Starke Analyse: Norbert Eschborn und Kim Young-yoon zu den Perspektiven einer Koreanischen Wiedervereinigung


In aller Kürze möchte ich euch heute auf eine starke Analyse hinweisen, die  Norbert Eschborn und Kim Young-yoon in den „KAS Auslandsinformationen“ der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) veröffentlicht haben. Der 30 seitige Artikel ist mit dem Titel „Die Koreanische Wiedervereinigung. Perspektive oder ‚Lebenslüge‘?“ überschrieben und damit ist auch die inhaltliche Ausrichtung des Artikels schon recht gut umrissen.

Eschborn, der in Seoul für die KAS arbeitet und Kim, der am Korea Institute for National Unification (KINU) forscht, nähern sich der Möglichkeit einer Koreanischen Wiedervereinigung aus verschiedenen Richtungen, aber natürlich mit südkoreanischer Perspektive. Aspekte wie die Haltung der Bevölkerungen, wozu interessante Umfrageergebnisse herangezogen wurden (im Fall der nordkoreanischen Bevölkerung, natürlich nur Flüchtlinge (die sich 2011 in China aufhielten), was die Ergebnisse aber umso spannender macht), historische und internationale Konstellationen, innenpolitische Entwicklungen in Südkorea und die Finanzierungsfrage werden eingehend beleuchtet. Sehr erfreulich finde ich dabei, dass die Autoren ideologische Färbungen, trotz ihrer südkoreanischen Perspektive weitgehend außen vor lassen. Sie kritisieren wo Kritik angebracht ist und loben was lobenswert ist. Erfreulich offen stellt sich dementsprechend auch die Kritik an der Leistung der Regierung Lee Myuung-bak  in diesem Politikfeld. Hervorheben möchte ich auch, dass die Autoren den gesellschaftlich/politischen Umgang mit der Nordkoreafrage problematisieren und die gegenwärtige politische Bildungsarbeit in diesem Bereich und auch das Nationale Sicherheitsgesetz (das leider aber nicht explizit), als Risiken für eine Verankerung des Bewusstseins um die gemeinsame koreanische Geschichte in der Gesellschaft und damit auch für die Perspektiven einer koreanischen Wiedervereinigung benennen.

Vorwerfen kann man der Studie bestenfalls, dass einzelne Aspekte meiner Meinung nach etwas zu kurz kommen. So finde ich, dass die Terroranschläge Nordkoreas auf südkoreanische Regierungschefs im Kontext der Darstellung der historischen Entwicklung der Wiedervereinigungsbemühungen der Koreas zumindest eine Fußnote verdient hätten. Vor allem wird die Vereinigungsfrage aber sehr stark aus südkoreanischer Perspektive beleuchtet. Diesem Ansatz kann man zwar folgen, wenn man die Idee einer plötzlichen Wiedervereinigung unter der Führung Südkoreas nach einem Regimekollaps in Pjöngjang ins Zentrum stellt. Wenn man jedoch eine graduelle Annäherung, die nicht dem deutschen Vorbild entspricht, sondern die Koreas sanft zusammenwachsen lässt favorisiert, dann geht das nicht, ohne auch einen näheren Blick auf die Lage und mögliche Folgen in Nordkorea (vor allem für die Eliten, die ja dann ins Boot müssen) zu versuchen. Ich weiß, dass ist eine große Forderung, aber sonst bleibt das Bild eben etwas unvollständig.

Nichtsdestotrotz kann ich den Text jedem voll und ganz empfehlen, der sich Hintergründe zur Wiedervereinigungsfrage anlesen möchte. Mit Einzelaspekten habe ich mich ja in der Vergangenheit auch schon beschäftigt. Zum Beispiel in meiner Miniserie zu Mauern in den Köpfen oder auch teilweise in Nicolas Gastserie, die sich ja zum Teil mit den Herausforderungen einer Wiedervereinigung für die Verkehrsinfrastruktur befasste.

Diesen Text werde ich natürlich sofort meiner Linksammlung zu aktueller deutschsprachiger Literatur über Nordkorea hinzufügen.

P.S.

Wo ich gerade beim Hinweisen bin, noch zwei Dinge, die eure Aufmerksamkeit verdienen. Einerseits solltet ihr euch den 25. März vormerken. Jedenfalls wenn ihr in Schlagweite zu Dresden wohnt. Dann wird es dort einen Vortrag des aktuellen Deutschen Botschafters in Pjöngjang, Gerhard Thiedemann, geben. Dürfte interessant sein. Andererseits freut es mich, euch mal auf eine ziemlich gute Reisereportage eines deutschen Journalisten hinweisen zu können (meistens lest ihr ja hier eher kritisches über das Wirken deutscher Journalisten, aber mir ist es lieber auf was Schönes hinzuweisen). Christoph Kucklick hat war für die Geo Saison in Nordkorea und ein Auszug seines Artikels ist auf dem Online Auftritt des Sterns erschienen. Außerdem hat er für brand eins noch was Spannendes zu den Mansudae Kunststudios geschrieben, das ich gelesen habe. Ich weiß nicht genau, ob seine Artikel in voller Länge online erscheinen, aber ich hoffe mal. Bis dahin viel Spaß mit dem Anheizer im Stern.

Einheit vs. Mauer in den Köpfen: Deutschland und Korea — Versuch einer Annäherung (III)


Vorweg noch eine kleine Erinnerung: Wenn ihr die limitierte Kim Familienuhr gewinnen wollt (und wer würde das schon nicht wollen), dann müsst ihr euch langsam beeilen. In nichtmal zwölf Stunden ist Deadline. Eure Gewinnchancen stehen auch garnichtmal so schlecht. Garantieren kann ich zwar keinen Gewinn, aber naja, die Chancen für einen Lotto-Jackpot sind um den Faktor ein paar zehn Millionen geringer…

 

Da die Nachrichtenlage heute für mich nichts hergibt, mit dem ich mich unbedingt länger auseinandersetzen müsste (obwohl es durchaus ein paar interessante Meldungen gab), bietet sich mir die erfreuliche Möglichkeit, mich eher grundsätzlichen Themen zu widmen. Und da ich eben bei meiner mentalen Inventur darauf gestoßen bin, dass ich noch eine sehr spannende Miniserie zuende zu bringen habe, werde ich das jetzt mal mit größtem Vergnügen tun. Es geht um die bisher zwei Beiträge, in denen ich mich mit möglichen Folgen und Herausforderungen einer koreanischen Wiedervereinigung auseinandergesetzt und dabei den deutschen Fall als eine Art Referenzobjekt hinzugezogen habe. Im ersten Teil ging es dabei eher um historische und gesamtgesellschaftliche Phänomene, die sich aus der Vergangenheit erklären. Der zweite Teil versuchte dann eher das Individuum und die Gegenwart in den Blick zu nehmen.

Herausforderungen nach und während einer Wiedervereinigung mit Blick auf die nordkoreanischen Bevölkerung

Allerdings ist mir dann ganz am Ende aufgefallen, dass ich ziemlich stark auf Südkorea fokussiert habe und dabei mehr als ein Drittel der Betroffenen (nämlich die Nordkoreaner) mehr oder weniger außer Acht gelassen habe. Diese Lücke will ich nun im Folgenden füllen.

Aus Sicht der Nordkoreaner? Wie soll das denn gehen?

Natürlich ist es ungleich schwieriger, die individuellen und auch gesellschaftlichen Entwicklungen abzusehen, die eine Wiedervereinigung Koreas im Norden mit sich brächte, wenn man davor den Süden betrachtet hat. Dafür gibt es zwei  Gründe. Einerseits habe ich den Referenzfall Deutschland vom Westen aus, also eher von der Seite des Südens erlebt und bin daher der Gefühls und Gedankenwelt der Menschen dort einfach näher. Andererseits gibt es Daten, die ganz gut den Ist-Zustand im Süden wiederspiegeln. Es gibt Umfragen und es gibt Aussagen Einzelner. So kann man ein gewisses Gefühl darüber gewinnen, was die Leute so denken. Schaut man nun auf den Norden, so gibt es weder Umfragen, noch gibt es nutzbare Aussagen Einzelner. Man muss also aus dem Fall heraus ableiten, was Interessen und Gefühle sind. Niemand wird das laut aussprechen. Dieser Herausforderung werde ich mich aber stellen, im vollen Bewusstsein, dass das Alles maximal eine grobe Annäherung an die Realität sein kann.

Wer sind denn „die““Nordkoreaner?

