Die Ministerien für Volkssicherheit und Staatssicherheit: Neue Schwergewichte in Nordkoreas Machtgefüge?


Mal wieder ärgere ich mich ein bisschen. Wenn ich was anfange und ihn dann nicht in einem Zug fertig schreibe, dann kommt immer irgendwas dazwischen. Zum Beispiel die Ankündigung eines Satellitenstarts. Und dann wird man schnell mal von Ereignissen überrollt und kommt nicht mehr dazu, den schönen angefangenen Beitrag fertigzuschreiben. Aber eigentlich ist das ja mein Blog und ich habe das Privileg hier zu machen wozu ich Lust habe. Daher habe ich einfach den angefangenen Artikel fertiggeschrieben, obwohl er schon wieder ein klein bisschen wie aus der Zeit gefallen scheint. Macht nichts: Wenn ihr was zum Satellitentest lesen wollt, dann schaut doch einfach in meinen Beitrag dazu oder guckt mal auf der Facebookseite vorbei, da habe ich ein bisschen was Weiterführendes verlinkt und werde das wohl auch in den nächsten Tagen gut im Auge behalten…

Mein kleiner Artikel über Kim Jong Uns markige Worte und Werners gute Hinweise dazu in der Kommentarspalte haben mir ein Versäumnis bewusst gemacht, das ich schnellstmöglich zumindest obeflächlich beheben möchte. Ich habe mich eigentlich seit dem Tod Kim Jong Ils nicht mehr um Entwicklungen in Struktur und Verhältnis der Sicherheitsorgane Nordkoreas gekümmert, die für die innere Sicherheit im Land zuständig sind. Das ist insofern ein Versäumnis, weil gerade diese Organe in einer Phase des Übergangs, wie sie aktuell abläuft, gleichzeitig sehr bedeutende Funktionen erfüllen und sehr bedeutende Risikofaktoren darstellen.

Fokus auf die Ministerien für Volks- und Staatssicherheit

Ich will jetzt garnicht auf jede Sicherheitsbehörde eingehen, sondern mich auf die beiden wohl prominentesten beschränken, die gesamtgesellschaftliche Reichweite haben und mit denen ich mich auch in der Vergangenheit schonmal befasst habe. Dem Ministerium für Volkssicherheit (Ministry of People’s Security) und dem Ministerium für Staatssicherheit (Ministry of State Security oder auch State Security Department). Beide spielen tragende Rollen bei der Erhaltung der inneren Sicherheit, nicht nur, indem sie die Bevölkerung überwachen, sondern auch, weil sie sich gegenseitig zu kontrollieren haben.

Die Quelle

Dass die beiden Ministerien von der Führung ganz genau beobachtet werden, zeigt sich auch an den personellen Rochaden und den strukturellen Veränderungen bei der Zuordnung, die in den vergangenen Monaten und Jahren zu verzeichnen sind. Anfangen möchte ich allerdings mit einer kurzen Beschreibung der Aufgabenprofile und Struktur der Ministerien. Dabei werde berufe ich mich auf die Informationen aus dem hervorragenden Buch Coercion, Control, Surveillance, and Punishment. An Examination of the North Korean Police State von Ken Gause (2012) stützen (das ist das Beste, was das Netz kostenlos zu dem Thema hergibt und kann sich auch mit der nicht freien Literatur zum Thema locker messen, aber trotzdem fallen bei genauer Lektüre ein paar Ungereimtheiten auf. Das zeigt: Auch der Autor, obwohl mit guten Quellen versorgt, kann oft nur vermuten, ohne sicher zu wissen. Das nur am Rande als kleine Quellenkritik.). Ergänzend werde ich, wo es sich anbietet Links zu North Korea Leadership Watch setzen, denn dieses Blog ist in diesem Feld einfach die Standardanlaufstelle schlechthin und bietet immer einen schnelle Überblick.

Das Staatssicherheitsministerium

Im Überblick

Das Staatssicherheitsministerium kommt wohl am ehesten einer Art Inlandsgeheimdienst nahe. Die Behörde, deren Existenz seit 1987 nachgewiesen ist (sie wurde aber schon vorher vermutet), wird auch öfter mal unter der Bezeichnung KPA Unit 10215 (also als Einheit der Koreanischen Volksarmee) geführt (hier z.B.). Die geschätzten 50.000 Mitarbeiter der Behörde sind im Hauptquartier in Pjöngjang und in den Stützpunkten, die über das ganze Land verteilt sind, stationiert. Zu den Aufgaben des Ministeriums gehört es, Personen zu verfolgen, die sich regierungs- oder staatsfeindlicher Aktivitäten, ökonomischer Verbrechen oder Illoyalität gegenüber der Führung zuschulden haben kommen lassen. Es ist auch für die Überwachung von Personen zuständig, die eine Zeitlang im Ausland waren, betreibt politische Gefängnisse, sammelt geheimdienstliche Information und scheint auch innerhalb der militärischen Eliten für Angst zu sorgen, weil es öfter mal gegen diese vorgeht. Bei der Überwachung des Militärs überschneiden sich die Kompetenzen des Staatssicherheitsministeriums mit anderen Diensten, was aber für die nordkoreanische Sicherheitsarchitektur eine Art kennzeichnendes Merkmal ist, da durch die Konkurrenz verschiedener Entitäten so etwas wie gegenseitige Kontrolle und Überwachung gewährleistet werden kann.

In Deutschland

Achja, in Deutschland gibt es übrigens auch sowas wie eine kleine Außenstelle des Ministeriums für Staatssicherheit. Laut des Verfassungsschutzberichts 2011 (und seiner Vorgänger), den das Bundes Innenministerium herausgibt, besteht in der nordkoreanischen Botschaft in Berlin eine Residentur des Ministeriums. Der Mitarbeiter ist dort für die personelle und materielle Sicherheit der Botschaft (heißt das „materiell“, dass der auch Kapitalgewinnung treiben muss?) sowie nordkoreanischer Gastwissenschaftler und Studenten zuständig und übt Kontrollaufgaben im Ausland aus, z.B. ermittelt er bei sicherheitsrelevanten Vorfällen (z.B. wenn jemand untertaucht). Es gibt auch noch weitere Dienste, die in Deutschland aktiv sind, aber das ist hier jetzt nicht Thema.

