So, da bin ich wieder. Ein Stück politisch gebildeter (oder demokratisch indoktrinierter, das liegt im Blickwinkel des Betrachters) und sehr zufrieden mit den letzten Tagen und damit, dass ja eigentlich nichts Wichtiges passiert ist, seit Montag. Achdoch, da war doch was… Der Atomtest. Aber mit dem haben ja ohnehin die Meisten gerechnet. Und das Schöne an den Tagen nach so einem Test — ob man jetzt Atom- oder Raketen- (auch „Satellitenstart“ genannt) davorschreibt ist erstmal egal — ist, dass sie so herrlich berechenbar und eigentlich unspektakulär ablaufen (jedenfalls, wenn man weiter als einen Monat zurückrechnen kann).
Alles wie gehabt
Die einen mühen sich, ihr Verhalten zu rechtfertigen (wobei dieses Wort hier den Nagel ziemlich genau auf den Kopf trifft, denn was wir erklärt bekommen ist, dass der Atomtest das einzige richtige und gerechte Vorgehen war, das noch offenstand) und zu erklären, dass nur die USA sie zu diesem Akt getrieben hätten. Die anderen warnen, zeigen Einigkeit, versuchen den Sicherheitsrat der UN, wie auch die ganze Welt, zu einer Reaktion zu treiben und versuchen Druck auf die vermeintlich einzige Schlüsselnation im Spiel auszuüben. Diese Schlüsselnation wiederum reagiert ebenfalls nach Schema-F, indem sie zwar verurteilt, im gleichen Atemzug aber wieder relativiert und alle Beteiligten zur Besonnenheit aufruft. Naja und weil in den letzen Tagen mal wieder alles so passiert ist, wie ich das eben beschrieben habe, ist eigentlich noch nicht wirklich was passiert. Aber alle Seiten stehen in Wartestellung, um möglicherweise wirklich was passieren zu lassen. Aber das kommt erstmal auf die nächsten Wochen, Tage und Monate an.
Fakten
Weil ich in den letzten Tagen so angenehm wenig zu dem Thema gelesen habe, dachte ich mal, ich lasse es für den Artikel auch vorerst dabei und versuche mich auf die Fakten zu beschränken. Alles andere ist Analyse und Einschätzung und die werde ich zu gegebener Zeit auch noch entsprechend würdigen, aber weil ich erstmal nur meine Gedanken spielen lassen will, lasse ich die Ideen der Anderen mal außen vor. Also zu den Fakten:
Pjöngjang hat am Dienstag dem 12.02.2013 um 11:57 und 51 Sekunden (Ortszeit) einen Nukleartest durchgeführt, der von auswärtigen Beobachtern insofern bestätigt werden konnte, als sich zu dieser Zeit ein künstlich herbeigeführtes Erdbeben mit einer Stärke von 4,9 auf der Richterskala ereignete. Angaben der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA zufolge sei der Test „durch Anwendung von Atombombe, die im Unterschied zur Vergangenheit über große Sprengkraft verfügt und minimiert sowie deren Gewicht verringert wurde“ erfolgt. Während die Aussagen zur stärkeren Sprengkraft der Bombe bestätigt werden konnte, da das Erdbeben in Folge der Detonation bei diesem Test bei 4,9 auf der Richterskala lag und nicht wie beim vorherigen Test 2009 bei 4,2, sind Angaben der Nachrichtenagentur zu Größe und Entwicklungsstufe des Sprengkörpers natürlich nicht nachprüfbar, solange keine Bilder oder ähnliches veröffentlicht werden (aber das wird so schnell wohl nicht passieren).
Ebenfalls nicht überprüfbar ist die für Beobachter sehr interessante Frage, auf Basis welchen Spaltmaterials die Bombe produziert wurde. Die Tests von 2006 und 2009 basierten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf Plutonium, das aus dem mittlerweile stillgelegten Reaktor in Yongbyon stammte. Von diesem Plutonium haben die nordkoreanischen Waffenbauer nur eine recht begrenzte Menge zur Verfügung. Gemeinhin wird angenommen, dass das vorhandene Material noch höchstens für 10 Bomben ausreichen wird. Allerdings hat Nordkorea im Jahr 2010 sein Programm zur Herstellung von hoch angereichertem Uran der Weltöffentlichkeit präsentiert. Dieses Programm bietet einen zweiten Weg um an Spaltmaterial zum Bau von Atombomben zu gelangen. Anders als das Plutoniumprogramm lässt es sich auch einfacher unter Tage verstecken und es kann dezentraler produziert werden. Dieser Weg ist ähnlich dem, der auch im Fall des Iran sehr misstrauisch beäugt wird (das Stichwort ist Gaszentrifugen). Wäre der aktuelle Test auf Basis solchen hoch angereicherten Urans erfolgt, hieße das, dass Nordkorea mit dem Uranprogramm weiter vorangeschritten wäre, als bisher vermutet. Vor allen Dingen hieße es aber, dass es keinerlei glaubwürdige Schätzungen mehr (gegenüber der recht überschaubaren Zahl von 10 potentiellen Bomben, die bis jetzt im Raum stand) über die Menge des Spaltmaterials in den Händen der nordkoreanischen Bombenbauer gäbe.
Rechtfertigung mit Fokus auf die USA
Die Rechtfertigungen Pjöngjangs für den Test bezogen sich fast exklusiv auf die USA:
Stellungnahme des Sprechers des DVRK-Außenministeriums
Eigentlich hatten wir keine Notwendigkeit und keinen Plan für den Atomtest.
