

Kleine „to-do-Liste“

Allerdings ist bis dahin noch einiges an Arbeit zu tun: Erstens muss natürlich Geld in den Topf, den ein leeres Gefäß, das nicht der Mode der Zeit entspricht verstaubt schnell mal im Keller.

Zweitens muss transparent gemacht werden wozu das Instrument konkret dienen soll, ansonsten steht zu befürchten, dass der Topf flexible eingesetzt wird und am Ende nicht mehr seinen ursprünglichen Zielen entspricht.

Drittens ist es damit zusammenhängend auch notwendig, dass es eine gesetzliche und institutionelle Verankerung des Werkzeugs gibt.

Viertens muss es schließlich so kommuniziert werden, dass es vom Norden nicht allein als Mittel zur Konfrontation gesehen, sondern auch als Chance begriffen werden kann.

Deutsche Beratung

Sollte Lee all das leisten, dann hat der Süden einen wichtigen Schritt zur Vorbereitung einer möglichen Wiedervereinigung (unabhängig davon, wie diese ablaufen wird) getan und sein nordkoreapolitisches Erbe wird vieleicht nicht ganz so durchwachsen ausfallen. Dass dabei deutsche Beratung eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat, ist ein Punkt mit dem ich sehr zufrieden bin. Ich freue mich, dass Deutsche Akteure versuchen die Erfahrungen hierzulande in den politischen Prozess auf der Koreanischen Halbinsel einfließen zu lassen und hoffe, dass das in Zukunft noch ausgebaut wird.

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