Nordkorea im Aufmerksamkeits(-wind)-schatten: Warum sich momentan kaum jemand für Nordkorea interessiert und weshalb sich das Regime darüber freut


So, da bin ich wieder, habe mich also nicht einfach so davon gemacht (aber dazu später mehr). Für alle die, die sich nicht für dieses langweilige Geschwätz, sondern meinem Kerngeschäft interessieren, freue ich mich, heute nochmal was geschrieben zu haben. In der Vergangenheit habe ich Momente, zu denen ich die Situation in Nordkorea weniger intensiv beobachtet habe, z.B. Urlaube immer gerne genutzt, um mich ein Stück weit vom „Alltagsgeschäft“ frei zu machen und zu versuchen, dass Große-Ganze in den Blick zu nehmen. Dazu bietet sich auch aktuell Anlass, den in den letzten Wochen und Monaten ist auf der Welt so viel passiert und in Nordkorea relativ dazu so wenig, dass ich mir gerne mal anschauen würde, welche Wirkungen daraus für Pjöngjang resultieren. Allerdings will ich nicht kleinteilig die Konfliktherde durchgehen, die in den vergangenen Monaten lichterloh zu brennen angefangen haben, sondern versuchen, diese Situationen zu einer globalen Gesamtlage zu aggregieren, die das Verhältnis Nordkoreas zu seiner Umwelt mit beeinflusst.

Die Gemeinsamkeit aktueller Konflikte: Sie ziehen Aufmerksamkeit von Nordkorea ab

Denn mal ganz abstrakt betrachtet, hat zwar jeder einzelne der momentan recht heißen Konflikte, die wir Westler im Auge haben (es gibt ja auch noch ein paar, die uns nicht interessieren, weil sie so weit weg sind, weil es da nicht viel zu holen gibt oder weil wir keine Angst haben, dass als Folge der Konflikte irgendwann irgendwelche terrorwütigen Kriegsheimkehrer unsere schöne Wohlstandswelt in Schutt und Asche legen) direkte Verbindungen zur Führung in Pjöngjang, die man aus bilateralen Beziehungen, aus persönlichen Freund- oder Feindschaften, aus irgendwelchen Handelsverbindungen oder auch aus geostrategischen Chancen ableiten kann; Aber all diese Konflikte haben auch auf einer höheren Ebene eine gemeinsame Wirkung auf Nordkorea. Sie ziehen Aufmerksamkeit und Ressourcen der Weltöffentlichkeit und der handelnden maßgeblichen Akteure, wozu man sowohl Einzelstaaten als auch Staatenbünde oder NGOs zählen kann, von Nordkorea ab.

Warum Aufmerksamkeit zählt

Aber ist die Aufmerksamkeit der Welt denn ein Faktor, den man unbedingt einzeln analysieren muss? „Aufmerksamkeit“ ändert schließlich keine objektiven Umstände. Sie sorgt weder dafür, dass Geld ins Land fließt, noch dass sich etwas am Regime ändert, noch ändert sie die Möglichkeiten der Führung in Pjöngjang, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen oder nicht. „Aufmerksamkeit“ ist nicht greifbar und nicht eins zu eins in ihrer Wirkung zu bemessen.
Und doch kann sie nützen oder schaden, kann genutzt werden oder ignoriert werden. Wenn man das Agieren des Regimes in Pjöngjang in den letzten Jahren genauer analysiert, wird man sehr schnell auf den Trichter kommen, dass Aufmerksamkeit eine Ressource ist, die vom Regime sehr bewusst wahrgenommen und nutzbar gemacht wird. Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass nur wenige Staaten Aufmerksamkeit so gezielt als Werkzeug ihrer Außenpolitik nützen, wie das Nordkorea tut. Das mag damit zu tun haben, dass dem Land nicht mehr viele andere außenpolitische Instrumente zur Verfügung stehen, aber warum das Regime so stark mit dieser Aufmerksamkeit arbeitet, ist hier erstmal nicht interessant, sondern wie es das tut und was man daraus mit Blick auf die aktuelle Situation lernen kann.

Grundsätzliche Überlegungen zur Aufmerksamkeit als Instrument politischer Beziehungen

Vorweg sind dazu aber ein paar Überlegungen zur Natur der Aufmerksamkeit notwendig. Aufmerksamkeit ist ein nicht wirklich berechenbarer Faktor im Kalkül von Staaten und somit auch im Kalkül Nordkoreas. Andere außenpolitische Instrumente wie militärische Macht, Wirtschaftskraft, zwischenmenschliche Beziehungen oder diplomatisches Kapital lassen sich in ihrer Wirkungsweise und ihrer Anwendung in der Außenpolitik wesentlich leichter steuern und sind auch hinsichtlich ihrer Erträge zuverlässiger.
Aufmerksamkeit könnte man daher als die Windkraft der internationalen Politik bezeichnen. Sie verursacht für den Nutzer zwar kaum Kosten, aber einerseits kann es sein, dass es zuviel wird und man die Anlagen abschalten muss, andererseits kann es passieren, dass Windstille herrscht und man zusehen muss, wie man den Strom in die Steckdose bekommt. Vermutlich verlassen sich die meisten mächtigen Staaten daher auf Aufmerksamkeit eher als flankierendes Mittel, denn als Hauptwerkzeug. Neben dieser natürlichen Aufmerksamkeit können Staaten (und Nordkorea ist darin eigentlich sehr aktiv) auch versuchen, auf künstlichen Wegen Aufmerksamkeit zu erzeugen (ich muss gestehen, hier ist mein Bild mit der Windkraft an seinem Ende angekommen).
Dafür gab es in den letzten Jahren unzählige Beispiele, obwohl sich die Nordkorea-Beobachterschaft nicht immer ganz einig ist, ob bestimmte Maßnahmen der Aufmerksamkeitserzeugung dienen sollen, oder ob sie andere Zwecke hatten. Ganz klar einzig auf Aufmerksamkeit gerichtet sind beispielsweise Kampagnen, bei denen nordkoreanische Botschafter überall auf der Welt quasi synchron ihre Sprechzettel vortragen, wo wütende und skurrile Propagandakampagnen vornehmlich gegen die südkoreanische Führung losgetreten werden, wo öffentlichkeitswirksam Jahrestage mit protzigen Paraden begangen werden oder wo für einen von der UN untersagten Raketenstart Pressevertreter aus aller Welt ins Land geladen werden. Das alles macht nur dann Sinn, wenn man will, dass allenthalben die Leute über Nordkorea reden, es auf dem Schirm haben und glauben, irgendwie handeln zu müssen.

Wie und wozu Aufmerksamkeit genutzt werden kann

Und damit sind wir auch schon beim zweiten Teil der Bedeutung von Aufmerksamkeit, denn wie anfänglich gesagt, verändert die reine Existenz von Aufmerksamkeit erstmal kaum was für Staatsführungen (da passt wieder das Windkraft-Beispiel: Wenn ein bisschen Wind weht, ändert das eigentlich für niemanden was, aber wenn man den Wind nutzt…). Die Aufmerksamkeit muss von ihren Nutzern zielgerichtet angewandt und kanalisiert werden. Und genau das ist ein Feld, in dem sich die Führung in Pjöngjang immer wieder müht, manchmal mit viel, manchmal mit weniger Erfolg.
Mit Aufmerksamkeit kann man entweder versuchen, einzelne Staaten zu adressieren (z.B. die USA: „Seht her, wir sind ein ernsthaftes Risiko für Eure strategischen Interessen, ihr müsst etwas tun um uns friedlich zu stimmen.“ oder China: „Seht her, es geht uns sehr schlecht und das System könnte jederzeit kollabieren, ihr müsst uns Unterstützung gewähren“), die globale humanitäre Gemeinschaft (z.B. „Seht her, hier hungern Menschen, die wir nicht ernähren können, ihr müsst helfen!“ oder „Seht her, die Staatengemeinschaft sanktioniert uns, wir können deshalb unsere Wirtschaft nicht entwickeln, ihr müsst dem entgegentreten“ oder auch die gesamte Staatengemeinschaft („Seht her, wir sind unberechenbar und haben nicht wirklich die Kontrolle im eigenen Land, aber wir haben Nuklearwaffen und 23 Millionen potentielle destabilisierende Flüchtlinge und damit das Potential, die globale Stabilität ins Wanken zu bringen, ihr müsst Euch einsetzen, die Situation zu stabilisieren.“). So kann es gelingen, Aufmerksamkeit indirekt in bare Münze, in wirtschaftliche Hilfen oder in andere, berechenbarere außenpolitische Instrumente (z.B. diplomatisches Kapital) umzuwandeln. Das alles kann entweder getan werden, indem ohnehin gerade entstandene Aufmerksamkeit genutzt wird, oder indem wie oben beschrieben Aufmerksamkeit künstlich generiert wird.