Ich habe noch ein paar weitere Kommentare etc. in den nordkoreanischen Medien nachgelesen, aber eigentlich zielt alles direkt auf die USA. Das heißt aber nicht unbedingt, dass die USA auch der wirkliche Grund für den Test sind. Oder könnt ihr euch vorstellen, dass KCNA eine Meldung veröffentlicht in der steht: „Kim Jong Un hat beschlossen diesen Test durchzuführen um seinen Leuten zu beweisen, was für ein potenter Kerl er ist. Er hofft damit seine Kritiker innerhalb des Regimes mundtot zu machen und seine Macht zu festigen.“ So, oder vielleicht auch ganz anders, aber mit einem innenpolitischen Fokus kann ich mir den wahren Hintergrund des Tests vorstellen. Interessant an Nordkoreas Rechtfertigung ist auch, dass man unter Missachtung der politischen Realität unterstellt, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durch die USA gesteuert würde und deshalb die Resolution 2087 gegen Nordkorea erlassen habe (Missachtung der Realität, weil im Sicherheitsrat immerhin Russland und China über ein Veto verfügen, bei der entsprechenden Resolution aber mit „Ja“ gestimmt haben.
Wie gesagt: Schema-F herrscht vor.
Über die Reaktionen der USA und ihrer Verbündeten muss eigentlich nicht viel gesagt werden. Sie haben telefoniert und sich besprochen und eine starke Reaktion gefordert/angekündigt. Nungut, was sollen sie auch sonst tun. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat eine Pressemitteilung veröffentlicht, die aber keinerlei rechtliche Relevanz hat und daher getrost ignoriert werden kann. Achja und die USA und Südkorea ergehen sich mal wieder in militärischer Kraftmeierei. Das hilft aber nicht wirklich, weil ihre konventionelle Überlegenheit gegenüber Nordkorea genauso bekannt ist, wie die Schwächen in anderen Bereichen (die Stichwörter sind „ABC“ und „Seoul“ und lassen sich ganz gut unter „Asymmetrie“ subsummieren). Diese Kraftmeierei kann man teilweise fast schon als lächerlich bezeichnen, aber wenn man meint, in Pjöngjang könnte irgendwer schlecht schlafen, weil Südkorea über Marschflugkörper verfügt, die angeblich Zielgenau ein Bürofenster treffen können, dann soll man eben solchen Kram faseln. Ach, was mich ein bisschen gewundert hat, was aber ganz gut zeigt, wie sehr die Südkoreaner und mit ihnen die ganze Welt wohl schon gegenüber der Droherei Pjöngjangs abgestumpft ist, ist die Tatsache, dass ein Großteil der Südkoreaner von Nordkoreas Atomtest überrascht wurde.
Mögliche Gründe für neue Dynamik
Naja, macht nicht eben Spaß über eine recht unspektakuläre Woche zu schreiben, aber das gehört eben auch dazu. Und in nächster Zeit könnte ja noch Bewegung in die ganze Geschichte kommen. Dafür könnte es unterschiedliche Anlässe geben, die der immernoch festgefahrenen (schon seit Jahren) Situation auf der Koreanischen Halbinsel eine neue Dynamik geben könnten. Weil ich gleich weg muss, liste ich die noch kurz auf:
- Es stellt sich heraus, dass Nordkoreas getestete Bombe auf Uran basierte. Das dürfte in den USA für erhebliche Unruhe sorgen.
- China ändert seine Position gegenüber Pjöngjang substantiell und greift zu bilateralen (wirtschaftlichen oder anderen) oder multilateralen (stärkere UN-Sanktionen) Strafmaßnahmen.
- Der neue Außenminister und der neue alte Präsident der USA schwenken auf eine andere Strategie ein und daraus resultieren neue Möglichkeiten auf dem internationalen Parkett.
- Südkoreas neue Präsidentin Park ändert den bisherigen Kurs und zeigt sich versöhnlich. Auch hieraus würden neue Chancen resultieren.
- Nordkorea testet weitere Raketen. Hieraus würde sich keine grundlegende Änderung der Situation ergeben, aber mögliche Chancen aufgrund der veränderten politischen Konstellationen in Südkorea, den USA, China und Japan würden nicht genutzt.
Pjöngjangs strategische Ziele als bestimmender Faktor
Insgesamt hängt alles davon ab, was Pjöngjangs Hauptziel bei dem Test war. Denn wenn der hauptsächlich auf innenpolitischen Überlegungen beruhte, dann sind alle möglichen außenpolitischen Chancen ohnehin nicht wirklich viel wert, denn dann wird das Regime Kim Jong Uns weiterhin vor dem Primat der Innenpolitik handeln. Das heißt wiederum, dass die Außenpolitik Nordkoreas „unberechenbar“ bleibt, da sie immer nur in den „Leerstellen“ stattfinden kann, die die Außenpolitik lässt. Ich habe die Befürchtung, dass tatsächlich die Innenpolitik handlungsleitendes Motiv bei dem jüngsten Test war (einerseits, weil die ganze Aktion außenpolitisch nur begrenzten Erfolg versprach und viele Risiken mit sich brachte und andererseits, weil vieles darauf hindeutet, dass Kim Jong Uns Macht bei weitem noch nicht so fest ist, wie das nach außen scheint). Naja, wir werden abwarten müssen.
Morgen lese ich mir mal durch, was Kenner der Materie gesagt und analysiert haben und werde das für euch dann kurz und bündig zusammenfügen…
Filed under: Aktuelles, Die Welt und Nordkorea, Nuklearprogramm, Regimestabilität | Tagged: Atomtest, China, Kim Jong Un, Nordkorea, Nukleartest, Südkorea, USA |
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