Die Führung

Eine gute Zeitlang scheint der Posten des Direktors der Behörde vakant gewesen, bzw. durch Kim Jong Il wahrgenommen worden zu sein. Während manche Quellen annehmen, U Tong-chuk habe bis zu diesem Jahr diesen Job erledigt, konnte ich dafür im Endeffekt keinen Beleg finden, aber vermutlich ist richtig, dass er die Behörde als stellvertretender Minister de facto unter sich hatte. Ganz offiziell wird aktuell Kim Won-hong (auch mal Kim Won-hung. Ungewöhnlich, dass KCNA für die Namen der eigenen Leute unterschiedliche Umschriften nutzt) als Minister benannt und allein das ist schon eine interessante Änderung, denn vorher gab es keinen Minister. Das deutet grundsätzlich auf einen Machtzuwachs und mehr Eigenständigkeit des Ministeriums. Gleichzeitig ist aber noch zu bemerken, wo Kim Won-hong herkommt, denn bevor er den Job als Minister bekam, wurde er öfter mal als Armeegeneral geführt und stand wohl bis 2009 einem anderen Dienst vor, nämlich dem Military Security Command (grob mit dem MAD in Deutschland vergleichbar), der fürs Militär zuständig ist. Er hat also einerseits Erfahrung, andererseits aber wohl auch ein Netzwerk, das deutlich über den eigenen Dienst hinausreicht.

Die Sonderstrukturen

Während sich das Ministerium generell unter Aufsicht der Partei (zumindest bis 2010 war Jang Song-thaek zuständig) und unter Kontrolle der Nationalen Verteidigungskommission befindet, dem mächtigen Entscheidungsgremium, das irgendwie quer zu vielen anderen Strukturen steht, gibt es innerhalb des Ministeriums nochmal eine handeverlesene Sondereinheit (aus ca. 15 Leuten). Die unterstand früher direkt Kim Jong Il und war unter anderem mit der Überwachung und ideologischen Kontrolle von Führungspersonen aus Partei, Kabinett, dem eigenen Ministerium und dem Militär befasst. Sollte es die Einheit wirklich (noch) geben, könnte sie zum Beispiel mit dem starken Personalschwund der letzten Zeit, vor allem im Militärapparat zu tun haben.

Der Schwund in der Führung

Apropos Schwund. Der oben erwähnte U Tong-chuk, immerhin einer der Mitsargträger bei Kim Jong Ils Beerdigung und damit nach meiner Einschätzung eigentlich ein Mann, den man auch in Zukunft im Auge behalten soll, ist schon eine ganz erhebliche Weile von der Bildfläche verschwunden (über ein halbes Jahr). Daher ist einerseits nicht davon auszugehen, dass er, wie Gause vor einigen Monaten vermutete, das Tagesgeschäft des Ministeriums abwickelt. Sondern andererseits viel eher zu vermuten, dass er einer Aufräumaktion zum Opfer gefallen ist (wie sich ja in letzter Zeit und aktuell wieder zeigt, dass die Teilnahme am Sargtragen bei Kim Jong Ils Trauerzug eher riskant war, als wegweisend. Immerhin sind vier der Acht Männer entweder entlassen oder degradiert worden, oder sind wie U schlicht verschwunden). Wie gesagt: Die Sicherheitsbehörden spielen eine zentrale Rolle in Situationen wie der Aktuellen und da sind unsicherer Kantonisten vermutlich noch schneller weg, als in manch anderen Positionen.

Das Ministerium für Volkssicherheit

Im Überblick

Das zweite Ministerium, dem ich mich heute widmen will, ist das Ministerium für Volkssicherheit. Dieses Ministerium ist von seinen Aufgaben her grundsätzlich mit den deutschen Polizeibehörden zu vergleichen. Damit ist es für die öffentliche Sicherheit, für Verfolgung von gewöhnlichen Straftaten, die Sicherheit im Verkehr und in der Bahn zuständig. Darüber hinaus treibt es aber auch politische Überwachung, auch wenn es Verdachtsfälle an das Ministerium für Staatssicherheit abgeben muss. Die Personengruppen die unter die Strafverfolgung des Ministeriums fallen, wurden 2009 erheblich ausgeweitet. Seitdem verfolgt das Ministerium für Volkssicherheit auch Straftaten des Personals des Militärs, der Justiz und des Ministeriums für Staatssicherheit (mit Ausnahme von Verbrechen, die sich gegen die Führung richten). Für die Behörde arbeiten geschätzt etwa 210.000 Personen in allen Teilen des Landes (Polizei eben).

Die Sonderstrukturen

Innerhalb des Ministeriums gibt es noch zwei funktionale Einheiten, die ich kurz erwähnen will. Einerseits die Sicherheitsabteilung, die im Ministerium für Volkssicherheit sitzend dem Ministerium für Staatssicherheit Bericht erstattet und zwar mit besonderem Augenmerk auf regimefeindliche Aktivitäten innerhalb des Ministeriums. Die andere Einheit heißt Korean People’s Interior Security Forces (KPISF) und ist sowas wie eine paramilitärische Truppe zur Aufstandsbekämpfung. Ich konnte zwar nichts zum Umfang dieser Einheit finden, aber so oft wie sie auch in der Berichterstattung von KCNA präsent ist, dürfte sie nicht ganz unbedeutend sein. Damit verfügt das Volkssicherheitsministerium selbst auch über einige „Feuerkraft“ die es im Zweifel in die Waagschale werfen kann.

