China startet Kampagne gegen illegale Ausländer in Yanbian: Der Druck auf Flüchtlinge und NGOs steigt

Chinas Umgang mit nordkoreanischen Flüchtlingen spielte in den letzten Monaten ja auf mannigfaltige Art und Weise eine Rolle in der Medienberichterstattung zu Nordkorea. Dabei waren die Signale, die daraus hervorgingen aber durchaus zwiespältig und machten eine konsistente Deutung der Haltung Chinas zu Nordkorea von dieser Warte aus echt recht kompliziert. Eine weitere Botschaft, die sich nahtlos in die Reihe dieser vielen Meldungen einfügt gab es heute aus China.

Kampagne gegen illegale Ausländer. Nicht zuletzt Nordkoreaner.

Chinesische Medien berichteten nämlich, dass im Autonomen Bezirk Yanbian, der zu großen Teilen von ethnischen Koreanern bewohnt wird, eine 150-Tage-Kampagne (gut, in den Medien steht nicht „150-Tage-Kampagne“ sonder 5 monatige Kampagne) gegen „illegale Beschäftigung, Visumsüberschreitung und illegale Einreise“ angelaufen sei. Die Kampagne, die am 15. Mai startete und bis zum 15. Oktober dauern soll, ziele darauf ab „die Wurzeln des Verbrechens zu bekämpfen und die soziale Stabilität sicherzustellen“. Als Beispiele für Leute, gegen die vorgegangen werden soll, werden vor allem Südkoreaner aufgeführt, die zu lange blieben, oder ihre Kinder ohne Visum ins Land geholt hätten. Allerdings wird ausdrücklich ein Beispiel mit einem Nordkoreaner als Risiko für die soziale Stabilität genannt, in dem ein nordkoreanischer Vagabund einen Polizisten niedergestochen habe. Auch gegen

illegal activities organized by personnel from overseas non-governmental and religion-related organizations

[illegale Aktivitäten, die von Personen oder Nichtregierungs- und religiös orientierten Organisationen geplant und durchgeführt würden]

soll vorgegangen werden.

„Some overseas organizations seek to commit large-scale illegal activities, such as illegal migration to a third country via China,“ he said.

[„Manche ausländische Organisationen versuchen umfangreiche illegale Aktivitäten durchzuführen, wie zum Beispiel die illegale Migration in ein Drittland durch China,“ sagte er. [„Er“ ist Li Yongxue, Direktor der Ein-/Ausreisebehörde in Yanbian]]

Wo das hinzielt ist wohl relativ deutlich. Ich glaube illegaler Transit durch China zur Ausreise in Drittländer trifft nur auf nordkoreanische Flüchtlinge zu. Die Zeiten werden also vermutlich schwieriger für die Organisationen, die in diesem Geschäft/Hilfsfeld tätig sind.

Schon früher Medial geschürte Ängste vor nordkoeanischen Flüchtlingen

Allerdings steht die Kampagne in Yanbian nicht allein. Auch in Peking werden gerade ganz ähnliche Maßnahmen gegen illegale Fremde umgesetzt und dort dürfte das Problem wohl kaum hauptsächlich bei nordkoreanischen Flüchtlingen zu suchen sein. Nahe der Grenze zu Nordkorea waren dagegen schon früher Sorgen um die Sicherheit und Stabilität laut geworden und es wurde offen über kriminelle Übergriffe durch nordkoreanische Flüchtlinge berichtet. Dementsprechend ist vor einiger Zeit auch bereits ein spezielles Sicherheitssystem an den Start gegangen. Inwiefern jedoch diese Berichte als Vorab-Rechtfertigung für politische Maßnahmen wie die Aktuellen dienen sollten und inwiefern die nordkoreanischen Flüchtlinge tatsächlich ein Risiko für den Frieden und die Stabilität in der Gegend darstellen, ist schwer nachprüfbar.

Stilles Übereinkommen zwischen China und NGOs zerbricht zunehmend

Sicher ist allerdings, dass mit der aktuellen Kampagne Maßnahmen gegen Flüchtlinge und ihre Helfer (die ja explizit als Kriminelle bezeichnet wurden) zu erwarten sind. Damit schaltet China, nachdem die Ermöglichung der Ausreise nordkoreanischer Flüchtlinge aus südkoreanischen konsularischen Vertretungen eher entgegenkommende Signale aussandten, weiter auf Konfrontation. Nach der Festnahme von vier südkoreanischen Aktivisten die zweite eindeutig gegen Hilfsgruppen gerichtet Maßnahme. In China scheint das deutlichere mediale und Öffentlichkeitswirksame Vorgehen dieser Gruppen nicht zu den erhofften Erleichterungen für die Flüchtlinge zu führen, sondern im Gegenteil zu verschärften Maßnahmen.

Chinesische innenpolitische Ursachen für die Kampagne

An Nordkorea sendet dieser Schritt gleichzeitig das Signal aus, dass China weiterhin als wichtige Stütze fugieren wird und auch der Fischerbootzwischenfall im Gelben Meer keinen dauerhaften Schaden angerichtet hat. Jedoch kann man die Maßnahmen auch im Zusammenhang mit chinesischer Innenpolitik sehen. Ende dieses Jahres sollen Hu Jintaos und Wen Jiabaos Nachfolger an die Spitze des Landes gehievt werden. Da gehören Maßnahmen, die Nationalismus schüren und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Gefolgschaft zur Partei stärken sollen sicherlich zum Programm. Dazu würde der Kampf gegen eine innere Bedrohung durch kriminelle Ausländer ja ganz gut passen.

Botschaft an Ilena Ros-Lehtinen?

Vielleicht geht ein Teil der Botschaft aber auch noch nach Seoul. Dort ist gerade die gleichermaßen bärbeißige wie unsympathische Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des US-Kongresses, Ileana Ros-Lehtinen mit einigen weiteren republikanischen Kongressabgeordneten zu Gast. Gestern hat sie China öffentlich scharf für das Vorgehen gegenüber nordkoreanischen Flüchtlingen kritisiert. Dass genau einen Tag später die Berichte über Chinas Kampagne erscheinen kann ein Zufall sein. Muss es aber nicht.

NGOs sollten im Interesse der Flüchtlinge den Druck auf China nicht überziehen

Das Bild, das sich am Ende ergibt habe ich ja schon öfter gezeichnet. China ist nicht gewillt und bereit, sich von südkoreanischen NGOs oder politischen Vertretern der USA oder Südkoreas unter Druck setzen zu lassen. Vor allem nicht, wenn dadurch der Anschein erweckt werden könnte, man würde vor solchem Druck einknicken. Ein ungeschriebenes „Stilhalteabkommen“ zwischen den NGOs und China, dass es Peking erlaubte sein Gesicht zu wahren und gegenüber Nordkorea als glaubwürdiger Partner aufzutreten, während den NGOs die Möglichkeiten zum Arbeiten im Grenzland erhalten blieben, scheint mehr und mehr zu zerbrechen. Solange die NGOs aufs Ganze gehen und es nicht mehr mit stiller Diplomatie im Hintergrund versuchen wollen, wird die Situation sich eher weiter verschlimmern als verbessern. Man kann das anprangern und ungerecht finden und nach mehr Öffentlichkeit rufen. Aber im Resultat werden die nordkoreanischen Flüchtlinge darunter leiden und die Situation wird sich nachhaltig verschlimmern. Hier sollte Pragmatismus über Idealismus siegen, denn die Welt ist eben oft nur wie sie ist und nicht wie sie sein soll…

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