Heute beginnt in Genf eine neue Runde der Gespräche zwischen den USA und Nordkorea über eine mögliche Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche um die Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel. Stephen Bosworth wird dabei zum letzten Mal als Sondergesandter der USA für Nordkorea die US-Delegation anführen. Teil seiner Delegation sind außerdem sein Nachfolger Glyn Davies und Cliffort Hart, der neue Chefunterhändler der USA bei den Sechs-Parteien-Gesprächen. Die nordkoreanische Delegation wird geführt von Vizeaußenminister Kim Kye-gwan, dem Chefstrategen in Verhandlungen zur Nuklearfrage (bis zu seinem Aufstieg im nordkoreanischen Außenministerium fungierte er als Nordkoreas Chefunterhändler bei den Sechsergesprächen). Vermutlich auch mit dabei ist sein Nachfolger am Sechsertisch, Ri Yong-ho (zu Unterscheiden vom gleichnamigen Generalstabschef), der sein potentielles Gegenüber aus den USA bestimmt gerne kennenlernen möchte.
Kim Jong Il: „Wollen Sechsergespräche“
Im Vorfeld des Treffens, das heute und morgen hinter verschlossenen Türen stattfinden wird, gab es einige Zeichen, dass Nordkorea diesem große Bedeutung beimisst und sich eine Wiederaufnahme der Sechsergespräche wünscht. So war am vergangenen Donnerstag bei KCNA eine Verlautbarung Kim Jong Ils zu lesen (es ist relativ selten, dass sich Kim in den Medien zu außenpolitischen Themen äußert) in dem er unter anderem den Willen Nordkoreas zur Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche ohne Vorbedingungen (wobei diese entscheidende „Klausel“ nicht als Angebot, sondern als Forderung an die USA und Südkorea zu verstehen ist, nichts von Nordkorea zu verlangen, bevor die Gespräche anfangen können) unterstrich:
To bring the process for the denuclearization of the peninsula back to its track, it is necessary to pay primary attention to building trust between the DPRK and the U.S., parties directly responsible for the nuclear issue, and resume the six-party talks without preconditions at an early date.
Consistent is the stand of the DPRK to attain the goal of denuclearizing the peninsula through the six-party talks.
[Um den Prozess der Denuklearisierung er Halbinsel voranzubringen ist es notwendig, der Vertrauensbildung zwischen den USA und Nordkorea eine vorrangige Bedeutung beizumessen, da diese Parteien direkt für die Nuklearfrage verantwortlich sind. Außerdem ist es wichtig, die Sechs-Parteien-Gespräche so früh wie möglich ohne Vorbedingungen fortzusetzen.
Weiterhin ist es die Position Nordkoreas, das Ziel der Denuklearisierung der Halbinsel durch die Sechs-Parteien-Gespräche zu erreichen.]
Diese Aussage Kims belegt zwei Dinge. Einerseits scheint man der Wiederaufnahme der Gespräche einige Bedeutung beizumessen, sonst hätte es die Aussage nicht durch ihn persönlich gegeben. Andererseits schein Pjöngjang mit einer unveränderten Verhandlungsposition in die Genfer Verhandlungen zu gehen. Man will die Forderung der USA und Südkoreas, erstmal Taten sprechen zu lassen und dadurch Ernsthaftigkeit zu beweisen, nicht erfüllen. Natürlich kann es sein, dass Kim Kye-gwan Handlungsspielraum bekommt, aber anfangen wird er den Handel mit genau dieser Position.
Nordkoreanische Gesten bei „weichen“ Themen
Vielleicht um — trotz der unveränderten Haltung im Kern der Sache — guten Willen zu beweisen, lassen sich in anderen Feldern jüngst Gesten der Annäherung durch Nordkorea erkennen. So einigte man sich in der letzten Woche mit den USA auf eine Fortsetzung der Suche nach gefallenen US-Soldaten des Koreakriegs auf nordkoreanischem Territorium. Die Arbeiten waren 2005 ausgesetzt worden. Von 1996 bis 2005 waren die Überreste von 225 Vermissten geborgen worden. Es wird vermutet, dass noch die Gebeine von 5.500 US-Soldaten in Nordkorea liegen. Die Einigung kann man für Barack Obama als nicht unbedeutenden symbolischen Erfolg werten. Auch wenn man auf den ersten Blick denken sollte, dass es für Pjöngjang keinen großen Schritt bedeute, mit Amerikanern zusammen nach den Überresten gefallener zu suchen, so muss man doch bedenken, dass in diesem Land hinter den meisten Ecken ein Staatsgeheimnis lauert (oder etwas das so behandelt wird). Daher ist es von nordkoreanischer Seite durchaus eine Geste.