Die Führung…

Auch in der Führung des Ministeriums für Volkssicherheit gab es vor garnicht so langer Zeit deutliche Veränderungen. Im März 2011 wurde nämlich recht abrupt Ju Sang-song, der damalige Minister entlassen (er verlor auch seinen Posten in der Nationalen Verteidigungskommission) und wart seither nicht mehr gesehen (aber er war ja auch krank, was als Grund für seine Entlassung angeben wurde…). Seine Nachfolge trat Ri Myong-su an. Der war vorher genau wie Kim Won-hong Armeegeneral und wurde von KCNA auffällig oft gemeinsam mit Kim genannt (also die Namen standen quasi in direkter Nachbarschaft). Kann was heißen, muss es aber nicht. Wenn es bedeutet, dass die beiden sich kennen und einen Teil ihres Weges vielleicht gemeinsam gemacht haben, dann könnte ihre Besetzung eine bewusste Maßnahme sein, um die Zusammenarbeit der Ministerien in der kritischen Phase zu fördern. Gleichzeitig wäre es auch ein kleines Risiko, weil damit natürlich die Konkurrenz zwischen den Ministerien vielleicht ein Stück weit einschläft.

…und Kim Jong Uns kurzweilige Personalpolitik

Ri wird auch noch durch einen anderen Aspekt interessant. Er ist für Sicherheitsrelevante Spitzenkräfte mittlerweile schon ziemlich lange im Amt. In Militär und anderen Sicherheitsbehörden wurden sehr viele zentrale Stellen, die Kim Jong Il erst vor einem oder wenigen Jahren neu besetzt hatte, unter Kim Jong Un erneut umbesetzt. Dabei hätte man ursprünglich annehmen können, dass die jetzt ehemaligen Stelleninhaber Vertrauensleute Kim Jong Uns waren und dessen Nachfolge absichern sollten. Die Personalpolitik dieses Jahres zeichnet aber ein anderes Bild. Offensichtlich besaßen diese Leute nicht das Vertrauen Kim Jong Uns, was vermuten lässt, dass Kim Jong Il sie zwar als gute Kräfte gesehen hatte, dass das bei Kim Jong Un aber ganz anders war und ist. Naja und das macht die Person Ri natürlich interessant. Mal sehen, ob auch er demnächst abserviert wird, oder ob er tatsächlich ein Mann Kim Jong Uns ist.

Die beiden Dienste und ihre Bedeutung und Stellung im Regime

Bedeutungszuwachs seit 2009

Generell ist zur Position der internen Sicherheitskräfte in Abgrenzung zum Militär zu sagen, dass ihre Bedeutung für das und ihre Position im Regime etwa seit 2009, als Kim Jong Il seinen Schlaganfall überstanden hatte und Kim Jong Uns Nachfolge beschlossen wurde, deutlich gewachsen ist. Strukturell ist das wohl am deutlichsten daran festzumachen, dass die Chefs der beiden oben genannten Ministerien mit der Reform der Nationalen Verteidigungskommission 2009, bei der die Mitgliederzahl von 8 auf 12 erhöht wurde, einen Platz dort bekamen. Vorher war das Steuerungs- und Entscheidungsgremium Militärs vorbehalten. Das deutet Gause so, dass die internen Streitkräfte im Kalkül der Führung ein größeres Gewicht bekamen. Weiterhin wurde das Volkssicherheitsministerium vermutlich (darauf deutet eine Veränderung in der Bezeichnung hin) aus der Funktionalen Unterordnung unter das Kabinett herausgelöst und der Nationalen Verteidigungskommission mehr oder weniger direkt unterstellt. Dort ist nun quasi der Zugriff auf alle Sicherheitsorgane gebündelt.

Fokus auf Jang Song-thaek und seine multiplen Einflusskanäle

Irgendwo ein bisschen diffus zwischen all den Organen und Diensten steht noch Jang Song-thaek, Kim Jong Uns berühmt-berüchtigter Onkel. Er hat einerseits als Mitglied der Nationalen Verteidigungskommission, andererseits in seiner Parteifunktion als Direktor der Verwaltungsabteilung der Partei und zusätzlich durch sein umfangreiches persönliches Netzwerk (von dem man eigentlich nur sicher sagen kann, dass es da ist, aber nicht wirklich, wer dazu gehört und wer nicht) verschiedene Arten des Zugriffs auf die unterschiedlichen Ministerien und könnte in Mancher Hinsicht als eine lenkende und wachende Hand im Hintergrund fungieren, die auch für die Gegenseitige Überwachung der Ministerien sorgt.

Eindeutigere Kommandostrukturen und Abgrenzung

Einen weiteren Punkt, den Gause bemerkte fand ich auch noch interessant. Offensichtlich wurden nach der Erkrankung Kim Jong Ils Befehlsketten gestrafft und Strukturen klarer gestaltet und sehr viele Fäden liefen bei Jang Song-thaek zusammen. Damit wurde ein Führungsinstrument, das früher strategisch genutzt wurde ein Stück weit fallen gelassen, denn bis zu Kim Jong Ils Schlaganfall waren Befehlsketten oft durch informelle „Bypässe“ unterbrochen, umgangen oder verschleiert worden. Sie liefen zwar für gewöhnlich bei Kim Jong Il zusammen, aber dadurch, dass sie nicht transparent und klar waren, konnten sich alle Mitarbeiter der Dienste im Endeffekt nur auf das verlassen, was sie selbst mit dem Führer besprachen. Außerdem steigerte das das Misstrauen und die Konkurrenz zwischen den und innerhalb der Behörden und sorgte so für ein hohes Maß gegenseitiger Überwachung und Kontrolle (so konnte sichergestellt werden, dass im Endeffekt nur ein echtes autonomes Machtzentrum existierte). Jetzt ist das alles nicht mehr gegeben. Sowohl Kontrolle als auch Befehlsketten laufen eher formalisiert ab und das dürfte die Situation für die Mitarbeiter der Dienste etwas berechenbarer machen. Außerdem sitzen nun Leute in Leitungsfunktionen, die Netzwerke innerhalb des Regimes haben, die über ihr eigenes Ministerium hinausreichen. Damit können sie zwar effizienter ihre Kontrollfunktion gegenüber anderen Körperschaften ausüben, aber es besteht auch immer das Risiko, dass sie das zur eigenen Machtaneignung nutzen.

Militär vs innere Sicherheitsorgane?

