Die Suche nach einem guten Korea: Nordkoreanische Frau kehrt nach sechs Jahren im Süden zurück


Gestern wurde in Pjöngjang auf einer Pressekonferenz ein relativ ungewöhnlicher (weil seltener) Sachverhalt publik gemacht. Auf dem Podium saß eine Frau Namens Pak Jong-suk, die 2006 nach Südkorea geflohen war und nun in den Norden zurückgekehrt war (danke übrigens Bagameri, dass du das schon gestern auf der Freien Beitragsseite gepostet hast).

Kuriose Geschichte, die interessante Schlaglichter wirft

„I illegally crossed the border on the night of March 29, 2006 in a foolish hope of meeting my father who went to south Korea due to the A-bomb scare made by the U.S. imperialists during the Korean War and getting money from him“, she said.

„I was taken in by the luring tactics of south Korean Intelligence Service agents in an alien land and handed over by them according to their scenario. This was how I was taken to south Korea at around 9 a.m. of June 29 of the same year“, she added.

She recalled that while living in south Korea for six years she led a life little short of a miserable slave’s for want of money.

Referring to the living conditions of the „defectors from the north“, she said the jobs they could find at best were nothing but waste cleaning, vessel washing and servicing and other most hateful and difficult jobs.

„Ich überquerte die Grenze in der Nacht des 29. März 2006 illegal in der trügerischen Hoffnung, meinen Vater zu treffen, der aus Angst vor den Atombombendrohungen der US Imperialisten während des Koreakriegs nach Südkorea gegangen war. Außerdem hoffte ich Geld von ihm zu bekommen“, sagte sie.

Ich wurde vom südkoreanischen Geheimdienst in ein feindliches Land gelockt und dort nach ihrem Plan übergeben. So wurde ich am 29. Juni desselben Jahres nach Südkorea gebracht,“ fügte sie hinzu.

Sie erinnerte sich, dass sie während der sechs Jahre in Südkorea das Leben eines armseligen Sklaven auf der ständigen Suche nach Geld führte.

Bezüglich der Lebensbedingungen der Flüchtlinge aus dem Norden sagte sie, dass die Arbeit die sie finden konnten bestenfalls Müllentsorgung oder das Waschen von Schiffen, Bedienen und andere gehasste und schwere Jobs seien.

Natürlich zeigte sich die Frau dem Regime gegenüber sehr dankbar, denn im Süden dürfte sie auch gehört haben, dass es nicht allen Flüchtlingen, die nach Nordkorea zurückkehren (zumindest wenn sie gebracht werden) gleichermaßen gut ergeht. Auf der Pressekonferenz, an der einheimische und ausländische Medien teilnahmen, trat sie gemeinsam mit ihrem Sohn und seiner Frau auf. Der Süden bestätigte die Eckdaten der Geschichte mittlerweile. Es wurde aber noch nicht aufgeklärt, wie die Rückkehr in den Norden konkret ablief.

Diese Geschichte scheint auf den ersten Blick absolut kurios und abwegig, wirft aber auf den zweiten Blick einige interessante Schlaglichter auf die Flüchtlingsproblematik, auf die ich kurz eingehen will.

Die Flüchtlinge in Südkorea. Keine heile Welt.

Als erstes stellt man sich natürlich die Frage: Warum sollte jemand aus der schönen Wohlstandsgesellschaft im Süden in das Armenhaus im Norden zurückkehren? Eine einfache Antwort wäre: „Weil er verrückt ist!“ Während ich diese Erklärung bei Leuten, die aus dem Süden in den Norden abhauen, ohne davor dort gewesen zu sein für nicht unbedingt abwegig halte, dürfte die Erklärung für jemanden, der aus dem Norden geflohen ist nicht ganz so eindimensional sein (vermutlich ist sie das auch in dem anderen Fall nicht, aber da mangelt es mir einfach an Kreativität oder Empathie, um eine vernünftige Erklärung finden zu können).