In einem ersten Schritt wäre es dabei schonmal sinnvoll, zu überlegen, mit was für Menschen man es denn in Nordkorea eigentlich zu tun hat. Das ist natürlich ziemlich platt gesagt, denn klar, man hat es mit über 24 Mio. verschiedenen Menschen zu tun. Aber so ein bisschen kann man trotzdem versuchen sie anhand verschiedener Dimensionen in Kategorien einzuteilen. Beispielsweise kann man ganz einfach fragen: Haben sie vom aktuellen Regime profitiert oder nicht? Man kann aber auch fragen: Haben Sie innerhalb des staatlichen Systems gestanden, wie sich das Regime es vorstellt, oder haben sie das nicht? Man kann aber auch danach fragen, was die Menschen gelernt haben? Etwas, dass auch in einer modernen Gesellschaft benötigt wird? Es gibt noch mehre solche Dimensionen und vielleicht sind die hier genannten nicht die Wichtigsten, aber es sind die, die mir gerade als wichtig ins Auge springen.

Analyse möglicher Herausforderungen

Es mag zwischen einzelnen Gruppen zwar Schnittmengen geben, aber deckungsgleich sind sie keinesfalls und ich will einfach mal versuchen, die Probleme einer Wiedervereinigung anhand dieser Kategorien zu erläutern. Ihr werdet merken, dass der deutsche Fall hier etwas stärker in den Hintergrund tritt. Ich habe mich dafür entschieden, weil vieles nur bedingt vergleichbar ist und diese Folie mir daher nicht wirklich weiterhilft.

Profiteure vs. Opfer

In dieser Unterscheidung liegt bereits einer der großen Stolpersteine für eine Wiedervereinigung Koreas und gleichzeitig auch die Erklärung dafür, dass eine Wiedervereinigung oft nur in Verbindung mit einem Regimekollaps im Norden gedacht wird. Das hat damit zu tun, dass diejenigen die das System in Nordkorea tragen auch diejenigen sind, die davon profitieren. Gleichzeitig sind diese Profite bei einem Zusammengehen mit dem Süden in Gefahr. Ein Rechtsstaat würde eventuell ihre früheren Taten verfolgen und in einer Demokratie kann man aus Ämtern auch wieder rausgewählt werden, während in Nordkorea eher Alter bzw. Tod das Ende einer Amtszeit bestimmen. Daher ist es aus Sicht der Profiteure nicht erstrebenswert, unter rechtsstaatlichen oder demokratischen Bedingungen mit dem Süden zusammenzugehen. Gleichzeitig dürfte das die Minimalvoraussetzung des Südens für eine Vereinigung sein.

Wohin mit den Funktionsträgern…

Denkt man aber an einen Regimekollaps, dann bleibt das Problem weiter bestehen, dass die Träger des Systems Strafverfolgung und Verlust der Privilegien zu fürchten haben (der Fall Deutschland hat das zum Teil vorgemacht, auch wenn einzelne Lösungswege aufgezeigt wurden (allerdings hat der Fall Nordkorea vielmehr Individuen in seinen Reihen, die dermaßen schwere Schuld auf sich geladen haben, dass für sie eine Vereinigung immer riskant ist)). Daher werden diese, die ja die Machtmittel in der Hand halten und im Gegensatz zu den Opfern intern und vielleicht auch extern gut vernetzt sind, eher versuchen, auch bei einem Regimekollaps weiter ein eigenes Ding zu machen und eine Vereinigung so weit wie möglich zu behindern. Eine mögliche Lösung für das Problem wäre es, den Funktionsträgern des Regimes ein glaubwürdiges Angebot zu machen, dass sie auch im neuen System privilegiert sein werden. Allerdings bringt das einerseits deutliche Legitimationsprobleme für das neue Staatswesen mit sich, andererseits, aber verbunden damit, kommen dann auch die Opfer ins Spiel.

…und wie den Opfern Gerechtigkeit bieten?

Für die Opfer (ich meine damit nicht nur die Menschen, die in den Straflagern vegitierten, sondern alle, die keinen Einfluss auf ihr persönliches Schicksal hatten, sondern ihr ganzes Leben vom Wohlwollen des Staates und seiner Vertreter abhingen (und wenn denen nukleare Aufrüstung wichtiger war, dann wurde eben gehungert)) die bieten sich erstmal bessere Lebensumstände und andere Möglichkeiten. Allerdings dürften sie von dem neuen System auch ein gewisses Maß an Gerechtigkeit verlangen (in Deutschland wurde ja zum Beispiel auch kontrovers darüber diskutiert, inwiefern Stasioffiziere und andere Funktionsträger staatliche Rente erhalten sollen). Da besteht also ein Gegensatz für den nur schwer ein  Ausgleich zu finden ist. Jedoch bieten diejenigen, die vom nordkoreanischen Regime nicht profitiert haben, sondern eher darunter litten, eine große Chance für die Legitimation des neuen Staates. Es wird ihnen darin besser gehen als zuvor und deshalb werden sie eine Zeit lang den neuen Staat unterstützen, bis sie vergessen haben, wie schlecht es ihnen zuvor ging.

Der Ende des materiellen Rauschs und die Sehnsucht nach sozialer Geborgenheit

Dann allerdings könnte es, ähnlich wie in Deutschland in einigen Gruppen zu einer Art Verklärung der Vergangenheit kommen. Ich habe das Gefühl, dass diese Verklärung oft damit zu tun haben, dass die Leute, wenn ihr materieller Rausch vorbei ist, merken, dass sich nicht nur im wirtschaftlichen Bereich einiges verändert hat, sondern auch im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld. Und einiges von dem, das der alte Staat dort geleistet hat, wird im neuen Umfeld nicht geliefert. Naja und da die Unterschiede zwischen Süd- und Nordkorea eben noch größer sind, als zwischen West- und Ostdeutschland, sowohl materiell als auch (glaube ich zumindest) gesellschaftlich und sozial, könnte das auch größere Auswirkungen haben. Nur die Richtung ist schwierig zu bestimmen. Einerseits könnte es sein, dass der materielle Vorteil der Opfergruppe so groß ist, dass er die soziale und gesellschaftliche Andersartigkeit im neuen System so  lange verdeckt, das daraus keine großen Konsequenzen folgen. Oder aber sehr viele der ehemaligen Nordkoreaner empfinden noch drückender ein Gefühl sozialer Kälte und mangelnder Solidarität, so dass sie sich mit dem neuen Staatswesen nicht identifizieren können, was ernsthafte Risike für die Legitimität und damit das Fortbestehen des Staates in seiner Form mit sich bringen kann.

In or Out. Leben nach den Regeln des Regimes oder nicht.

Sowohl die Gruppe derjenigen, die sich an die Regeln des Regimes hält, als auch diejenige Gruppe, die sich durch ihr Verhalten außerhalb des Regelsystems stellt sind sehr divers. Diejenigen die sich an die Regeln halten kann es unter den Profiteuren geben (ich glaube durchaus, dass nicht jeder, der ein Staats- oder Verwaltungsamt in Nordkorea bekleidet ein gewissenloses Monster ist. Ein Teil kann durchaus Gutes im Sinn haben, aber wieviele das sind und wer es ist, dass ist nicht so einfach rauszufinden), aber auch unter den Normalsterblichen oder den ganz Armen. Man kann nachlesen und das auch logisch erschließen, dass diejenigen, die den Regeln des Systems minutiös folgten oft zu den ersten Opfern der Hungerjahre gehörten. Sie wollten nicht gegen Regeln verstoßen, konnten aber deshalb ihr Dasein nicht sichern.

Außerhalb des Regelsystems stehen heißt für das neue Korea üben

Diejenigen, die außerhalb des Regelsystems stehen kommen mit Sicherheit in großer Zahl in der Gruppe der Träger des Regimes vor. Sie sind schlicht auf ihren eigenen Vorteil und nicht auf Solidarität bedacht. Deshalb sind sie beispielsweise korrupt. Ein wichtiger Bestandteil des Systems beruht auf Korruption, allerdings auf Korruption von oben, also Geschenke von der Führung. Das gehört noch irgendwie zum Regelsystem das herrscht, aber es macht eben auch anfällig für Korruption von unten (denn wer gibt sich schon mit hin und wieder nem Auto und ein paar Flaschen Schnappes zufrieden, wenn da bei ein bisschen „Eigeninitiative noch viel mehr zu holen ist?). Es gibt aber auch Leute wie die Schwarzmarkthändler, die zum Teil sowas wie eine neue Mittelschicht zu bilden scheinen. Die gehören ursprünglich nicht zu den Funktionseliten, haben aber mit der Versorgung der Bevölkerung eine wichtige Funktion übernommen. Allerdings einzig mit Blick auf den individuellen Vorteil, nicht auf das Wohl der Gemeinschaft. Das eint diese beiden Gruppen und das wird es ihnen erleichtern, sich an das System in Südkorea zu gewöhnen. De facto kennen sie die Regeln des Marktes und leben eine Art Ellenbogen und Wettbewerbsgesellschaft. Gut möglich, dass ein großer Teil dieser Menschen eine Vereinigung befürworten würde, denn sie wären damit nicht mehr staatlicher Willkür unterworfen, sondern hätten ein festes Regelsystem, nach dem sie ihr Geld weiter vermehren, also ihren Vorteil weiter maximieren könnten. Nur bei dem Teil der Gruppe, der eine Schnittmenge zwischen Funktionselite und außerhalb des Regelsystems stehenden bildet, dürften die Gefühle eher ambivalent sein, denn es fehlt die Gewissheit um eine mögliche Strafverfolgung etc. Allerdings könnte das Wissen im Bereich „Korruption“ hier beruhigend wirken. Denn auch im Süden scheint man vor diesem Phänomen nicht wirklich gefeit zu sein.