Die Probleme von Aufmerksamkeit als politischem Instrument

Die Notwendigkeit, Aufmerksamkeit künstlich zu schaffen deutet auf einen der Pferdefüße bei der Nutzung dieser Ressource hin. Manchmal gibt es Ziele, für deren Verwirklichung Aufmerksamkeit gebraucht wird obwohl keine verfügbar ist. Dann kann man versuchen sie zu erzeugen, aber weil Aufmerksamkeit eben keine frei im Raum schwebende Ressource ist, sondern quasi von der subjektiven Wahrnehmung, aber auch den offenen „Aufmerksamkeitskapazitäten“ des Adressierten abhängt, ist das nicht zwangsweise erfolgreich. So ist das Gewinnen von Aufmerksamkeit immer auch situationsabhängig.
Auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Man will einen Plan in die Tat umsetzen, für den man eher Ruhe braucht und der im besten Falle von der Umwelt garnicht wahrgenommen wird. In diesem Fall ist Aufmerksamkeit nicht gewünscht und man kann sie trotzdem bekommen.
Kurz: Es ist nicht immer so einfach zu steuern, ob Staaten Aufmerksamkeit bekommen bzw. ihr entgehen können und mitunter wird sich das Instrument, also die Aufmerksamkeit, nicht an den Zielen der Politik orientieren müssen, sondern umgekehrt, die Ziele der Politik könnten in Abhängigkeit stehen zum Status des unberechenbaren Instruments.

Was hat das alles mit Nordkorea zu tun?

So, jetzt habe ich jede Menge schöne Überlegungen angestellt, im Hinterkopf immer schon den konkreten Fall mitgedacht, aber was das jetzt genau mit Nordkorea zu tun hat und weshalb das überhaupt relevant sein soll, das ist bis jetzt noch unklar. 

Indikator für nordkoreanische Ziele

Einerseits sind die Überlegungen hilfreich, um das Verhalten des Regimes besser zu analysieren. Das Gewinnen, Behalten oder Vermeiden von Aufmerksamkeit bzw. ihre Nutzung im konkreten Fall sind nämlich häufig genug Motive des Handelns des Regimes und oft genug habe ich den Verdacht, dass einige Beobachter, weil sie diesen Aufmerksamkeitsfaktor nicht miteinbeziehen, falsche Motive für das Handeln unterstellen wodurch natürlich die komplette Analyse weitgehend wertlos wird.
Andererseits lassen sich aber aus dem Umgang des Regimes in Pjöngjang mit dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Aufmerksamkeit durchaus Schlüsse über politische Ziele ziehen. Wenn ein bestimmtes Verhalten in Kombination mit einer nach außen gerichteten Kampagne zu beobachten ist, hat das ganz andere Implikationen, als das gleiche Verhalten ohne solche Kampagnen. 

Nordkorea? Aktuell nicht relevant!

Und damit sind wir endlich mittendrin im Jetzt und Hier. Wenn man sich anschaut, wie es um die „natürliche Aufmerksamkeit“ für Pjöngjang bestellt ist, so fällt die momentan eher bescheiden aus. Die Welt schaut in die Ukraine, in den Nahen Osten, nach Irak und Syrien, vielleicht sogar auf Westafrika. Und selbst wenn man ein bisschen weiter über diesen Tellerrand der aktuellen Kriege und Krisen hinwegschaut, würde eher die vorsichtige Annäherung zwischen dem Iran und der Welt die Aufmerksamkeit fesseln, als die aktuellen Geschehnisse auf der Koreanischen Halbinsel. Auch wenn man sich einzelne bedeutsame zwischenstaatliche Beziehungen Nordkoreas anguckt, ist da nicht viel zu holen. Die USA sind als Weltmacht natürlich von jeder einzelnen der Krisen gebunden, Russland schaut selbstverständlich vor allem auf die Ukraine, während China sich zwar eher raushält, aber Nordkorea nach wie vor eher mit Missachtung straft, statt ihm ein ähnliches Interesse entgegenzubringen, wie bis vor dem Tod Kim Jong Ils. Auch die humanitäre Gemeinschaft hat vor dem Hintergrund vielfältiger prekärer Situationen und humanitärer Krisen rund um den Globus ihre Augen ein Stück weit von Pjöngjang abgewandt. Darauf deuten klare Hilferufe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, das angibt, den Betrieb im Land einstellen zu müssen, sollten nicht in den nächsten Monaten beträchtliche Spenden eingehen.

Im Aufmerksamkeits(-wind-)schatten lässt sich gut manövrieren

Und wie geht Pjöngjang damit um? Meines Erachtens sind keine besonderen Bemühungen zu erkennen, die Augen der Welt oder zumindest einiger Akteure auf das Land zu lenken. Man verhält sich relativ reglos, versucht also nicht, künstlich Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die aktuelle Aufmerksamkeitsflaute scheint das Regime also nicht unbedingt zu stören. Was lässt sich aber daraus mit Blick auf die Ziele des Regimes folgern? 
Meine Wahrnehmung ist es, dass man momentan nichts vorhat, für das man zwangsweise das Interesse und das Engagement anderer Staaten oder anderer internationaler Akteure brauchen würde. Man gibt sich nicht mal Mühe es zu bekommen und daher sieht es für mich so aus, als wäre man mit der Situation in den Außenbeziehungen zumindest so zufrieden, dass man im Großen und Ganzen kein Problem damit hat, sie auf dem aktuellen Status einzufrieren, das heißt Status quo ohne Verbesserung oder Verschlechterung beibehalten. Da sich momentan die Staatenumwelt nicht so sehr für Pjöngjang interessiert (mangels Aufmerksamkeitsressourcen) ist nicht zu erwarten, dass sich die Situation aus Sicht des Regimes verschlechtern wird, während es gleichzeitig vermutlich sehr anstrengend für das Regime sein dürfte, die Aufmerksamkeit der relevanten Akteure für eine wirklich umfassende Verbesserung der Lage zu gewinnen.
Natürlich will ich nicht behaupten, dass das Regime grundsätzlich mit dem Status der Außenbeziehungen zufrieden ist, sondern nur im Verhältnis zu anderen Politikfeldern, das heißt, sonstwo bleibt mehr zu tun. Und wozu braucht man keine anderen Staaten, bzw. ist es sogar ganz angenehm, wenn man keine allzu scharfen Beobachter von außen hat? Genau, wenn man gerade dabei ist, die internen Strukturen und das Personal weiter zu sortieren, zu organisieren und so die Herrschaft des Regimes zu konsolidieren.

Die äußere Ruhe nutzen, um das Innere neu zu sortieren

Meine Wahrnehmung der aktuellen Aufmerksamkeitsflaute ist daher, dass sie dem Regime eigentlich ganz recht kommt und dass man sich so stärker auf die internen Prozesse zur Machtstärkung des Regimes widmen kann und weniger Ressourcen auf den Umgang mit externen Umständen verwenden muss. Meiner Einschätzung nach ist die Führung also bisher und bis auf weiteres nicht interessiert, weitreichende Interaktionen mit anderen Staaten zu beginnen. Dafür ist die aktuelle geopolitische Konstellation relativ förderlich, denn auch die anderen Akteure kommen nicht unbedingt auf die Idee, eine Initiative mit Blick auf Pjöngjang zu starten, ganz schlicht, weil es für fast jeden Akteur mindestens ein Spielfeld gibt, auf dem eine Initiative oder Engagement momentan wichtiger sind.
Deshalb ist es auch ein ganz guter Indikator dafür, ob sich das Regime vor allen Dingen mit sich selbst beschäftigt, oder ob sein Blick sich langsam auf die Umwelt richtet. Denn will man eine substantielle Verbesserung der Außenbeziehungen erreichen, braucht man dazu die Aufmerksamkeit der relevanten Akteure. 

Ein paar Worte zu mir und dem Blog

Naja, das wars dann erstmal von meiner Seite. Bis hoffentlich bald mal wieder. Da ich diese und nächste Woche Urlaub habe, konnte ich mir heute den „Luxus“ gönnen, ein paar Minuten/Stunden aufs Bloggen zu verwenden und das ist auch gut so.
Ich habe in den letzten Wochen immer mal überlegt, ob es nicht sinnvoll sei das Projekt „Nordkorea-Info“ aus seiner aktiven in eine passive Phase zu überführen, also die Seite sozusagen nur noch als Archiv weiterzuführen. Ich weiß immernoch nicht, ob das nicht eine gute Idee wäre, habe mich aber vorerst dagegen entschieden aus zwei Gründen: Einerseits würde mir etwas fehlen, denn ich habe in den letzten Wochen zu verschiedenen Anlässen gemerkt, dass ich es irgendwie brauche, frei von der Leber weg zu schreiben und assoziieren was mir gerade in den Sinn kommt. Sowas ist aber in meinem Alltag eher selten gefragt. Zum Zweiten habe ich soviel Energie und Herzblut in das Projekt gesteckt, dass ich es mir momentan nicht vorstellen kann, dass so einfach dranzugeben. Vor allem, weil ich drittens das Gefühle habe, immernoch in der Neuorganisation meines Alltags zu stecken und noch nicht genau zu wissen, wie ich meine Zeit organisiere. Und je besser man sich organisiert, desto wahrscheinlicher ist es, dass man auch für Dinge, die man nicht machen muss, aber gerne tut Zeit findet. Aber das wird ein Prozess sein, der sich noch ein bisschen zieht, daher bitte ich um Geduld, ohne garantieren zu können, dass es besser wird.

