Gestern ging mit dem Außenministertreffen der Höhepunkt des diesjährigen ASEAN Regional Forum (ARF) in Phnom Penh über die Bühne. Normalerweise schenke ich dem ARF ja immer einige Aufmerksamkeit, weil es das einzige regionale Sicherheitsforum ist, bei dem Nordkorea regelmäßig hochrangig vertreten ist. Dieses Jahr habe ich das Ganze fast ohne jegliche Würdigung verstreichen lassen. Das mag einerseits daran gelegen haben, dass ich aufgrund der Semesterendphase, die immer besondere Aufmerksamkeit verlangt, nicht so viel Zeit hatte. Andererseits hatte es aber auch damit zu tun, dass ich mir von dem diesjährigen ARF keine großartigen Entwicklungen hinsichtlich Nordkoreas erwartet habe. Als „großartige Entwicklungen“ hätte ich es zum Beispiel empfunden, wenn Vertreter Nord- und Südkoreas miteinander gesprochen hätten wie im letzten Jahr oder wenn man sich gar auf irgendwas geeinigt hätte, das in Richtung Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche gedeutet hätte. Dazu kam es in diesem Jahr nicht.
Unspektakulär heißt nicht ohne Erkenntnisse
Trotzdem war das Treffen nicht uninteressant und gibt einiges zum Analysieren bzw. Denken und weil es einer der wenigen Anlässe ist, bei denen Pjöngjang im (medial gut ausgeleuchteten (dafür sorgt die prominente Besetzung und die Vielzahl politisch heißer Eisen, die dort verhandelt werden, oder auch nicht)) multilateralen Rahmen hochrangig vertreten ist, habe ich beschlossen, doch noch kurz etwas darüber zu schreiben. Aber vorab noch ein paar Filmchen. Hier wird vom chinesischen Sender CCTV ganz gut der Rahmen abgesteckt, in dem das ARF stattfand (wobei man geschickt die Bedeutung des Themas „Südchinesisches Meer“ herunterspielt, von westlichen Kommentatoren wird dieser Komplex anders bewertet).
Hier gibt es ein Filmchen von der Ankunft und Abreise Pak Ui-chuns.
Hier schaut sich ein Wicht (darf man „Wicht“ zu jemandem sagen, den man nicht kennt? Irgendwie dachte ich, als ich ihn gesehen habe: „Wasn das fürn Wicht?“) vom japanischen Fernsehen die Gespräche Paks im Vorfeld an. Im Bild die Zusammenkünfte mit den Ministern Vietnams und Singapurs (wenn ich mich nicht täusche), wobei erstaunlicherweise das Treffen mit dem singapurischen Kollegen wesentlich herzlicher aussah.
Zu guter Letzt noch ein Video vom Plenum, wobei für Pak Ui-chun vor allem die Knabbereien von Interesse gewesen zu sein scheinen (in meinem Dialekt gibt es für diese Art des vergnügten und konzentrierten Verzehrens von Leckereien den schönen Begriff „moufeln“; Im Hochdeutschen fehlt glaube ich ein Äquivalent. „Schmausen“ kommt dem nahe, verweist aber eher auf gehobene Gerichte), sowie (was wesentlich interessanter ist) von einem nordkoreanischen Vertreter, der gerade die „Position of the DPRK government“ unters Volk bringt (zu dem ominösen Schrieb später noch etwas mehr), wobei er und das Positionspapier fast zerquetscht werden.
Was konkret geschah
Aber das alles sagt natürlich nur zum Teil etwas über den Gehalt der Veranstaltung aus. Denn wie gesagt: Dass nicht viel Spektakuläre geschah, heißt ja noch lange nicht, dass nichts geschah und vor allem heißt es nicht, dass nichts Wichtiges Geschah (vor allem wenn man bedenkt, dass manchmal auch nicht-Ereignisse eine Aussage bergen).