Im Fall von Flüchtlingen muss man sich vor Augen führen, dass sie beide Gesellschaften kennen gelernt haben und wenn dann jemand zurückgeht, dann muss es also im Norden etwas geben, das dem Süden abgeht. Das ist möglicherweise gerade für die Flüchtlinge wahr, die bei ihrer Ankunft in Südkorea häufig große Probleme haben, sich zu integrieren. Das liegt aber nicht nur an der Fremdheit der neuen Welt, sondern auch einer häufig vorzufindenden Diskriminierung, die sich vor allem, aber nicht nur in der Arbeitswelt finden lässt. Außerdem scheinen die Flüchtlinge häufig sehr isoliert in der Gesellschaft des Südens zu sein, da sie von den Südkoreanern nicht als vollwertig akzeptiert werden, während sie ihren Schicksalsgenossen nicht vertrauen können (häufig nicht zu Unrecht, wenn man an Betrügereien und Spionageaktivitäten denkt). Außerdem haben die Flüchtlinge sehr oft ein gestörtes Verhältnis zu Geld (was recht gut in dem Hinweis auf das Leben eines armseligen Sklaven rauskommt, der nur auf der Suche nach Geld ist), was das Leben in einer kapitalistischen Gesellschaft nicht unbedingt erleichtert. Mehr zu den Schwierigkeiten nordkoreanischer Flüchtlinge bei der Integration in den Süden findet ihr in dieser echt tollen Studie der International Crisis Group zum Schicksal dieser Flüchtlinge in Südkorea.

Die Symptome, die Frau Pak auf der Pressekonferenz beschrieben hat sind also nicht aus der Luft gegriffen, sondern decken sich durchaus mit dem, was auch in der Wissenschaft beschrieben wird. Viele nordkoreanische Flüchtlinge, die in Südkorea leben scheinen dort nicht wirklich angekommen zu sein und sind mit ihrer Situation unzufrieden. Zwar bemüht sich der Süden mittlerweile, auch mit deutscher Beratung, dieses Problem aktiver anzugehen, aber zu einer erfolgreichen Integration scheint noch viel zu fehlen. Allerdings ist gleichzeitig auch zu bemerken, dass von den über 23.000 Flüchtlingen nicht dutzende und erst recht nicht hunderte zurückgekehrt sind, sondern genau ein Fall vorliegt (vor ein paar Jahren gab es einen weiteren, auf dem es auch eine Pressekonferenz in Nordkorea gab, aber den kann man nicht wirklich zählen, weil der Mann dann später wieder in den Süden floh (womit wir wieder bei „verrückt“ wären)). Nichtsdestotrotz ist es möglich, dass einige der Flüchtlinge mittlerweile an der Richtigkeit ihrer Flucht zweifeln und dass Frau Pak daraus den Schluss zog, dass es besser sei zurückzugehen.

Die Familien der Flüchtlinge. Nicht immer schlimme Folgen?

Einen kleinen aber nicht uninteressanten Aspekt finde ich die Tatsache, dass der Sohn der Frau mit auf dem Podium erschien und als Lehrer vorgestellt wurde. Es wird ja häufig darüber gesprochen, dass die Flucht einer Person auch auf ihre Familienmitglieder die im Land zurückbleiben negative Folgen hat. Das scheint hier nicht der Fall gewesen zu sein, denn der Sohn hat wohl eine ganz gute Ausbildung und lebt in Pjöngjang, was ja nicht gerade eine Strafmaßnahme darstellt, sondern eher ausgewählten Leuten zugute kommt. Das kann alles Zufall sein und wer weiß, wie lange der junge Mann schon in Pjöngjang lebt, aber bemerkenswert ist es trotzdem.