Schmierstoff und Starthilfe für die Wirtschaft gesucht: Nordkorea sucht Partner im Mittleren Osten


Eigentlich wollte ich ja heute was über die neue chinesische Führung schreiben. Denn während man über die beiden neuen Gesichter, die das Land bald als Führer repräsentieren werden, schon allenthalben unglaublich viel lesen konnte, weiß ich persönlich wenig über die Leute, aus denen sich das stehende Komitee des Politbüros der Partei jetzt zusammensetzt und noch weniger, wie sie zu Nordkorea stehen. Und das ist wohl aufgrund der Zentralität dieses Komitees bei der Steuerung des Landes, ebenso wichtig, wie etwas über die Herren Li und Xi zu wisse. Da ich wie gesagt, aber wenig Expertise hinsichtlich der Führungspersönlichkeiten in Nordkorea habe, wollte ich diese aus anderen Quellen ziehen. Allerdings haben die Kollegen Blogger und Journalisten irgendwie bisher kaum was dazu geschrieben (außer ein paar Gemeinplätzen von der Chosun Ilbo habe ich nicht viel gefunden). Daher werde ich das wohl ein bisschen aufschieben müssen. Aber beim durchgucken aktueller Berichte über Nordkorea ist mir dafür etwas anderes ins Auge gefallen, das ich ganz interessant fand. Daher gibt es heute nichts zu China und Nordkorea sondern was zum Mittleren Osten und Nordkorea. Warum das?

It’s the economy – stupid.

In der letzten Woche waren zwei relativ hochrangige nordkoreanische Wirtschaftsdelegationen in der Gegend zu Gast und im letzten Monat wurden mit zwei Staaten der Region Absichtserklärungen (Memorandum of Understanding (MoU) über die wirtschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet.

Iran

In der vergangenen Woche besuchte Nordkoreas Minister für Außenhandel („Foreign Trade“) Ri Ryong-nam Teheran. Dort traf er unter anderem mit seinem iranischen Gegenstück Mehdi Ghazanfari und mit Irans Vizepräsident Behrouz Moradi zusammen. Bei seinen Gesprächen mit seinem Amtskollegen ging es scheinbar um den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Von der iranischen Seite wurde dabei die Idee in den Raum gestellt, eine gemeinsame Kommission einzurichten, die sich um den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen kümmern soll. Iran sei in der Lage u.a. mit Bau- und landwirtschaftlichen Maschinen auszuhelfen. Eine Vereinbarung wurde allerdings nicht unterzeichnet. Allerdings ist es ja noch garnicht so lange her, dass Kim Yong-nam im Iran zu Gast war, nahezu mit der kompletten Führung gesprochen hat und u.a. eine Absichtserklärung über technische Kooperation unterzeichnet hat.

Ägypten

Aber Ri war nicht der einzige Nordkoreaner, der in der letzten Woche in der Gegend unterwegs war. Sein Vizeminister besuchte fast parallel Ägypten. Ri Myong-san war dabei nicht nur bei einem Betreiber von Wirtschaftsparks (oder sowas ähnliches. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was die Firma „Smart Village Egypt“ genau macht, aber wie ich das verstehe entwickeln sie Gesamtkonzepte für Geschäftsanlagen und managen die, oder so), sondern er unterzeichnete auch noch eine Absichtserklärung. Worüber, das konnte ich leider nirgends genau finden, aber sein Ressort deutet ja schon an, welche Richtung es sein muss. Der Handel wird wohl im Zentrum stehen. Wenn man bisher an ägyptische Wirtschaftskontakte zu Nordkorea dachte, dann war man immer sehr schnell bei Orascom, dem Unternehmen, das das nordkoreanische Mobilfunknetz aufgebaut hat und dort (gemeinsam mit der nordkoreanischen Postbehörde), das Unternehmen Koryolink mit über einer Million Kunden hat.

Syrien

Eine ganze Reihe von Vereinbarungen unterzeichneten Vertreter Nordkoreas und Syriens vor etwa zwei Wochen in Pjöngjang. Dabei ging es u.a. um Zusammenarbeit in den Feldern Sonderwirtschaftszonen, Landwirtschaft und Umweltschutz. Mit Syrien verbindet Nordkorea ja ohnehin recht enge Beziehungen, aber ich finde es trotzdem interessant, dass die Kontakte gerade momentan zunehmend vertieft werden, als wäre in Syrien alles in bester Ordnung. Aber vermutlich hofft man in Pjöngjang, dass Bashar al-Assad es den Nordkoreanern nicht vergessen wird, sollte er heil durch die aktuelle Situation kommen (worauf ich allerdings keinen Pfifferling setzen würde).

Nigeria

Wenn man die regionale Begrenzung etwas aufbricht, gibt es eine weitere recht interessante Vereinbarung, die vor einem guten Monat geschlossen, bzw. erneuert wurde. Damals wurde in Pjöngjang ein Abkommen über wirtschaftliche, technologische und wissenschaftliche Zusammenarbeit erneuert. Auf nordkoreanischer Seite war dabei wieder Ri Myong-san, der Vizeministr für Außenhandel zuständig. Das Ganze fand im Rahmen der dritten Joint Commission (weiß nicht genau, was das ist, aber ich denke  sowas wie Arbeitskonsultationen) zwischen beiden Länder statt. Die erste war 1988 gewesen, die zweite 2004. Die nächste soll aber schon im kommenden Jahr abgehalten werden.

Schmierstoff und Starthilfe für die Wirtschaft gesucht

Ich weiß nicht genau, ob dieses rege tun im wirtschaftlichen Bereich wirklich bemerkenswert ist, aber mir kommt es doch ganz stark so vor, als habe die nordkoreanische Führung in der jüngsten Zeit (zwei bis drei Jahre) und vor allem seit Antritt von Kim Jong Un seine Bemühungen gesteigert, Partner für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu finden. Ein regionaler Fokus liegt dabei ganz deutlich auf Südostasien, aber wenn man sich die aktivitäten der letzten Wochen anschaut, dann ist man wohl ebenfalls ganz klar daran interessiert, Partner im Mittleren Osten (hier ist Nigeria natürlich außen vor) für den Aufbau der eigenen Wirtschaft gewinnen zu können. Was weiterhin an der Auswahl auffällt, ist das mit dem Iran, Syrien und Nigeria drei der vier genannten Staaten Erdöl in nicht unbeträchtlichen Mengen exportieren. Syrien und der Iran sind wegen westlicher Sanktionen selbst in finanziellen Schwierigkeiten. Vielleicht hofft man in Pjöngjang, da günstig an Öl ranzukommen.

Wird Pjöngjang jeder Partner recht sein?

Insgesamt wird ein weiteres Mal klar. Nordkorea versucht Partner für einen wirtschaftlichen Neustart zu finden. Wieviel die unterzeichneten Absichtserklärungen am Ende wert sein werden, kann man jetzt noch nicht wissen, aber vermutlich wird die Suche nach Partnern weitergehen. Ich bin gespannt, wann die nordkoreanischen Wirtschaftsdelegationen die EU-Staaten ernsthaft ins Visier nehmen. Weiterhin bin ich gespannt, ob man es in Pjöngjang wirklich erstmal mit den Outlaws der internationalen Politik versuchen will, oder ob man auch für einen ernsthaften Deal mit den USA offen ist. Myanmar wird hier sicherlich ganz genau unter Beobachtung stehen. Aber natürlich wird man nach außen hin sowas so oder so nicht zugeben, denn wenn man Interesse zeigt, dann hat das natürlich fatale Auswirkungen auf den Preis, den man bei so einem Deal erzielen kann. Wenn Obama also zu sowas bereit ist (ich halte das nicht für abwegig. Die permanenten Signale, Pjöngjang möge sich doch an Myanmar orientieren, können da als Hinweis dienen.), dann werden wir das wahrscheinlich erst wissen, wenn Vollzug verkündigt wird.