Den generellen Gewichtszuwachs und die direktere Kontrolle der Sicherheitsorgane könnte man auch mit den jüngsten Vorgängen innerhalb der militärischen Führung in Verbindung setzen. Sollte Kim Jong Uns Strategie darauf abzielen, den Einfluss des Militärs zu beschneiden und seine Macht einzudämmen, braucht er dazu (zur Umsetzung und zur Absicherung) die internen Sicherheitsbehörden. Vielleicht fing die Neugestaltung des Regimes deshalb auch dort an und setzt sich nun mit verstärktem Tempo im Militär fort, nachdem man sich der Gefolgschaft der beiden Ministerien sicher ist. Dann wären an den Spitzen dieser Dienste keine großartigen Neubesetzungen mehr zu erwarten, während in anderen Teilen des Regimes möglicherweise noch weiter die Fetzen fliegen, wozu nicht zuletzt die internen Sicherheitsorgane genutzt werden dürften.

Gehorsam antrainiert und dann von der Kette gelassen?

Dann wären auch die markigen Worte, die Kim Jong Un in der jüngsten Vergangenheit so von sich gab in diesem Kontext zu sehen. Man hat den Sicherheitsministerien innerhalb der letzten Monate und Jahre absoluten Gehorsam antrainiert und glaubt nun, dass sie so loyal und folgewillig sind, dass man sie von der Kette lassen kann, indem man ihnen die Jagd auf Feinde im Inneren anbefiehlt. Denn ein solcher öffentlicher Befehl dürfte durchaus einen anderen Effekt haben, als ein gelegentlicher Hinweis, dass dieser oder jener Offizielle genauer überprüft und im Zweifel festgesetzt (o.ä.) werden soll.

Abschließender Disclaimer

Ich weiß, dass ich mich mit vielem, das ich hier geschrieben habe auf relativ wackeligem Untergrund befinde (schaut euch manche von Gauses Quellen an und ihr wisst warum). Nichtsdestotrotz wollte ich einmal versuchen die groben Entwicklungen der letzten Jahre nachzuzeichnen und daraus einige Schlüsse hinsichtlich der strategischen Ausrichtung des Regimes zu ziehen. Kann sein, dass sich einiges davon in Zukunft als nicht haltbar herausstellen wird. Aber eines ist sicher: Die internen Sicherheitskräfte spielen bei der Umgestaltung des Regimes eine besondere Rolle und die Interaktionen Kim Jong Uns mit ihnen sowie die personellen Dynamiken innerhalb der und zwischen den Ministerien sollte man daher auch in Zukunft unter Beobachtung halten.

Vielsagendes Treffen: Kim Jong Il trifft russischen Geheimdienstchef


Dem Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SVR (Foreign Intelligence Service), Mikhail Fradkov, ist gelungen, was Jimmy Carter vor einigen Wochen verwehrt blieb. Er hat sich in Pjöngjang mit Kim Jong Il getroffen und in einer freundlichen Atmosphäre über irgendetwas gesprochen. Das „irgendetwas“ steht dabei — wie ihr euch wohl denken könnt — nicht für „irgendetwas völlig unwichtiges“, sondern eher für „irgendetwas nicht näher spezifiziertes“. Wichtig dürfte es vermutlich schon gewesen sein, wenn Kim selbst sich zu dem Treffen einfindet. Achja, sein Sohn spielte auch ne Rolle. Es wird nämlich erwähnt, dass Kim Jong Un auch ein Geschenk von Fradkov bekam. Nur leider nicht vor Kammeras, als sein Vater sein Präsent entgennahm, war der Junge jedenfalls nirgends zu sehen

Teilnehmerliste und Rückschlüsse aufs Thema

Einen kleinen Hinweis auf die behandelten Themen dürften die anderen Teilnehmer auf der nordkoreanischen Seite geben. Kim Kye-gwan ist kürzlich im Außenministerium aufgestiegen und vor allen Dingen als Chefunterhändler bei den Sechs-Parteien-Gesprächen um die Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel bekannt. U Tong-chuk ist formal noch etwas wichtiger, denn er sitzt in der National Defence Comission (NDC) und damit im innersten Machtzirkel und ist ein hohes Tier State Security Department, einem der Inlandsgeheimdienste. Es ist also nicht abwegig zu denken, dass sich die Gespräche um große Politik (Kim und U) mit Fokus auf die Sechs-Parteien-Gespräche (Kim Kye-gwan) drehten.

Interessant ist aber vor allen Dingen der Gesprächspartner, den sich Kim und seine Delegation da ausgesucht haben. Denn einerseits ist es nicht eben häufig, dass sich Kim Jong Il mit ausländischen Politikern trifft, die nicht Staatschefs sind oder waren (China kann man vielleicht als Ausnahme werten) und andererseits ist Mikhail Fradkov nicht nur kein Staatschef, er scheint auf den ersten Blick als Politiker noch nicht einmal besonders wichtig zu sein. Sein Geheimdienst ist zwar für die Auslandsoperation Russlands zuständig (ihr erinnert euch vielleicht an den russischen Spionagering in den USA, der letztes Jahr aufflog), aber politische Entscheidungsbefugnisse hat er nicht. Und das ist Kim ja sonst wichtig, wenn er jemanden trifft. Allerdings war Fradkov unter dem Präsidenten Putin drei Jahre lang Premierminister Russlands und dürfte daher auch politisch gut vernetzt sein.

Russlands neue Rolle: Vermittler?

Daher ist es schwer etwas über die wirklichen Hintergründe des Treffens zu sagen. Allerdings kann es zumindest als politisches Signal gesehen werden. Den Amerikaner Jimmy Carter, der vermitteln will, lässt man links liegen und trifft sich stattdessen mit dem Russen Fradkov. Einerseits wird dadurch einiges über die Haltung Nordkoreas klar. Man scheint mit der außenpolitischen Situation nicht ganz zufrieden zu sein, sonst würde man sich weiter einigeln und mit niemandem außer den Chinesen sprechen. Man scheint aber auch keine Lust zu haben, mit den „gegnerischen Parteien“ (v.a. USA und Südkorea) in Verbindung zu treten und zieht stattdessen die vertrauteren Russen hinzu. Mit diesen scheint man irgendeine Art von Initiative auszuhecken, sonst wäre es nicht nötig, dass Kim Jong Il sich zu dem Treffen gesellt.