Strategisches Manöver Pjöngjangs: Adressaten im In- und Ausland

Noch bemerkenswerter ist allerdings, dass man über die Frage der Flüchtlinge überhaupt so halbwegs offen spricht und sogar eine davon (in der nordkoreanischen und leider häufig auch noch westlichen Terminologie wird von „Überläufern“ gesprochen) auf einer Pressekonferenz zu Wort kommen lässt. Dieses Thema ist nicht ohne Grund ein sehr sensibles in Nordkorea und dementsprechend spricht man nicht besonders gerne darüber. Allerdings wird man in der Realität nicht ganz darüber hinweggehen können. Die Zahl der Menschen, die im Süden angekommen sind, liegt etwa bei 23.000. Klingt nicht viel, aber ist schonmal jeder tausendste. Wahrscheinlich also dass die meisten Nordkoreaner direkt (ich kenne jemanden) oder indirekt (ich kenne jemanden der jemanden kennt) mit einem Fall einer erfolgreichen Flucht konfrontiert ist. Nicht mit eingegangen sind hier diejenigen, die sich entweder in China verstecken, oder irgendwo auf dem Weg sind. Das würde die Zahl nochmal um einige zehntausend erhöhen. Naja, es ist also ein gesellschaftliches Problem, das man nicht einfach so wegschweigen kann. Vielleicht hat das Regime das erkannt und entschieden, das alles offensiver anzugehen. Zum Beispiel indem man jemanden, dem es im Süden nicht mehr gefiel (und der damit etwas glaubwürdiger ist, als die „normale“ Propaganda) zu Wort kommen und beschreiben lässt, dass da auch nicht das Land ist wo Milch und Honig fließen. In diese Lesart würde auch der kürzliche etwas seltsame Ausfall KCNAs gegen Menschenhandel passen (ich habe ihn leider nicht vor Augen, weil momentan irgendwie alle nordkoreanischen Propagandaseiten einschließlich der in Japan gehosteten KCNA-Seite down sind (Komisch!) wenn die wieder verfügbar sind, spezifiziere ich das ein bisschen und verlinke es).

Aber auch an die Flüchtlinge im Süden könnte das Ganze gerichtet sein. Hier könnte man hoffen, einige Weitere davon zu überzeugen, dass eine Rückkehr eher positive als negative Folgen hat und dass die negativen Wahrnehmungen der neuen Heimat, die ja oben kurz beschrieben sind, bei einigen anderen auch vorhanden sind. So könnte man hoffen, Agenten im Süden zu gewinnen oder Leute ins Land zurück zu holen und damit weitere Propagandaerfolge zu erzielen. Ob das so kommen wird steht allerdings auf einem anderen Blatt. Jedenfalls ist diese Pressekonferenz mit Frau Park ein strategisch interessanter Schritt und ich bin gespannt, ob das in eine umfangreichere Strategie hinsichtlich der Flüchtlinge eingebettet ist, oder ob man eben aus dem kleinen propagandistischen Geschenk, das die Frau darstellt, das Beste gemacht hat.

Flucht ins Paradies auf Erden


Hallo erstmal, hab länger nichts mehr geschrieben, was mir zwar irgendwie leidtut, aber andererseits dürfte der geneigte Leser ja durchaus in der Lage sein, sich auf anderem Wege über Entwicklungen in Nordkorea auf dem Laufenden zu halten. Ein paar Sachen habens ja sogar in die deutschen Nachrichten geschafft. Da gabs zum Beispiel einen UN-Bericht, der das Regime in Pjöngjang als grausam anprangerte (Oh Schreck, is ja n Ding, jetzt doch nicht Paradies auf Erden oder wie (Oder um es (fast) mit Erich Maria Remarque zu sagen: „Im Norden nichts Neues“)). Unter dem gleichen Motto sind wohl auch die Tests von Kurzstreckenraketen zu sehen, die unabhängigen einseitigen (Radio Free Asia) Berichten zufolge nicht erfolgreich ein absolutes Desaster (die Raketen die gestartet sein sollen, sollen ihr Ziel komplett verfehlt haben, während sich ein nicht zu vernachlässigendes Teil als Rohrkrepierer herausstellte) waren, aber naja, mal wieder das Kreuz mit der Informationslage… Vor allen Dingen kam es aber zu einer weiteren Annäherung zwischen Nord- und Südkorea. Handfester Beleg hierfür sind wohl die Lebensmittelhilfen, die Seoul sich vor ein paar Tagen zu liefern bereiterklärt hat. Zwar erreichen die bei Weitem nicht die Ausmaße der Hilfen früherer Jahre, aber es ist trotzdem bemerkenswert, denn immerhin hatte die Regierung Lee Myung-bak bis zu diesem Zeitpunkt Hilfen immer an Fortschritte bei der Denuklearisierung des Nordens geknüpft. Woher also der Sinneswandel? Keine Ahnung, aber da ich ja gerne die Zufälligkeit von Zufällen hinterfrage, möchte ich nur kurz an den Besuch des amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates in Seoul ein paar Tage früher erinnern. Natürlich hat Gates öffentlich nicht vielmehr gesagt, als das die Gefahr durch Nordkorea größer geworden sei, aber vielleicht hatte er jemanden im Gepäck, der hinter den Kulissen was anderes geflüstert hat… Achja und passenderweise gab es zwischen den beiden Ereignissen ja auch noch die Meldungen über Geheimgespräche zwischen Süd- und Nordkorea in Singapur, bei denen über die Möglichkeit eines Nord-Süd-Gipfels gesprochen wurde, wenn auch ohne Erfolg (Kim hat scheinbar keine Lust nach Seoul zu fahren, Lee will nicht nach Pjöngjang, aber immerhin spricht man drüber). Stimmt schon, allerlei Interessantes passiert, aber auch schon ausreichend kommentiert worden, weshalb ich mich lieber mit ner leicht kuriosen Story beschäftigen will, die scheinbar keinen ganz so hohen Nachrichtenwert hat, wie die oben genannten Entwicklungen. Jedenfalls hab ich in den deutschsprachigen Zeitungen vergeblich danach gesucht.