Bericht des UN-Experten Panels: Deutliche Fingerzeige, dumpfe Sanktionen und nordkoreanisch-syrische Zusammenarbeit


So, habe mir eben mit neuem Haarschnitt den Bericht des UN-Expertenpanels zur Umsetzung der Sanktionen gegen Nordkorea durchgelesen und es war wie jedes Jahr eine durchaus spannende Lektüre. Vieles von dem, das wir da lesen können, haben wir vorher schonmal gehört, aber zu vielen Aspekten die angesprochen werden, werden auch neue Details bekannt.

Es geht nichts verloren

Interessant auch, wie die Mitglieder des Panels einzelne Informationen bewerten. Oft hilft das dem unbeteiligten Beobachter (uns) ein bisschen besser zu verstehen, was jetzt eine vermutlich glaubwürdige Information ist und was mit großer Wahrscheinlichkeit den Hirngespinsten oder Vermutungen einzelner entsprungen sein wird. Ganz witzig finde ich auch, wie das Panel mit der Tatsache umgegangen ist, dass ihr letztjähriger Bericht nicht veröffentlicht werden konnte. Man hat nämlich einfach alle wirklich wichtigen Informationen auch in den diesjährigen Bericht reingeschrieben, so dass nichts verlorenging. Interessant im Zusammenhang mit dem Nichterscheinen des letztjährigen Berichts fand ich übrigens diese Fußnote:

One Panel member, Xiaodong Xue, would like to disassociate himself from the 2011 report, since he did not sign it despite his full participation in the drafting process. The report remains an internal document of the Security Council.

Ein Panel-Mitglied, Xiaodong Xue, möchte sich vom Bericht des Jahres 2011 distanzieren, da er ihn trotz seiner vollständigen Teilnahme an der Erstellung nicht unterschrieben hat. Der Bericht bleibt ein internes Dokument des Sicherheitsrates.

Da wird relativ klar, warum Herr Xue den Bericht nicht unterschrieben hat, nämlich auf Weisung von Oben. Denn warum hätte er sonst permanent mitarbeiten sollen, um dann am Ende seine Stimme zu entziehen. Interessant jedenfalls, dass er in diesem den diesjährigen Bericht dann unterschrieben hat, denn wie gesagt: Alles Wichtige aus dem letzten Jahr steht da drin.

Syrien und Nordkorea da ging so einiges.

Aber das nur am Rande. Im Vorfeld wurde ja schon viel über die Verbindungen zwischen Syrien und Nordkorea geschrieben, die durch den Bericht beleuchtet würden (und ich habe mich dem gleichen Thema ja schonmal von einer anderen Warte aus genähert). Und tatsächlich sind neben ollen Kamellen wie dem Al-Kibar Reaktor (Paragraph 60) auch ein paar Sachen dabei, über die man bisher noch nicht so genau Bescheid wusste. Einmal geht es da um einen Fall aus dem Jahr 2007 als eine Ladung von Raketenteilen aufgebracht wurde. Die kam definitiv aus Nordkorea und wenn man die außerdem in der Ladung enthaltenen „Care-Pakete“ miteinbezieht, dann ist wohl davon auszugehen, dass damals nordkoreanische Entwickler den syrischen Kollegen beim Bau von Scud-Ds halfen (Paragraph 57). Über aktuellere Mutmaßungen über Raketenkooperationen möchte sich das Panel nicht so definitiv äußern, bemerkt aber, dass eine solche Weiterführung des Engagements zum Verhalten Nordkoreas passen würde. Außerdem seien Ähnlichkeiten in den Konstruktionen denkbar (Paragraph 58).

Über die Geschichte mit den Schutzanzügen und Gasmasken, die 2009 irgendwo auf dem Weg nach Syrien abgefangen wurden, konnte man auch schon was lesen, aber nichts genaues wusste man nicht. Insgesamt wurden in einem relativ kurzen Zeitraum Ende 2009 zwei Ladungen mit Chemieschutzausrüstung für Syrien abgefangen. Da aber in einem der Fälle Schutzstiefel fehlten, hält das Panel es für naheliegend, dass zumindest eine Lieferung nach Syrien durchgekommen sei (Paragraphen 65 und 66). Ende 2010 fing Frankreich darüber hinaus eine Ladung von Rohmaterialien ab, deren wahrscheinlichste Verwendung die Produktion von Artilleriemunition und Raketen gewesen sei (Paragraph 67). Da kommt schon einiges zusammen. Allerdings ist auch zu bemerken, dass einige der Geschichten älter sind und dass das nicht unbedingt damit zu tun haben muss, dass diese beiden Länder extrem viel zusammengearbeitet haben, sondern auch damit zusammenhängen kann, dass hier beide Staaten unter scharfer  Beobachtung stehen. Andere Handelspartner Nordkoreas in Afrika stehen beispielsweise weniger im Fokus der Weltöffentlichkeit (z.B. Kongo-Brazzaville, über dessen rege (Waffen-)Handelsbeziehungen zu Pjöngjang Paragraph 71 Auskunft gibt).

Deutschland: Vorbildlich und erfinderisch

Jedoch war natürlich nicht der ganze Bericht nur Syrien. Es gibt auch durchaus andere interessante Aspekte. So tauchte auch in diesem Bericht wieder Deutschland auf. Anders jedoch als im vorvergangenen Jahr, als die Commerzbank Eingang fand, weil einer ihrer Geschäftspartner dem Panel ein bisschen suspekt war, las man dieses Mal nur Gutes. Der Botschafter in Pjöngjang wusste zu berichten, dass die Sanktionen keine negativen Auswirkungen auf den Betrieb der Botschaft hätten (was sein russischer Kollege scheinbar etwas anders sieht (Paragraph 109)). Vor allem aber demonstrierten die deutschen Behörden, wie eifrig sie möglichen Sanktionsverstößen nachspüren. Im Jahr 2009/10 habe man einen potentiellen Verstoß gegen die Sanktionen geprüft, sei aber zum Schluss gekommen, dass die Lieferung von 6 Schiffsdieseln (oder sowas ähnlichem, bin kein Seemann) nicht gegen Sanktionen verstoße (Paragraph 90).

Und sogar die deutschen Medien werden als Hinweisgeber zitiert. Allerdings die, die immer mal wieder durch Hirngespinste und wild zusammenfabulierte Geschichten auffällig werden. Gut daher, dass das Panel die Behauptungen der WELT, die sich auf ungenannte westliche Sicherheitskreise beriefen (macht man ja gerne dort), stark in Zweifel zieht (Das könnte man ja schon fast als redaktionelle Linie sehen, dass man auf Teufel komm Raus eine Achse Teheran-Damaskus-Pjöngjang erfinden will, egal wie abwegig die Geschichten auch sein mögen)  (Paragraph 25 bes. Fußnote 22).

Smarte Sanktionen oder dumpfes Embargo?

Und damit bin ich auch schonwieder bei einem meiner Lieblingsthemen. Nämlich bei der Frage danach, wie Smart die Sanktionen wirklich sind und was alles Luxusgüter sein können. Ich meine, allein die Dual-Use Güter (also Sachen mit mehreren möglichen Verwendungszwecken, von denen einer die Waffenproduktion ist) für die Waffenproduktion bringen für die nordkoreanische Wirtschaft ja schon einige Einschränkungen mit sich, aber da halte ich es ja noch für sinnvoll, die trotzdem zu sanktionieren. Aber zu Sachen, die ich einfach mal als „Dual-Use-Luxusgüter“ bezeichnen möchte, kann man ja irgendwie fast alles zählen. Und das machen einige Staaten auch scheinbar. Während es in Deutschland ja (mit gutem Grund) schon fast ein Menschenrecht ist, einen Computer zu besitzen, zählen für Japan gebrauchte Notebooks zu Luxusgütern. Ebenso Musikinstrumente. In Italien scheinen Kinos als Luxus zu gelten, jedenfalls fing man Gegenstände ab, die zum Bau eines Kinos gedient hätten (Paragraphen 77 und 82). Ich denke da eher an kulturelle Teilhabe oder sowas. Aber gerade der Fall mit den Notebooks wirft die Frage auf: Wird da Regimespitzen ihr dolles Leben vermiest, oder hält man nicht auch irgendwie die Entwicklung eines Landes auf? Und was ist an den Sanktionen denn bitte noch smart, wenn ja eigentlich irgendwie alles zu Luxuszwecken oder als Waffenvorprodukte gebraucht werden kann. Das ist dann doch nur eine pfiffige Umetikettierung des guten alten aber ebenso dumpfen Embargos.