Gleichzeitig wird aber auch etwas über die Rolle Russlands deutlich. Moskau scheint gewillt, die Chance zu ergreifen und ein stärkeres Profil unter den Sechs Parteien einzunehmen. Ein großes Problem an dem der Prozess (wenn man das überhaupt so nennen darf) zurzeit krankt, ist das Fehlen eines Vermittlers. Bis vor einigen Jahren hatte China diese Rolle inne, aber durch das zunehmende Misstrauen zwischen den Washington und Peking und eine Politik, der kompromisslosen Haltung Seouls und nicht zuletzt der fast bedingungslosen Schutz Pjöngjangs durch Peking (das haben die Chinesen erst letzte Woche wieder bewiesen, als sie für einen weiteren Aufschub des Berichtes des Expertenpanels des UN Sicherheitsrates zu den Sanktionen gegen Nordkorea gesorgt haben. Wenn der Bericht nicht mehr nur Reuters zugänglich ist, werde ich darüber nochmal was schreiben) in der letzten Zeit, fällt China in der Vermittlerrolle, die es bis vor zwei Jahren spielte (oder zumindest spielen wollte), aus. Die Zeichen verdichten sich mit diesem Treffen weiter, dass Russland hier zumindest teilweise einspringen könnte. Auch Russland besitzt noch teilweise das Vertrauen Pjöngjangs und war gerade in der kritischen Phase der letzten Monate bemüht, eine Position zwischen den Seiten einzunehmen, die weder Pjöngjang vergrätzte, noch für die USA und Südkorea unhaltbar war.

Ob dem Treffen konkrete Ergebnisse folgen werden bleibt natürlich weiterhin offen, aber festzuhalten bleibt, dass Moskau momentan die Einzige Partei ist, die nicht in einer Sackgasse zu stecken, aber gleichzeitig gewillt scheint, etwas zu bewegen. Wie und ob das dem Sechs-Parteien-Prozess nutzen wird, bleibt vorerst offen, aber gut zu sehen, dass wenigstens nicht alle Parteien ihre Bemühungen bis zu den nächsten Wahlen in Südkorea vertagen.

Minister für Volkssicherheit entlassen: Ein überraschender Krankheitsfall…


Heute Mittag hat eine kurze aber interessante Meldung von KCNA meine Aufmerksamkeit erregt und daher möchte ich mich nicht ganz so kurz damit befassen:

Minister of People′s Security Dismissed

Ju Sang Song, minister of People′s Security of the National Defence Commission of the DPRK, was dismissed from his post due to illness.
The NDC of the DPRK released a decision on it on Wednesday.

Hmmm?!

Plötzlicher Krankheitsfall führt dazu, dass ein Mitglied der ersten Reihe des Regimes (Ju gehört auch der Nationalen Verteidigungskommission (NDC) an und kann damit wohl ohne weiteres zu dieser Reihe der nordkoreanischen Politik gezählt werden) „entlassen“ wird? Ein doch eher ungewöhnlicher Schritt, denn normalerweise treten so schwer kranke Leute ja meist von selbst zurück oder sterben einfach in ihren Ämtern. Daher finde ich den Gedanken nicht ganz abwegig, dass das Regime wieder anfängt, an den neuen Machtstrukturen für Kim Jong Un zu puzzeln. Und dabei ist wohl eine absolut sichere Kontrolle über die internen Sicherheitsorgane unerlässlich.

Ju Sang-song

Ju Sang-song war schon seit 2003 Minister für Volkssicherheit und er und sein Ministerium bekamen vor allem in den letzten zwei bis drei Jahren ein zunehmendes öffentliches Profil. Kim Jong Il inspizierte öfter seine Einheiten, Ju durfte auch internationale Kontakte zu Amtskollegen knüpfen (v.a. nach Laos, Vietnam, Simbabwe und China) und reiste gelegentlich in diese Länder oder empfing Delegationen von dort. Im April des vergangenen Jahres wurde sein Ministerium dann umbenannt (es hieß vorher „Ministerium für öffentliche Sicherheit“ (public security)) und wurde vor allem der Verantwortlichkeit des Kabinetts entzogen und direkt der NDC unterstellt (was auch erklärt, warum die NDC Ju entlassen hat). Ju wird mit Jang Song-thaek, Kims Schwager (und „Schattenmann“, über dessen Bedeutung und Einfluss die Gelehrten streiten), in Verbindung gebracht, aber das kann man nie so genau wissen. Noch im Februar empfing Ju seinen chinesischen Amtskollegen Meng Jianzhu, unterzeichnete ein Abkommen (weiß natürlich keiner worüber genau, aber es geht wohl um bessere Kooperation) und erhielt Hilfsmaterialen (keine Ahnung was) von den Chinesen.

Das Ministerium für Volkssicherheit

Zu den Aufgaben Ministeriums für Volkssicherheit zählt unter anderem z.T. die Grenzüberwachung, z.T. die Überwachung der Bevölkerung und einige Aufgaben wie die Überwachung der Feuerwehren und Krankenhäuser, die Erhebung von Statistiken und Beobachtung der Reiseaktivitäten der Bevölkerung. Außerdem ist das Ministerium für den Betrieb von Gefängnissen und den Arbeits- und Umerziehungslagern des Landes zuständig, aus denen immer wieder über unvorstellbare Grausamkeiten berichtet wird.