Alles woran man einmal glaubte war falsch? Schlechte Basis für einen Neuanfang

Für diejenigen, die innerhalb des Regelsystems stehen dürfte es dagegen wirklich schwer vorstellbar sein, unter einem neuen System mit völlig neuen Vorzeichen zu leben. Vermutlich haben sie das alte Regelsystem nicht verlassen, weil sie seine Werte verinnerlicht hatten und vielleicht sogar daran glaubten. Wenn diese Regeln plötzlich in weiten Teilen nichtig sein sollen, dann dürfte das einen ungeheuren Schock auslösen. Es gibt bei Berichten über Flüchtlinge im Süden immer wieder Hinweise darauf, dass sie eine Art moralische Schwierigkeiten im Umgang mit Geld haben. Sowas ist ein Problem in einer Marktwirtschaft. Wenn das einen großen Teil der Bevölkerung betrifft, der sich als Verräter an der Wahrheit fühlt, dann dürfte die Integration dieses Teils in die neue Gesellschaft schwerfallen. Unter solchen Voraussetzungen ein neues Staatsgebilde zu errichten ist eine ganz schöne Herausforderung.

Nützlich oder nicht. Individuelle Fähigkeiten

Das ist natürlich ein extrem weites Feld, das ich bewusst offen gehalten habe. Es geht nicht nur um berufliche Qualifikationen, sondern auch darüber hinaus um das ganz normale Leben unter den Bedingungen einer kapitalistischen Gesellschaft.

Fit für das Leben im Kapitalismus?

Es gibt zwar Berichte darüber, dass es eine wachsende Zahl von Kreditkarten in Nordkorea gibt. Aber wieviele Nordkoreaner wurden wohl noch nie mit Plastikgeld konfrontiert und wieviele haben wohl wirklich einen Sinn für die Funktionsweise, die dahinter steht. Ich meine, wir in Deutschland leben schon ziemlich lange in einer kapitalistischen Gesellschaft. Trotzdem ist jeder zehnte überschuldet. Was passiert wohl, wenn man 24 Millionen Nordkoreaner Kreditkarten gibt und sie dann mal machen lässt? Da werden vermutlich auch ein paar Schuldenopfer bei rauskommen. Und was passiert, wenn man zu 24 Millionen Nordkoreanern sagt: Nein, ihr seid nicht in der Lage Kreditkarten zu benutzen? Hm. Es wird öfter mal über Betrügereien unter nordkoreanischen  Flüchtlingen im Süden berichtet. Vieles hat mit Leichtgläubigkeit der wenig erfahrenen Neuankömmlinge zu tun, die ihr Willkommensgeld irgendwelchen windigen Helfern in den Rachen werfen. Gut möglich, dass mancher Nordkoreaner anfällig für solche Betrügereien ist. Daraus könnten sich bei einer Wiedervereinigung echte Probleme ergeben.

Heer entwaffnen und in den Ruhestand schicken? Schwierig.

Aber das ist natürlich bei weitem nicht alles. Was macht man wohl mit einem Heer von 2 Millionen Leuten. Bestimmt nicht behalten. Was macht man mit den Soldaten und Offizieren? Soweit ich weiß hat das in Deutschland recht gut geklappt, obwohl der Großteil der ehemaligen NVA Offiziere in die Röhre guckte. Interessant ist hier vielleicht auch der Hinweis, dass die NVA zuletzt aus 155.000 Menschen bestand. Das ist noch nicht einmal ein Zehntel der Leute die in der Koreanischen Volksarmee dienen. Ein Hauptproblem von Staaten ist es immer, die Leute unter Kontrolle zu halten, denen man Waffen in die Hand gegeben hat, damit sie den Staat verteidigen. Und von 2 Millionen Leuten die Waffen einzusammeln um dann zu sagen:  „Danke Leute, netter Job, jetzt geht nach Hause und lernt was vernünftiges, dann kann die Gesellschaft euch bald wieder brauchen“ ist wahrscheinlich nicht so einfach. Da muss man sich wohl was überlegen. Und wenn man sich was Schlechtes überlegt, hat man ein paar zehntausend Ex-Offiziere, die nichts gelernt haben, als Soldat für einen anderen Staat zu sein und die plötzlich nichts mehr zu tun haben. Man muss nicht sonderlich kreativ sein, um da Probleme kommen zu sehen.

Arbeitskräfte ohne Arbeit…

Aber vermutlich werden  auch viele von den Leuten, die ganz normale Berufe ausüben, so ihre Schwierigkeiten haben. Sie kennen vielleicht nicht die neueste Technik, verwenden veraltete Methoden, oder haben Berufsbilder gelernt, für die im neuen Staat kein Platz mehr ist. Was macht man mit denen? Ausbilden. Das ist teuer und man weiß nicht, ob die Investition lohnt, weil man nicht weiß, ob sie wirklich in der Gesellschaft klarkommen. Also in einfachen manuellen Jobs einsetzen. Das trägt erstens nicht wirklich zu ihrem Wohlstand bei (was aber zur Legitimation des neuen Staates wohl nötig wäre) und zweites nicht zu ihrer Zufriedenheit. Denn wer eine halbwegs interessante Arbeit halbwegs gern gemacht hat, den wird es nicht gerade freuen, wenn er jetzt auf einmal nur noch fürs Straßekehren oder das Müllwegfahren gut sein soll. Noch frappierender ist das natürlich bei Akademikern. Aber vielleicht sind die ja auch so gut ausgebildet, das die gut unterkommen. Ansonsten hat man einen Haufen frustrierter und sich missachtet fühlender Leute,  die aber einiges können und ganz pfiffig sind. Auch so eine Kombination kann schnell gefährlich werden. Ihr erinnert euch an den Una-Bomber. Ein einzelner Mann, der sich in seiner Gesellschaft nicht wohl fühlte und deshalb über Jahrzehnte Attentate verübte. Soweit muss es noch nichtmal kommen, aber auch andere Formen aktiven oder passiven Widerstandes eines großen Teils der neuen Bevölkerung können für Probleme sorgen.

Nur ein kleiner Ausschnitt einer großen Herausforderung

So, das waren mal meine basalen Überlegungen zu den Herausforderungen, die eine koreanische Wiedervereinigung auf Ebene der Menschen beider Koreas mit sich bringen kann. Ich weiß, dass es noch viele Aspekte geben dürfte, die ich vergessen oder vernachlässigt habe, aber erstens bin ich kein Hellseher und zweitens war das eine sehr subjektive und eher impulsive Auswahl. Wenn ihr mögt könnt ihr eure Gedanken gerne beifügen, denn ich bin mir sicher, dass der Eine oder Andere von euch dazu auch recht differenzierte Ideen hat. Außerdem sind das natürlich bei weitem nicht alle Probleme, die sich bei einer Wiedervereinigung stellen werden. Nikola hat das ja sehr schön mit seiner Serie zum Verkehr auf der Koreanischen Halbinsel belegt. Genauso müsste man dann noch über die Verwaltung sprechen, über den Aufbau der nordkoreanischen Wirtschaft etc. pp die Liste kann man noch ganzschön lange weiterführen.