Der Finger zeigt deutlich wie nie auf China

Naja, aber ist es eben auch wieder nicht. Denn Nordkorea steht ja nicht ganz allein, sondern hat einen wohlwollenden großen Bruder an der Nordgrenze. Und auf den wird im aktuellen Bericht recht deutlich mit dem Finger gezeigt: Wenn ich richtig gezählt habe, wird Dalian, die große chinesische Hafenstadt westlich von aber relativ nah an Nordkorea dreimal als Zwischenstation für illegale nordkoreanische Fracht genannt. In dem Teil, der sich mit den Arten des Transports beschäftigt (Paragraph 95), kann man lesen, dass Nordkorea sich der Tatsache bewusst ist, dass die eigene Schiffsflotte unter scharfer Beobachtung steht. Daher versuche man die Waren in Containern zu verschiffen, die, wenn sie erstmal im internationalen Warenstrom mitschwimmen, kaum mehr auszumachen sind. Daher nutze man große Reedereien zum Verschiffen der Güter (an anderer Stelle wird bezüglich der Schmuggelmethoden der Vergleich zum Vorgehen der organisierten (Drogen-)Kriminalität gezogen (Paragraph 100)).

Because none of the mainstream shipping companies calls at ports of the Democratic People’s Republic of Korea, all containers to or from the country have to be processed through a neighbouring regional trans-shipment hub. Since 2006, the Democratic People’s Republic of Korea has progressively lost access to some of these ports.

Weil aber keine der großen Reedereien Häfen Nordkoreas anläuft, müssen alle Container nach und von Nordkorea durch einen benachbarten regionalen Knoten laufen. Seit 2006 hat Nordkorea mehr und mehr Zugang zu einigen dieser Häfen verloren.

Naja, Dalian scheint jedenfalls nicht dazu zu gehören, so die Implizite Botschaft, die man da rauslesen kann. In keinem der vorherigen Berichte wurde so deutlich gemacht, dass China der Pferdefuß bei den Sanktionen ist. Trotz aller diplomatischer Zurückhaltung bleibt hier eigentlich kein Raum mehr für Interpretationen. Umso erstaunlicher, dass man dieses Jahr der Veröffentlichung des Berichtes wieder zustimmte.

Es gibt noch mehr interessantes, also lest ihr am besten auch noch selbst. Aber ich will euch nicht ermüden und ziehe daher hier einen Strich.

„Ein Freund, ein guter Freund…“ — Die Brieffreundschaft zwischen Pjöngjang und Damaskus


Wer hätte nicht gerne einen reichen und mächtigen Brieffreund, irgendwo wo es warm ist. Durch die viele Briefeschreiberei kann man einiges über das ferne Land lernen und wenn man irgendwann mal Zeit und Geld hat, wer weiß, dann kann man den reichen und mächtigen Brieffreund vielleicht sogar mal besuchen. Oder man macht ein Geschäft auf und kann hoffen, dass der reiche Kollege einem hin und wieder was abkauft, was die Brieffreundschaft dann eine neue, eher geschäftliche Ebene „heben“ würde. Wenn man so einen hat, dann sollte man ihn sich warm halten. Sei es aus geschäftlichen Gründen, weil man den Kerl mag, oder weil man auch mal in die Sonne will.

Kim Jong Un hat so einen. Der heißt Baschar und ist reich und mächtig. Allerdings hat sein Kollege momentan auch einige Schwierigkeiten zuhause, weshalb es ihm Kim Jong Un um so höher anrechnen dürfte, dass er trotzdem fleißig schreibt. Ich habe mir einfach mal den Briefwechsel dieses Jahres angeguckt, wobei ich nur die Briefe beachtet habe, von denen KCNA den Wortlaut (zumindest einen Teil davon) abgedruckt hat. Da kommt man schon auf beachtliche neun Briefen, wobei allerdings anzumerken ist, dass zwei davon nicht von Kim Jong Un, sondern von Kim Yong-nam, bzw. der Arbeiterpartei an Bashar al-Assad gingen.

Eine echte Brieffreundschaft…

Am 2. Januar gratulierte Assad Kim Jong Un dazu, dass er der „supreme leader“ der DVRK geworden sei. Dabei bediente er sich eines recht legeren Tons, als er Kim Jong Un „success in your new job“ wünschte.

Am 12. Januar gratulierte er ihm dann nochmal. Dieses Mal für die Erlangung der „supreme commandership of the Korean People’s Army“.

Auf das die Brieffreundschaft nicht ganz so einseitig bliebe, schickte man auch mal schöne Grüße in die Gegenrichtung. Irgendwann nach dem 7. März dürfte Assad gleich zwei Briefe aus Pjöngjang im Briefkasten gehabt haben. Einmal gratulierte ihm Kim Yong-nam als Präsident des Präsidiums der Obersten Volksversammlung und einmal Kim Jong Un zum 49. Jahrestag der Revolution des 8. März, bei der die noch heute herrschende Baath Partei an die Macht kam. Dabei versicherte ihm Kim Jong Un Unterstützung und Solidarität bei der Verteidigung der Souveränität, Sicherheit und Stabilität seines Landes und ließ den Frieden weg, den Kim Yong-nam seiner Liste hinzugefügt hat.

Dafür dankte ihm Baschar al-Assad am 28. März dann auch schön und neben den üblichen Wünschen für gute Gesundheit und Wohlstand des Volkes dankte er ihm auch für „encouraging the Baath Arab Socialist Party and the government in exerting efforts amid positive support by the masses.“ Keine Ahnung was diese kryptische Formulierung genau meint, ziemlich verschwurbelt ist sie jedenfalls.

Am 6. April gab es dann wieder einen Brief in die andere Richtung. Das Zentralkomitee der Partei der Arbeit Koreas wünschte dabei der nationalen Führung der Baath Partei alles Gute zum 65. Gründungstag. Interessant war hier, dass die Unruhen in Syrien erstmals für nordkoreanische Verhältnisse sehr offen angesprochen wurden: „The message extended full support to the efforts of ABSP and the people to thwart plots of enemies and ensure the country’s sovereignty and stability“. Da wird tatsächlich über Maßnahmen zur Bekämpfung von Verschwörungen von Feinden gesprochen. Natürlich sicherte die PdAK volle Unterstützung bei diesen Maßnahmen zu.

Den letzten hochoffiziellen Freundschaftsbeweis gab es dann am 12. April, als Assad Kim Jong Un zum hundertsten des Opas gratulierte und ein weiteres Mal die positive Kooperation beider Staaten beschwor.

Hört sich ja nach einer recht angenehmen Freundschaft an, in der beide Seiten Anteil nehmen, an die wichtigen Jubiläen der Anderen denken und sich gegenseitig mit besten Wünschen überschütten. Also so ungefähr (man könnte im Text natürlich noch das eine oder andere „Schatz“ durch „Volk“ ersetzen):

…und einiges mehr

Naja, aber was man in den letzten Jahren so gehört hat, beruht die Freundschaft ja nicht nur auf dem hin und her schicken von Briefen. Manchmal kommen auch Pakete aus Pjöngjang. Und da sind dann mitunter dolle Sachen für Herrn Assad drin. Vor allen Dinge baute er sich ein beachtliches Raketenarsenal mit nordkoreanischer Hilfe auf und lernte mit der Zeit mit Pjöngjangs Hilfe auch, wie man die Dinger selber baut (der Artikel ist echt empfehlenswert, wenn man sich für Pjöngjangs Raketenhandel interessiert).

Noch doller dürfte Assad aber gefunden haben, dass er von nordkoreanischen Ingenieuren gezeigt bekam, wie man einen Atomreaktor baut. Den hat er — vermutlich, aber nicht erwiesenermaßen (eine relativ ausführliche und skeptische Diskussion des Sachverhalts findet ihr bei Arms Control Wonk) — mit nordkoreanischer Hilfe fast fertiggebaut, nur um ihn dann von besorgten Nachbarn wieder zuschanden gebombt zu kriegen (was er dann vermutlich weniger doll fand).

Insgesamt war der Paketversand zwischen den beiden Staaten in den letzten Jahren aber nicht mehr so einfach. Oft funkten irgendwelche Anderen dazwischen, wenn mal irgendwas Praktisches von Nordkorea nach Syrien geschippert werden sollte (und zum Glück nicht ankam). Naja, aber die Briefe scheinen ja noch anzukommen…

Hm, scheint doch nicht nur so eine harmlose Brieffreundschaft zu sein zwischen den Beiden. Vielleicht passt ja auch dashier besser, um die Beziehungen beider Länder zu beschreiben:

 

P.S. Natürlich weiß ich, dass die verantwortlichen in Pjöngjang generell sehr höflich sind und jedem der sich nicht wehren kann, mit Vorliebe zu allem Möglichen (wenn auch nicht direkt zum „Tag der Deutschen Einheit“, aber das wäre wohl zuviel verlangt) gratulieren und dass die Brieffreundschaft zwischen Damaskus und Pjöngjang daher nur begrenzte Aussagekraft hat. Nichtsdestotrotz haben nur wenige (wenn überhaupt) Staatschefs Kim Jong Un in den letzten Monaten so ausgiebig gratuliert und gegrüßt wie Assad. Er wird vermutlich auch versuchen sich die Freunde die er noch hat (und das sind wirklich nicht so viele) warmzuhalten.