Konkurrenz zum State Security Department

Das Ministerium ist ein Teil des oft recht unübersichtlichen internen Sicherheitsapparats des Regimes und konkurriert in vielen Aufgaben mit dem „State Security Department“ (SSD), das grundsätzlich Kim Jong Ils direkter Kontrolle untersteht. Das ist ja ein altbekanntes Werkzeug des Regimes (oder viel mehr der Kims) um die Kontrolle zu behalten: Körperschaften schaffen die konkurrieren, so dass keine zu stark wird und vor allen Dingen eine gegenseitige Überwachung herrscht. Das SSD wurde scheinbar 1997, also während Kim Jong Ils Machtübernahme „teilenthauptet“ und neu besetzt. Ihm steht U Tong-chuk vor (den hatte ihn schonmal auf meine „watchlist“ gesetzt), der ebenfalls Mitglied in der NDC ist und wie Ju mit Jang Song-thaek in Verbindung gebracht wird. (Manchmal habe ich das Gefühl, dass ungefähr alle mit Jang in Verbindung gebracht werden, deshalb weiß ich nicht so genau, ob man das generell allzu ernst nehmen sollte (aber vermutlich wird Jang deshalb auch so genau beäugt))

Ein versuchter Reim

Was man genau von Ju’s Entlassung halten soll weiß ich noch nicht. Er ist mit seinen 77 Jahren natürlich auch nicht mehr der Jüngste und vielleicht ist er ja wirklich krank. Allerdings frage ich mich, warum er dann öffentlichkeitswirksam entlassen werden musste und was das für eine rapide voranschreitende Krankheit ist, immerhin scheint es ihm vor einem Monat, als er mit den Chinesen zusammentraf ja noch ganz gut gegangen zu sein. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass hier weiter am Fundament für Kim Jong Uns macht gebaut wird. Könnte ja sein, dass Ju dem Regime ein bisschen zu selbstständig geworden ist, dass man ihn und sein Ministerium im vergangenen Jahr unter die direkte Aufsicht der NDC gezogen hat. Als das dann immernoch nicht gereicht hat, hat man das Ganze enthauptet. Ein für das Regime praktischer Nebeneffekt ist, dass man den freien Stuhl mit jemandem besetzen kann, dem man absolut vertraut und auf den sich Kim Jong Un stützen kann. Vielleicht macht man es ähnlich wie Kim Jong Il es mit dem SSD gemacht hat und versucht hier Kim Jong Uns absolut vertrauenswürdiges Sicherheitsorgan aufzubauen.

Im Endeffekt weiß ich es nicht (wie auch?) und habe mal wieder ein bisschen rumgereimtsponnen. Was wirklich dahintersteckt werden wir wohl höchstens daran sehen können, wie sich der Weg des Ministeriums und der Konkurrenzorganisation weiter entwickelt. Nur einer Sache an diesem Komplex bin ich mir ziemlich sicher. Irgendwas wird dahinter stecken…

Von herbstlicher Statistikwut und einer provinziellen Frischzellenkur


Wenn die Tage kürzer werden, das Wetter im Gleichschritt mit dem Abendfernsehprogramm schlechter wird und die Freundin gerade wo anders weilt, dann kommt man ja schonmal auf seltsame Ideen, womit man sich so beschäftigen kann. So ging es mir heute Abend. Daher habe ich mir gedacht, mal ein bisschen Statistik zu führen (Früher habe ich dann öfter mal meinen Besitz an 1, 2 und 5 Pfennigstücken geordnet. Da ich aber heute fast keine Pfennige mehr besitze, hab ich mir was Anderes zum Auswerten gesucht). Das Ziel meiner herbstlichen Statistikwut war Kim Jong Un. Oder vielmehr seine Nennungen bei KCNA und die Personen die sonst noch mit von der Partie waren in 19 Artikeln von KCNA. Ich dachte mir es könnte mal interessant zu wissen sein, wer so zusammen mit dem jungen Kim unterwegs ist (ich habe drei oder vier Artikel weggelassen, weil da entweder so ziemlich jedes Mitglied der Elite bei war (Mitglieder des Zentralkomitees der Partei und Beerdigung von Jo Myong-rok) oder weil zum gleichen Anlass zwei Artikel mit derselben Namensliste erschienen sind). Zwar ist mir relativ schnell bewusst geworden, dass die Aussagekraft meiner Tätigkeit hinsichtlich Kim Jong Un sehr begrenzt ist, weil viele der Anlässe einfach Termine waren, zu denen „man“ nunmal geht, wenn man sich zu Nordkoreas Schönen und Reichen zählt.

Wer ist mit Kim Jong Un unterwegs

Trotzdem haben sich durchaus ein paar Informationen ergeben. Erstmal zu denen, die am Öftesten mit Kim Jong Un zusammen genannt wurden, wobei ich Kim Jong Il mal weggelassen habe, der ist ja immer dabei.

Wie immer möchte ich noch kurz die hervorragende Arbeit loben, die der Autor von North Korea Leadership Watch mit seinen Steckbriefen, aber auch sonst, leistet.

So, damit solle es aber auch mal gut sein. Eigentlich wollte ich die Grenze bei 6 Nennungen ziehen, aber einige interessante Leute lagen da knapp drunter.

Die häufigsten Nennungen beinhalten wenige Überraschungen. Mit Ri Yong-ho habe ich mich ja schon ausgiebig befasst und naja, er ist eben wichtig. Dazu kann man vielleicht noch sagen, dass Ri, seit der Junge Kim ins Licht der Öffentlichkeit getreten ist, genau einmal mit dessen Vater zusammen auftrat, ohne das der Filius dabei gewesen wäre. Jang Song-thaek ist eben der Onkel und als guter Onkel und einer der mächtigsten Leute im Land, dessen Rolle immer ein bisschen ambivalent (naja, Onkels schmieden eben Ränke, das ist im Film so, also sollte man das auch in der Realität erwarten) betrachtet wird. Kim Kyong-hui, Jangs Frau und Kim Jong Ils Schwester wird ja auch immer unter den „da muss man drauf achten“ Leuten aufgeführt und Kim Yong-chun und Kim Ki-nam sind altgediente Regimerecken, denen wohl vertraut wird, aber die sind eben auch mit dabei. Und damit kommen wir auch schon zur ersten wirklich interessanten Person: Choe Ryong-hae (60). Der ist Berichten zufolge ein Kindheitsfreund Kim Jong Ils, machte lange Zeit eine „normale Parteikarriere“ und half Kim Jong Il scheinbar auch tatkräftig bei der Machtübernahme und Konsolidierung der Macht, wurde aber dann 1998 aus gesundheitlichen Gründen aus seinem Amt als erster Sekretär der Kim Il Sung Socialist Youth League entlassen. Er blieb dann bis 2006 in der Versenkung, als er als „chief secretary of the North Hwanghae Provincial Committee of the Workers‘ Party of Korea“ wieder auftauchte. Den Job machte er auch weiter, bis er im Rahmen der Parteikonferenz als Sekretär des Zentralkomittees der Partei nach Pjöngjang zurückkehrte. Wer den KCNA Artikel über die Beförderung Kim Jong Uns und seiner Tante zu Generälen genau gelesen hat, dem ist vielleicht auch der Dritte Name in der Reihe in Erinnerung geblieben sein. Choe Ryong-hae.