 

Einheit vs. Mauer in den Köpfen: Deutschland und Korea — Versuch einer Annäherung (II)


So, nach einer Woche wird es aber mal Zeit, mich dem Themenfeld „Einheit vs Mauer in den Köpfen“ weiter anzunähern. Nachdem ich letztes Mal eher auf die Makroebene fokussiert und die großen historischen Linien in den Blick genommen habe, will ich heute auf die Mikroeben hinab (oder hinauf, das kann man so und so sehen) steigen und mir Barrieren und Chancen einer koreanischen Wiedervereinigung vom Individuum aus anschauen. Es wurde ja schon kräftig und inhaltlich interessant zum ersten Teil kommentiert und ihr werdet einige der dort aufgeführten Argumente auch in meinem Text widerfinden, danke jedenfalls an die Kommentatoren. Jetzt aber zum Thema.

Man kennt sich nicht. — Man mag sich nicht?

Eine Frage die immer wieder andiskutiert wird, wenn es um eine mögliche Wiedervereinigung Koreas geht, ist die, des Kontakts zwischen den Bevölkerungen. In Deutschland war ein gewisser Grad an Verbindung  der Bevölkerungen der DDR und der BRD gegeben. Familienangehörige durften sich schreiben und sich zum Teil auch besuchen, BRD Bürger durften in die DDR einreisen, um dort Ferien oder sonstwas zu machen und es gab auch so ein bisschen was wie kulturellen Austausch (über Udo hinaus). Naja und jemandem, den man kennt, wünscht man eben eher das Beste, als völlig Fremden. In Korea dürfte in beiden Teilen die Zahl derjeniger, denen die Menschen auf der jeweils anderen Seite der Demilitarisierten Zone (DMZ) völlig fremd sind, erdrückend groß sein. Gleichzeitig stirbt die Generation, die Verwandte im anderen Landesteil hat, zunehmend schnell aus (was in Deutschland ebenfalls in keiner Weise gegeben war). Schon stark abgenommen haben dürfte ihr direkter Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs, denn die Meisten Mitglieder dieser Generation sind aus Berufsleben und Ämtern ausgeschieden. Die starke Bindung, die Verwandtschaftsverhältnisse mit sich bringen, wird allerhöchstens noch auf die Kinder dieser Menschen, deren Brüder und Schwestern jenseits der DMZ leben, wirken, weil die vielleicht noch aus erster Hand die Gefühle und Gedanken ihrer Eltern miterleben konnten. Aber die Enkelgeneration, also die heutige Jugend? Das kann man von ihnen ja nichtmal verlangen. Jetzt gehe ich vielleicht doch nochmal eine Ebene höher. Die Sozialpsychologie lehrt uns, dass das/der, was/den wir nicht kennen, bei uns schneller Ängste auslöst und das zwei Gruppen, die sich untereinander nicht kennen schneller feindselig gegeneinander werden. Die Perspektiven die sich daraus ergeben finde ich nicht gerade ermutigend.

Wir und ihr: Die Sprache als Grenze

Auch in den Sprachen sehe ich durchaus eine unsichtbare Mauer, die mit jedem Tag der hermetischen Trennung höher wird. Schon vor der Trennung gab es Dialekte, die eine regionale Zuordnung möglich machten und nach der Trennung gab es teils ideologische Bemühungen, die Sprachentwicklung in richtige Bahnen zu lenken. So versuchte man im Norden eine „Koreanisierung“ der Sprache, indem Lehnwörter zum Teil durch koreanische Formen ersetzt wurden. Wenn es heute Lehnwörter im Norden gibt, dann chinesische oder manchmal russische. In Südkorea sind wohl vor allem englische Wörter in den Alltagssprachgebrauch eingeflossen. Beide Sprachen haben sich also weiter auseinander entwickelt (aussagen über Grammatik etc. traue ich mir nicht zu) und dürften im Falle von einer Öffnung zu einer mentalen Gruppenbildung führen. In Deutschland war das z.T. ja auch so. Wir Wessis haben uns über manchen total verrückt klingenden sozialistisch korrekten Begriff aus der DDR amüsiert und was den Dialekt angeht: Für mich sächselte  der „typische Ossi“ (was natürlich totaler Schwachsinn ist, weil damit nur eine Minderheit der ex-DDR Einwohner erfasst wurde. Aber der Punkt ist: Wenn jemand sächselte, war er ein „Ossi“. Naja und wenn in Korea jemand Pjöngjang-Dialekt spricht, dann ist er einer von denen aus dem Norden.

Die Angst vor den Anderen

Gleichzeitig bestehen aber auch verschiedene Ängste, die es umso schwerer machen, im Anderen den Menschen und nicht die Bedrohung zu sehen. Diese Ängste werden noch angefacht durch die Propaganda auf beiden Seiten der DMZ. Die sorgt dafür, dass man in beiden Teilen oft nur die Klischees von den anderen Koreanern kennt. Und die sind ja eher negativ als positiv (selbst wenn über diesen Klischees noch immer die Idee von einer Einheit in der Zukunft schwebt). Im Süden, so habe ich mir das einmal erklären lassen, war das historisch bedingt so ähnlich wie die Angst vorm bösen Wolf, der nach Belieben kommt und die friedlich grasenden Lämmer reißt. Mittlerweile wird dies Topos aber zunehmend verdrängt durch die Angst vorm armen Schlucker, der kommt und den hart erarbeiteten Wohlstand aussaugt. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass in der öffentlichen Diskussion immer wieder von den Kosten einer Wiedervereinigung gesprochen wird. Und spätestens als dann noch die Idee von einer Vereinigungsteuer diskutiert wurde, dürfte jedem klar geworden sein, dass eine Vereinigung für jeden Einzelnen mit Kosten verbunden ist. Und das ist dann etwas anderes, als abstrakt über Milliardenbeträge zu diskutieren, die eine Vereinigung kostet (das ist so ähnlich, wie die Geschichte mit Griechenland und dem Euro. Solange keiner kommt und ein Prozent vom Gehaltscheck für die Griechenlandrettung abzwackt, sagen ziemlich viele: „Lass uns die armen Griechen doch retten. Langfristig ist das besser.“ Wenn aber jetzt eine Steuer nötig würde, dann wäre die Lage mit einem Schlag anders.). Damit will ich nicht die südkoreanische Regierung für ihr herangehen an die Kostenfrage kritisieren. Ich will nur zeigen, dass wir in Deutschland das Glück des Unwissens hatten. Als der Soli fällig wurde, war eh schon alles „zu spät“. In Südkorea weiß man aber schon vorab, dass eine Einheit kommen kann (haben wir ja vorgemacht) und dass das was kosten wird (haben wir ja auch vorgemacht).

Das vertrackte Hauptstadtdilemma und die symbolische Tragweite

Einen weiteren Aspekt sehe ich in der Hauptstadtfrage. Als Deutschland geteilt wurde, hat man in der BRD die kluge Entscheidung getroffen, mit Bonn eine relativ unbedeutende Stadt zur Hauptstadt zu machen. Nicht Köln, nicht Frankfurt, nicht München oder Hamburg. Das beschauliche Bonn. Berlin blieb so eine Art Sehnsuchtsziel. Und es gehörte ja zum Teil auch noch irgendwie zur BRD. Zwar auch zum Teil irgendwie zur DDR, aber ich denke, das hat nicht nur getrennt, sondern auch verbunden. Viele BRD Bürger haben Berlin besucht und viele sind dazu durch die DDR gefahren. Es hat sicherlich mehr das Gefühl einer unnatürlichen Teilung mit sich gebracht, als eine schiere Grenzlinie, die man so ähnlich auch zwischen sehr verfeindeten Nachbarstaaten (oder den USA und Mexiko) finden kann. Viele BRD Bürger sind auch nach Berlin gegangen, um sich den Wehrdienst zu sparen. Das hat natürlich eine bestimmte Gruppe von Menschen dorthin gebracht, die zum Teil ohnehin zu idealistischeren Zielen neigte. Vielleicht hat sich so auch eine gewisser Kern von Einheitsbefürwortern gebildet, der die Vereinigung erleichterte. In Korea gibt es kein Berlin. In Korea gibt es Seoul und Pjöngjang. Beides sind die Metropolen ihres jeweiligen Landes. Wenn es zu einer Vereinigung kommen sollte, dann wird man sich für eine  Hauptstadt entscheiden müssen (muss man das? Irgendwie schon, aber in Südafrika sind die Organe auch auf unterschiedliche Städte verteilt) und da steckt immer eine Aussage und viel Symbolik drin. Das Helmuth Kohl Berlin wieder zu einer richtigen Hauptstadt gemacht hat, war nicht leicht, aber vor allem war es ein wichtiges Einheitssymbol. Sollte Seoul Hauptstadt eines vereinten Koreas werden, wäre das ein Symbol der erfolgreich abgeschlossenen (mehr oder weniger feindlichen) Übernahme. Visionäre Politiker könnten sich vielleicht als symbolisches Zugeständnis einen neutraleren Ort vorstellen, aber mal ganz ehrlich, wäre sowas vorstellbar? Ich weiß es nicht. Jedenfalls bot der Sonderstatus Berlins den Deutschen eine hervorragende Lösung für das vertrackte Hauptstadtdilemma.