Aktuelles diplomatisches Ringen um Iran und Syrien: Implikationen für Nordkorea? — Kurze Überlegung


Kurze Überlegung (ich würde gern ausführlicher dazu schreiben aber mir fehlt die Zeit): Was sind die Implikationen für Nordkorea aus dem diplomatischen Ringen um den Umgang mit Syrien (Sicherheitsrat der VN) und Iran (martialisches Gerede)?

Hier ein Beitrag der Stimme Koreas, der sich mit der Causa Iran befasst (ob man da viellicht auch auf das Öl schielt, das Iran nun „zuviel“ hat?). Auf deutsch (terrestrisch empfangen und daher mit Rauschen)…

…und auf Englisch ohne Rauschen.

Russland und China blocken alles ab, die Fronten sind verhärtet. Also: Wäre jetzt nicht ein guter Zeitpunkt für neue Nuklear-/Raketentests (oder für andere (nicht kriegerische) provokative Aktionen (versenken oder beschießen wäre zu riskant))? Wenn das Haus eh schon brennt, wer wird denjenigen verfolgen, der noch ein paar Scheiben einschmeißt?

Einerseits hätte man gute Chancen, „ungestraft“ davonzukommen, andererseits könnte man den Graben zwischen USA und Verbündeten und China und Russland vertiefen. Die USA wiederum sind auf sovielen anderen Schauplätzen eingebunden, dass sie vielleicht nicht die Ressourcen haben, einer Provokation Pjöngjangs volle Aufmerksamkeit zu widmen. Interessant wäre eine solche Aktion besonders vor dem Hintergrund des Nachfolgeprozesses Kim Jong Uns als interne Konsolidierungsmaßnahme.

Dagegen spräche, dass Russland und China es vielleicht nicht wollen, dass sie noch mehr in die internationale Kritik geraten (aber vielleicht ist das jetzt auch egal). Außerdem könnte es sein, dass das aktuellen außenpolitischen Zielen entgegenliefe. Aber internes hat wohl momentan klare Präferenz und die USA und verbündete zeigen sich ja uch nicht gerade willig, auf Pjöngjang zuzugehen.

Ich bin sicher man bobachtet das alles sehr interessiert in Pjöngjang und bin gespannt, welche Schlüsse man zieht…

Habt ihr eine Meinung? Bietet die aktuelle Situation freiräume für nordkoreanische Aktionen und ist es im Interesse Pjöngjangs, etwas in diese Richtung zu unternehmen?

Achse Achse Achse immer nur Achse! Warum manche das leidige Thema einfach nicht lassen können?!


Irgendwie klebt mir das Gerede von der Achse momentan wie eine Seuche an den Fingern. Aber wenn schon ein waschechter Außenminister sowas äußert, komme ich wohl kaum drumrum, ein paar Zeilen darüber zu schreiben. Ihr erinnert euch sicherlich noch an das mysteriöse nordkoreanische Flugzeug, das Ende letzten Jahres bei einem Zwischenstopp in Bangkok mit über 30 Tonnen Waffen an Bord von den thailändischen Behörden durchsucht und beschlagnahmt wurde. Weder über die genaue Art der Waffen, noch über das Zielland der Waffen gab es Aufklärung. Dazu hat sich nun der israelische Außenminister Avigdor Lieberman bei einem Besuch in Japan geäußert. Er habe den japanischen Ministerpräsidenten Yukio Hatoyama darauf aufmerksam gemacht, dass Nordkoreas Zusammenarbeit mit Syrien nicht vorrangig auf wirtschaftlicher Kooperation beruhe, sondern hauptsächlich auf der Produktion von und dem Handel mit Waffen beruhe. Syrien, Iran und Nordkorea seien eine „neue Achse des Bösen“ am errichten welche die größte Gefahr für die Sicherheit der Welt darstelle, da hier Massenvernichtungswaffen gebaut und verbreitet würde. Das Waffenflugzeug hätte nach Syrien fliegen, die transportierten Waffen von dort aus an die Hisbollah im Libanon und die Hamas im Gazastreifen weitergegeben werden sollten.

Während ich es nicht ausschließen will und kann, dass die Waffen in dem Flugzeug tatsächlich für die beiden Terrorgruppen an den Grenzen Israels gedacht waren, wundert es mich etwas, dass gerade Avigdor Lieberman es ist, der als erster mit dieser Wahrheit an die Öffentlichkeit geht. Kein thailändischer Offizieller und kein amerikanischer, sondern ein israelischer, der diese Aussage dann direkt auch noch hervorragend mit einer Aussage über eine neue Achse des Bösen verknüpfen kann, in der passenderweise auch noch der Iran und Syrien angesiedelt sind (ach übrigens: Erinnert euch das an etwas? Wenn ihr meine Artikel den ich oben verlinkt habe aufmerksam gelesen habt ist euch vielleicht aufgefallen, dass das fast dieselben Worte sind, mit der auch Christina Y. Lin die Beziehung zwischen den drei Staaten beschrieben hat, ob Liebermann den Artikel von Lin in der letzten Zeit wohl auch gelesen hat?). Während ich ein Bedrohungsgefühl auf der israelischen Seite recht gut nachvollziehen kann und es daher vielleicht schlüssig ist, dass Lieberman die Welt in recht einfache Kategorien („wir“ und „die“) einteilt, ist mir speziell jener Herr Lieberman recht suspekt. Der eher weit im rechten Lager des politischen Spektrums Israels angesiedelte Politiker machte unter anderem während des Gaza-Kriegs mit der (irgendwie zweideutigen) Bemerkung auf sich aufmerksam, man müsse mit der Hamas verfahren, wie die USA im Zweiten Weltkrieg mit Japan. Wie er das genau meinte ist sein Geheimnis, aber mit Ambiguität kennt man sich ja aus in Israel.

Naja, auf jeden Fall scheint auch Herr Lieberman der Zeit hinterherzutrauern, als man noch stramm auf einer Linie mit den USA gegen die bösen Achsenmächte stand und was liegt da näher, als die Achsenbedrohung wieder aufleben zu lassen. Und damit das Manöver nicht ganz so durchsichtig ist („Syrien und Iran sind die neue Achse des Bösen“) nimmt man eben noch den notorischen Unruhestifter Nordkorea dazu und schon hat man eine globale Bedrohung und vielleicht glaubt es ja einer. Versteht mich bitte nicht falsch. Dass sowohl Syrien als auch Iran mit Nordkorea zusammenarbeiten oder gearbeitet haben ist mir bekannt. Aber dieses ständige Gerede von der Achse ist einfach weit weg von der Realität und macht die Sache nicht besser. (Achja und generell wollte ich noch sagen,  dass ich kein Interesse daran habe, über israelische Politik zu diskutieren, jedenfalls nicht mehr als nötig. Ich bin mir bewusst darüber, dass die Ansichten da sehr weit auseinandergehen und dass man darüber toll streiten kann ohne jemals zu einem Ergebnis zu kommen. Aber dafür ist anderswo genug Raum und ich muss sagen, dass mich Diskussionen die kein Ergebnis haben sehr ermüden. Wo ich gerade am Anmerkungen machen bin: Über Kernfusion werde ich frühestens dann schreiben, wenn ein Industrieland damit Erfolg hatte. Bis dahin überlasse ich das Anderen.)

Wie man Staaten „Böse“ macht, oder: War George Bush der Architekt der „Achse des Bösen“?


In meinem Beitrag über die Beziehungen zwischen Nordkorea und Myanmar, die sich bekanntermaßen in den vergangenen Jahren rapide verbessert haben, habe ich ja den Gedanken erwähnt, dass George W. Bushs „Ausrufung“ der „Achse des Bösen“ in seiner State of the Union Address des Jahres 2002 Verbindungen behauptete, die zu dieser Zeit nicht bestanden, dass aber dadurch ein Prozess in Gang kam, der diese Verbindungen tatsächlich entstehen ließ. Kurz gesagt: Die Aussage Bushs war eine Self fulfilling Prophecy und etwas zugespitzt kann der gute Mann als der Architekt der Achse des Bösen bezeichnet werden. Eine abgeschwächte Form dieser These, wäre es, die Frage der „Achse“ auszuklammern und sich mehr auf das „böse“ zu konzentrieren. Hier wäre dann zu überlegen, ob die Stigmatisierung und die damit verbundenen Ausgrenzung, die die Staaten erfuhren im Endeffekt bewirkte, dass sie sich nach US Maßstäben tatsächlich „böse“ verhielten. Klar, beide Ideen sind starker Tobak und viel mehr als die pure Idee hab ich bis jetzt nicht aufzubieten. Daher will ich mit im Folgenden zu der Idee ein paar weiterführende Gedanken machen und am Schluss schauen, ob was dran ist an diesem Gedanken, oder ob die Idee mir ganz umsonst seit Langem im Kopf rumspukt.