Auch gegenüber Südkorea zeigte man eine gewisse Bereitschaft zur Annäherung in „weichen“ Bereichen. So werden auf Anfrage Nordkoreas in dieser Woche Gespräche über die Fortsetzung der gemeinsamen Ausgrabung eines historischen Königspalastes in Kaesong stattfinden. Die Suche nach dem gemeinsamen kulturellen Erbe ist von ihrer Symbolik her natürlich nicht zu unterschätzen. Allerdings ist hier zu vermerken, dass es nicht nur einen Schritt Nordkoreas bedeutete (die Anfrage zu stellen), sondern auch von Seiten Südkoreas eine Änderung der Haltung darstellt. Denn Seoul musste der Anfrage erstmal zustimmen und zeigt damit erste Anzeichen der angekündigten Flexibilität. Sollten die Gespräche in Genf gut laufen, könnte ich mir vorstellen, dass bald auch wieder über Familienzusammenführungen diskutiert wird (die verkauft Pjöngjang ja immer als besondere Geste (und sie werden in Südkoreas Bevölkerung auch als wichtig empfunden).
China macht (sanft) Druck
Gleichzeitig macht die chinesische Regierung deutlich, was sie gerne von beiden Seiten sehen würde. Auf seinem Besuch in Pjöngjang ließ Chinas Vizepremier (der als designierter Premier nach Wen Jiabao gehandelt wird) Li Keqiang verlauten:
that it is in the interests of various parties concerned to improve the DPRK’s ties with South Korea and the United States, enhance dialogues and contacts, and safeguard peace and stability on the Korean Peninsula.
China supports the DPRK in its efforts to take the right direction for engagement and dialogues, resume the six-party talks at an early date, promote denuclearization on the peninsular, further ease tension there, and safeguard regional peace, stability and development, he said.
[dass es im Interesse verschiedener beteiligter Parteien ist, die Beziehungen Nordkoreas mit Südkorea und den USA zu verbessern, Dialog und Kontakte auszuweiten und Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel zu sichern.
China unterstützt Nordkorea in seinen Bemühungen, den Richtigen Weg zu Kontakten und Dialog zu nehmen, die Sechs-Parteien-Gespräche so bald wie möglich fortzusetzen, Denuklearisierung auf der Halbinsel zu fördern, die Situation zu entspannen und regionalen Frieden, Stabilität und Entwicklung zu sichern, sagt er.]
Hier wird eine klare Erwartungshaltung deutlich und das „unterstützt“ aus dem Zitat kann man wohl durch ein „drängt“ ersetzen. Da hat China während der Gespräche in Genf ja einen hochrangigen Mann in Pjöngjang, der vermutlich auch im Auftrag Pekings Druck machen wird. Aber sein erster (hier zitierter) Satz enthält auch eine klare Aufforderung an die USA und Südkorea, sich Mühe zu geben.
Fortschritte wären wichtig
Aber im Endeffekt ist alles drumherum nur Beiwerk worauf es mal wieder ankommt, dass sind einige Leute, die vermutlich in diesem Moment in Genf am sprechen sind, und die Aufträge, die ihnen ihre Vorgesetzten mit auf den Weg gegeben haben. Ich bleibe dabei, dass die Rahmenbedingungen so gut sind wie lange nicht und dass von allen beteiligten Seiten ein gewisser Wille und eine positivere Haltung gegenüber einer möglichen Einigung zu erkennen sind. Daher könnten wir noch in diesem Jahr eine bedeutende Bewegung in eine positive Richtung sehen, was natürlich nur soweit geht, dass sich Sechs-Parteien an einen Tisch setzen. Was Nordkoreas Denuklearisierung (also das Ziel der Sechsergespräche) angeht, bin ich nach wie vor eher pessimistisch. Wenn die Positionen beider Seiten aber weiter unvereinbar bleiben und man in der aktuellen Phase stecken bleibt, dann muss man sich wohl oder übel auf einen neuen Zyklus der Spannungen und Provokationen aus Pjöngjang gefasst machen.
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