Warum man aus Südkorea in den Norden flieht

Lange Rede kurzer Sinn, es geht um die Flucht eines Südkoreaners in den Norden. Nein, ich hab mich nicht verschrieben. Es ist mir auch bekannt, dass man für gewöhnlich in die andere Richtung flüchtet. Aber was ich denke und weiß ist hier wohl eher irrelevant, schließlich bin nicht ich durch nen Todesstreifen geschlichen um mich in den Schoß eines der letzten Regime zu begeben, dass noch gelegentlich mit dem Begriff „totalitär“ geadelt wird, sondern ein Südkoreaner. Aber erstmal kurz die Fakten: Scheinbar ist am 26. Oktober ein südkoreanischer Schweinebauer, durch die 2 Kilometer breite, für Zivilisten absolut nicht zugängliche, Demilitarisierte Zone geschlichen, hat ein Loch in den Grenzzaun geschnitten und sich in die „warme Obhut“ der Autoritäten im Norden begeben. Im Süden ist das Ganze vor allem wegen der Besorgnis um die eigene Grenzsicherung ein großes Thema, im Norden freut man sich über das vorzügliche Propagandafutter. Alles schön und gut, aber mich würde mal interessieren: Wie kommt man denn auf so ne Schnapsidee?

Von Schweinemast und Propaganda

Die offizielle Erklärung ist die, dass der Mann den Besitzer der Schweinfarm, auf der er arbeitete, tätlich angegriffen habe, und sich danach der Strafverfolgung durch die südkoreanischen Autoritäten entziehen habe wollen. Hm, klingt ja schon ganz gut, aber andererseits ist das so, als würde man, um zu verbergen, dass man einen Teller aus Mamis guten Service kaputtgemacht hat, das ganze Haus abfackeln. Aber vielleicht machen das manche so. Tja, generell hätte der gute Mann jedenfalls jede Menge Optionen gehabt, sich sinnvoller (zum Beispiel Flucht in ein anderes Land, oder Harakiri, eigentlich gibt’s nur weniges das dümmer ist) einer Strafverfolgung entziehen zu können. Aber seis drum, vielleicht geht dem erfolgreich geflohenen mittlerweile nach und nach ein Licht auf und er muss erkennen, dass die südkoreanischen Nachrichten doch keine (oder zumindest nicht ausschließlich) Propaganda sind und sich das Paradies auf Erden doch nicht nördlich des 38. Breitengrads befindet. Naja, aber manchmal trifft man halt Entscheidungen, die sich in der Rückschau als nicht besonders pfiffig rausstellen, die aber dummerweise nur schwer rückgängig zu machen sind… Aber wer weiß, vielleicht ist Kim Jong Il, dessen ausgeprägtes Interesse an Schweinemast-Technologien ja hinlänglich dokumentiert ist, aus diesem Grunde daran interessiert in Gesprächen mit dem Flüchtling in Erfahrung zu bringen, wieweit die sozialistische Schweinemast der Kapitalistischen voraus ist. Oder es handelt sich gar um einen fehlgeschlagenen Versuch der (Schweine-)Industriespionage durch den Süden, der auf diesem Gebiet endlich zu seinem (dank der Weisen Anleitung des geliebten Führers) fortschrittlichen Bruderstaat aufschließen will! Wir werden wohl auch das nie erfahren, aber eins ist klar: Bis auf Weiteres werde ich die Entwicklung der südkoreanischen Schweinemastindustrie aufs Genaueste im Auge behalten!