Der 11. September, die „Achse des Bösen“ und der Irakkrieg

Nun gut, am Besten fängt man mit der Geschichte am Anfang an (wie das meistens mit Geschichten der Fall ist) vorne an. In die erste Amtszeit George W. Bushs fallen ja einige prägende Ereignisse. Für manche von denen kann man ihn natürlich nicht verantwortlich machen. Für andere aber schon. Der 11. September 2001 hat, so sehe ich es zumindest, die direkte und folgerichtige Invasion Afghanistan nach sich gezogen. Im Zusammenhang mit diesem Krieg kann man sicherlich über viele Punkte diskutieren, aber meiner Meinung nach wäre jede andere Entscheidung kaum zu vertreten gewesen. Anders ist das allerdings mit dem Irak gewesen, in den die USA (mit den anderen Mitgliedern der „Koalition der Willigen“) 2003 einmarschierten. Hier wurde die Atmosphäre der Terrorismusangst und der Kriegseuphorie genutzt, um eine schon zuvor bestehende Agenda abzuarbeiten. Verbindungen zum internationalen Terrorismus wurden aus allen Ecken der Welt an den Haaren herbeigezogen, aber schon damals von vielen, auch den USA wohlgesonnenen, Menschen und Staaten kritisch betrachtet (Man erinnere sich nur an Collin Powells großartigen Auftritt vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, bei dem er „Beweise“ für Iraks mobile Labors für B- und C-Waffen, vorlegte). Das George W. Bush und ein Teil seiner Mitarbeiter über den Sturz Saddam Husseins schon vor dem 11. September nachgedacht haben ist äußerst wahrscheinlich, doch bot sich eben mit der neu entstandenen Situation ein ideales „Window of opportunity“ und das war man entschlossen zu nutzen. So lief schon kurz nach dem zu Beginn erfolgreichen Einmarsch in Afghanistan die Vorbereitung auf den Irakkrieg an und ein prominenter Teil davon war die Ausrufung der „Achse des Bösen“:

Our second goal is to prevent regimes that sponsor terror from threatening America or our friends and allies with weapons of mass destruction.  Some of these regimes have been pretty quiet since September the 11th.  But we know their true nature.

North Korea is a regime arming with missiles and weapons of mass destruction, while starving its citizens.

Iran aggressively pursues these weapons and exports terror, while an unelected few repress the Iranian people’s hope for freedom.

Iraq continues to flaunt its hostility toward America and to support terror.  The Iraqi regime has plotted to develop anthrax, and nerve gas, and nuclear weapons for over a decade.  This is a regime that has already used poison gas to murder thousands of its own citizens — leaving the bodies of mothers huddled over their dead children.  This is a regime that agreed to international inspections — then kicked out the inspectors. This is a regime that has something to hide from the civilized world.

States like these, and their terrorist allies, constitute an axis of evil, arming to threaten the peace of the world.  By seeking weapons of mass destruction, these regimes pose a grave and growing danger.  They could provide these arms to terrorists, giving them the means to match their hatred.  They could attack our allies or attempt to blackmail the United States.  In any of these cases, the price of indifference would be catastrophic.

Allein die Aussage, man kenne die wahre Natur dieser Staaten und diese Staaten und ihre terroristischen Alliierten seien eine schwere Bedrohung für die USA, die demgegenüber nicht indifferent sein könnten, klingt schon recht bedrohlich für die drei Mitglieder dieses exklusiven Clubs. Noch bedrohlicher wurde das ganze dann aber, als die USA tatsächlich in den Irak einmarschierten. Nun dürften die Machthaber in Pjöngjang und Teheran vom Gefühl eines über ihnen schwebenden Damoklesschwertes ganz schön oft gehabt haben. Oder wie würdet ihr euch fühlen, wenn euer Name einer von Dreien auf der Liste eines erwiesenermaßen gewaltbereiten Typen wäre und einer der beiden anderen eben von genau dem Typen eingedampft wurde.

Naja, aber ist ja auch egal. Eigentlich hat George W. Bush in seinem Text nicht gesagt, dass die drei Staaten untereinander kooperieren, sondern dass sie gemeinsam haben mit Terroristen zu kollaborieren und den Weltfrieden zu stören. Seine Definition des „Bösen“ bezieht sich hier also vor allem darauf, dass bestimmte Staaten Terrorismus unterstützen und die USA und ihre Alliierten mit Massenvernichtungswaffen bedrohen. Ich persönlich sehe das anders. Ich glaube, dass der Begriff  „Böse“ bei der Bewertung zwischenstaatlicher Beziehungen vollkommen nutzlos ist (Wenn ich den Begriff in der Folge benutze ist er also inhaltlich so verstehem, wie George W. Bush ihn meinte). Die unterste Grundlage staatlichen Handelns sind Interessen. Und das Grundlegendste Interesse ist die Erhaltung des herrschenden Systems, wobei dies bei manchen Systemen mit der Machterhaltung bestimmter Personen oder Regime gleichzusetzen ist. Dies hatten die drei aufgezählten Staaten gemeinsam, sonst aber nicht viel. Jedoch wurden die drei eben zusammen in einen Topf geworfen und der Begriff „Achse“ implizierte eine Zusammengehörigkeit ähnlich der Achsenmächte im zweiten Weltkrieg. Dass George W. Bushs Ziel im Falle der Mitglieder der Achse des Bösen ein „regime change“ gewesen sein dürfte ist wohl kaum zu bestreiten.

Die „Achse“ und andere „böse“ Staaten

Neben der recht kurzen „Achse des Bösen-Liste“ gab es auch noch eine etwas längere Liste von Staaten, die in den Jahren zwischen 2003 und 2006 auf die eine oder andere Art in den Genuss kamen von US-amerikanischen Offiziellen verbal ins Fadenkreuz genommen zu werden. Der spätere UN-Botschafter (und wohl einer der härtesten Hardliner) John Bolton ging 2002 „Beyond the Axis of Evil“ und zählte noch Libyen, Kuba und Syrien zu den drei üblichen Verdächtigen. Die damalige Außenministerin Rice zählte 2006 zu ihren „Outposts of Terror“ neben den nur noch zwei verbliebenen „Achsenmächten“ noch Simbabwe, Weißrussland, Kuba und Myanmar. Es gibt also ne ganze Reihe von Staaten, die in der Amtszeit Bush gebrandmarkt wurden. Und eine solche Brandmarkung reicht natürlich oft weiter, als nur bis zum virulenten Gefühl des Führers, dass er jederzeit ne Cruise Missile aufs Dach kriegen könnte.

Alle dort aufgezählten Staaten (außer Libyen und Irak natürlich, die sind ja jetzt gut) unterlagen und unterliegen bilateralen und oder multilateralen Sanktionen, wirtschaftlicher, militärischer oder politischer Art. Und damit kommt man dann langsam zum Kern der Sache: Ein Staat der sich bedroht fühlt (und in der damaligen Situation mitunter zurecht) und gleichzeitig Bedarf an verschiedenen Gütern decken muss, aber von einem Großteil der Staatengemeinschaft davon abgeschnitten wird, zum Beispiel durch UN Sanktionen, die eigentlich für alle Staaten bindend sind, der wird alle Hebel in Bewegung setzen um die benötigten Güter, vor allem solche, die ihm Sicherheit vor der bestehenden oder wahrgenommenen Bedrohung bieten, zu erwerben. Tja, und da es für die meisten Unternehmen und Staaten mit freiem Zugang zu allen Märkten und Gütern eine nicht unbeträchtliche Gefahr darstellt, gegen verhängte Sanktionen zu verstoßen, bleiben als Partner für solche Staaten oft nur noch diejenigen, die eh nichts mehr zu verlieren haben, weil sie vor dem gleichen Problem stehen. Und ruckzuck ergibt sich ne florierende Kooperation zwischen Staaten, die eigentlich nichts gemeinsam haben, außer eben diesen Sanktionen.

„Achsenbildung“ seit 2002?

