Problem erkannt…Problem benannt: Chinesische Medien thematisieren nordkoreanische Flüchtlinge

Die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen China und Nordkorea sind blendend, dass zeigt sich in jüngster Zeit immer wieder durch regen diplomatischen Austausch und durch die Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Sektoren. Jedoch bringt diese Nachbarschaft für China nicht nur Vorteile mit sich und ich kann mir vorstellen, dass sich manch einer in China wünscht, die Grenzflüsse Yalu und Tumen wären noch ein paar Meter breiter.

Nicht nur treiben sich jede Menge Aktivisten im Grenzgebiet herum, die südkoreanischen Flüchtlingen helfen wollen oder für dieses oder jenes Land spionieren. Nicht nur wird man alljährlich vor UN Gremien an den Pranger gestellt, weil man eingefangene Flüchtlinge zurück nach Nordkorea schickt und sie damit in die Gefahr eines grausamen Schicksals bringt. Nein, auch die Flüchtlinge selbst scheinen für die Chinesen eine Sicherheitsbedrohung darzustellen. Es ist ja nicht schwer vorzustellen, dass ausgehungerte Menschen, die über die Grenze kommen sich erstmal mit allen Mitteln den Bedarf des alltäglichen Lebens sichern und dabei manchmal auch den (auch nicht wirklich reichen) Menschen jenseits der Grenze etwas wegnehmen. Es ist auch nicht schwer vorstellbar, dass manche der „Flüchtlinge“ mit anderen Zielen über die Grenze gehen, zum Beispiel zum Handel legaler und illegaler Güter. All das weiß man eigentlich, oder kann es sich denken. Aber gesprochen wurde darüber nicht wirklich. Zumindest nicht in China.

Daher hat es mich schon ein bisschen überrascht, als ich diesen Artikel in der Global Times gelesen habe. Schon die Überschrift sagt viel: „The thin red line“. Denn rot sind ja meist die Linien, die man nicht übertreten sollte. Allerdings ist die Nennung roter Linien im Zusammenhang mit Nordkorea irgendwie witzig, denn in Pjöngjang hat man es sich ja nahezu zum Hobby gemacht über alle möglichen roten Linien zu hopsen, die in Seoul und Washington zuvor proklamiert wurden. Aber vielleicht hatte der Autor das ja auch im Sinne, denn die Grenze ist ja auch eine „rote Linie“ die nicht wirklich jemanden abzuhalten scheint. Der Autor beschreibt die Situation, in der Grenzregion die er besuchte wie folgt:

The public order situation along Changbai County’s border is more complicated and sensitive compared with other stretches of the border, with frequent forays by illegal immigrants and other cross-border cases.

Danach thematisiert der Autor die Aufrüstung der Sicherheitsmaßnahmen von chinesischer Seite um dann einen recht interessanten Aspekt anzusprechen. Er geht nämlich darauf ein, dass die Region auf chinesischer Seite nur noch sehr dünn besiedelt ist, da die meisten jungen Leute die Gegend verlassen haben um in den Städten Arbeit zu finden (sie habe sich als dem riesigen Heer an Wanderarbeitern angeschlossen, das von vielen Analysten mit Interesse betrachtet wird). Es wird zwar nicht gesagt, aber im Unterton könnte da fast die Sorge mitschwingen, dass der Migrationsdruck aus Nordkorea zu einer weiteren Koreanisierung der Region führen könnte (also ähnlich dem Phänomen, das in Sibirien für Besorgnis Russlands vor einer „Sinisierung“ der Region führt). Aber vielleicht habe ich da auch zu viel Unterton gelesen. Interessant fand ich auch die direkte physische Bedrohung, die laut dem Autor von Nordkoreanern ausgeht. Er beschreibt einen Halt nahe der Grenze, durch den sich jugendliche gestört fühlten und mit Steinen zu werfen begannen. Einerseits zeigt dies eine gewisse Aggressivität der Nachbarn, andererseits die Zurückgezogenheit.

Naja, jedenfalls fand ich es sehr spannend, dass in einer chinesischen Zeitung eine dermaßen kritische Reportage über die nordkoreanischen Nachbarn erscheinen durfte und dies gerade zu einem Zeitpunkt, an dem die politischen Beziehungen bestens sind. Zwar weiß ich nicht genau, was der Zweck der Übung ist, aber nicht zuletzt dürfte es als Hinweis an Nordkorea dienen, sich der Flüchtlingsfrage etwas stärker anzunehmen, aber natürlich zeigt es auch, dass es scheinbar ein solchermaßen großes Problem mit den Flüchtlingen gibt, dass ein Totschweigen schlicht nicht mehr praktikabel ist.

Ich habe noch ein bisschen weitergeschaut und habe auf „Sinologistical Violoncellist“ einen sehr schönen und tiefgehenden Beitrag gefunden, der sich mit einem Artikel in der chinesischen Version der Global Times, der „Huanqiu Shibao“ befasst. Wenn mich nicht alles täuscht ist der dort beschriebene Artikel quasi das Original des englischsprachigen. Scheint auch so, dass die englische Version — wie so häufig — entschärft ist. Naja, wenn ihr mehr und tiefergehende Infos zu dem Thema wollt, dann lest auf jeden Fall den Artikel von Adam.

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