Das neue Personaltableau im Politbüro: Das Regime arbeitet schon seit zwei Jahren an der Nachfolge

Am vergangenen Wochenende habe ich am Seminar der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit über die Koreanische Halbinsel teilgenommen und ich muss sagen, es war sehr interessant und hat sich durchaus gelohnt. Es ist doch nochmal etwas anderes, wenn Menschen, die einen direkten Blick auf das Regime in Pjöngjang werfen konnten ihre Sichtweisen referieren und man sie auch zu manchen Sachen näher fragen kann, als einfach nur deren Texte zu lesen. Auch mal interessant war die Ansichten der Südkoreaner zu hören, die an dem Seminar teilgenommen haben, das hilft ein tieferes Verständnis für deren Sicht der Dinge zu gewinnen. Ich hatte mir ursprünglich überlegt einen kleinen Bericht darüber zu verfassen, habe die Idee aber aus verschiedenen Gründen verworfen, allerdings habe ich einige interessante Denkanstöße mitgenommen, die ich in den nächsten Wochen hier verarbeiten werde. Aber zu schreiben gibt es ja trotzdem was.

Und zwar möchte ich mich mit einem sehr interessanten Artikel von KCNA beschäftigen. Dort gibt es kurze biographische Profile der Mitglieder des Sekretariats des Politbüros des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Koreas (PdAK) (für den langen Namen kann ich nichts, da aber jedes „des“ sozusagen eine Entscheidungsstufe „höher“ bedeutet, sind das recht wichtige Leute) sowie Profile von Mitgliedern des Politbüros des Zentralkomitees der PdAK (zur näheren Erklärung und Bedeutung der Begriffe schaut am Besten mal bei NK Leadership Watch vorbei interessant hierzu war auch ein Beitrag der Joong Ang Ilbo). Wer sich Mitglied dieser Organe nennen darf, der gehör zweifelsohne zur Führungselite der Partei und des Landes.

Das Sekretariat: Drei alte Recken und ein „Jungspund“

Das Sekretariat des Politbüros (den Rest des Rattenschwanzes schneide ich mal ab…) ist mir fünf Personen besetzt. Zu vieren davon gibt es Angaben von KCNA, über den fünften weiß ja ohnehin jeder alles was es zu wissen gilt (allerdings dürfte das nicht der einzige Grund der Autoren gewesen sein, ihn (und interessanterweise seine Schwester Kim Kyong-hui, aber die hat ja auch ziemlich viel von Kim Il Sungs Blut) auszunehmen, Respekt ist eben alles). Im Präsidium sitzen neben Kim Jong Il Kim Yong-nam (geb. 1928), Choe Yong-rim (geb. 1930), Jo Myong-rok (geb. 1928) und Ri Yong-ho (geb. 1942) (wie immer wenns um Leute geht habe ich Links zu den hervorragenden Steckbriefen von NK Leadership Watch gesetzt). Schaut man sich die Leute etwas näher an, fällt oberflächlich einiges auf: Erstmal das hohe Durchschnittsalter (76 Jahre), das sogar gegenüber dem vorherigen Präsidium erheblich gestiegen ist (da lag es exakt beim Alter Kim Jong Ils, der Rest der Präsidiumsmitglieder hatte nämlich schon seit Längerem das Zeitliche gesegnet). Zusammen mit Ri Yong-ho ist Kim Jong Il hier das Nesthäkchen und es wäre wohl auch keine Überraschung, wenn das Gremium bald wieder übersichtlicher würde. Weiterhin ist interessant zu sehen, welche Ämter die Präsidiumsmitglieder sonst noch so bekleiden: Kim Yong-nam ist seit 1998 Präsident der Obersten Volksversammlung Nordkoreas und damit per Verfassung der administrative Vertreter Kim Il Sungs auf Erden (das Staatsoberhaupt). Über Choe Yong-rim haben wir ja kürzlich schon was gehört, da er erst im Juni zum Premierminister ernannt wurde und damit vor allem in wirtschaftspolitischen Fragen Einfluss gewonnen hat. Yo Myong-rok ist Vizemarschall (ich kenne mich mit Militärrängen einfach zu schlecht aus und weiß daher nicht genau was eine deutsche Entsprechung zu „vice marshal“ ist, aber viel höher geht es nicht, da es nur zwei richtige „marshals“ gibt) der nordkoreanischen Armee und Vize Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission (die ja bekanntlich das mächtigste Staatsorgan Nordkoreas ist), sein Job bei der Armee war/ist die Steuerung der Indoktrination und Überwachung der Armee (lebenswichtige Aufgaben für das Regime, wer das tut muss absolut auf Linie liegen). Ri Yong-ho schließlich hat keine ganz so herausgehobene Stellung wie die vorher genannten da hab ich wohl eine Kleinigkeit übersehen: Er ist nämlich Chef des Generalstabs der Koreanischen Volksarmee und wurde außerdem im Rahmen der Beförderungen im Militär vor der Parteikonferenz zum Vizemarschall erhoben. Innerhalb der Partei ist er stellvertretender Vorsitzender der zentralen Militärkommission der Partei. Klingelt da was? Genau! Der stellt seinen Stuhl dann vermutlich direkt neben Kim Jong Un auf, der ja den selben Posten erhalten hat. Weiterhin ist Ri hochinteressant, weil er noch so jung ist und damit eine mögliche Machtübergabe an Kim Jong Un mitterleben könnte und auch danach noch eine Rolle spielen könnte. Die restlichen Mitglieder des Präsidiums sind zwar in wichtigen Positionen, aber mit 80 spricht die Sterbetafel klar gegen eine lange Tätigkeit dieser Drei im Präsidium. Auch die Biografien der Mitglieder des Politbüros würden sicherlich vieles hergeben. Allerdings würde ich dann (bei weit über 20 Profilen) vermutlich heute nicht mehr fertig werden und daher gibts nur einen oberflächlichen Blick, der aber trotzdem interessantes zeigt…