Mit wem Pak sprach und mit wem nicht
So ist es natürlich interessant zu sehen, dass Pak durchaus einige Kollegen getroffen hat. Neben denen aus Vietnam und Singapur, die oben im Bild waren, gehörten laut KCNA außerdem die Außenminister Kambodschas und Chinas dazu. Das wäre eine ganz gute Ausbeute, wenn man den Aussagen der Hankyoreh folgt, die besagen, dass sich Nordkoreas Außenpolitiker auf dem ARF in der Vergangenheit weitgehend auf Treffen mit den chinesischen Amtskollegen beschränkt hätten (im letzten Jahr war außerdem noch Russland dabei). Im selben Artikel wird auch behauptet, Pak habe sich nicht nur mit den vorgenannten Außenministern zusammengesetzt, sondern auch mit dem Vertreter Myanmars (auch Indonesien und die Philippinen standen noch auf dieser Liste). Das hätte wiederum einige Tragweite, denn die USA haben Rangun bzw. Naypidaw relativ unelegant dazu gezwungen, Nordkorea von der Freundes- und Bekanntenliste zu streichen. Ein Treffen im Rahmen einer solchen Veranstaltung kann den USA nicht gefallen haben. Allerdings habe ich zu dem Treffen mit dem Außenminister Myanmars relativ wenig gefunden (kann also sein, dass sich der Korrespondent (der aber vor Ort war) verguckt hat, keine Ahnung). Jedenfalls zeigt sich auch hier wieder ein Trend hin zu diplomatischen Avancen gegenüber den Staaten Südostasiens. Allerdings geht das nicht so weit, dass man Gastgeber Kambodscha den Erfolg zuteilwerden ließ, im Konflikt auf der Koreanischen Halbinsel zu vermitteln. Um für eine solche Vermittlertätigkeit Vorbereitungen zu treffen war Kambodschas Außenminister Hor Namhong nämlich erst vor einigen Wochen nach Pjöngjang geflogen. Wie gesagt: Mit den Vertretern Südkoreas und den USA gab es dagegen keine Annäherung. Man zeigte sich vielmehr die kalte Schulter. Berichten zufolge gaben sich die koreanischen Minister die allergrößte Mühe sich nicht über den Weg zu laufen und begrüßten sich auch nicht.
Stimmen der Vergangenheit…
Da passt auch ganz gut das obskure Statement ins Bild, dass die nordkoreanische Delegation zum krönenden Abschluss veröffentlichte. Es soll die Stellungnahme Paks vor dem ARF zusammenfassen und (laut dem Typen im Video) die offizielle Position der Regierung der DVRK widerspiegeln. Allerdings wurden die in der Pressemitteilung gemachten Aussagen Paek Nam-sun zugeschrieben. Der war auch mal Außenminister Nordkoreas, ist aber zwischenzeitlich (vor fünf Jahren) verstorben. Auch wenn das Statement wenig Neues enthielt (wir müssen uns nuklear bewaffnen, solange wir von der feindseligen Politik der USA bedroht werden) waren darin auch Verweise auf aktuelle Ereignisse wie den Raketenstart oder den Beschuss der nordkoreanischen Flagge durch US-Truppen in einem Manöver zu finden. Das nennt man dann wohl schlampiges copy-pasten.
Unspezifische Abschusserklärung
Achja, eine Abschlusserklärung gab es auch in diesem Jahr auch wieder und auch die zeigt, dass sich mit Bezug auf Nordkorea nicht viel getan hat. Das was hier steht ist sehr vorsichtig formuliert und weist eigentlich nicht auf irgendwelche Probleme. Das könnte fast eins zu eins aus dem Bestand chinesischer Pressemitteilungen zu Nordkorea stammen. Alle Parteien werden angehalten keine weiteren provokativen Schritte zu begehen und sich an ihre Verpflichtungen aus UN-Resolutionen und Vereinbarungen aus den Sechs-Parteien-Gesprächen zu halten. Die Parteien sollen nach Wegen suchen, wieder Vertrauen herzustellen. Außerdem wird auf die erfolgreiche Reise des kambodschanischen Außenministers als ASEAN und ARF Vorsitzender nach Pjöngjang hingewiesen. Nicht erklärt wird allerdings, worin diese Erfolge genau zu sehen sind. Was fehlt ist beispielsweise eine konkrete Bezugnahme zum Raketenstart Nordkoreas. Das kann man getrost als Niederlage für die USA, Südkorea und vielleicht auch die Philippinen (im Gefolge der USA und als irgendwie betroffenes Land) werten.
Vergleicht man dieses Statement beispielsweise mit dem Vorjahr, dann wurde letztes Mal schon eher Tacheles gesprochen, als man seine Besorgnis über Nordkoreas Nuklearprogramm zum Ausdruck brachte und auch auf humanitäre Fragen verwies. Das alles fehlt dieses Mal.
Was uns das ARF 2012 lehrt
Das was ich an diesem ARF interessant finde, ist nicht das konkrete Ergebnis hinsichtlich der Koreanischen Halbinsel. Das ist nämlich fast inexistent. Das Interessante ist die Tatsache, dass sich gerade an dieser Ergebnislosigkeit, bzw. einigen nebensächlichen Beobachtungen, einige der großen politischen Linien festmachen lassen, die uns in den vergangenen Jahren beschäftigt haben und vermutlich im kommenden Jahr genauso beschäftigen werden.