So stell ich mir das jedenfalls vor. Das ist sozusagen meine, „wie-baut-man-eine-Achse-des-Bösen-Theorie“. Aber wie siehts mit der Praxis aus? Da gibts natürlich wie immer das Problem, dass die geheimen und verbotenen Kooperationen zwischen solchen Staaten oft nicht publik werden, weil sie eben geheim und verboten sind. Aber ein paar Fakten gibt es schon, die auf einer mehr oder weniger fundierten Basis stehen. Und diejenigen die im Zusammenhang mit Nordkorea stehen will ich im Folgenden mal kurz nennen und natürlich darauf achten, ob das eine Veränderung zur Situation vor 2002 darstellt. Der Iran und Nordkorea blicken vor allem in Bezug auf Raketentechnologie auf eine langjährige Zusammenarbeit zurück. Bereits in den 80er Jahren wurden nordkoreanische Raketen des Scud-C an den Iran geliefert. Es wird vermutet, dass auch das iranische Programm zum Bau von Mittel- und Langstreckenraketen auf nordkoreanischer Technologie basiert (angeblich waren beim ersten fehlgeschlagenen Test der Taepodong-II, die bei voller Funktionsfähigkeit die Ostküste der USA erreichen könnte, Iranische Staatsbürger als Beobachter anwesend und auch beim Test 2009 sollen Iraner im Land gewesen sein.). Es wird auch darüber spekuliert, ob beide Staaten arbeitsteilig an der Weiterentwicklung von Langstreckenraketen arbeiten. Neben dieser Zusammenarbeit wurden in jüngster Zeit zweimal Waffenlieferungen aus Nordkorea abgefangen, die vermutlich an den Iran gehen sollten. Die Gerüchte über eine nukleare Kooperation zwischen Nordkorea und dem Iran sind dagegen recht weit hergeholt und es gibt kaum Belege. Zwar ist es sehr wahrscheinlich, dass beide zu den Kunden des pakistanischen Nuklearwissenschaftlers A.Q. Khan zählten, aber während Irans Programm nur auf Uran basiert, baut das bekannte Teil des nordkoreanischen Programms auf Plutonium auf, wie weit dagegen ein mögliches auf Uran basierendes Programm in Nordkorea fortgeschritten ist, bleibt völlig unklar.

Mit Syrien dagegen scheint Nordkorea auf nuklearem Bereich kooperiert zu haben. Es gibt starke Hinweise, dass ein vor zwei Jahren in Syrien zerbombtes Gebäude ein mit nordkoreanischer Hilfe errichteter Reaktor nach der Bauart desjenigen in Yongbyon war.

Ähnlich wie im Fall des Iran bestand auch mit Syrien eine langjährige Zusammenarbeit im Bereich der Raketentechnologie. So wurden Anfang der 1990er Jahre Scud-C Raketen nach Syrien geliefert und im Laufe dieses Jahrzehnts unterstützte Nordkorea Syrien bei der Weiterentwicklung dieses Raketentyps.

Im Falle Kubas scheinen die bilateralen Beziehungen zwar bestens zu sein und auch die militärischen Beziehungen blühen, wie hochrangige Besuche in Havanna belegen. Allerdings gibt es über Waffengeschäfte  zwischen beiden Staaten nur Gerüchte. Vermutlich ist es zu kompliziert, solche delikaten Deals über den halben Erdball und dann noch vor der Haustür der USA abzuwickeln. Und man weiß ja auch, dass die recht angefressen reagieren, wenn auf Kuba mit Raketen rumgemacht wird…

Auch mit Simbabwe scheinen die bilateralen Beziehungen glänzend zu sein. Auch zwischen diesen Ländern gibt es weit zurückreichende Bindungen. In den 1980er Jahren trainierten nordkoreanische Soldaten die „Fünfte Brigade“ der simbabwischen Armee, die wegen ihres brutalen Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung traurige Berühmtheit erlangte. Demensprechend wird Nordkorea in der Bevölkerung zwar zwiespältig gesehen, die Beziehungen zwischen den Regierungen beider Länder sind aber sehr gut, wie Besuche auf Ministerebene im vergangenen Jahr zeigen.

Die Beziehungen zwischen Myanmar und Nordkorea haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Nordkorea verkaufte Raketentechnologie an Myanmar und unterstützte das Regime in Naypidaw beim Bau von Bunkern und Tunneln. Auch konventionelle Waffen wurden an die Junta geliefert. Die Gerüchte über eine nukleare Kooperation scheinen dagegen wohl eher dem üblichen Misstrauen bei Geschäften zwischen zwei so kritisch beäugten Staaten wie Nordkorea und Myanmar zu entspringen. Auch auf diplomatischer Ebene haben sich die Beziehungen beider Staaten extrem verbessert, da diese Kontakte bis 2007 geruht hatten.

Die Beziehungen zwischen Weißrussland und Nordkorea schließlich sind eher unscheinbar und es scheint auch keine besonderen geschäftlichen Kontakte zu geben.

Hat Bush die „Achse“ geschaffen?

Aus den oben dargestellten Sachverhalten ergibt sich ein recht gemischtes Bild. Was man auf keinen Fall behaupten kann, ist, dass die alleinige Bezeichnung einer Gruppe von Staaten mit dem Prädikat „böse“ durch  die USA ausreicht um diese zu einer „Achse“ zusammenzuschweißen. Gleichzeitig hat jedoch die Kooperation zwischen Nordkorea und dem Iran, Syrien und Myanmar in den vergangenen Jahren in ihrer Qualität und teilweise auch Quantität zugenommen. Zumindest im diplomatischen Bereich bestehen mit allen Staaten (außer Weißrussland) enge Beziehungen. Stigmatisierung und Ausgrenzung von Staaten, die eigentlich nichts gemeinsam haben erhöht also die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Kooperation dieser Staaten kommt, jedoch ist das Eintreten einer solchen Kooperation keinesfalls sicher, sondern hängt vielmehr von anderen Umweltbedingungen, nämlich der Umsetzbarkeit und dem Nutzen einer solchen Kooperation. Diese Faktoren können förderlich oder hinderlich auf eine mögliche Kooperation wirken.

Nordkoreas zunehmende „Bösigkeit“ nach 2002

In der Frage nach dem „Böse“ stellt sich das Bild allerdings etwas anders dar. Betrachtet man die Situation Nordkoreas im Jahr 2002 so befand sich das Land in relativ guten Beziehungen mit den Meisten Nachbarn, es gab Gipfeltreffen mit Südkorea, Japan und Russland und auch gegenüber den Sechs-Parteien-Gesprächen um das Nuklearprogramm des Landes zeigte man sich eher offen, allerdings ohne dass es zu einem wirklichen Durchbruch gekommen wäre. Zwar gab es Problem bei der Umsetzung des Genfer Rahmenabkommens, der radikale Umbruch mit dem Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag kam jedoch erst Ende 2002. Auch hinsichtlich der Raketenentwicklung des Landes hatte man 1999 ein Moratorium für Raketentests verkündet, dass man Anfang 2003 beendete. Die Raketen- und Nukleartests seit 2003 sind ein weiterer handfester Beleg für diese Entwicklung. Weiterhin intensivierte sich die Kooperation mit anderen „bösen“ Staaten wie Myanmar und dem Iran, mit dem man bei der Entwicklung von Raketen eng zusammenarbeitete. Die Unterstützung Syriens beim Bau einer Nuklearanlage, die vermutlich einzig der Gewinnung waffenfähigen Plutoniums dienen sollte, war ein eindeutiger Schritt über eine von den USA gezogene „rote Linie“ und nach den Maßstäben George W. Bushs vermutlich ziemlich „böse“. Hieraus kann abgeleitet werden, dass sich Nordkorea nicht zuletzt durch die Politik der Regierung Bush, für die die Ausrufung der „Achse des Bösen“ sinnbildlich stehen kann, „böser“ wurde. „Was-wäre-wenn“ Überlegungen anzustellen wäre nichts weiter als wildes rumspekulieren und würde zu nichts führen, denn man kann einfach nicht wissen, was passiert wäre wenn alles anders gekommen wäre. Was man weiß ist das was geschehen ist und das deutet darauf hin, dass George W. Bush Nordkorea ein Stück „böser“ hat werden lassen.

Die „Achse des Bösen“ eine self fulfilling prophecy

Letztendlich ist das Vorgehen Bushs also nicht unbedingt ein Patentrezept, um eine „Achse des Bösen“ zu schaffen, es ist aber recht hilfreich dabei. Stigmatisierung, Ausgrenzung und (negative) Sanktionierung von Staaten fördert deren Kooperation. Je mehr Staaten man eine solche Behandlung zukommen lässt, desto größer ist die Chance, dass sich hieraus neue Bündnisse und vielleicht sogar „Achsen“ ergeben. Sicher ist jedoch, dass man durch ein geeignetes Vorgehen, die „Böse-Werdung“ von Staaten fördern kann. Zumindest in dieser Hinsicht dürfte also die Annahme von der „Achse des Bösen“ als self fulfilling prophecy zutreffen.

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