Noch ein Cut…

Habe ich was vergessen? Ich weiß nicht was es ist, aber ich bin mir sicher, es ist sehr viel. Das hat damit zu tun, dass man die konkreten Herausforderungen erst sehen können wird, wenn der große Augenblick gekommen ist (sollte er je kommen). Einen Aspekt habe ich allerdings noch auf dem Schirm, dem ich hier bisher wenig Beachtung geschenkt habe. Ich habe nämlich vornehmlich aus Südperspektive geschrieben. Aber natürlich leben auch im Norden ganzschön viele Menschen und natürlich haben die auch eine eigene Sicht auf eine Wiedervereinigung. Und damit komme ich zu dem erstaunlichen Ergebnis (als ich angefangen habe, wollte ich heute fertig werden), dass ich schon wieder einen Cut setzen muss und in ein paar Tagen eine „Nordperspektive“ versuchen werde.

Kritik, Diskussion und Meinung erwünscht

Bis dahin bin ich wieder mal für alle Ergänzungen, kritischen Kommentare und anderen oder gleichen Meinungen dankbar. Ich fand es toll, dass beim letzten Mal einige von euch ihre persönlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen geteilt haben und würde mich freuen, wenn es dieses Mal ähnlich wäre.

Ein Strauß voll Buntes IV: Blog, Bücher, Sammlung und Abwesenheitsnotiz


Nachdem ich ein paar Wochen sehr wenig Zeit hatte, weil ich viel zu tun habe, habe jetzt ich in den nächsten zwei Wochen garkeine Zeit, weil ich garnichts zu tun habe. Ich werde nämlich in Urlaub fahren und mir dabei anschauen, wie es so ist, in geteilten ostasiatischen Staaten. Allerdings im kapitalistisch(er)en Teil, der gleichzeitig eine echte Insel ist (im Gegensatz zu Südkorea als aktuell „virtuelle“ Insel). Seltsames Ziel? Stimmt. Aber nem gewonnenen Gaul schaut man ja nicht so genau auf die Zähne und deshalb nehme ich das mal gerne mit (eigentlich nimmt meine Freundin mich gerne mit, denn sie hat das schließlich gewonnen). Naja, jedenfalls werde ich wohl eher nicht dazu kommen, was zu schreiben. Damit euch nicht ganz so langweilig wird, habe ich euch noch ein paar Sachen zum Lesen zusammengestellt, mit denen ihr im Zweifel die Langeweile vertreiben könnt.

Chris Green: Pyongyang Destination

Als erstes möchte ich euch auf das Blog von Chris Green aufmerksam machen. Wenn ihr gelegentlich mal bei DailyNK reinlest, der Seite von Menschenrechtsaktivisten, die es sich zum Ziel gemacht hat, über Nordkorea zu berichten, dazu häufig auch auf (nicht nachprüfbare) Insiderinformationen zurückgreifet und dabei eine klare politische Agenda verfolgen, deren Ziel letztendlich der Sturz des Regimes in Pjöngjang ist, dem wird der Name vielleicht im Ohr klingen, denn Green ist der englischsprachige Redakteur von DailyNK. Ich muss sagen, dass ich nicht immer alles blendend finde, das Green schreibt, denn manchmal scheint ihm eher die politische Agenda die Feder zu führen als das Ziel, solide Berichterstttung zu machen. Nichtsdestotrotz greift er häufig wichtige Themen auf und hat Zugang zu Informationen, an die nur wenige rankommen. Daher lohnt es sich durchaus, nicht nur bei DailyNK vorbeizuschauen, sondern auch Greens private Meinung auf seinem Blog „Destination Pyongyang“ nachzulesen.

Bücher zur Vertrauensbildung und einer möglichen Wiedervereinigung

Weiterhin möchte ich euch auf zwei Bücher aufmerksam machen. Das erste ist zwar schon etwas älter, aber trotzdem noch aktuell. „Tools for Building Confidence  on the Korean Peninsula“ (herausgegeben vom schwedischen sipri und dem css der eth Zürich) wurde bereits 2007 veröffentlicht, aber da sich seitdem nicht wirklich viel im Bereich der Vertrauensbildung getan hat, ist die Werkzeugkiste, die aus insgesamt 57 konkrete Methoden zur Vertrauensbildung besteht noch weitgehend unangetastet und damit heute och genauso aktuell wie vor gut 4 Jahren. Durchaus interessant mal konkret nachzulesen, was getan werden kann, um die Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel zu senken. Relativ frisch aus der Presse ist dagegen „Korean Unification and the Positions and Roles of the Four Neighboring Powers“ (einfach auf den Download Link unten klicken („Eng“)), das das KINU Ende 2011 veröffentlichte. Der Name spricht für sich. In dem Buch geht es um die Position der Nachbarstaaten bei einer eventuellen Koreanischen Wiedervereinigung. Als analytische Folie wird dafür u.a. der Fall der deutschen Wiedervereinigung genommen. Zwar hatten im deutschen Fall die Siegermächte auch faktisches Mitspracherecht, was im Fall der koreanischen Nachbarstaaten anders ist, aber in beiden Fällen spielen die Interessen anderer Mächte eine entscheidende Rolle. Das Buch ist daher nicht nur interessant, um die Interessenlage auf der Koreanischen Halbinsel etwas besser zu verstehen, sondern auch um eine kleine Rückschau auf die deutsche Wiedervereinigung zu werfen. Ich habe beide Bücher nicht komplett gelesen, sondern nur überflogen, aber was ich denke, das sich in beiden Fällen die Lektüre lohnt, wenn ihr euch dafür interessiert.

Quellenarbeit von Sino-NK

Noch ein kleiner Hinweis auf eine Arbeit von Sino-NK (die Seite ist ja ambitioniert gestartet, aber hat bisher alles erfüllt, was versprochen wurde. Ich finde wirklich gut, was Adam und seine Mitstreiter aus dem Boden gestampft haben und hoffe, dass sie die bisherige Qualität aufrechterhalten können). Dort hat man sich ein bisschen in die Quellenarbeit gestürzt und öffentlich gemachte Protokolle und Dokumente westlicher wie „östlicher“ Staaten ausgewertet, um ein Licht auf die chinesische-nordkoreanischen Beziehungen von 1983 bis 1985 zu werfen. Für uns interessant ist auch, dass eins der ausgewerteten Dokumente ein Protokoll einer Konversation zwischen Kim Il Sung und Erich Honecker ist.

Gut für den Überblick: northorea.Collected

Zu guter Letzt möchte ich euch noch auf northkorea.Collected aufmerksam machen. Die Seite trägt die updates von den wichtigsten Nordkorea-blogs zusammen und zeigt an wenn auf Youtube neue Videos von den „üblichen Verdächtigen“ Uploadern zu finden und sammelt die tweets der wichtigsten Nordkorea-Twitterern. Außerdem sind noch einige Zeitungen etc. in der Liste. Die Seite ist echt super, um einen kleinen Überblick über die sozialen Medien etc. zu behalten.

Bis die Tage…

Ok, das wars von meiner Seite vermutlich für die nächsten zwei Wochen. Macht‘s gut, friert nicht ein (wobei das bitterkalte Wetter ja erstmal vorbei ist). Ihr wisst ja, dass ihr jede Menge weiterführende Links auf meiner Linkseite und den Unterseiten davon findet. Und wenn es drängendes zu diskutieren gibt, steht euch dafür bei Bedarf die Freie Beitragsseite zur Verfügung. Bis demnächst…

Die „gemeinsame“ Koreanische Generation stirbt aus: Wird das Band zwischen den Koreas dünner?


Auf beiden Seiten der Demilitarisierten Zone (DMZ), die die Koreanische Halbinsel als unüberwindliche Grenze durchschneidet (noch heute vermutlich unüberwindlicher, als die innerdeutsche Grenze je war), wird vor allem von den Staatsführern viel über das große Ziel der Wiedervereinigung gesprochen. Jedoch stelle ich mir schon länger und immer intensiver die Frage, ob es nicht eine Art „Wiedervereinigungsuhr“ gibt, die nur für eine begrenzte Zeit tickt und die irgendwann abgelaufen sein wird. Die Gemeinsamkeiten der Menschen in den verfeindeten Bruderstaaten werden jeden Tag weniger (ich habe mich hier schonmal mit sprachlichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden beschäftigt) und irgendwann wird der Moment gekommen sein, an dem sie sich auf eine gemeinsame Geschichte vor 1950 und einige Schnittstellen in Stammbäumen beschränken, die aber schon Generationen zurückliegen. Persönliche Bindungen werden dann kaum noch existieren.

Die gemeinsame Koreanische Generation stirbt aus

Dazu hat Yonhap gestern einen interessanten und für Verfechter der Wiedervereinigung besorgniserregenden Artikel veröffentlicht. Darin ist nachzulesen, dass die Zahl der Südkoreaner, die sich in die Datenbank für potentielle Teilnehmer von Familienzusammenführungen haben aufnehmen lassen, unter 80.000 gefallen sei. Im vergangenen Jahr sei die Gruppe von etwa 82.500 auf etwa 79.000 geschrumpft. Ursprünglich hatten sich einmal ca. 128.500 Menschen für die Zusammenführungen gemeldet. Fast die Hälfte der Personen (43,8 %) ist außerdem in ihren 80er Jahren.

Das Band zwischen den Koreas wird dünner

Die Zahl der Personen, die noch gerne Verwandte jenseits der DMZ treffen würden, ist in den vergangenen gut zehn Jahren also um ein Drittel zurückgegangen und dieser Trend dürfte im kommenden Jahrzehnt noch schneller Ablaufen. Den Akteuren auf der Koreanischen Halbinsel (nicht zuletzt denen im Süden) sollte klar sein, dass mit jedem Jahr, in dem es nicht gelingt, Familienzusammenführungen zustande zu bringen, nicht nur eine Vielzahl von Einzelschicksalen ohne die Erfüllung eines Herzenswunsches endet, sondern dass auch mit jedem Jahr ohne die Stärkung und Wiederbelebung zwischenmenschlicher Beziehungen das Band dünner wird, das beide Koreas und ihre Schicksale zusammenknüpft.

Gefahr für die Perspektiven einer Wiedervereinigung?

Man muss da auch ein bisschen realistisch sein. Was verbindet einen Südkoreaner in seinen Zwanzigern mit dem Norden. Warum sollte er irgendwann einen bedeutenden Teil seines Einkommens in eine koreanische Version des Solidaritätszuschlags oder was auch immer investieren, wenn er sich nicht im Geringsten gegenüber den Menschen im Norden in der Pflicht fühlt und wenn das Einzige das er aus dem Norden kennt, Drohungen und Angriffe sind. Ich denke die Politik muss da Acht geben, dass sie bei allen politisch gesetzten Zielen nicht die Entwicklungen in der Bevölkerung aus den Augen verliert, denn ohne das die Menschen davon überzeugt sind, wird es in Korea keine erfolgreiche Vereinigung geben und je höher die Lasten und je dünner das Band der Verbundenheit wird, desto schlechter stehen die Chancen, die Menschen vom Wert einer Vereinigung zu überzeugen.

Mögliches Korrektiv: Die Flüchtlinge

Ein Korrektiv könnten hier höchstens die Flüchtlinge darstellen, die den Norden verlassen und sich im Süden angesiedelt haben. Jedoch dürfte das Verhältnis dieser Gruppe zu den Menschen im Norden noch komplexer und schwieriger sein, als das der Kandidaten für die Familienzusammenführungen. Zwischen Schuldgefühlen, Unverständnis und Ablehnung, dürfte es eine große Spannweite geben. Allerdings werden sie, je größer ihre Zahl wird, auch in der südkoreanischen Gesellschaft zunehmend an Gewicht gewinnen und vielleicht auch bald in der Politik eine Stimme bekommen. Dies würde einer Wiedervereinigung neue Perspektiven eröffnen.

Wissenstransfer: Deutsch Experten beraten Südkorea für die Vorbereitungen auf eine Wiedervereinigung


Zurzeit ist eine Gruppe deutscher Experten um Lothar de Maizière, dem letzten Ministerpräsidenten der DDR, in Seoul zu Gast, um dort mit südkoreanischen Kollegen heute und morgen über eine mögliche Wiedervereinigung der Koreas zu sprechen und sie auf Basis der Deutschen Erfahrungen zu beraten. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Yonhap sagte de Maizière, der zentrale Faktor für eine Wiedervereinigung seien Reformen in Nordkorea. Allerdings seien auch eine Normalisierung der Beziehungen beider Länder und verstärkter Austausch entscheidende Faktoren für eine positive Entwicklung. Die Idee Steuergelder für die Vorbereitung auf eine mögliche Wiedervereinigung zu nutzen lobte de Maizière.

Ich vermute, dass de Maizières Besuch auf einem Memorandum of Understanding beruht, das Südkorea und Deutschland im vergangenen Jahr unterzeichneten. Darin wurde unter anderem die Installation eines Expertengremiums vereinbart, das die deutschen Erfahrungen für eine koreanische Vereinigung nutzbar machen soll. Dass dieses Abkommen nun auch konkrete Ergebnisse nach sich zieht und dass erfahrene Leute wie de Maizière ihre Kenntnisse und Anschauungen, die sie unmittelbar im Vereinigungsprozess sammeln konnten, diese Expertise mit ihren südkoreanischen Kollegen teilen finde ich sehr gut. Es ist doch irgendwie eine historische Verpflichtung Deutschlands, das einmalige Wissen im Bereich einer solchen Wiedervereinigung in den Prozess auf der Koreanischen Halbinsel einzubringen. Denn so kann Korea in das schwierige und vermutlich überraschend eintretende Ereignis wie die Wiedervereinigung zumindest in Teilen vorbereitet hineingehen und das ist nie schlecht. Vermutlich haben Menschen wie de Maizière auch einen ganz anderen Blick auf die Entwicklungen in Nordkorea, denn sie haben das Ende eines Staates schon einmal hautnah miterlebt.

Der Wissenstransfer von Deutschland nach Südkorea ist jedenfalls eine sehr gute Sache und sollte in Zukunft weiter gefördert und ausgedehnt werden. Natürlich ist klar, dass nicht alles aus der Deutschen Vereinigungsgeschichte auf den koreanischen Fall übertragbar ist, aber das kann ja in Diskussionen und gemeinsamer Analyse herausgearbeitet werden. Eine Schande wäre es jedenfalls, wenn es zu einer Vereinigung in Korea zu Fehlern käme, weil man nicht in ausreichendem Maß aus den deutschen Erfahrungen lernen konnte; Was man in Seoul mit dem Wissen aus Deutschland im Endeffekt anfängt, bleibt ja dann immernoch den jeweiligen Regierungen überlassen. Ich hoffe also, dass die Deutsch-Koreanische Zusammenarbeit in diesem Bereich sich künftig weiter vertieft.

Kosten einer Koreanischen Wiedervereinigung: Yu Woo-ik schlägt 50 Mrd. Dollar Fonds vor


Gestern hat Südkoreas neuer Vereinigungsminister Yu Woo-ik mit einem Vorschlag von sich reden gemacht, wie sich sein Land auf eine mögliche Wiedervereinigung und vor allem auf die immensen finanziellen Lasten, die eine solche mit sich brächte, vorbereiten will. Yu kündigte gegenüber Bloomberg an, die südkoreanische Regierung würde noch in diesem Jahr mit dem Aufbau eines Vereinigungsfonds beginnen, dessen Gesamtvolumen in Zukunft etwa 50 Milliarden US-Dollar erreichen solle. Das Geld solle sich aus Spenden von Südkoreanern und Ausländern, sowie aus Geldern der Regierung speisen. Allerdings sollten keine ausländischen Regierungen um Einlagen gebeten werden und es solle auch keine Wiedervereinigungssteuer geben, eine Idee, die Südkoreas Präsident Lee Myung-bak im vergangenen Jahr ins Gespräch gebracht hatte, die aber allgemein auf wenig (positive) Resonanz gestoßen ist. Die Zuschüsse der südkoreanischen Regierung sollten beispielsweise aus Haushaltsüberschüssen stammen, wobei festzuhalten ist, dass Südkorea für 2013 einen ausgeglichenen Haushalt erzielen will, was dann wohl heißt, dass die Überschüsse noch weiter in der Zukunft liegen. Die 50 Milliarden US-Dollar würden laut Woo den Minimalbetrag der Kosten einer möglichen Wiedervereinigung decken, sollte diese binnen der nächsten 20 Jahre stattfinden.

Grundsätzlich guter Ansatz

Generell finde ich es gut und wichtig, dass die südkoreanische Regierung nicht nur von dem schönen Ziel der Wiedervereinigung spricht, sondern dass man sich auch mit den eher unangenehmen Folgen eines solchen Ereignisses auseinandersetzt und auch vorbereitende Maßnahmen ergreifen will. Irgendwie ist es mit ein bisschen gesundem Menschenverstand ja auch einsichtig, dass es nichts bringt, auf der einen Seite zu versuchen, das Regime in Pjöngjang zum Kollabieren zu bringen (ich bin der Meinung, dass einige wichtige Leute in Südkoreas Regierung das als gar nicht so schlecht ansehen („Lieber ein Ende mit Schrecken usw.“)) und sich auf der anderen Seite nicht wirklich darauf vorzubereiten. Allerdings hat der neue Vorschlag Yus ein paar Pferdefüße, die mich an der Sinnhaftigkeit des Vorhabens zweifeln lassen.

Niedrige „Minimalkosten“

Zum einen wäre da die Kostenkalkulation. Wenn man so durchliest, wie hoch die Kosten einer möglichen Wiedervereinigung taxiert werden, dann gehen die Meisten Schätzungen weit über Yus 50 Milliarden hinaus. So brachte eine Umfrage unter südkoreanischen Experten zutage, dass diese mit Kosten um etwa 3 Billionen US-Dollar rechneten. Wäre das eine realistische Einschätzung, dann würden Yus 50 Milliarden schon in der Anfangsphase einer Vereinigung ziemlich schnell als ziemlich kleiner Tropfen auf einem ziemlich heißen Stein scheinen. Das deutsche IWH hat versucht, die deutschen Erfahrungen auf Korea zu übertragen und schätzte eine Summe von 265 Milliarden US-Dollar für die Anfangsphase einer Vereinigung. Auch hier würden Yus 50 Milliarden ziemlich schnell verdampfen. Jedoch könnte man anmerken, dass es immerhin ein Anfang wäre, 50 Milliarden US-Dollar zu sammeln und das sich damit schon einiges bewegen ließe und vielleicht auch internationale Geldgeber besser überzeugt werden könnten, mit Mitteln beizuspringen.

50 Milliarden an Spendengelder? Na dann viel Spaß…

Jedoch ist dies so wie ich das sehe noch der kleinere Haken an der Idee. Ich weiß nicht genau, wie man 50 Milliarden US-Dollar an Spendengeldern einwirbt, aber ich stelle es mir ziemlich kompliziert vor. Wenn natürlich irgendwer wie Bill Gates daherkäme und sein halbes Vermögen in den Pott werfen würde: Ok. Aber sonst? Aber ja, da sind ja noch die Regierungsgelder, die sich aus erhofften Haushaltsüberschüssen ab ca. 2014 ergeben sollen. Hm, das mit den Haushaltsüberschüssen ist aber auch immer irgendwie so eine Sache. In Deutschland fängt man ja schon an Gelder zu verteilen, wenn die Defizite sinken. In Südkorea dürfte das nicht anders sein und sollte es tatsächlich Überschüsse geben, dann gibt man vielleicht lieber da Geld aus, wo das Wahlvolk kurzfristig erfreut wird und nicht auf ein Ziel hinarbeiten muss, das vielleicht irgendwo in der Zukunft liegt. Meiner Meinung nach, wäre die Idee Lees, quasi einen vorgezogenen Soli einzuführen ein sehr vernünftiger Weg, den Topf zu füllen. Alles andere hört sich nach Wunschgerede an (Hm, oder man überprüft nochmal den aktuellen Haushalt und schaut, ob man sich nicht doch irgendwo um 50 Milliarden verrechnet hat. Das soll ja häufiger vorkommen als man denkt…).

Immerhin etwas, aber nicht viel mehr…

Naja, jedenfalls kommt mir Yus Vorschlag hauptsächlich (wenn auch nicht ausschließlich) wie ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver vor. Man will Tatkraft und Visionen beweisen, aber bitte so, dass es niemanden etwas kostet. Wenn es klappt (ein Milliardär mit Helfersyndrom springt aus der Kiste): Gut! Wenn nicht (Das Spendeneintreiben läuft ungefähr so gut wie das des WFP für Nahrungsmittelhilfen für Nordkorea): Blöd! Aber immerhin würde man mit dem Fonds vielleicht schon so etwas wie eine Struktur schaffen, die dann von späteren Regierungen mit Leben und vor allem mit Geld gefüllt werden könnte. Im Fazit ist es immerhin mehr als nichts, aber eben nicht vielmehr…

„Kann Korea vom deutschen Einigungsprozess lernen?“ — Interessantes Paper von Ulrich Blum


Manchmal beklage ich mich ja etwas, dass meiner Meinung nach zu wenig Austausch zwischen Deutschland und Südkorea stattfindet, was die Erfahrungen aus der deutschen Wiedervereinigung angeht. Ich meine, natürlich geschieht in diesem Bereich auch einiges und natürlich hören wir nicht alles, was da an Know-how ausgetauscht wird, aber meinem Gefühl nach, wird da nicht genug getan. Natürlich ist ein „deutsches Modell“ nicht eins zu eins auf die Koreanische Halbinsel übertragbar und natürlich gibt es eine Menge unterschiede, aber es gibt viele Erfahrungen aus der deutschen Vereinigung, die man zumindest für Korea zu adaptieren versuchen könnte und die, wenn auch nicht als Leitfaden, so doch zumindest als Hinweise oder mitunter auch als Warnungen dienen können.

Jedenfalls freue ich mich deshalb, dass ich euch ein Paper von Prof. Ulrich Blum, dem Präsidenten des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), vorstellen kann. Das beschäftigt sich mit Kosten und Auswirkungen einer Wiedervereinigung. Dabei hat er mit Hilfe volkswirtschaftlicher Modelle, die Erfahrungen der deutschen Vereinigung auf Korea zu übertragen versucht. Die Analyse bezieht sich dabei sowohl auf Fragen der Integration oder nicht-Integration des „Vereinigungszwillings“ in die internationalen Wirtschaft als auch wirtschaftliche Erfordernisse und Prozessen, die aufgrund von Interaktionen zwischen „Vereinigungszwilling“ (Nord) und „Marktzwilling“ (Süd) auftreten, wenn der Südkorea gezwungen ist, große Mengen von Kapital in den Norden zu transferieren, um die dortige Infrastruktur zu erneuern und das Volkseinkommen des Nordens auf ein Niveau anzuheben, dass eine massenhafte Wirtschaftsmigration aus dem Land zu verhindern. Dabei ergeben sich interessante Effekte auf die Preisbildung für Güter und Arbeit und vor allen Dingen, was ich eben schonmal schrieb: Es wird teuer (aber dazu später mehr).

Das Paper von Blum hat mir sehr gut gefallen, weil es einerseits einige Prozesse der jungen deutschen Geschichte noch einmal aufdröselt und verständlicher macht, vor allen Dingen aber, weil recht glaubwürdig mögliche Folgen und Entwicklungen für eine Koreanische Vereinigung vorhergesagt werden. Allerdings könnte es aber auch daran liegen, dass ich es oft sehr anstrengend finde mich in Volkswirtschaftliche Modelle reinzudenken. Das ist zwar kein Hexenwerk, aber wenn man das länger nicht mehr gemacht hat, muss man sich ständig den Inhalt aller Variablen etc. wieder vor Augen rufen und das nervt (weshalb ich früher öfter mal bei Teilen mit vielen Formeln schnell weitergeblättert habe bis es wieder textlastiger wurde), naja, was ich eigentlich sagen will: Ich blicke zu schlecht durch, um insgesamt zu sagen, ob die Berechnungen wirklich so toll sind wie ich sie finde. Allerdings sind die beschriebenen Prozesse für mich logisch nachvollziehbar und helfen einiges klarer zu sehen, so dass ich das ungeteilt empfehlen kann.

Aber natürlich wäre es ja langweilig, wenn ich so gar nichts zu mäkeln hätte und daher will ich meine sachten Kritikpunkte nicht verschweigen. Eine Annahme ist, dass die nordkoreanische Wirtschaftskraft pro Kopf zügig auf etwa 60 % des südkoreanischen Niveaus gebracht werden sollte, um so eine massenhafte Migration aus dem Norden, vielleicht sogar aus dem Land zu verhindern. In Deutschland lag die Wirtschaftskraft des Ostens zur Zeit der Wiedervereinigung bei etwa 20 % des Westens, in Nordkorea liegt sie heute bei etwa 5 % des Südens. Das heißt in Deutschland mussten bei nur etwa 40 % der Wirtschaftskraft ergänzt werden (was auch binnen relativ kurzer Zeit geschah) in Korea wären es 55 %. Allerdings stellt sich mir die Frage, inwiefern da nicht eher eine absolute Verbesserung ein Maßstab wäre und nicht das relative Verhältnis von Nord zu Süd. Das Argument, dass das soziale Sicherungssystem des Südens ähnlich wie in Deutschland eine Absicherung von etwa 60 % bietet, reicht mir für diese Marke als Grund ehrlich gesagt nicht aus, schließlich wären auch durchaus andere Modelle, die keine soziale Absicherung der Nordkoreaner auf Süd-Niveau bieten, vorstellbar. Damit ist natürlich auch die Kostenrechnung Blums für mich nicht mehr ganz so gut, denn die kurzfristig aufzubringenden 24 % (!) an Nettotransfersumme der südkoreanischen Wirtschaftsleistung an den Norden, die er errechnet hat, ergeben sich aus der 60 % Annahme. Weiterhin möchte ich auf kulturelle Unterschiede bzw. eine stärkere ideologische Prägung der nordkoreanischen Bevölkerung hinweisen, die (für mich) unabsehbare Auswirkungen auf das (Flucht-)Verhalten der nordkoreanischen Bevölkerung nach einer Wiedervereinigung haben könnten.

Ein etwas substantiellerer Punkt ist die Annahme Blums, dass der nordkoreanische Außenhandel am Ausgangspunkt aufgrund von Juche als ausgeglichen gelten soll. Ich weiß nicht wie wichtig diese Annahme für das Modell ist, aber er hat es wohl nicht ohne Grund angenommen, also brauchte er das vermutlich. Natürlich sind Nordkoreas Außenhandelszahlen kaum zu bewerten, aber definitiv gibt es Hilfen durch NGOs und subventionierte Importe aus China, gegenüber dem Nordkorea seit Jahren ein bedeutendes Außenhandelsdefizit hat (wenn ich mich richtig an die Zahlen erinnere irgendwo zwischen fünf und zehn Prozent der Wirtschaftsleitung). Je nach Regierungspolitik in Südkorea war auch gegenüber diesem ein beträchtliches Defizit zu verzeichnen. Außerdem sollte man die beträchtliche Menge an Gütern nicht vergessen, die im kleinen Grenzverkehr aus China kommen. Wie gesagt weiß ich nicht genau, wie sich das auf Blums Berechnung auswirkt, aber grundsätzlich ist diese Annahme ein Wermutstropfen für das Paper.

Aber wie gesagt, ansonsten gefällt es mir durchweg gut und auch die Schlüsse die er zieht finde ich weitgehend nachvollziehbar. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Integration und der Finanzunion beider Staaten sagt er ähnliche Entwicklungen voraus, wie wir sie in Deutschland erlebt haben. Massive Investitionen verwandeln den Außenhandelsüberschuss in ein Defizit während gleichzeitig der Won unter Druck kommt. Um Inflation zu verhindern hebt die Zentralbank die Zinsen, so dass der Won trotzdem an Wert gewinnt. Exportorientierte Unternehmen (im Süden, Nordgüter sind ohnehin kaum exportfähig) dürfte das in Bedrängnis bringen. Im Norden kommt es zu einem rapiden Strukturwandel mit einer Blase im Bau- und Infrastrukturbereich und steigenden Löhnen, während gleichzeitig eine rapide Entindustrialisierung der nicht konkurrenzfähigen nordkoreanischen Industrie kommt. Kennt man irgendwie alles. Danach kommt es auf Basis modernisierter Infrastruktur und von Investitionen in den Kapitalstock zu einer nachhaltigen Wachstumsentwicklung. Wie gesagt erwartet Blum, dass zur Stabilisierung der sozialen Situation die Produktion des Nordens auf 60 % es Südens gehoben werden muss, was für den Beginn der Vereinigung einen Betrag von etwa 265 Mrd. US-Dollar ergäbe (im englischsprachigen Paper ist hier ein Fehler in der Tabelle, also nicht verwirren lassen). Das könnte Südkorea natürlich nicht alleine schultern,  weshalb Blum sich für eine internationalisierung der Wiedervereinigung ausspricht. Hinsichtlich der Privatisierung der nordkoreanischen Wirtschaft spricht er sich für einen „Masterplan“ aus, nach dem diese ablaufen sollte, um eine „Zombie-Tranistion“ zu verhindern, in der subventionierte Staatsbetriebe das Aufkommen privater Betriebe verhindern. Auch schon kurzfristig interessante Potentiale erkennt er bspw. im Bereich Atom- und Waffentechnologie und bei der Metallverarbeitung und Rohstoffgewinnung.

Wie gesagt, alles in allem halte ich das Paper von Blum für einen sehr interessanten und lesenswerten Beitrag für die Bewertung und Vorbereitung auf eine koreanische Vereinigung. Wer Formeln gut ertragen kann, sollte es ganz lesen, wen sie verrückt machen, der sollte sich Einleitung, Zwischenfazits und Schluss anschauen, das reicht für den Überblick. den Rest muss man dann einfach glauben. Außerdem gibt es eine weniger ausführliche deutsche Version: „Kann Korea vom deutschen Einigungsprozess lernen?“ (S. 153 – 160), in der das Material dafür noch etwas mehr verdichtet ist, aber alles herausragend Wichtige drinsteht und eine umfangreichere englische Version „Can Korea Learn from German Unification?“ (ca. 30 S.), die detaillierter auf die Aspekte eingeht und in der auch beispielsweise die DDR einen etwas größeren Raum findet. Wenn ihr die Zeit habt, solltet ihr auf jeden Fall die englische Version lesen.

Rechnung mit vielen Unbekannten: Experten versuchen sich an den Kosten für Koreas Wiedervereinigung


Eine Wiedervereinigung der beiden Koreas wird innerhalb der nächsten 30 Jahre stattfinden und wesentlich teurer werden, als die deutsche Einheit. Dies sind die Ergebnisse einer Umfrage der Federation of Korean Industries (FKI), dem größten Interessenverband der südkoreanischen Wirtschaft, unter 20 Experten (leider steht in dem Artikel nicht  so genau, was das für Experten waren).

Yonhap zufolge sollen 63 Prozent der Experten (ich hab mich kurz gefragt, wie man bei 20 Experten auf 63 % der Antworten kommt, aber vermutlich war einer so souverän einzugestehen, dass die Frage nicht zu beantworten ist) sich dahingehend geäußert haben, dass sie die Kosten einer Wiedervereinigung der beiden Koreas auf etwa 3 Billionen US-Dollar (etwa 2,36 Billionen Euro) schätzen, die Kosten der deutschen Wiedervereinigung werden – wenn auch noch immer steigend – bei etwa 1,6 Billionen Euro taxiert. Keiner der Experten erwartet eine Wiedervereinigung innerhalb der nächsten 5 Jahre, aber 19 der 20 Fachleute rechnen noch vor 2040 mit einem solchen Ereignis.

Die Umfrage dürfte inspiriert worden sein von Lee Myung-baks Vorschlag, eine Vereinigungssteuer einzuführen. Während man die Beschäftigung mit einer Wiedervereinigung grundsätzlich keine schlechte Sache ist, hatte Lee seinen Vorschlag etwas unglücklich kommuniziert (ob gewollt oder ungewollt sei mal dahingestellt), so dass er hauptsächlich als Konfrontationszeichen an Nordkorea angesehen werden kann. Aber wie gesagt, es war lange an der Zeit, dass man in Südkorea eine ernsthafte Diskussion um ein mögliches Vorgehen bei einer Wiedervereinigung beginnt, denn wie schnell sowas gehen kann haben wir in Deutschland erlebt und dass die Kosten recht schnell explodieren, wenn man von einem solchen Ereignis unvorbereitet getroffen wird, ist auch zu erwarten. Ob die Einschätzung der Kosten durch die Experten so hinkommt ist fraglich, aber ich würde mal sagen, dass eine ernsthafte Abschätzung einfach unmöglich ist. Ein solch weitreichender Prozess wie die Vereinigung zweier Staaten wird zu so vielen unvorhersehbaren Entwicklungen führen, dass nur sehr sehr grobe Schätzungen möglich sein werden. Ich glaube, dass eine Wiedervereinigung für den Süden eine extreme Bürde wäre, bei der es fraglich ist, ob sie allein geschultert werden kann. Auch für die relativ junge Demokratie in Südkorea dürfte das für einige schwierige Jahre bedeuten. Aber wie gesagt: Seriöse Szenarien für eine Wiedervereinigung kann man kaum erstellen, weil die Zahl der Unbekannten sehr groß ist. Nur eins ist sicher: Das wird teuer!

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