Choe Yong-rim kann man getrost in die Kategorie „Wichtiger alter Recke“ (Sekretariat des Politbüros) einordnen, der halt öfter mal dabei ist wohingegen Kim Jong-gak ja in letzter Zeit eine steile Karriere hingelegt hat. Er ist Mitglied der National Defence Commission und „first vice department director of the KPA General Political Bureau“ (mir ist die Tatsache ins aufgefallen, dass bis vor ein paar Monaten bei seiner Amtsbeschreibung immer ganz selbstverständlich der NDC-Job vorne stand. In letzter Zeit wird der aber öfter mal ganz weggelassen. Ob das was zu sagen hat?) und dort ein möglicher Nachfolger des kürzlich verstorbenen Jo Myong-rok.

Kim Yong-nam, einer der wichtigen alten Männer der nordkoreanischen Politik wird solange er noch kann öfter mal an der Seite der Kims zu sehen sein, immerhin sitzt er im Sekretariat des Politbüros. Ju Kyu-chang ist ebenfalls ein alter Vertrauensmann Kim Jong Ils, von dem auch vermutet wird, dass er in das nordkoreanische Raketenprogramm verwickelt ist. Choe Thae-bok ist eine konstante Größe in der außenpolitischen Abteilung der Partei. Interessant wiederum ist Pak To-chun. Der war bis zur Parteikonferenz Vorsitzender des Provinzkomitees der Partei in der Jagang Provinz, aber ansonsten ein sehr unbeschriebenes Blatt. Er kam im Rahmen der Parteikonferenz als alternierendes Mitglied des Politbüros und arbeitet als secretary des Zentralkomitees der Partei. Den Job haben auch einige andere, die Meisten tun aber noch was anderes daneben. Er nicht, wenn man KCNA glauben darf.

Auch U Tong-chuk (68) ist nicht uninteressant. Auch er hat eine recht steile Karriere hingelegt, denn vor 2009 hat er keine wichtigen Ämter bekleidet, während er es seitdem zum Mitglied der NDC gebracht hat und darüber hinaus stellvertretender Minister für Staatssicherheit und ist damit eine große Nummer bei den Geheimdiensten. Auch nicht uninteressant finde ich, dass er ausgebildeter Philosoph (also um genau zu sein die nordkoreanische Version von „Philosoph“) ist. Wenn Kim Jong Un bahnbrechendes zu Juche hinzufügen will braucht er wohl solche Leute. U wird mit Jang Song-thaek in Verbindung gebracht.

Kim Yong Il ist ein erfahrener Diplomat und schon lange dabei obwohl er mit seinen 63 Jahren noch relativ jung ist. Auch Kim Yang-gon, der bis 2001 die internationale Abteilung des Zentralkomitees der Partei unter sich hatte, bevor er für vier Jahre von der Bildfläche verschwand und seit 2005 wieder höhere Ämter erlangt hat ist eher ein erfahrener Mann und schon lange in Pjöngjang. Noch interessanter finde ich allerdings Mun Kyong-dok. Der ist erst 53 und hat momentan eine Position inne, die übersetzt wohl sowas wie Bürgermeister von Pjöngjang ist. Er scheint sehr eng mit Jang Song-thaek verbunden zu sein. Er hat scheinbar eine wichtige Rolle beim Knüpfen von Jangs Beziehungs- und Loyalitätsnetzwerk geknüpft und war zusammen mit Jang bis 2006 von der Bildfläche verschwunden. Jetzt ist er aber zurück, ist jung (naja, jedenfalls nicht alt) und hat Beziehungen. Da könnte noch was kommen. Auch Thae Jong-su (74) und Kim Phyong-hae (69) sind interessante Kerle mit Biographien, die sich ein bisschen ähneln. Beide waren bis vor einiger Zeit nämlich Sekretäre in Provinzkomitees der Partei. Thae kam im Juni aus der Süd-Hamgyong Provinz war allerdings davor schon ein altbekanntes Gesicht in Pjöngjang. 2007 wurde er zum stellvertretenden Premierminister ernannt. Kim kam im September aus Nord-Phyongan. Beide haben Jobs in der Partei bekommen und scheinen Potential zu haben.

Wer war mit Kim in China? Surprise – Surprise…

Kurz hab ich mir auch noch angeschaut, wer Kim Jong Il auf seinen beiden Reisen nach China in diesem Jahr begleitet hat. Die Meisten die genannt wurden waren bei beiden Visiten dabei und bis auf Vier, stehen alle die in China mit dabei waren auf der Liste. Mit von der Partie waren auch vier damalige Parteifunktionäre aus den Provinzen. Choe Ryong-hae, Pak To-chun, Thae Jong-su und Kim Phyong-hae (von anderen Provinzkadern war nichts zu lesen). Also die vier die jetzt öfter mal Kim Jong Il und seinen Sohn in Pjöngjang begleiten. Von denen ist Choe sicherlich der Interessanteste, wegen der Generalbeförderungssache, weil er noch jung und mit Kim Jong Il schon lange verbunden ist.