Diplomatisch passiert in den nächsten Monaten nichts Wichtiges
Als erstes Mal zu der Frage, warum von diesem ARF nicht wirklich etwas zwischen Nordkorea auf der Einen und Südkorea und den USA auf der anderen Seite zu erwarten war. Das ist wohl vor alle Dingen der Tatsache geschuldet, dass so bald keine diplomatischen Initiativen mehr auf der Koreanischen Halbinsel stattfinden werden und um das ein bisschen zu konkretisieren. Eh nicht klar ist, wer im Weißen und wer im Blauen Haus in den nächsten Jahren regieren wird, wird sich niemand mehr die Mühe machen. Für Pjöngjang ist es wenig sinnvoll, da man nicht wissen kann, ob jetzt getroffene Vereinbarungen eine Halbwertszeit von mehr als einem halben Jahr haben, für Washington bzw. den dort regierenden Präsidenten ist es nach der Bloßstellung des „leap-day-agreement“ (der Vereinbarung die die USA und Nordkorea kurz vor der Verkündigung des Raketenstarts trafen) vermutlich am Besten, wenn so wenig wie möglich über das Nordkoreathema gesprochen wird und für Seoul bzw. Lee Myung-bak käme eine Abkehr vom Kurs der letzten Jahre einem totalen Eingeständnis der absoluten Erfolglosigkeit der eigenen Politik gleich. Auf gutdeutsch. Nach dem ARF ist es noch sicherer als davor, dass man sich bis zu den Wahlen in Südkorea und Washington nicht mehr ernsthaft an einen Tisch setzen wird.
Kuscheln mit SOA geht weiter
Den zweiten Trend habe ich ja oben schon angesprochen: Nordkoreas Werben um die Staaten Südostasiens geht weiter. Während sonst im Rahmen des ARF meist die Beziehungen zu den unmittelbaren Partnern, bzw. Gegnern im Zentrum des nordkoreanischen Handelns standen, waren es in diesem Jahr die ASEAN-Staaten, denen man viel Energie widmete. Das kann ein Zufall sein, aber an die glaube ich nicht so recht. Vielmerh passt es ins große Bild des Werbens Nordkoreas um viele Staaten der Region. Und naja, wenn man so will, kann man im diesjährigen Statement des Vorsitzenden (das aber im Konsens aller Teilnehmer beschlossen werden muss) die ersten Früchte dieser Bemühungen sehen. Nordkorea kam fast unbescholten aus der Geschichte raus. Tatsächlich wurde eine Reise nach Pjöngjang sogar als Erfolg beschrieben. Da wissen zukünftige ASEAN und ARF-Vorsitzende ja, was sie zu tun haben, wenn sie erfolgreich sein wollen. Einfach nach Pjöngjang fliegen. Auf gutdeutsch: Nordkorea hält weiter Kurs auf die ASEAN und versucht aktiv Freunde in der Region zu gewinnen.
Konstante Motive: Die USA bleiben im Fokus von Nordkoreas Außenpolitik
Der dritte Trend lässt sich an der obskuren Stellungnahme des nordkoreanischen Außenamtes festmachen, oder vielmehr an der Tatsache, dass die Vorlage dazu wohl schon mindestens fünf Jahre alt ist (wenn man nicht von einer perfiden Verwirrungstaktik des Regimes ausgehen will (was ich nicht vorhabe)). Denn vermutlich konnten wenige Gäste des ARF eine Stellungnahme, die vor fünf Jahren gehalten wurde einfach übernehmen, ein paar Absätze änder und das dann als die offizielle Regierungsposition verlesen. Die Tatsache, dass Pjöngjang das kann zeigt ein weiteres Mal, wie wenig sich in den zentralen außenpolitischen Fragen des Regimes geändert hat. Der Fokus ist noch haargenau derselbe wie vor fünf Jahren. Das Verhältnis zu den USA und die Rolle die die Vereinigten Staaten auf der Koreanischen Halbinsel spielen sind ein herausragendes handlungsleitendes Motiv der nordkoreanischen Außenpolitik. Auf gutdeutsch: Die Tagespolitik auf der Koreanischen Halbinsel mag sich ändern. Die zentralen außenpolitischen Fragestellungen bleiben für Pjöngjang die gleichen.
Nächstes Jahr mit frischem Personal zu frischen Ergebnissen?
So viel zum diesjährigen ARF. Ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr mit frischem Personal in den Meisten der Hauptstädte des Sechs-Parteien (Ach verrückt! Russland: Neuer (alter) Präsident; China: Bald neue Spitze; Südkorea, Bald neuer Präsident; USA: bald neuer (vielleicht alter) Präsident; Nordkorea: Neuer Kim Jong Un; Japan: Momentan immer für spontane Regierungswechsel gut. Frischer geht ja fast nicht.) über spektakuläre positive Entwicklungen berichten kann.
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