Die Mitglieder des Politbüros: Generationenwechsel im Wartestand

Erstmal die Namen und Alter: Vollmitglieder sind: Kim Yong-chun (geb. 1936), Jon Pyong-ho (geb.1926), Kim Kuk-thae (geb. 1924), Kim Ki-nam (geb. 1929), Choe Thae-bok (geb. 1930), Yang Hyong-sop (geb. 1925), Kang Sok-ju (geb. 1939), Pyon Yong-rip (geb. 1929), Ri Yong-mu (geb. 1925), Ju Sang-song (geb. 1933), Hong Sok-hyong (geb. 1936) und Kim Kyong-hui (geb. 1946, wie gesagt fehlt ihre Biographie bei KCNA).
Alternate members (ich glaub das sind sozusagen Ersatzleute): Kim Yang-gon (geb. 1942), Kim Yong-il (1947), Pak To-chun (geb. 1944), Choe Ryong-hae (geb. 1950), Jang Song-thaek (den kennt ihr ja, geb. 1946), Ju Kyu-chang (geb. 1928), Ri Thae-nam (geb. 1938), Kim Rak-hui (geb. 1933), Thae Jong-su (geb. 1936), Kim Phyong-hae (geb. 1941), U Tong-chuk (geb. 1942), Kim Jong-gak (geb. 1941), Pak Jong-sun (geb. 1928), Kim Chang-sop (geb. 1946) und Mun Kyong-dok (geb. 1957). Über viele von denen gibt es bei NK Leadership Watch Biographien, aber wenn die euch interessieren könnt ihr ja selbst nachschauen.

Das sind natürlich jetzt viele Namen und Daten und man fragt sich was das bringt: Erstmal die Erkenntnis, dass das Durchschnittsalter der Vollmitglieder mit etwa 78,5 Jahren nochmal höher liegt als im Präsidium, dass aber gleichzeitig das Durchschnittsalter der Nachrücker mit etwa 68,7 fast zehn Jahre niedriger liegt. Da scheint man einige der alten Garde noch in der ersten Reihe stehen gelassen zu haben, weil man sie zufrieden stellen muss, aber gleichzeitig auch weiß, dass sie den Platz nicht mehr besonders lange blockieren. Und die jüngeren kann man dann ja mit der Perspektive zufriedenstellen.