Was man daraus über die Nachfolge lernen kann

Aber natürlich wird bei der Betrachtung der Biografien auch deutlich, dass viele Leute in die erste Reihe geholt wurden, die man vorher nicht so auf dem Zettel hatte, eine kleine „provinzielle Frischzellenkur. Das hat unter anderem mit der inneren Stabilität des Regimes zu tun. Wenn man keine Chance sieht ins Zentrum zu kommen, gibt es wenige Gründe für Loyalität dem Regime gegenüber. Daher ist es unabdingbar, dass ein Aufstieg möglich bleibt. Aber das gerade jetzt so viele Leute aufsteigen hat wohl auch mit Kim Jog Uns Nachfolge zu tun. Diejenigen die nach Pjöngjang geholt werden, können genutzt werden die alten Netzwerke aufzubrechen und es dem jungen Kim ermöglichen einen neuen Führungskern zu errichten. Sie sind nicht so sehr von den Hauptstadtränken tangiert und haben weniger bestehende Bindungen am Hofe. Das Risiko das sie falsch spielen ist also geringer. Das heißt aber nicht, dass die Alten Eliten samt und sonders verstoßen werden müssen. Ein Teil des Problems löst die Zeit von selbst, denn es sind ja tatsächlich alte Eliten. Der Rest muss sich anpassen und in die neue Ordnung einreihen. Eine schwierige Phase und je länger Kim Jong Il die Fäden in der Hand halten kann, desto stabiler wird der neue Führungskern.

Ich habe mir eben mal überlegt, worin die Schwierigkeit der aktuellen Situation besteht und so wie ich das sehe, gibt es da mindestens zwei Probleme, die eng miteinander verknüpft sind. Das erste ist eher grundsätzlicher Natur. Bei autoritären Regimen gibt es, wie man ja auch in diesem Fall sehen kann, Schwierigkeiten die Eliten zu erneuern. Das Problem ist, dass der Herrscher oder das Herrscher-Team wenig Anlass hat, die tragenden Eliten auszuwechseln. Einerseits haben sie sich als loyal und brauchbar erwiesen und wenn man neue Leute nach oben lässt, weiß man nicht was man kriegt. Andererseits ist es aber auch schwierig, Leute die es mal nach oben geschafft haben, wieder zu entfernen. Das schafft Unzufriedenheit und vielleicht sogar Widerstand. Deshalb kann nur in extremen Fällen auf Degradierung oder „Verbannung“ zurückgegriffen werden. Daher gibt es einen Stau oder eine Aufblähung an der Spitze. Es gibt eben keine Spielregeln wie in Demokratien, die es eine Fluktuation an der Spitze ermöglichen. Allerdings braucht das Regime aber auch einen Mittelbau, der die Befehle ausführt, weitergibt und kontrolliert. Da aber nur begrenzter Platz und vor allem begrenzte Ressourcen vorhanden sind, ist eine permanente Aufstiegsbewegung nicht möglich. Für diejenigen die sich im Mittelbau befinden ist es recht demotivierend, wenn es keinen Aufstieg geben kann. Es muss also auch eine Perspektive nach oben geben, um das Funktionieren des Mittelbaus zu garantieren. Eine recht schwierige Aufgabe, die Pjöngjang aber bisher erfolgreich gemeistert hat.

Nun steht Pjöngjang aber vor einer weiteren, kurzfristigen Aufgabe. Die Macht muss weitergegeben werden. Und da werden etablierte Elitengruppen zu einem noch größeren Problem, als sie das ohnehin schon sind. Auf den ersten. Für diejenigen die zum alten Machtkern gehören, besteht die Gefahr, dass sie unter einer neuen Führung ihre Position (oder mehr) verlieren. Daher könnten sie sich gegen eine solche Führung stemmen, die nicht glaubhaft machen kann, dass sie weiterhin gut leben können, auflehnen. Außerdem könnten sie versuchen möglichst nah an die Führung zu gelangen, um vielleicht noch besser zu leben, oder um sich abzusichern. Netzwerke und Kontakte, die umso intensiver sind, je länger diejenigen zur Führung gehörten, können da dienlich sein. Daher stellen die alten Eliten für jede neue Führung ein Gefahr da und sie müssen entweder auf absolute Loyalität eingeschworen werden oder – die sicherere Alternative – so geschwächt werden, dass sie der neuen Führung so lange nicht gefährlich werden können, bis sie ihre Macht konsolidiert hat. Dementsprechend ist es in der Vorbereitung der Machtübergabe nötig, dass Teile der alten Eliten ausgetauscht oder ihre Netzwerke geschwächt werden. Das kann man ganz gut erreichen, wenn man neues Personal einführt, das loyal ist und es strategisch so platziert, dass die alten Netzwerke nicht mehr ungestört funktionieren können. Allerdings weiß man bei neuen Leuten natürlich nicht wirklich, ob sie loyal sind. Also auch hier ein Risiko. Aber immerhin hat man ihnen den Aufstieg ermöglicht. Womit man auch wieder das Problem des Elitenstaus ein bisschen mildert, denn der Mittelbau sieht: Aufstieg ist möglich (Vielleicht wurden Ämter in der Partei aus diesem Grund teilweise nicht aufgefüllt. Um Platz für einen neuen Führungskern zu lassen). Gleichzeitig wird der Aufstieg mit der neuen Führung, nicht der Alten, Verbunden. Also gelten auch ihr die Loyalitäten. Der Wechsel in Pjöngjang läuft nach einem Plan ab der diese Tatsachen beachtet. Das ist aber noch kein Erfolgsgarant, da sehr viele Unsicherheitsfaktoren weiter bestehen.

Wie genau alles zusammen passt und gehört, das wissen die Leute in Pjöngjang vielleicht selbst nicht, deshalb will ich da garnicht rumrätseln. Aber immerhin ist die Liste von „high potentials“ die man im Auge behalten sollte wieder etwas länger geworden. In der jetzigen Phase ist es wirklich mal spannend im Auge zu behalten wer aufsteigt und wer verschwindet (wie man sieht, kommen manche davon wieder) oder stirbt und was die neu Aufgestiegenen machen. Denn jetzt wird das neue Team aufgestellt und die personellen Weichen gestellt.

%d Bloggern gefällt das: