Würdigung eines revolutionären Kleidungsstücks — „Wo ist Kim Jong Ils Jacke jetzt?“

Heute ist es hundert Tage her, seit Kim Jong Il gestorben ist und dementsprechend voll ist Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA mit Meldungen darüber, wer alles in welcher Form um ihn trauert und wie sehr er allüberall vermisst wird. Generell ist das alles ziemlich langweiliges Zeug. Nur ein Artikel ist mir irgendwie ins Auge gesprungen. Darin geht es nicht nur um Kim Jong Il, sondern eigentlich genausosehr um seine Jacke. Oder um genauszusein, dass er diese Jacke eigentlich immer trug, egal ob er Militär-, Industrie- oder landwirtschaftliche Anlagen besuchte. Und auch über seinen Tod gibt es ein weiteres Detail: Er schied nämlich in dieser Jacke dahin. Das Jackenmotiv ist übrigens nicht neu. Es ging schon kurz nach seinem Tod recht ausgiebig in die Berichterstattung von KCNA ein.

Pyongyang, March 25 (KCNA) — On the 100th day since the demise of leader Kim Jong Il, servicepersons and civilians of the Democratic People’s Republic of Korea are paying tribute to him before his large portraits displayed in all parts of the country.

Looking up to portraits of smiling Kim Jong Il, they are greatly touched by the image of the leader clad in jacket.

The jacket was as good as a uniform for the leader, who devoted his all to the country’s development and people’s wellbeing, true to the lifetime desire of President Kim Il Sung.

Clad in this jacket, he inspected military units, factories and farms even in snowy or sunny days.

He was also wearing this simple jacket when he passed away in a train on his way for field guidance.

The image of smiling Kim Jong Il, dressed in jacket all his life, will be unforgettable forever for the Korean people.

In Memoriam:

Kim Jong Ils Jacke beim Kartoffeltesten.

Kim Jong Ils Jacke im Bergwerk.

Kim Jong Ils Jacke beim Militär.

Hm, auch wenn die propagandistische Absicht hinter der Jackenverklärung recht durchsichtig ist („Kim Jong Il war einer von euch. Er trug eine ganznormale und nicht besonders schöne Jacke, fast so wie ihr.“), bleibt für mich doch noch die eine entscheidende Frage nach dem Verbleib der Jacke, denn scheinbar gibt es einen Ort, an den Kim die Jacke nicht mitnehmen wollte:

Eines der letzten Fotos von Kim Jong Il...ohne Jacke.

Vermutlich wird die Reliquie bald in einem Museum oder so ausgestellt werden (oder er zieht sie nach dem Einbalsamieren (ist das eigentlich schon abgeschlossen?) doch wieder an).

Vorerst frage ich jendenfalls (frei) mit den Ärzten: Wo ist Kim Jong Ils Jacke jetzt?

P.S. Jenseits der Jacke seines Vaters scheint Kim Jong Un (ich glaube seit dem Tod Kim Jong Ils, trug sein Sohn keine Jacke dieses Modells mehr) von der Trauer um seinen Vater ziemlich mitgenommen zu sein. Jedenfalls nahm er die Trauerperiode, die heute zuende geht sehr ernst, wenn man südkoreanischen Medienberichten Glauben schenken darf (was ich nicht uneingeschränkt tue (es steht auch noch in der Zeitung, die sich immer wieder durch gleichermaßen spektakuläre wie nicht nachprüfbare Storys hervortut)). Danach hat sich der junge Kim eine neue Hinrichtungsmethode für Militärs überlegt, die in der Trauerperiode unwürdiges Verhalten an den Tag legten. Ein hochrangiger Militär im Verteidigungsministerium sei für Trunkenheit während der Trauerzeit durch Mörserbeschuss hingerichtet worden, damit nichts von ihm übrig bleibe. Auch wenn die Berichte über diese ziemlich grausame, aber auch recht komplizierte Methode mir nicht wirklich glaubwürdig erscheinen, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass es nach Kim Jong Ils Tod eine Säuberung bis hin zu hohen Diensträngen gab, um reale oder vermutete Keimzellen für Widerstand von Anfang an zu ersticken.

7 Antworten

  1. die jacke war ein standardprodukt, siehe beispielsweise: http://24.media.tumblr.com/tumblr_m15o3iFGiF1qewv1lo1_500.jpg
    was die einbalsamierung angeht – was macht eigentlich gunther von hagens? der könnte den geliebten führer leicht in ein plastiniertes plastikmodell für die ewigkeit verwandeln, ohne die notwendigkeit jährlicher instandhaltungsmaßnahmen wie beim genossen lenin.

    • Ist doch praktisch: Dann muss die Jacke wenigstens nicht mitbalsamiert werden. Wenn das Vinalon irgendwann zerfallen sollte, leiht man sich einfach ne Jacke von einem der Anderen (oder man greift einfach in Kims ehemaligen Kleiderschrank. Der sah bestimmt so ähnlich aus wie der von Homer Simpson. Was die Vielfalt angeht)…
      Hm, den Herrn von Hagens hatte man scheinbar nicht auf der Rechnung in Pjöngjang. Scheinbar verlässt man sich vielmehr auf die jarzehntealte Kompetenz aus Russland: http://ajw.asahi.com/article/asia/korean_peninsula/AJ201112300017 Aber da Kim Il Sung whrscheinlich auch jährlich instandgehalten werden muss, macht es da auch nicht mehr viel, wenn man seinen Nachfolger gleich mit auffrischt.

  2. Hast du wohl wieder vergessen. Die Tatsache das dass Mausoleum bis mindestens Mai für Besucher geschlossen bleibt……nährt wohl den Verdacht, das es mit der Einbalsamierung noch etwas dauert.

    • Hi Marcus,
      danke für den Hinweis. Wusste hab ich tatsächlich nicht dran gedacht. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass das auch mit Umbaumaßnahmen zu tun hat. Schließlich muss Kim Jong Il ja auch ein schönes Plätzchen im Mausoleum bekommen.

  3. Und wann schreibt KCNA etwas zu seiner legendären Sonnenbrille? Die ist doch mindestens genauso wichtig wie die Jacke.

    Gott diese Geschichte mit dem „Mörserbeschuss“…Chosun Ilbo wird ja immer kreativer.Doch warum hat man mit der Story nicht bis zu dem Raketenstart gewartet dann hätte man erzählen können der Trauer-Verstößler sei zur Strafe ins all geschossen worden^^

    • Hm, vielleicht war die Sonnenbrille ein bisschen zu Bourgeoise? Ne Jacke hat ja jeder, damit kann man sich gut identifizieren.

      HeHe, das ist allerdings wahr! Würde so richtig was daher machen. Aber vielleicht ist in der Rakete kein Platz mehr für untraurige, weil Kims Jacke als Denkmal der Menschheit in den Satelliten gepackt wird…

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