Was ich wirklich interessant finde, sind die Daten, zu denen die Mitglieder des Politbüros neue „Jobs“ in der Führung des Landes bekommen haben: Da ist nämlichb zu sehen, dass 25 der 32 Mitglieder des Politbüros (einschließlich Präsidium), in den letzten zwei Jahren eine neue Tätigkeit angetreten haben. Allerdings muss man dazu sagen, dass zwölf Neubesetzungen vermutlich in direktem Zusammenhang mit der Parteikonferenz stehen, (denn dies sind meist Direktoren u.ä. verschiedener Abteilungen der Partei, die ihren Job seit September 2010 haben). Nichtsdestotrotz wird augenscheinlich: Da hat sich was getan in den letzten zwei Jahren! Gleichzeitig sind kaum Mitglieder im Politbüro, die in den Jahren von 2001 bis 2008 in neue Positionen kamen. Was ich auch spannend finde: Das Sekretariat ist gleichgewichtig zwischen „Zivilen“ und Militärs besetzt. Unter den Vollmitgliedern des Politbüros sind aber nur drei von zwölfen Militärs, unter den Nachrückern nur vier von fünfzehn. Da scheint es eine recht genaue Proporzregel zu geben und da sich die „Vollmitglied-Militärs“ ziemlich genau an den Altersschnitt halten werden da wohl bald ein paar Positionen für jüngere (Militärs) frei.

Viele Daten und einige Schlussfolgerungen

Das Alles ist bei weitem nicht das, was die neue Komposition an der Parteispitze hergibt, aber dummerweise hab ich noch ein paar andere Sachen vor heute und überlasse es euch, ob ihr von dort noch ein bisschen weiter recherchieren wollt. Aber ich finde dieser oberflächliche Blick hat schon ein paar interessante Ergebnisse gebracht:

  • Das Sekretariat des Politbüros ist so gestaltet, dass man das recht bald neu mischen kann, ideal für einen möglichen Nachfolger, um es mit Vertrauensleuten zu besetzen.
  • Aus dem Rahmen fällt nur Ri Yong-ho, der mit 68 noch einiges vor sich haben könnte. Da er auch zusammen mit Kim Jong Un in der zentralen Militärkommission der Partei sitzt, könnte er eventuell eine weitere Bezugsperson des jungen Kim sein. Wie weit das geht, keine Ahnung aber liegt irgendwie nahe und man sollte das im Auge behalten. Da er aber nicht wie die anderen Premier oder Präsident der Obersten Volksversammlung ist und auch nicht mit wichtigen Jobs in Militär und Nationaler Verteidigungskommission betraut ist, scheint sein Funktion wo anders zu liegen…
  • Es gibt einen Proporz zwischen Partei und Militär: Im Präsidium 50:50 unter den Mitgliedern bei etwa einem Viertel.
  • Generell sind die Mitglieder des Politbüros sehr alt, allerdings zeichnet sich unter dn „Aufrückern“ eine jüngere „zweite Reihe“ ab, die darauf wartet nach vorne zu kommen. Außerdem bietet das hohe Alter einem möglichen Nachfolger Kim Jong Ils die Chance, Beförderungen durchzuführen, ohne jemandem aus dem Amt drängen zu müssen.
  • Seit Kim Jong Il seinen Schlaganfall im Jahr 2008 hatte, zeigt sich eine sehr große Dynamik innerhalb des Regimes. Ein Großteil der Mitglieder des Politbüros ist seitdem in neue Ämter gekommen. Das kann man als eindeutiges Zeichen dafür sehen, dass als Kim Jong Il wieder auf den Beinen war, die Vorbereitung für die Nachfolge sofort begann und das Regime seitdem damit beschäftigt war.

Zwar alt, aber nicht erstarrt

Das Regime ist nicht erstarrt und scheint zumindest zu einer graduellen Erneuerung des Führungspersonals fähig zu sein. Wie weit die Erfolge bei der Erneuerung allerdings gehen bleibt offen. Weiterhin muss man die Augen offen halten, ob noch jüngeres Personal innerhalb der zweiten Reihe positioniert wird. Die Vorbereitungen sind noch lange nicht abgeschlossen, aber hier sieht man gut, wie weit sie reichen.

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